BT-Drucksache 18/10176

Einstufung einer Anti-Atom-Aktivistin als "Gefährder" und "relevante Person"

Vom 31. Oktober 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10176
18. Wahlperiode 31.10.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Ulla Jelpke, Caren Lay, Herbert Behrens,
Eva Bulling-Schröter, Birgit Menz, Petra Pau, Dr. Kirsten Tackmann und der
Fraktion DIE LINKE.

Einstufung einer Anti-Atom-Aktivistin als „Gefährder“ und „relevante Person“

Vermeintlich „linksextreme“ oder „gewaltbereite“ linke Organisationen sowie
Einzelpersonen stehen immer wieder im Fokus polizeilicher und geheimdienst-
licher Maßnahmen. In diesem Zusammenhang werden offenbar Personen als so
genannte relevante Personen eingestuft.
Nach Information der Fragesteller wurde vom Landeskriminalamt (LKA) Nieder-
sachsen und dem Bundeskriminalamt (BKA) auch eine Umweltaktivistin als eine
solche „relevante Person“ geführt, die vor allem mit ihren gewaltfreien öffent-
lichkeitswirksamen Kletteraktionen gegen die Atomenergienutzung und für den
Umweltschutz auf Missstände aufmerksam macht. In einem den Fragestellern
vorliegenden Widerspruchsbescheid des BKA wird diese Aktivistin als „rele-
vante Person“ und „Gefährder“ benannt.
In der Antwort auf die Kleine Anfrage „Maßnahmen gegen gewaltorientierten
Linksextremismus“ der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache
17/5136 vom 21. März 2011 teilt die Bundesregierung mit, dass eine Person als
„relevant“ anzusehen sei, „wenn sie innerhalb des extremistischen/terroristischen
Spektrums die Rolle einer Führungsperson, eines Unterstützers/Logistikers oder
eines Akteurs einnimmt und objektive Hinweise vorliegen, die die Prognose zu-
lassen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbe-
sondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung (StPO) fördert, un-
terstützt, begeht oder sich daran beteiligt“.
Obwohl es mit Blick auf die genannte Kletteraktivistin in allen Fällen zur Ein-
stellung der Verfahren nach § 170 Absatz 2 StPO gekommen ist, wurde der Status
einer „Gefährderin“ bzw. „relevanten Person“ nach Informationen der Fragestel-
ler bis vor kurzem aufrechterhalten und erst aufgrund eines Widerspruchs der Be-
troffenen vom LKA Niedersachsen inzwischen aufgehoben.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Personen wurden in den Jahren 2015 und 2016 jeweils als „Ge-

fährder“ eingestuft, und wie viele davon wurden jeweils welchen Phänomen-
bereichen der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) zugeordnet?

2. Wie viele Personen sind aktuell als „relevante Person“ eingestuft, und wie
viele davon werden jeweils welchen Phänomenbereichen der PMK zugeord-
net?

Drucksache 18/10176 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Wie viele sogenannte Gefährder bzw. relevante Personen sind im Bereich
des Umweltaktivismus tätig (bitte außerdem die jeweils zugeordneten PMK-
Bereiche angeben)?

4. Wie ist der Begriff „bestimmte Tatsachen“, der laut Erklärung der Bundes-
regierung auf Bundestagsdrucksache 16/3570 (S. 6) bei der Einstufung von
Personen als „Gefährder“ oder „relevante Person“ eine wesentliche Rolle
spielt, zu verstehen bzw. definiert?

5. Reicht für die Einstufung eine Prognose auf Grundlage von Polizeidateien
aus, selbst wenn die zunächst formulierten Vorwürfe sich niemals gerichtlich
erhärten ließen?

6. Welche Maßnahmen sind nach der StPO und – soweit die Bundesregierung
Kenntnis davon hat – nach den Polizeigesetzen der Länder gegen als „Ge-
fährder“ oder „relevante Person“ eingestufte Personen zulässig, wenn gegen
diese Personen keine Strafverfahren wegen politisch motivierter Straftaten
von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a StPO,
laufen?

7. Wie oft haben Personen, die als „Gefährder“ bzw. „relevante Person“ geführt
wurden, in den letzten drei Jahren die Löschung dieser Einstufungen bean-
tragt bzw. vor Gericht erfolgreich durchgesetzt?
In wie vielen Fällen wurde einem entsprechenden Antrag nicht oder nur teil-
weise stattgegeben?

8. Inwiefern bzw. nach welcher Frist ist der Eintrag von Amts wegen zu lö-
schen, wenn keine Strafverfahren wegen politisch motivierter Straftaten von
erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a StPO, ge-
gen die Betroffenen laufen und frühere Verfahren wegen Nichtstrafbarkeit
der Handlung nach § 170 Absatz 2 StPO eingestellt wurden?

Berlin, den 31. Oktober 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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