BT-Drucksache 18/10134

Kosten, Flächenverbrauch und Umweltauswirkungen des geplanten Straßenneubaus B 210n Aurich

Vom 21. Oktober 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10134
18. Wahlperiode 21.10.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Peter Meiwald, Dr. Valerie Wilms, Matthias Gastel,
Stephan Kühn (Dresden), Tabea Rößner, Markus Tressel und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kosten, Flächenverbrauch und Umweltauswirkungen des geplanten
Straßenneubaus B 210n Aurich

Im Landkreis Aurich in Ostfriesland ist seit vielen Jahren der Neubau eines zwei-
bis dreistreifigen Straßenprojektes im Gespräch, das insbesondere aus einer Orts-
umfahrung um Aurich sowie einem Autobahnzubringer über Ihlow an die A 31
in Riepe besteht.
Sein Bau ist mit einer hohen Betroffenheit für Umwelt und Natur verbunden. Das
Gesamtprojekt würde unter anderem die Westerender Ehe, ein als Flora-Fauna-
Habitat-Gebiet (FFH) ausgewiesenes, wertvolles Fließgewässer, erheblich beein-
trächtigen, bisher unzerschnittene Kernräume über mindestens 11 Kilometer zer-
schneiden und allein für den Bau der Trasse fast 100 ha Land verbrauchen (www.
bvwp-projekte.de/strasse/B210-G10-NI/B210-G10-NI.html. Zuzüglich der Fläche
für Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen ist die Flächengesamtinanspruchnahme
weitaus höher.
Die Trasse verläuft zudem durch eine Jahrhunderte alte Kulturlandschaft in Ost-
friesland, die Wallhecken. Wallhecken sind Ergebnis einer traditionellen land-
wirtschaftlichen Nutzung und stehen heute unter Naturschutz. Durch ihre ver-
netzte Struktur fördern sie die Ausbreitung von Pflanzen und Tieren. Die Land-
kreise Aurich, Leer und Wittmund zählen heute mit zusammen 5 700 Kilometern
Wallhecken zu der Region in Niedersachsen mit dem dichtesten Wallheckennetz
(Wallhecken – Informationen zum Förderprogramm, www.nlwkn.niedersachsen.
de/naturschutz/biotopschutz/wallheckenprogramm_ostfriesland/das-wallhecken-
programm-ostfriesland-44180.html).
Aufgrund des hohen Flächenverbrauchs und der massiven Nachteile für den
Naturschutz schlägt das Umweltbundesamt vor, das Vorhaben ganz aus dem
Entwurf zu streichen (www.umweltbundesamt.de/presse/presseinformationen/
bundesverkehrswegeplan-besteht-eigene).
Der Straßenneubau stößt vor Ort auf große Ablehnung. Neben der Kritik an den
Kosten für Natur, Umwelt, dem hohen Flächenverbrauch des Neubauvorhabens
sowie dem Eingriffen in die wertvolle Kulturlandschaft bestehen Zweifel an
der tatsächlichen Entlastungswirkung (www.oz-online.de/-news/artikel/103489/
Buergerinitiative-B-210n-fuer-Aurich-unnoetig).
Trotz des Widerstandes vor Ort und im Rahmen des Beteiligungsverfahrens zur
Strategischen Umweltprüfung ist das Vorhaben im Bundesverkehrswegeplan
weiterhin in den Vordringlichen Bedarf eingestuft.

Drucksache 18/10134 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Wie viel Fläche wird nach jetzigem Planungsstand im Zuge des zwei-
bzw. des dreistreifigen Neu- und Ausbaus versiegelt bzw. dauerhaft bean-
sprucht (bitte nach Teilprojekten aufschlüsseln)?

b) Wie viel Fläche wird insgesamt für den Bau der Trasse inkl. Baufeld be-
nötigt (bitte nach Teilprojekten aufschlüsseln)?

c) Wie viel Fläche wird für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie zur
Erstaufforstung benötigt (bitte nach Teilprojekten aufschlüsseln)?

d) Hat die Bundesregierung bereits eine Einschätzung der Gesamtflächenin-
anspruchnahme (Erwerb und Beschränkung sowie öffentliche Flächen)?
Wenn ja, wie hoch ist diese?
Wenn nein, wieso nicht?
Wenn nein, wie ist es aus Sicht der Bundesregierung dennoch möglich,
den gesamtwirtschaftlichen Nutzen des Vorhabens abzuschätzen?

2. a) Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung für den Kauf der Bau-
fläche inklusive Baufeld (bitte nach Teilprojekten aufschlüsseln und
durchschnittliche Kosten pro Quadratmeter angeben)?

b) Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung für den Kauf der Flä-
che für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie zur Erstaufforstung
(bitte nach Teilprojekten aufschlüsseln und durchschnittliche Kosten
pro Quadratmeter angeben)?

c) Mit welchem Betrag sind die Grunderwerbskosten in die Nutzen-Kosten-
Analyse zum Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP 2030) eingerechnet
worden (bitte mit Angabe des Preisstandes)?

3. Welche Steigerung der Grundstückspreise entlang der geplanten Trasse hat
die Bundesregierung in den letzten Jahren seit 2010 beobachtet, von welchen
Kostensteigerungen geht sie für die folgenden Jahre bis 2030 aus, und wel-
chen Anteil haben die Grundstückskosten an den aktuellen gesamten Pro-
jektplanungskosten?

4. a) Von welchen Gesamtkosten geht die Bundesregierung aktuell für das Ge-
samtprojekt sowie für die Teilabschnitte jeweils aus?

b) Wie berechnet die Bundesregierung die veranschlagten Gesamtkosten für
das Neubauvorhaben (bitte nach Kostenkomponenten und Teilprojekten
aufschlüsseln und jeweilige Kostenhöhe angeben)?

5. In welchem Planungsstadium befinden sich die einzelnen Teilprojekte, und
für welchen jeweiligen Zeitpunkt sieht die Bundesregierung einen Baube-
ginn der einzelnen Abschnitte vor (bitte aktuellen Stand angeben)?

6. a) Welche Auswirkungen hatte die als „hoch“ eingestufte Umweltbetroffen-
heit der B 210n auf die Dringlichkeitseinstufung des Projektes in den Vor-
dringlichen Bedarf im Rahmen der BVWP-2030-Aufstellung, insbeson-
dere vor dem Hintergrund, dass das Vorhaben gemäß der angewandten
Methodik als Bundesstraße nicht für eine Einstufung in den Vordringli-
chen Bedarf mit der zusätzlichen Bezeichnung „Engpassbeseitigung“ in-
frage kommt?

b) Welche Auswirkungen hat die als „hoch“ eingestufte Umweltbetroffen-
heit auf den weiteren Planungsprozess?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10134
7. a) Wie bewertet die Bundesregierung die Bedeutung der Wallhecken um Au-
rich in Hinblick auf ihren Wert als Kulturlandschaft?

b) Wie bewertet die Bundesregierung die Bedeutung der Wallhecken um
Aurich in Hinblick auf ihren Wert für den Tourismus in der Region?

c) Wie bewertet die Bundesregierung die Bedeutung der Wallhecken um
Aurich in Hinblick auf ihren Wert für die Natur?

8. a) Welche Beeinträchtigungen erwartet die Bundesregierung für die Wallhe-
ckenlandschaft um Aurich?

b) In welchem Erhaltungszustand befinden sich die noch bestehenden Wall-
hecken um Aurich?

c) Auf welcher Länge würde das Gesamtvorhaben die historische Wallhe-
ckenlandschaft und den Upstalsboom durchschneiden?

d) Wurden die negativen Auswirkungen auf die Wallheckenlandschaft bei
der Dringlichkeitseinstufung des Vorhabens berücksichtigt?
Wenn ja, inwiefern?
Wenn nein, warum nicht?

e) Welche Förderprogramme gibt es zum Schutz der Wallheckenlandschaft
nach Kenntnis der Bundesregierung, und welche Ersatzmaßnahmen sind
in Bezug auf das Vorhaben vorgesehen?

9. a) Wie hoch ist aktuell der Anteil des Ziel- und Quellverkehrs in den Orts-
durchfahrten im Zuge der B 72 und der B 210 in Aurich?

b) Inwiefern wurde der Anteil des Ziel- und Quellverkehrs in die BVWP-
2030-Bewertung berücksichtigt?

c) Liegen der Bundesregierung Prognosedaten zum Ziel- und Quellverkehr
in Aurich im Jahr 2030 vor?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?

10. a) Geht die Bundesregierung davon aus, dass die im Projektinformationssys-
tem (PRINS) dargestellten Straßenraumeffekte beim Neubau der B 210n,
die zu der dort genannten Bewertung der städtebaulichen Bedeutung ge-
führt haben, ohne Umbau der Ortsdurchfahrten zum Tragen kommen?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung zur Abru-
fung des dargestellten Potentials, und inwiefern werden diese bereits in
die Nutzen-Kosten-Analyse eingerechnet?

b) Wer trägt aus Sicht der Bundesregierung die Kosten, die notwendig sind,
um die im PRINS genannten Umgestaltungspotentiale tatsächlich abzu-
rufen, damit sich die versprochene Entlastungswirkung tatsächlich ein-
stellt?

11. Welche Auswirkungen hat der Bau der B 210n aus Sicht der Bundesregie-
rung auf die Landwirtschaft in der Region, und wie viel landwirtschaftlich
genutzte Fläche wird durch das Vorhaben in Anspruch genommen (bitte in
Hektar sowie in Prozent des gesamten Flächenverbrauchs angeben)?

12. a) Wie hoch ist das Unfallaufkommen auf den Ortsdurchfahrten aktuell (bitte
für die Jahre ab 2010 aufschlüsseln)?

b) Handelt es sich bei den Ortsdurchfahrten B 72 bzw. B 210 um einen Un-
fallschwerpunkt?

Drucksache 18/10134 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

13. Hat die Bundesregierung eine Ex-post-Analyse darüber, inwiefern die seit

dem BVWP 2003 umgesetzten Ortsumfahrungen jeweils überhaupt zu einer
innerörtlichen Entlastung geführt haben, wenn an der jeweiligen Ortsdurch-
fahrt keinerlei Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung durchgeführt wurden?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

14. Hat der Bund im Rahmen der Aufstellung eine sogenannte Null-Plus-Vari-
ante als Alternative zum Neubauvorhaben B 210n überprüft?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

15. Haben bezüglich des Neu- und Ausbauvorhabens Gespräche zwischen dem
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und Vertretern
oder Mandatsträgern aus der Region stattgefunden?
Wenn ja, wann, und mit welchem Inhalt?

16. a) Hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Rah-
men der Öffentlichkeitsbeteiligung Stellungnahmen erhalten, die die Um-
weltauswirkungen des Vorhabens mit Blick auf den Gesamtplan themati-
sieren?

b) Was waren zusammengefasst die wesentlichen Argumente dieser Stel-
lungnahmen (bitte unter Beachtung, dass nach den Inhalten der eingegan-
genen Stellungnahme gefragt wird, nicht nach ihrer Anzahl)?

c) Inwiefern wurden die in Frage 16b genannten Argumente bei der Überar-
beitung des Entwurfs berücksichtigt?

Berlin, den 18. Oktober 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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