BT-Drucksache 18/10029

zu den Entwürfen für eine Durchführungsverordnung und zwei Durchführungsbeschlüsse der Europäischen Kommission über das Inverkehrbringen von Saatgut zum Anbau der gentechnisch veränderten Maislinien MON 810, 1507 und Bt11 (Dokumente SANTE/10702/2016, CIS Rev. 3, SANTE/1070410703/2016 CIS Rev. 3, SANTE, SANTE/1070310704/2016 CIS Rev. 3) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Keine Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinien MON 810, 1507 und Bt11 für den Anbau in der EU

Vom 19. Oktober 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10029
18. Wahlperiode 19.10.2016
Antrag
der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff,
Markus Tressel, Annalena Baerbock, Matthias Gastel, Bärbel Höhn, Sylvia
Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden), Christian Kühn
(Tübingen), Steffi Lemke, Peter Meiwald, Dr. Julia Verlinden, Dr. Valerie Wilms
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu den Entwürfen für eine Durchführungsverordnung und zwei
Durchführungsbeschlüsse der Europäischen Kommission über
das Inverkehrbringen von Saatgut zum Anbau der gentechnisch
veränderten Maislinien MON 810, 1507 und Bt11
(Dokumente SANTE/10702/2016 CIS Rev. 3, SANTE/10704/2016 CIS Rev. 3,
SANTE/10703/2016 CIS Rev. 3)

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23
Absatz 3 des Grundgesetzes

Keine Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinien MON 810, 1507
und Bt11 für den Anbau in der EU

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die EU-Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen wird seit den Verträgen
von Lissabon nicht mehr als Beschluss des Rates der Europäischen Union direkt von
den zuständigen Ministern in öffentlicher Sitzung gefasst, sondern in nichtöffentli-
cher Sitzung von Ministerialbeamten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere,
Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF).1 Die Europäische Kommission hat im
Juli 2016 angekündigt, die Abstimmungen über die Zulassungen der gentechnisch
veränderten Maislinien MON 810 von Monsanto (Erneuerungsantrag), 1507 von
Dow/DuPont und Bt11 von Syngenta für den Anbau am 14. Oktober dieses Jahres
anstreben zu wollen. Mittlerweile werden die Abstimmungen für die Sitzung am
11. November erwartet. Im Oktober soll lediglich erneut über die Vorschläge disku-
tiert werden. Die Bundesregierung hat die Möglichkeit, schriftliche Kommentare
1 im Unterausschuss für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel (http://ec.eu-

ropa.eu/food/plant/standing_committees/index_en.htm)

Drucksache 18/10029 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
einzureichen, nicht genutzt.2 Über ihr Abstimmungsverhalten hat sich die Bundes-
regierung noch nicht geeinigt.3
Die Ablehnung der gentechnisch veränderten Maislinien innerhalb der Europäischen
Union ist groß. Schon zwei Drittel der Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, haben
von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, von den antragstellenden Unternehmen die
Herausnahme des eigenen Territoriums aus der beantragten Anbauzulassung zu er-
bitten.4 Die Umsetzung der Opt-out-Richtlinie in deutsches Recht als zuverlässige
Grundlage für rechtssichere nationale Anbauverbote ist dagegen bis heute nicht er-
folgt.
Das Europäische Parlament hat die Zulassungen am 6. Oktober 2016 in drei Ent-
schließungen abgelehnt und die Kommission aufgefordert, die Vorschläge zurück-
zuziehen.5

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

a) die Vorschläge der Europäischen Kommission über die erneute Zulassung für
den Anbau der gentechnisch veränderten Maislinie MON 810 und über die erst-
malige Zulassung der Linien 1507 und Bt11 für den Anbau im Ständigen Aus-
schuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel abzulehnen und

b) die Zulassung der genannten Linien auch im Berufungsausschuss abzulehnen,
sollte es dort ebenfalls zur Abstimmung kommen.

Berlin, den 18. Oktober 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
2 Antwort auf Schriftliche Frage 70 auf Bundestagsdrucksache 18/9970
3 Antwort auf Schriftliche Frage 25 auf Bundestagsdrucksache 18/10095
4 www.zeit.de/wissen/umwelt/2015-10/eu-gentechnik-genmanipulierte-pflanzen-verbotsantrag
5 www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+20161006+TOC+DOC+XML+V0//DE

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10029
Begründung

Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen wird sowohl in Deutschland als auch in den anderen Mitglied-
staaten der Europäischen Union von der Bevölkerung mit großer Mehrheit abgelehnt. Kommt es in den Gremien
des Rates der Europäischen Union zur Abstimmung, findet sich unter den Mitgliedstaaten jedoch regelmäßig
weder eine qualifizierte Mehrheit für noch eine qualifizierte Mehrheit gegen die Zulassung gentechnisch ver-
änderter Pflanzen zum Anbau in der EU. Von der Einführung der sogenannten Opt-out-Regelung, die es den
Mitgliedstaaten nun erlaubt, den Anbau von zugelassenen Gentech-Pflanzen auf ihrem Territorium zu beschrän-
ken oder zu verbieten, erhofften sich die Europäische Kommission und vor allem auch erklärtermaßen die Gen-
technik-Unternehmen ein Aufbrechen dieser Patt-Situation beziehungsweise eine „Auflösung des Zulassungs-
Staus“, wie es die Industrie nennt. Die Erwartung ist, dass den Mitgliedstaaten die grundsätzliche Zustimmung
zu den Gentechnik-Zulassungen in Brüssel leichter fällt, wenn sie gleichzeitig im eigenen Land den Anbau
verbieten dürfen. Doch eine konsistente Politik sieht anders aus: Wer den Anbau im eigenen Land nicht will,
muss die gentechnikfreie Landwirtschaft vor Verunreinigung schützen. Das geht aber nur, wenn in Europa kein
Flickenteppich aus Ländern und Regionen mit und ohne Gentechnik-Anbau entsteht. Denn Gentech-Pollen
macht nicht an Grenzen halt und jeder Gentech-Anbau, auch im Nachbarland, beinhaltet das Risiko der uner-
wünschten Ausbreitung oder Verunreinigung. Deshalb ist wirkliche Gentechnikfreiheit nur zu erreichen, wenn
auch die Zustimmung zur Anbauzulassung in Brüssel versagt wird, um den Anbau in ganz Europa zu verhin-
dern.
Das deutsche Landwirtschaftsministerium votiert jedoch üblicherweise für Zustimmung, das deutsche Umwelt-
ministerium für Ablehnung – weshalb sich die Bundesregierung in der Vergangenheit meist enthalten hat.
Im Falle eines Patts obliegt es der Europäischen Kommission, innerhalb einer gewissen Frist die Zulassung
auszusprechen. Werden nach erfolgter Zulassung neue wissenschaftliche Erkenntnisse publiziert, die ein Risiko
für Umwelt oder Gesundheit vermuten lassen, können die einzelnen Mitgliedstaaten auf Grundlage des Vorsor-
geprinzips vorübergehend den Anbau untersagen. Von dieser Möglichkeit hatten im Fall der Maislinie
MON 810, der einzigen seit 1998 in der EU zum Anbau zugelassenen gentechnisch veränderten Maislinie,
mehrere Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht, darunter Deutschland. Die neue Opt-out-Regelung bietet nun wei-
tere Möglichkeiten, den Anbau längerfristig national zu beschränken oder zu verbieten. Ein Großteil der EU-
Staaten hat bereits von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Territorien von den Unternehmen freiwillig
aus dem Gültigkeitsbereich der geplanten Anbauzulassungen herausnehmen zu lassen. Tatsächliche nationale
Verbote auf Basis der neuen Möglichkeiten gibt es bisher noch in keinem EU-Staat. In größerem Umfang wird
MON 810 aktuell nur in Spanien angebaut.
Die gentechnisch veränderte Maislinie 1507 von DuPont Pioneer und Dow Agrosciences enthält wie MON 810
von Monsanto und Bt11 von Syngenta ein Gen des Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt), welches dazu führt,
dass die Pflanze in allen Teilen Bt-Toxin produziert, das vor allem für bestimmte Insekten giftig ist. In Deutsch-
land soll mit dieser Methode insbesondere der Maiszünsler bekämpft werden, ein Schmetterling, dessen Raupen
sich von der Maispflanze ernähren. Inwieweit dieses Vorgehen Risiken für andere Insekten und Gliederfüßer
über und unter der Erde, für mit Bt-Mais gefütterte Nutztiere und letztlich für den Menschen birgt, ist umstritten.
Im Vergleich zu MON 810 und Bt11 enthält 1507 eine andere, weniger erforschte Variante des Bt-Toxins in
zudem deutlich höheren Konzentrationen.
Die Maislinie 1507 befindet sich seit über 10 Jahren im Zulassungsverfahren. Immer wieder wurden neue Zwei-
fel an der Sicherheit der gentechnischen Veränderungen laut. Nach der mehrmaligen Bewertung durch die
EFSA weigerten sich die Antragsteller schließlich, weitere Auflagen der Europäischen Kommission zu erfüllen
und reichten erfolgreich Untätigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof ein. Am 6. November 2013 be-
schloss die Europäische Kommission deshalb, dem Rat der Europäischen Union zeitnah einen Entscheidungs-
vorschlag für die Anbau-Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinie 1507 vorzulegen. Dieses Verfahren
wurde durch die Änderung der EU-Freisetzungsrichtlinie (Opt out) unterbrochen und nun wieder aufgenommen.
Die Risiken der zur Zulassung anstehenden Sorten für Umwelt und Gesundheit sind also nicht ausreichend
geklärt, deshalb muss die Bundesregierung sie ablehnen. Wer wirklich die Vorbehalte des Großteils der Bevöl-
kerung anerkennt und es ernst meint mit der Gentechnikfreiheit in Deutschland, muss ohnehin Nein sagen zur
europaweiten Zulassung von Gentechnik-Anbau.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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