BT-Drucksache 18/10028

Gentechnikfreiheit Deutschlands sichern

Vom 19. Oktober 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10028
18. Wahlperiode 19.10.2016
Antrag
der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff,
Bärbel Höhn, Markus Tressel, Annalena Baerbock, Matthias Gastel, Sylvia
Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden), Christian Kühn
(Tübingen), Steffi Lemke, Peter Meiwald, Dr. Julia Verlinden, Dr. Valerie
Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gentechnikfreiheit Deutschlands sichern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit Verabschiedung der Richtlinie (EU) 2015/412, der sogenannten „Opt-Out-Richt-
linie“, vom 11. März 2015 wurde den Mitgliedstaaten der EU die Möglichkeit eröffnet,
den Anbau von Gentechnikpflanzen in ihrem gesamten Hoheitsgebiet oder Teilen da-
von zu verbieten.
Die Mehrheit der europäischen Staaten, darunter Deutschland, hat inzwischen die in
der Opt-Out-Richtlinie vorgesehene Phase 1 genutzt, d. h. von der Möglichkeit Ge-
brauch gemacht, die antragstellenden Unternehmen in einem laufenden Zulassungs-
verfahren darum zu bitten, auf eine Anbaugenehmigung für das jeweilige Land zu ver-
zichten.
Mehrere Mitgliedstaaten der EU haben darüber hinaus inzwischen eine nationale Ge-
setzgebung auf den Weg gebracht, um auch den Anbau zugelassener Gentechnik-
Pflanzen auf dem eigenen Territorium verbieten oder einschränken zu können. Um die
Gentechnikfreiheit auf Deutschlands Äckern auf Dauer zu sichern, bedarf es auch hier
einer rechtssicheren Verbotsmöglichkeit für den Anbau von Gentechnik-Pflanzen. Die
Gentechnikfreiheit Deutschlands darf langfristig nicht allein auf freiwilligen Ver-
zichtserklärungen von Unternehmen basieren.
Um einen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen zu verhindern, müssen An-
bauverbote für Gentechnik-Pflanzen rechtssicher bundesweit gelten. Der Bund muss
dabei die Hauptverantwortung tragen für Begründung und rechtliche Absicherung der
Verbotsgründe. Der jetzt in der ressortabgestimmten Fassung vorgestellte Gesetzent-
wurf der Bundesregierung erfüllt diese Anforderungen nicht.
Schon im November letzten Jahres haben die Bundesländer im Bundesrat einen eige-
nen Gesetzentwurf vorgelegt, der Rechte und Aufgabenverteilung zwischen Bund und
Ländern sinnvoll regelt.
Die vorliegenden juristischen Gutachten zu den neuen Gentechnikverfahren bestäti-
gen, dass diese unter die einschlägigen Gesetze, Richtlinien und Verordnungen des
Gentechnikrechts fallen. Die Bundesregierung muss sich daher jetzt auf EU-Ebene für

Drucksache 18/10028 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

eine entsprechende Klarstellung einsetzen, bevor derartige Produkte unreguliert auf
den Markt gelangen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

a) den vom Bundesrat vorgelegten „Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des
Gentechnikgesetzes“ (BT-Drs. 18/6664) aufzugreifen und für eine zügige Be-
handlung und Verabschiedung Sorge zu tragen,

b) auf EU-Ebene auf eine Klarstellung hinsichtlich der rechtlichen Einstufung neuer
gentechnischer Verfahren und auf deren Regulierung gemäß Freisetzungsrichtli-
nie hinzuwirken.

Berlin, den 18. Oktober 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Begründung

Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen wird sowohl in Deutschland als auch in den anderen Mitgliedstaa-
ten der Europäischen Union von der Bevölkerung mit großer Mehrheit abgelehnt. Die Bundesregierung hat in
ihrem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ausdrücklich erklärt, dass sie die Vorbehalte des Groß-
teils der Bevölkerung anerkennt. Die Bundesregierung muss also dafür Sorge tragen, die Gentechnikfreiheit
Deutschlands sicherzustellen.
Mit der „Opt-Out-Richtlinie“ (EU) 2015/412 vom 11. März 2015 hat die EU ihren Mitgliedstaaten neue Mög-
lichkeiten gegeben, den Anbau von Gentechnik-Pflanzen auf ihrem eigenen Staatsgebiet auszuschließen. Zuvor
gab es dafür nur dann ausnahmsweise eine Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, auf Grundlage des Vorsorgeprin-
zips vorübergehend den Anbau zu untersagen, wenn nach erfolgter Zulassung einer Gentechnik-Pflanze für den
Anbau neue wissenschaftliche Erkenntnisse publiziert werden, die ein Risiko für Umwelt oder Gesundheit ver-
muten lassen. Von dieser Möglichkeit hatten im Fall der Maislinie MON810, der einzigen seit 1998 in der EU
zum Anbau zugelassenen gentechnisch veränderten Maislinie, mehrere Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht, da-
runter Deutschland. Diese bisherige Verbotsmöglichkeit ist jedoch langfristig nicht rechtssicher und auch nicht
in jedem Fall anwendbar.
Von ihren derzeit laufenden EU-Anbauzulassungsanträgen haben die Unternehmen Deutschland auf Bitte der
Bundesregierung ausgenommen. Dauerhaft darf die Gentechnikfreiheit Deutschlands aber nicht vom Wohlwol-
len privater Unternehmen abhängen. Daher ist eine unverzügliche Umsetzung der „Phase 2“ der Opt-Out-Richt-
linie in deutsches Recht unverzichtbar. Nur wenn diese „Phase 2“ gesetzlich geregelt ist, können Anbauverbote
rechtssicher ausgesprochen werden, wenn keine Einigung mit dem antragstellenden Unternehmen möglich ist.
Die Bundesländer haben über den Bundesrat dazu einen geeigneten Gesetzentwurf für rechtssichere und flächen-
deckende Anbauverbote auf Bundesebene vorgelegt. Der jetzt vom Bundesministerium für Ernährung und Land-
wirtschaft (BMEL) vorgelegte Entwurf hat dagegen deutliche Schwächen. Der BMEL-Entwurf stellt unnötig
hohe Hürden für bundesweite Anbauverbote auf. Kämen sie dennoch tatsächlich zustande, könnten sie nach dem
Entwurf sehr leicht wieder aufgehoben werden. Der BMEL-Gesetzentwurf gefährdet die Gentechnikfreiheit
Deutschlands. Er darf daher nicht in Kraft treten. Nur der Gesetzentwurf des Bundesrates ist eine rechtssichere
und funktionsfähige Umsetzung der Opt-Out-Richtlinie und kann Deutschland dauerhaft vor dem Anbau von
Gentechnik-Pflanzen bewahren.
Die EU-Kommission hat bereits vor einem Jahr angekündigt, ihre Einschätzung zur Regulierung neuer gentech-
nischer Verfahren abzugeben. Das ist bis heute nicht erfolgt.

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