BT-Drucksache 18/10007

Übung von Gendarmerien und Polizeien aus der Europäischen Union und Drittstaaten am Sitz der Europäischen Gendarmerietruppe in Vicenza, Italien

Vom 12. Oktober 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10007
18. Wahlperiode 12.10.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Annette Groth, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Jan Korte, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Alexander Ulrich
und der Fraktion DIE LINKE.

Übung von Gendarmerien und Polizeien aus der Europäischen Union und
Drittstaaten am Sitz der Europäischen Gendarmerietruppe in Vicenza, Italien

Unter dem Namen „European Union Police Services Training“ (EUPST) führt
die Europäische Union eine weitere Staffel internationaler Übungen von Polizei-
und Gendarmerietruppen durch (Plenarprotokoll 18/132, Bundestagsdrucksache
18/7282, Bundestagsdrucksache 18/7466, Bundestagsdrucksache 18/8067). Die
EUPST-Veranstaltungen knüpfen an das frühere Programm „European Police
Force Trainings“ (EUPFT) an. Zu den Partnern gehört in diesem Jahr auch die
Europäische Gendarmerietruppe (EUROGENDFOR). Sitz der EUROGEND-
FOR ist das italienische Vicenza, wo mit dem „Centre of Excellence for Stability
Police Units“ auch eine Polizeiakademie betrieben wird. In der EUROGEND-
FOR organisieren sich jene Regierungen, die sogenannte Integrated Police Units
(IPU) führen. Dabei handelt es sich um Gendarmerien, die nach einer militäri-
schen Grundausbildung für Einsätze in Bürgerkriegsszenarien besonders geeignet
sind. Deutsche Innenministerien verfügen über keine IPU, sondern führen Ein-
heiten der Bereitschaftspolizei, die einem zivilen Kommando unterstehen müssen
und erst nacheiner Befriedung kriegerischer Auseinandersetzungen in Krisenge-
bieten eingesetzt werden dürfen.
Ein Praxisteil der zweiten EUPST-Staffel fand als Übung „Lowlands Grenade
2016“ vom 4. bis 15. April 2016 in Weeze/Nordrhein-Westfalen auf der privat
betriebenen „Training Base Weeze GmbH & Co.KG“ statt (Bundestagsdrucksa-
che 18/8067). Nach Angaben der EUPST-Webseite waren rund 600 Polizisten
und Militärangehörige anwesend. An der Vorbereitung in der Bundespolizeiaka-
demie Lübeck nahmen Behörden aus Tunesien und der Türkei teil, auf der Web-
seite des EU-Projektes ist zudem die Rede von Kamerun. Eine weitere Übung fand
vom 19. bis 29. September 2016 im italienischen Vicenza statt (www.eupst.eu/
news/live-exercise-italian-session/). In Vicenza unterhält die EUROGENDFOR
ein Hauptquartier und eine von den G8-Staaten finanzierte Akademie (das „Cen-
ter of Excellence for Police Stability Units“; siehe Bundestagsdrucksache
17/3316). Nach Angaben des EUPST-Stabes sollten 200 Gendarmen sowie Poli-
zisten daran teilnehmen. Dabei solle auf ein ausgewogenes Verhältnis militäri-
scher und polizeilicher Teilnehmer (Polizei/Gendarmerie) sowie des Geschlech-
terverhältnisses geachtet werden. Bis zu 20 Prozent der „trainees“ sollten von
Nicht-EU-Staaten eingeladen werden.
Es geht bei dem EUPST wie bei den früheren EUPFT-Trainings unter anderem
um die Handhabung von Protesten und Demonstrationen. Entsprechende Kennt-
nisse können am Rande von Bürgerkriegen genauso wie bei politischen Ver-

Drucksache 18/10007 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
sammlungen eingesetzt werden. Aus Sicht der Fragesteller ist deshalb zu befürch-
ten, dass die Trainings eher zur Brutalisierung als zur Deeskalation der Polizeiar-
beit beitragen. Im Jahr 2010 waren Gendarmen aus der Ukraine eingeladen. Die
Angehörigen der berüchtigten Berkut-Einheit posierten für Erinnerungsfotos in
deutschen Wasserwerfern. Über das EUPST erhalten die teilnehmenden deut-
schen Polizeien Einblicke in die als „robust“ bezeichnete Praxis militärischer
Gendarmerien. Aus Sicht der Fragesteller ist diese Militarisierung durch die Hin-
tertür höchst besorgniserregend und verstößt in Deutschland gegen das Gebot der
Trennung von Polizei und Militär.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist der Bundesregierung über polizeiliche und militärische Teilneh-

mende (bitte möglichst differenziert darstellen) der vom 19. bis 29. Septem-
ber 2016 im italienischen Vicenza abgehaltenen EUPST-II-Übung bekannt
(www.eupst.eu/news/live-exercise-italian-session/)?
a) Wie viele Personen nahmen an dem Training teil?
b) Welche Module wurden geübt?
c) Welchen Inhalt hatten die jeweiligen Module?

2. In welchem Zusammenhang stand das Training zu der EUROGENDFOR
oder dem „Center of Excellence for Police Stability Units“, die beide ihren
Sitz in Vicenza haben, und auf welche Weise waren die EUROGENDFOR
oder das „Center of Excellence for Police Stability Units“ an der Vorberei-
tung und Durchführung des Trainings beteiligt?

3. Welche Aufgaben werden nach Kenntnis der Bundesregierung von der Eu-
ropäischen Kommission und dem Europäischen Auswärtigen Dienst als Auf-
traggeber des European Union Police Services Trainings (EUPST II) über-
nommen (Bundestagsdrucksache 18/8067)?

4. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung der Eigenanteil der teil-
nehmenden europäischen und ggf. außereuropäischen Sicherheitsbehörden
(Bundestagsdrucksache 18/8067)?

5. Welche polizeilichen und welche militärischen Teilnehmer (bitte einzeln
ausweisen) aus welchen Ländern bzw. Institutionen nahmen im Mai 2016 an
einem einwöchigen Seminar der Bundespolizeiakademie teil, bei dem
„20 Angehörige internationaler Sicherheitsbehörden im Bereich Monitoring,
Mentoring, Advising und Training“ geschult werden sollten (Bundestags-
drucksache 18/8067)?

6. Welche weiteren Inhalte kann die Bundesregierung zu den in Lübeck behan-
delten Modulen „Basisinformation Mentoring, Monitoring, Advising, gene-
relle Aspekte und Prinzipien, Definitionen, Kommunikationstechniken, Do-
kumentation und Evaluation“ mitteilen (Bundestagsdrucksache 18/8067)?

7. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern es sich bei der nie-
derländischen königlichen Marechaussee, die das Steuerungskomitee der
EUPST-II-Trainings leitet, um eine rein militärische Einheit handelt?
a) Inwiefern wurde das polizeiliche Training in Lübeck wie auch die anderen

EUPST-II-Maßnahmen von dem Steuerungskomitee des EUPST II unter
der Leitung der niederländischen königlichen Marechaussee koordiniert?

b) An welchen von der niederländischen königlichen Marechaussee vorbe-
reiteten Treffen haben die Bundespolizei oder andere deutsche Behörden
nach Kenntnis der Bundesregierung seit Beantwortung der Bundestags-
drucksache 18/8067 teilgenommen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10007
8. Inwiefern hat die Bundesregierung mittlerweile Erkenntnisse eingeholt, wo-
rin die Mitarbeit der Europäischen Gendarmerietruppe (EUROGENDFOR)
als „associated partner“ am EUPST II besteht (Bundestagsdrucksache
18/8067)?

9. Inwiefern liegen der Bundesregierung mittlerweile Erkenntnisse vor, welche
Behörden welcher Länder bzw. Einrichtungen oder Einzelpersonen das
EUPST-II-Training, an dem auch die Bundespolizei teilnahm, beobachtet ha-
ben (Bundestagsdrucksache 18/8067)?

10. Worin bestand der Trainingsplan für das Training in Weeze, welche Module
wurden geübt, und inwiefern beinhalteten diese auch Formationstrainings
während Großeinsätzen oder Trainings in Hundertschaften?

11. In welchen Zusammenarbeitsformen haben welche deutschen Behörden
nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2016 mit ausländischen Gendar-
merieeinheiten trainiert oder geübt?

12. Wann und wo werden nach Kenntnis der Bundesregierung nach Weeze,
Lübeck und Vicenza weitere, noch nicht in einschlägigen Bundestagsdruck-
sachen mitgeteilte Übungen bzw. Konferenzen, Seminare oder andere Aus-
bildungsformen hinsichtlich des EUPST II abgehalten?

Berlin, den 12. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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