BT-Drucksache 17/9881

Zur drogenpolitischen Situation in Afghanistan und Iran

Vom 6. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9881
17. Wahlperiode 06. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Jan Korte, Dr. Martina Bunge,
Dr. Rosemarie Hein, Niema Movassat, Harald Weinberg, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Zur drogenpolitischen Situation in Afghanistan und Iran

Laut United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) ist Afghanistan mit
93 Prozent führendes Land in der weltweiten Produktion von Opiaten (Stand
2010). UNODC sieht eine direkte Wechselbeziehung zwischen der Drogenpro-
duktion, dem Erstarken der Aufstandsbewegung und der wachsenden Unsicher-
heit in Afghanistan. Demzufolge müssen die drei Phänomene zusammen behan-
delt werden, um das Land zu stabilisieren. Die Zurückdrängung der
Drogenökonomie bei gleichzeitiger Stärkung des legalen Wirtschaftssektors ist
Voraussetzung dafür, das Land langfristig zu befrieden und die Strukturen der
Neo-Taliban zu schwächen.

Die Drogenökonomie selbst ist Ergebnis jahrzehntelanger Konflikte. So wurden
und werden die Einnahmen aus dem Drogengeschäft genutzt, um Waffen zu fi-
nanzieren. Außerdem dient die Drogenökonomie als Einnahmequelle für eine
Vielzahl afghanischer Bauern, die andersartig ihr Überleben in der krisengebeu-
telten Region kaum sichern können. Die Zurückdrängung der Drogenökonomie
kann demzufolge nur mithilfe sozialwirtschaftlicher Schritte gelingen. Repres-
sion ist das falsche Mittel.

Probleme im Zusammenhang mit der Drogenökonomie sind jedoch nicht nur auf
Afghanistan beschränkt. So liegt Iran auf einer der wichtigsten Transitrouten des
internationalen Drogenhandels. Die Drogenbekämpfung in dieser Region muss
daher die zwischenstaatlichen Verbindungen beider Länder einbeziehen.

Darüber hinaus gibt die Bundesregierung an, außenpolitische Richtlinien auch
an den Werten der Menschenrechte auszurichten. Hierbei ist anzumerken, dass
der Krieg gegen die Drogen eklatant gegen menschenrechtliche Aspekte ver-
stößt. Dazu zählt zum Beispiel die Verhängung von Todestrafen gegen Drogen-
produzierende und -handelnde.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Produktion von Opiaten innerhalb
Afghanistans seit 2001 ein (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren angeben)?
Rechnet die Bundesregierung mit einem baldigen Produktionsrückgang (bitte
Begründung anführen)?

2. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den auf dem Schwarzmarkt erzielten
Umsatz aus der Drogenökonomie seit 2001 ein (bitte aufgeschlüsselt nach
Jahren angeben)?

Drucksache 17/9881 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Was sind nach Einschätzung der Bundesregierung die Hauptursachen für
die extrem hohe Drogenproduktion in Afghanistan?

4. Sieht die Bundesregierung in der Drogenökonomie Afghanistans eine zen-
trale Ursache für die fortdauernde Instabilität des Landes, oder versteht die
Bundesregierung die Drogenökonomie als ein Randproblem im Aufbau-
und Stabilisierungsprozess (bitte Begründung anführen)?

5. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der Drogenpro-
duktion, dem Erstarken der Aufstandsbewegung und der vorhandenen Un-
sicherheit in Afghanistan (bitte Begründung anführen)?

6. Welchen Stellenwert nimmt die Drogenbekämpfung in Relation zu anderen
Aufbau- und Stabilisierungsmaßnahmen der Bundesrepublik Deutschland
in Afghanistan ein?

7. Gibt es erste Evaluationsergebnisse der Projekte der Bundesregierung für
alternative Einkommensmethoden, auf die die Bundesregierung in ihrer
Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 17/2288 zu den Fragen 2, 3 und 4 verweist?

Wie sehen diese Ergebnisse genau aus?

8. Hat die Bundesregierung über 2010 hinaus in Kooperation mit den afghani-
schen Behörden weitere Projekte zugunsten alternativer Einkommensme-
thoden gestartet?

Wie sind diese Projekte konzipiert?

9. Inwiefern spielt die Instandsetzung der Bewässerungsanlagen eine heraus-
ragende Rolle beim Wiederaufbau Afghanistans, da sie Voraussetzung für
den Anbau alternativer landwirtschaftlicher Produkte ist?

10. Unterstützt die Bundesregierung Projekte zur Suchtbekämpfung in Afgha-
nistan?

Wie sehen diese Projekte aus?

11. Sieht die Bundesregierung in der Vernichtung von Mohnfeldern eine effek-
tive Drogenbekämpfungsmaßnahme, obwohl die Anbaufläche rasch ver-
lagert werden kann (bitte Begründung anführen)?

12. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Vernichtung von
Mohnfeldern den Anbau von Cannabis in Afghanistan erhöht (bitte Begrün-
dung anführen)?

13. Wird die (Teil-)Legalisierung von Opium und Cannabis mit den afghani-
schen Behörden diskutiert, um der mit dem Drogenhandel verbundenen
Kriminalität entgegen zu treten (bitte Begründung anführen)?

14. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung aus einer Studie der Stiftung
Wissenschaft und Politik (vgl. www.swp-ber-in.org/fileadmin/contents/
products/studien/2010_S02_mss_ks.pdf), nach der es der nationalen Dro-
genkontrollstrategie Afghanistans an kurzfristigen Prioritäten, an wirk-
samer Koordination, an der Finanzierung und am politischen Umsetzungs-
willen mangelt (bitte Begründung anführen)?

Falls ja, wie gedenkt die Bundesregierung dem entgegenzuwirken?

15. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Studie (siehe Frage 14),
dass die Drogenbekämpfung in Afghanistan an selektiver Wahrnehmung
leidet, wonach der Fokus hauptsächlich auf den Neo-Taliban liegt, nicht
jedoch auf Akteuren innerhalb der Regierung des Präsidenten Hamid
Karzai (bitte Begründung anführen)?
Falls ja, wie gedenkt die Bundesregierung dem entgegenzuwirken?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9881

16. Stimmt es, wie Amnesty International berichtet (vgl. http://amnesty.org/en/
news/iran-surge-secret-executions-drug-offences-must-end-2011-12-15),
dass die Bundesregierung im Rahmen eines 9,5 Mio. Euro teuren Projekts
der Europäischen Union mit dem iranischen Regime zusammenarbeitet, um
gemeinsam den Umlauf von Drogen in der Region zu reduzieren?

Wie sieht diese Zusammenarbeit konkret aus?

17. Inwiefern ist diese Kooperation von den beschlossenen Sanktionen gegen
das iranische Regime im Zuge des Streits um das Atomprogramm betrof-
fen?

18. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass Gerichtsurteile, mit denen
laut Amnesty International (siehe Frage 16) rund 4 000 Afghanen, aufgrund
von Straftaten im Zuge des Drogenschmuggels, durch die iranische Justiz
zum Tode verurteilt worden sind, eine Zusammenarbeit in der Drogenbe-
kämpfung mit dem Iran verunmöglichen (bitte Begründung anführen)?

19. Hat die Bundesregierung gegen diese Todesurteile im Iran protestiert?

Falls nein, warum nicht?

20. Ist die Verbannung der Todesstrafe für Drogenkriminelle ein Bestandteil
Deutschlands Drogenbekämpfungsstrategie auf internationaler Ebene (bitte
Begründung anführen)?

Berlin, den 6. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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