BT-Drucksache 17/9877

Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben

Vom 6. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9877
17. Wahlperiode 06. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau und der
Fraktion DIE LINKE.

Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben

Der Digitalfunk der BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufga-
ben) in der Bundesrepublik Deutschland steht unter erheblicher Kritik, was die
Verzögerungen beim Ausbau, die Kostenentwicklung, die mangelnde Funktio-
nalität, die Ausfallsicherheit, die Kapazitätspuffer und die Transparenz des Ge-
schäftsgebarens der BDBOS (Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden
und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) betrifft. Schon zur Fußballwelt-
meisterschaft 2006 sollte der Digitalfunk der BOS in den Austragungsorten ver-
fügbar sein. Mit Stand 30. April 2011 waren nur 898 von rd. 4 300 Basisstatio-
nen integriert. Auch bei einem vollen Ausbau der Basisstationen wird die
Abdeckung in Gebäuden, Tunneln und dem flachen Land nicht oder nur einge-
schränkt möglich sein. Der zusätzliche Ausbau bei der Objektversorgung mit ab-
sehbaren Kernnetzerweiterungen wird zu weiteren Verzögerungen und Kosten-
steigerungen führen. Im Ergebnis wird der digitale BOS-Funk bei weitem nicht
die Funktionalität eines heute üblichen Handynetzes besitzen. Angesicht ge-
ringster Datenübertragungsraten ist z. B. selbst das Versenden von Fahndungs-
fotos praktisch unmöglich (Bundesministerium der Finanzen, „Bericht zum
Sachstand und zur Darstellung der Kosten des Bundes zur Einführung des Digi-
talfunks durch die BDBOS“, Haushaltsausschussdrucksache 17/3050).

Aus Sicht des Katastrophenschutzes ist die gesicherte Notstromversorgung des
digitalen BOS-Netzes von nur 2 Stunden ein extremes Sicherheitsrisiko bei
großflächigen Schadenslagen, die durch langanhaltenden Stromausfall gekenn-
zeichnet sind. Wenn im Katastrophenfall die Kommunikation der Sicherheits-
und Rettungskräfte zusammenbricht, sind gesundheitliche und materielle Schä-
den ungeahnten Ausmaßes zu erwarten.

Spätestens mit dem Prüfbericht des Bundesrechnungshofes zur Praxis der
BDBOS bei Ausschreibungen, Einstellungen, freihändigen Vergaben und Rech-
nungslegungen ist das Ursachengemenge für die Zeitverzögerungen und bei der
Kostenentwicklung erklärbar.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist der Stand des Netzausbaus des digitalen BOS-Netzes bezüglich der

Kernnetze, der Basisstationen und bei der Objektversorgung?

2. Welche einsatztaktischen Konsequenzen für die BOS ergeben sich aus der
Nichtverfügbarkeit vom digitalen BOS-Funk in Gebäuden, Tunneln und dem
flachen Land?

3. Wer übernimmt die Kosten für die Ausstattung und den Betrieb des digitalen
BOS-Funkes bei der Objektversorgung?

Drucksache 17/9877 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Nach welchen gesetzlichen Grundlagen können private Eigentümer bzw.
Betreiber von Objekten zur Ausstattung mit Repeatern und eventuell Basis-
stationen verpflichtet werden?

5. Gibt es in der Migrationsphase einen Parallelbetrieb von Analog- und Digi-
talfunk?

6. Welche Kosten entstehen durch den parallelen Einsatz von Analog- und
Digitalfunk bei den BOS, insbesondere bei den Bundes-BOS?

7. Welche Zeiträume sind für die Migration vom Analog- zu Digitalfunk vor-
gesehen?

8. Welche einsatztaktischen Komplikationen entstehen durch den Parallel-
betrieb von Analog- und Digitalfunk für die BOS, insbesondere bei den
Bundes-BOS?

9. Plant die Bundesregierung weitere Ausbaustufen des Digitalfunks der BOS,
um die bisher geringe Datenübertragungsrate zu verbessern und somit er-
weiterte Nutzungsmöglichkeiten, z. B. den Abruf von Fahndungsfotos, zu
erzielen?

10. Wie lange ist der Digitalfunk der BOS bei einem langandauernden flächen-
deckenden Stromausfall funktionsfähig (durch Notstromversorgung) bezo-
gen auf die Objektversorgung, die Basisstationen, die Vermittlungsstellen
und das Gesamtnetz?

11. Welche Zuwächse der Netzlast beim Digitalfunk der BOS werden bei Groß-
schadensereignissen oder bei einem langandauernden flächendeckenden
Stromausfall erwartet?

12. Welche Kapazitätspuffer bei der Netzlast werden beim Digitalfunk der BOS
vorgehalten?

13. Welche Möglichkeiten der Vorrangschaltung von Nutzern bei geringen
Netzwerkkapazitäten bestehen im digitalen BOS-Netz?

14. Können die Vorrangschaltungen dynamisch an die Netzkapazität angepasst
werden, oder sind diese jeweils fest für bestimmte Endgeräte vergeben?

15. Wer regelt die dynamische Anpassung von Vorrangschaltungen nach wel-
chen Maßgaben?

16. Welche Maßnahmen wurden seitens der Bundesregierung unternommen
oder werden geplant, um Erkenntnisse der Sicherheitsforschung und von
Anhörungen des Deutschen Bundestages zur viel zu kurzen Notstromversor-
gung beim digitalen BOS-Funk bei einem langandauernden flächendecken-
den Stromausfall umzusetzen?

17. Gibt es Planungen der Bundesregierung, bei einem eventuellen Netzausfall
des Digitalfunks der BOS, z. B. bei einem langandauernden flächendecken-
den Stromausfall, mit einer Rückkehr zum Analogfunk die Kommunikation
der BOS aufrechtzuerhalten?

18. Werden für so einen Notfall analoge Geräte und Leitstelleninfrastruktur vor-
gehalten?

19. Welche potentiellen Netzersatzausstattungen existieren bei Telekommuni-
kationsunternehmen, dem THW (Bundesanstalt Technisches Hilfswerk),
der Bundeswehr und bei anderen Institutionen?

20. Welche Pläne existieren zur Aktivierung potentieller Netzersatzausstattun-
gen bei Telekommunikationsunternehmen, dem THW, der Bundeswehr und
bei anderen Institutionen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9877

21. Welche Pläne existieren zur Bereitstellung von TETRAPOL-Kapazitäten
der Bundeswehr bei einem Ausfall des digitalen BOS-Netzes?

22. Existieren Pläne zur Umstellung bei Nutzern des digitalen BOS-Netzes auf
satellitengestützte Kommunikation nach einem Ausfall des digitalen BOS-
Netzes?

23. In welchem Umfang sind die terrestrischen Elemente der satellitengestützte
Kommunikation (z. B. Bodenstationen) in der Bundesrepublik Deutschland
gegen einen flächendeckenden langanhaltenden Stromausfall geschützt?

24. Welcher Ausstattungsgrad an Geräten zur ersatzweisen satellitengestützten
Kommunikation besteht bei Nutzern des digitalen BOS-Netzes?

25. Ist die BDBOS-Kostenverordnung inzwischen in Kraft getreten?

26. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, dass durch die späte Einführung
der BDBOS-Zertifizierungsverordnung bzw. der BDBOS-Kostenverord-
nung, bereits digitale BOS-Endgeräte angeschafft worden sind, die nun
keine nachträgliche Zertifizierung erhalten konnten bzw. können (wenn ja,
bitte die Fälle auflisten)?

27. Welche Kosten sind durch die Anschaffung von Endgeräten entstanden, die
nicht zugelassen wurden oder zugelassen werden können?

28. Wer trägt die Kosten der Anschaffung von Endgeräten die keine Zertifizie-
rung erhalten haben bzw. erhalten werden?

29. Wie hoch ist Zahl der Beschäftigten bei der BDBOS (bitte nach Jahren auf-
schlüsseln)?

30. Wie hoch ist Zahl der externen Berater bei der BDBOS (bitte nach Jahren
aufschlüsseln)?

31. Welche Kostenentwicklung ist seit der Auftragserteilung 2009 für den Auf-
bau des digitalen BOS-Funkes eingetreten?

32. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die im Prüfbericht des Bundes-
rechnungshofes aufgezeigten Unregelmäßigkeiten in der Praxis des BDBOS
zu beheben?

33. Sieht die Bundesregierung in den aufgezeigten Unregelmäßigkeiten in der
Praxis des BDBOS Ursachen für Kostensteigerungen bei der Einführung
des digitalen BOS-Funkes?

34. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die Kosten, die durch Unregel-
mäßigkeiten in der Praxis des BDBOS eingetreten sind?

35. Welche anteiligen Kosten erwartet die Bundesregierung bis zur Fertigstel-
lung des BOS-Funkes, insbesondere bei der Objektversorgung?

Berlin, den 6. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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