BT-Drucksache 17/9824

Tierschutz bei der Tötung von Schlachttieren

Vom 25. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9824
17. Wahlperiode 25. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bärbel Höhn, Friedrich Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg),
Nicole Maisch, Cornelia Behm, Harald Ebner, Markus Tressel und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Tierschutz bei der Tötung von Schlachttieren

Laut § 13 Absatz 1 der Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV) müssen Tiere
so betäubt werden, „dass sie schnell unter Vermeidung von Schmerzen oder Lei-
den in einen bis zum Tod anhaltenden Zustand der Empfindungs- und Wahr-
nehmungslosigkeit versetzt werden.“

Wissenschaftliche Erhebungen zeigen jedoch, dass durchschnittlich eines von
100 Schweinen beim Schlachten nicht ordnungsgemäß entblutet wird und vor
dem Brühtunnel noch Anzeichen für Empfindungs- und Wahrnehmungsvermö-
gen (Reflexe, Atmung, Vokalisation) zeigen (u. a. Schütte und Bostelmann
(2001), Troeger et. al. (2005), Troeger und Meiler (2006)). Bei der Betäubung
von Geflügel mittels Elektro-Wasserbad besteht die Gefahr, dass die kopfüber
aufgehängten zappelnden Tiere nicht eintauchen und so nicht ausreichend be-
täubt werden. Auch bei Rindern verfehlt der zur Betäubung vorgesehene
Bolzenschuss Analysen des Max Rubner-Instituts Kulmbach zufolge jährlich
bei ca. 200 000 Tieren das Ziel, so dass die Tiere noch bei Bewusstsein in die
Schlachtung gelangen.

Vor diesem Hintergrund erheben Tierschutzorganisationen die Forderung nach
einer Verbesserung der Tierschutzsituation in Schlachthöfen. Auch der Deutsche
Tierärztetag kam im Oktober 2009 zu dem Schluss, dass der erreichte Stand bei
der tierschutzgerechten Betäubung und Entblutung der Schlachttiere nicht be-
friedigen kann.

Wir fragen die Bundesregierung:

Tierschutz

1. Wie viele Schlachthöfe existieren in Deutschland, und wie viele Tiere werden
dort durchschnittlich geschlachtet?

2. Wie hat sich die Zahl der Schlachtungen in Deutschland seit 2005 entwickelt
(bitte nach Tierarten/Jahren aufschlüsseln)?
3. Wie hat sich im gleichen Zeitraum die Zahl der Schlachthöfe entwickelt?

4. Welche Tierschutzregelungen sind für die industrielle Tötung von Schlacht-
tieren maßgeblich?

5. Welches sind aus Sicht der Bundesregierung die bedeutsamsten Defizite
beim Tierschutz in deutschen Schlachthöfen?

Drucksache 17/9824 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Wie viele tierärztliche Kontrollen wurden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in den Jahren 2009, 2010 und 2011 an Schlachthöfen durchgeführt und
mit welchen Ergebnissen?

7. Wie viele Verstöße wurden in diesen Jahren gegen die Tierschutz-Schlacht-
verordnung festgestellt/angezeigt, und welche Sanktionen wurden ergriffen
(Bußgelder, Entzug der Betriebsgenehmigung)?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auf Kreisebene angesiedelte
Amtstierärzte bei der Überwachung der Schlachthöfe möglicherweise
durch die wirtschaftliche Bedeutung der überprüften Unternehmen unter
Druck geraten könnten, und wenn ja, welche Maßnahmen sind hier aus
Sicht der Bundesregierung nötig, und wenn nein, warum nicht?

9. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Schlachthöfe Tierschutzbeauf-
tragte eingesetzt haben?

10. Fördert und unterstützt die Bundesregierung den Einsatz mobiler Schlacht-
stationen, und wenn ja, wie?

11. Welche zusätzlichen Anforderungen müssten aus Sicht der Bundesregie-
rung innerhalb des geplanten Tierschutzlabels im Bereich Schlachthof
erfüllt sein?

Betäuben

12. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zur ungenügenden Betäu-
bung und Entblutung bei der industriellen Bandschlachtung vor (bitte nach
Tierarten aufschlüsseln)?

13. Wo liegen nach Auffassung der Bundesregierung die Ursachen für das häu-
fige Versagen der Betäubung/des Entbluteschnittes?

14. Welche Kontrollverfahren werden zur Feststellung der Betäubungswirkung
angewandt?

Hält die Bundesregierung diese für ausreichend?

15. Wie viele Schlachthöfe haben nach Kenntnis der Bundesregierung verläss-
liche Kontrollsysteme zur Feststellung der Reflex- und Empfindungslosig-
keit beim Einzeltier eingeführt?

16. Welche Verfahren zur Prüfung der Reflex- und Empfindungslosigkeit soll-
ten nach Auffassung der Bundesregierung angewendet werden, und bis
wann sollten diese Verfahren flächendeckend eingeführt sein?

Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung dies erreichen?

17. Welche Forschungsprojekte zur tierschutzgerechten Betäubung von
Schlachttieren hat die Bundesregierung seit 2005 gefördert, und mit wel-
chem Ergebnis?

Welche Erkenntnisse hieraus wurden bereits in die Praxis umgesetzt?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung die bei der CO2-Betäubung von Schwei-
nen auftretende Diskrepanz zwischen der in der Tierschutz-Schlachtverord-
nung vorgesehenen Dauer von 20 Sekunden zwischen Betäubung und Ent-
bluten, die in der Realität (in Abhängigkeit von der Anlage und Belegung
der Gondel) bis zu 90 Sekunden dauern kann?

Welche Maßnahmen sind hier aus Sicht der Bundesregierung nötig?

19. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein ergänzend herbeigeführ-
tes elektrisch induziertes Herzkammerflimmern die CO2-Betäubung tier-
schutzgerechter gestalten könnte?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9824

20. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zur Betäubung mit einer
Kombination aus CO2 und Argon vor?

Gibt es Hinweise, dass diese Gaskombination eine schonendere Betäubung
ermöglicht?

21. Wie viele Schlachthöfe setzen nach Kenntnis der Bundesregierung bei der
Geflügelschlachtung statt der Betäubung mittels Elektro-Wasserbad Gas-
gemische wie CO2 und Argon ein?

22. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Betäubung von Geflügel
mittels Gas aus Sicht des Tierschutzes dem Elektro-Wasserbad vorzuziehen
ist, und wenn ja, welche Maßnahmen sind hier geplant, um deren flächen-
deckenden Einsatz zu gewährleisten?

Entbluten

23. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zuverlässigkeit der angewandten
Entblutekontrollsysteme?

24. Wie beurteilt die Bundesregierung den Einsatz von Waagen, um Stichblut-
menge und Entblutevorgang zu überwachen?

25. Teilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund der vorhandenen Zahlen die
Auffassung, dass eigens dafür abgestelltes Personal den Entblutevorgang
überwachen muss, und wenn ja, welche Maßnahmen wird sie hier ergreifen,
und wenn nein, warum nicht?

26. Wie steht die Bundesregierung der Forderung nach einer kontinuierlichen
Videoüberwachung des Entbluteverfahrens gegenüber?

Arbeitsbedingungen

27. Wie viel Zeit steht nach Kenntnis der Bundesregierung durchschnittlich für
die Betäubung bzw. Schlachtung der Tiere bei der industriellen Band-
schlachtung zur Verfügung (bitte nach Tierarten aufschlüsseln)?

28. Ab welchen Zeitwerten bestehen aus Sicht der Bundesregierung tierschutz-
rechtliche Bedenken?

29. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Anwendung
von Stück- und Akkordlohn bei der Betäubung und Schlachtung im Hin-
blick auf die Einhaltung von Tierschutzvorschriften?

30. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu Forderungen vonseiten des
Tierschutzes, das Treiben, Betäuben und Töten der Tiere verpflichtend aus
der Akkordarbeit zu nehmen, und maximal zulässige Tierzahlen pro Stunde
festzulegen?

31. Welche Daten liegen der Bundesregierung über die Qualifikation der Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter in Schlachthöfen vor (bitte nach Berufsab-
schlüssen aufschlüsseln)?

32. Wie hat sich der Anteil der geringqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter in Schlachthöfen seit 2005 entwickelt?

33. Welche Daten liegen der Bundesregierung über die Lohn- und Gehaltsent-
wicklung in der Branche vor?

Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beziehen nach Kenntnis der
Bundesregierung zusätzlich zu ihrem Erwerbseinkommen Leistungen nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch?

34. Besteht aus Sicht der Bundesregierung Handlungsbedarf mit Blick auf die

Arbeits- und Lohnbedingungen der in Schlachthöfen arbeitenden Personen,
wenn ja, welche Maßnahmen sind vorgesehen, und wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/9824 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
35. Wie viele Kontrollen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit haben seit
2009 in der Schlacht- und Fleischverarbeitungsbranche in Bezug auf ar-
beitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche bzw. entsenderechtliche
Normen stattgefunden (bitte nach Jahren differenzieren)?

36. Welche und wie viele Verstöße wurden seit 2009 in der Schlacht- und
Fleischverarbeitungsbranche in Bezug auf Arbeitsentgelt, Arbeitsbedin-
gungen sowie arbeitsrechtliche Fragestellungen sowie Sozialversicherungs-
vorschriften festgestellt, und in welcher Gesamthöhe wurden Bußgelder
verhängt oder Verfahren eingeleitet (bitte nach Jahren differenzieren)?

37. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über spezifische gesundheit-
liche Belastungen der Beschäftigten in der deutschen Schlacht- und Fleisch-
verarbeitungsbranche?

38. Benötigen Fangtruppen, die Tiere im Betrieb einfangen, aufladen und an
den Schlachthof anliefern, einen Sachkundenachweis über den Sachkunde-
nachweis für Transporteure hinaus und sieht die Bundesregierung die Not-
wendigkeiten für Änderungen nach den im letzen Jahr aufgetretenen Miss-
handlungen auf einer Elterntierfarm (vgl. ARD-Sendung Report Mainz
vom 11. Januar 2010)?

39. In welchem Umfang wird nach Kenntnis der Bundesregierung der Entblu-
testich durch nicht befugtes Personal ohne Sachkundenachweis durchge-
führt?

Berlin, den 23. Mai 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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