BT-Drucksache 17/9713

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Krista Sager, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/8493 - Das Menschenrecht auf Gesundheit umsetzen - Zugang zu Medikamenten weltweit verwirklichen

Vom 22. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9713
17. Wahlperiode 22. 05. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Krista Sager, Birgitt Bender,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/8493 –

Das Menschenrecht auf Gesundheit umsetzen – Zugang zu Medikamenten
weltweit verwirklichen

A. Problem

Die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierten 17 vernachlässig-
ten Tropenkrankheiten beeinträchtigen das Leben von über einer Milliarde Men-
schen. Hierin nicht mit eingeschlossen sind HIV/AIDS, Malaria und Tuberku-
lose. Nach Angaben der WHO starben allein 2009 an diesen drei Krankheiten
4,3 Millionen Menschen.

Die meisten dieser Erkrankungen in Entwicklungs- und Schwellenländern sind
armutsbedingt; umgekehrt gilt aber auch: Krankheiten verursachen und fördern
Armut. Insofern stellen Krankheiten ein gravierendes Entwicklungshemmnis
dar.

Durch den Aufbau von wirksamen Gesundheitssystemen und die Sicherstellung
der Versorgung mit preiswerten und nutzengeprüften Arzneimitteln zur Präven-
tion und Therapie könnte dieses Problem nachhaltig gelöst werden. Aufgrund
der hohen Medikamentenpreise, die sich auf das Monopolrecht der Pharmaher-
steller stützen, ist die Versorgung gerade der ärmsten Bevölkerung mit den exis-
tierenden medizinischen Produkten problematisch.

Mit der Doha-Erklärung von 2001 haben sich die Staaten der Welthandelsorga-
nisation (WTO) dazu verpflichtet, durch eine flexible Anwendung des WTO-
Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen
Eigentums (TRIPS) die Gesundheit zu schützen. Dies kann beispielsweise durch

Zwangslizenzen, Parallelimporte und strikte Patentierungsvoraussetzungen er-
folgen. Demgegenüber versuchen bilaterale Freihandelsabkommen diese so-
genannten TRIPS-Flexibilitäten einzuschränken.

Notwendig ist darüber hinaus eine Intensivierung der Forschung und Entwick-
lung, da lediglich weniger als 2 Prozent der neu entwickelten pharmazeutischen
Wirksubstanzen zwischen 1975 und 2004 auf vernachlässigte Krankheiten ein-
schließlich Malaria und Tuberkulose abzielten. Grund hierfür ist das Fehlen von

Drucksache 17/9713 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ökonomischen Anreizen, da vor allem die Menschen in Entwicklungs- und
Schwellenländern mit geringer Kaufkraft von diesen Krankheiten betroffen sind.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

E. Bürokratiekosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9713

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/8493 abzulehnen.

Berlin, den 9. Mai 2012

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Sabine Weiss (Wesel I)
Berichterstatterin

Karin Roth (Esslingen)
Berichterstatterin

Helga Daub
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

seiner 60. Sitzung und der Ausschuss für Bildung, For-
Die Fraktion der SPD verweist darauf, sie habe schon zu
schung und Technikfolgenabschätzung hat den Antrag in

seiner 73. Sitzung am 9. Mai 2012 beraten.

Die Ausschüsse empfehlen mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion

Beginn der Wahlperiode einen umfassenden gesundheits-
politischen Antrag gestellt. Deswegen habe man sich im vor-
liegenden Antrag auf die PDPs konzentriert. Man begrüße
es, wenn das Thema jetzt auch im Bundesministerium für
Drucksache 17/9713 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Sabine Weiss (Wesel I), Karin Roth (Esslingen), Helga
Daub, Niema Movassat und Uwe Kekeritz

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache
17/8493 in seiner 165. Sitzung am 8. März 2012 beraten und
an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung zur federführenden Beratung und an den
Rechtsausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Techno-
logie, den Ausschuss für Gesundheit, den Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe und den Ausschuss
für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit dem Antrag wird gefordert, dass die Bundesregierung
das Förderprogramm „Vernachlässigte und armutsassoziier-
te Krankheiten“ im Einzelplan 30 gesondert ausweist und im
Zeitraum von 2013 bis 2016 auf 100 Mio. Euro erhöht. In das
Programm mit aufgenommen werden sollen Tuberkulose so-
wie vernachlässigte Aspekte bei HIV/AIDS. Ferner soll der
deutsche Beitrag an den Globalen Fonds zur Bekämpfung
von AIDS, Tuberkulose und Malaria (GFATM) auf 300 Mio.
Euro jährlich erhöht werden.

Medikamente, Impfstoffe und medizinische Produkte, die
auf öffentlich finanzierter Forschungsförderung basieren,
sollen für Menschen in ärmeren Ländern leichter zugänglich
gemacht werden. Dazu sollen für die am wenigsten entwi-
ckelten Länder verlängerte Übergangsfristen zur Implemen-
tierung des TRIPS-Abkommens gewährt und in Freihandels-
abkommen der EU keine „TRIPS+“-Bestimmungen (z. B.
Datenexklusivität) festgeschrieben werden. In den Verträgen
mit Forschungseinrichtungen sollen soziale Kriterien mit
aufgenommen werden (z. B. Equitable Licensing-Klauseln).

Nicht zuletzt sollen die Anstrengungen in der öffentlichen
Forschungsförderung im Bereich der vernachlässigten
Krankheiten Tuberkulose, HIV/AIDS und Malaria forciert
werden; insbesondere soll dieser Forschungsschwerpunkt im
neu gegründeten Deutschen Zentrum für Infektionsforschung
(DZIF) mit ausreichenden Mitteln unterstützt werden.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Rechtsausschuss hat den Antrag in seiner 83. Sitzung,
der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Antrag in seiner 68. Sitzung, der Ausschuss für Gesundheit
hat den Antrag in seiner 74. Sitzung, der Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat den Antrag in

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat die Vorlage in seiner 61. Sitzung am 9. Mai
2012 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen SPD und DIE LINKE., den Antrag abzulehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verweist da-
rauf, dass das Recht auf Gesundheit ein Menschenrecht sei.
Trotzdem gebe es noch 1,7 Milliarden Menschen, die keinen
essentiellen Zugang zu Medikamenten haben würden. Allen
Beteiligten sei klar, dass viele Krankheiten armutsbedingt
seien; umgekehrt seien Krankheiten die Ursache von Armut.
In dem vorliegenden Antrag lege man den entwicklungs-
politischen Schwerpunkt zur Verbesserung dieser Situation
auf den Aspekt Forschung und Entwicklung. In dieser Inten-
tion seien sich auch alle Fraktionen mit ihren eigenen Anträ-
gen einig. Die Positionen im Antrag der Fraktion der SPD
teile man. Der Antrag der Fraktion der SPD beziehe sich frei-
lich sehr eng auf die Product Development Partnerships
(PDPs). Man selbst habe im eigenen Antrag bewusst einen
breiteren Ansatz gewählt, werde aber trotzdem dem Antrag
der Fraktion der SPD zustimmen. Im Antrag der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP seien auch Positionen und Forde-
rungen enthalten, die man unterstütze. Wie immer sei das
aber eine Frage der Glaubwürdigkeit der Antragsteller. Denn
die Forderungen könnten ohne eine entsprechende Finanzie-
rung nicht realisiert werden. Da es sich insgesamt gesehen
ihrer Bewertung nach um einen „Schaufensterantrag“ halte,
werde man diesen Antrag ablehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt es, dass alle Fraktio-
nen einen Antrag zu armutsassoziierten und vernachlässig-
ten Krankheiten eingebracht hätten. Sie habe ihren Antrag
im Forschungs- und Bildungsausschuss initiiert, weil es ih-
nen darum gehe, dass hier ein Schwerpunkt in der Forschung
gesetzt werde. In der Grundlagenforschung habe man sehr
gute Ansätze, die man weiterfahren sollte und die nicht zu-
lasten von neuen Instrumenten wie den PDPs gehen dürften.
Die PDPs seien 2011 eingeführt worden. Die Bundesregie-
rung habe auch den 20-Millionen-Ansatz um weitere 2 Mio.
Euro erhöht. Man selbst möchte die PDPs auch evaluieren,
um Nachjustierungen vornehmen zu können und um die Be-
darfe in Entwicklungsländern besser abdecken zu können,
beispielsweise durch eine Ausweitung im Bereich von HIV/
AIDS, Tuberkulose und Malaria. Nachsteuerungsbedarf ge-
be es laut EU-Kommission auch bei der Tuberkulose-Initia-
tive.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen SPD und DIE LINKE., den Antrag abzulehnen.

Forschung und Technologie aufgegriffen werde. Das für die
Ausschreibung vorgesehene Finanzvolumen von 5 Mio. Euro

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9713

per anno sei im Vergleich zu den Aufwendungen anderer
Länder, wie beispielsweise Großbritannien mit 53 Mio. Euro,
zu gering. Man selbst halte 100 Mio. Euro für angemessen.
Es müsse aber auch im Bereich der Tuberkulose gearbeitet
werden. Die Förderung der Forschungen zu armutsbedingten
Krankheiten müsse zudem auf europäischer Ebene themati-
siert und ein Schwerpunkt im 8. Forschungsrahmenpro-
gramm werden. Man hätte es begrüßt, wenn es zu einem
interfraktionellen Antrag gekommen wäre.

Die Fraktion der FDP schließt sich den Ausführungen der
Fraktion der CDU/CSU an.

Berlin, den 9. Mai 2012

Sabine Weiss (Wesel I)
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter
schäftigen, wonach die Pharmaunternehmen 5 Prozent der
ärztebezogenen Marketingausgaben in einen Fonds überfüh-
ren müssten. Auch die EU müsse sich in ihrer Forschungs-
förderpolitik stärker auf armutsassoziierte und vernachläs-
sigte Krankheiten konzentrieren.

Karin Roth (Esslingen)
Berichterstatterin

Helga Daub
Berichterstatterin

Uwe Kekeritz
Berichterstatter
Die Fraktion DIE LINKE. betont, ihr Antrag gehe vom
Menschenrecht auf Gesundheit aus. Man müsse leider fest-
stellen, dass die Pharmaunternehmen bezüglich einer ausrei-
chenden Bereitstellung von Medikamenten, insbesondere in
den Ländern des Südens, weltweit versagten. Der Kampf ge-
gen die vernachlässigten Krankheiten werde viel zu schwach
geführt: Nur 10 Prozent der globalen Forschungsausgaben
würden sich auf Krankheiten beziehen, die 90 Prozent der
globalen Krankheitslast ausmachten. Man fordere, die öf-
fentlich geförderten Forschungsergebnisse und Produkte in
bestehende Patentpools zu überführen und neue zu gründen.
Deutschland bringe auch viel zu wenig Fördervolumen hier-
für auf; auch die 20 Mio. Euro für die PDPs seien deutlich zu
wenig. Bei der Frage der Finanzierung empfehle man, sich
eingehender mit dem in Italien praktizierten Modell zu be-

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