BT-Drucksache 17/9654

Ernährungspolitische Maßnahmen gegen Übergewicht und Fehlernährung

Vom 11. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9654
17. Wahlperiode 11. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Nicole Maisch, Cornelia Behm, Harald Ebner, Bärbel Höhn,
Undine Kurth (Quedlinburg), Friedrich Ostendorff, Markus Tressel und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ernährungspolitische Maßnahmen gegen Übergewicht und Fehlernährung

Die Bundesregierung hat sich im Jahr 2007 in der Badenweiler Erklärung ver-
pflichtet, „bis 2020 die Zunahme von Übergewicht bei Kindern zu stoppen und
bis 2020 die Zahl übergewichtiger Menschen in Europa zu verringern.“ Der da-
raufhin ins Leben gerufene nationale Aktionsplan IN FORM hat den ersten Pro-
jektzyklus im Jahr 2010 abgeschlossen. Insgesamt wurden dafür rund 30 Mio.
Euro aus dem Bundeshaushalt ausgegeben. In der aktuellen Phase stellt das Bun-
desministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)
pro Jahr 9 Mio. Euro für Maßnahmen des Aktionsplans zur Verfügung.

In den Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksachen 17/3808 und 17/4447
sind erhebliche strategische Defizite des Aktionsplans und die fehlenden Kon-
kretisierungen der Zielsetzung zu Tage getreten. Hinzu kommt, dass die Wirk-
samkeit in Frage steht. Der Trend zum Übergewicht bleibt ungebrochen. Eine
Evaluation von IN FORM ist daher notwendig.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Bis wann (Monat und Jahr) legt die Bundesregierung dem Deutschen Bun-
destag einen Zwischenbericht zum Aktionsplan IN FORM vor?

2. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass ein Zwischenbericht nach
fünf Jahren Laufzeit sinnvoll ist, damit Kurskorrekturen nicht zu spät er-
folgen?

3. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den bisherigen
Ergebnissen des Aktionsplans IN FORM, insbesondere im Hinblick auf die
in der Badenweiler Erklärung formulierten Zielindikatoren?

4. Teilt die Bundesregierung die Bewertung, dass mit dem Aktionsplan IN
FORM zu wenig (übergewichtige) Personen aus finanzschwachen Haushal-
ten erreicht wurden?

5. Welche Evaluationsberichte hat die Bundesregierung zum Aktionsplan IN

FORM bzw. zu einzelnen Projekten mit welchen Ergebnissen, und wo, ver-
öffentlicht?

6. Warum liegt für die Aktionsbündnisse für gesunde Lebensstile und Lebens-
welten keine Ergebnisevaluation vor, sondern nur die Überprüfung der Pla-
nungs-, Struktur- und Prozessqualität?

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7. Warum wird die fertige Evaluation des Max Rubner-Instituts für das
Modellvorhaben „Besser essen. Mehr bewegen. KINDERLEICHT-Regio-
nen.“ nicht veröffentlicht?

8. Welche Evaluierungsberichte werden im Jahr 2012 veröffentlicht?

9. Welche dauerhaften Strukturen und Institutionen wurden seit 2007 für die
Bekämpfung von Übergewicht und Fehlernährung in Deutschland geschaf-
fen, insbesondere im schulnahen Bereich?

10. Aus welchen Gründen, und aufgrund welcher Analysen wurde die Projekt-
laufzeit für die meisten als Initialmaßnahmen geförderten Projekte über das
Jahr 2011 hinaus verlängert (insbesondere Projekt Nummer 16 und 18 in der
Antwort zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 17/4447, S. 3 bis 6)?

11. Welche aktuellen Daten zum Ernährungsverhalten sowie zur Anzahl der
übergewichtigen und adipösen Personen in Deutschland liegen seit dem
Jahr 2008 aus dem Ernährungsmonitoring des Max Rubner-Instituts und
dem Gesundheitsmonitoring des Robert Koch-Instituts vor (Antwort zu
Frage 2 auf Bundestagsdrucksache 17/4447)?

12. Welche aktuellen Ergebnisse zur Prävalenz übergewichtiger und fettleibiger
Kinder lassen sich aus der noch laufenden Studie zur Gesundheit von
Kindern und Jugendlichen in Deutschland – KIGGS-Studie („Welle 1“ der
Untersuchung) des Robert Koch-Instituts bereits jetzt feststellen?

13. Aus welchen Gründen enthält der Fortschrittsbericht 2012 zur Nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie keine aktuelle Zahl zur Entwicklung von Überge-
wicht und Adipositas, obwohl bis 2009 eine stetig steigende Tendenz fest-
gestellt wurde und damit das angestrebte Ziel der Trendumkehr verfehlt
wird?

14. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Bekämpfung des Über-
gewichts und der Fettleibigkeit von Kindern in Deutschland nur gemanagt
werden kann, wenn diese Daten richtig erfasst und gemessen werden?

15. Beabsichtigt die Bundesregierung die Schulvernetzungsstellen nach der
zweiten Projektphase, die bis zum Jahr 2017 dauern soll (Pressemitteilung
des BMELV vom 3. April 2012), dauerhaft institutionell zu fördern?

16. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus den Studienergeb-
nissen der Hochschule Niederrhein, nach denen 90 Prozent der Schulkan-
tinen Qualitätsmängel aufweisen (Studie Prof. Dr. V. Peinelt, AG-Schulver-
pflegung (AGS), Fachbereich Oecotrophologie der Hochschule Niederrhein:
Erfahrungen bei der Bewertung und Zertifizierung von Angeboten der Schul-
verpflegung 2007 bis 2011)?

17. Beabsichtigt die Bundesregierung, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz
von 7 Prozent für Schulessen einzuführen?

18. Inwiefern können nach Auffassung der Bundesregierung steuerliche Ände-
rungen ernährungspolitische Zielsetzungen positiv unterstützen?

Welche Studien liegen der Bundesregierung hierzu vor?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die Fettsteuer, die seit 2011 in Dänemark
erhoben wird?

20. Wie bewertet die Bundesregierung eine Zuckerabgabe auf Getränke mit
Zuckerzusatz oder Ersatzstoffen, wie sie etwa in Frankreich erhoben wird?

21. Wie hoch wäre das Steueraufkommen bei Wiedereinführung der 1993
abgeschafften Zuckersteuer?

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22. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass Lebensmittel mit einem
ungesunden Nährstoffprofil, etwa in Form eines hohen Anteils an Zucker,
Salz oder Fett, nicht steuerbegünstigt bleiben sollten?

23. Hat es bei der Ausarbeitung möglicher Maßnahmen gegen Übergewicht
und Fettleibigkeit von Kindern eine direkte oder indirekte Beratung, Spen-
den oder andere Mitwirkung einzelner Unternehmen der Nahrungsmittel-
industrie oder deren Verbänden gegeben, und wenn ja, welche?

24. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus den vom Institut
für Konsum- und Verhaltensforschung in Saarbrücken im Rahmen des EU-
Forschungsprojekts „FLABEL“ festgestellten Defiziten in der Nährwert-
kennzeichnung?

25. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus den Studien un-
abhängiger Forschungsinstitutionen, die die jeweiligen Wirksamkeiten
unterschiedlicher Nahrungsmittelkennzeichnungen bei der Beurteilung des
Nährwerts durch Kinder untersuchen?

26. Wie beurteilt die Bundesregierung die Reichweite besserer Aufklärung bei
bildungsfernen und einkommensschwachen Haushalten?

27. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der Studie von
Dr. Tobias Effertz und Ann-Christin Wilcke „Do television food Commer-
cials target children in Germany?“ (Public Health Nutrition, Available on
CJO 2011 doi:10.1017/S1368980011003223), die die Selbstverpflichtung
des Deutschen Werberats „Verhaltensregeln über die kommerzielle Kom-
munikation für Lebensmittel“ für gescheitert erklärt?

28. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass Selbstverpflichtungsabkom-
men wissenschaftlich und von unabhängigen Stellen evaluiert werden müs-
sen, und welche Maßnahmen ergreift sie diesbezüglich?

29. Teilt die Bundesregierung die Forderung nach einem Verzicht auf gesund-
heitsbezogene Angaben und nach gesetzlichen Werbebeschränkungen in
den Massenmedien bei Lebensmitteln mit ungünstigem Nährwertprofil für
die Zielgruppe der Kinder?

30. In welcher Weise müsste nach Auffassung der Bundesregierung Kinder-
marketing zum Schutz der Kinder beschränkt werden, damit diese nicht
mehr zum Konsum von insgesamt zu süßen und übermäßig fetthaltigen vor-
gefertigten Nahrungsmitteln verleitet werden?

31. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Klage und dem geschlos-
senen Vergleich wegen irreführender Werbung auf einer Schokocreme in
den USA für die rechtliche Neuordnung des Lebensmittelmarketings in
Deutschland zu (Hamburger Abendblatt vom 30. April 2012, „Sammel-
klage wegen Nutella“)?

32. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Abschluss-
bericht der Europäischen Kommission über kommunale Initiativen zur Be-
kämpfung von Fettleibigkeit im Kindesalter?

33. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass aufwändige steuerfinan-
zierte Aufklärungskampagnen, wie etwa durch die Bundeszentrale für ge-
sundheitliche Aufklärung, nur sehr beschränkte Wirkung zukommt und
durch wirksamere Maßnahmen wie Werbebeschränkungen im Fernsehen
im Umfeld kindlicher und jugendlicher Zuschauer und durch Werbeverbote
auf öffentlichen Plakatsystemen ersetzt werden sollte?

Drucksache 17/9654 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
34. In welchen Bereichen sieht die Bundesregierung zusätzlichen politischen
Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Adipositas und Übergewicht,
und welche konkreten politischen Initiativen plant die Regierungskoalition
im Laufe des Jahres 2013?

Berlin, den 11. Mai 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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