BT-Drucksache 17/9575

EU-Bildungsprogramme modernisieren und ausbauen - Mobilität und Austausch im Lebenslangen Lernen für eine integrationsfördernde europäische Bildungspolitik erweitern

Vom 9. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9575
17. Wahlperiode 09. 05. 2012

Antrag
der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels,
Klaus Barthel, Willi Brase, Ulla Burchardt, Petra Ernstberger, Michael Gerdes,
Iris Gleicke, Klaus Hagemann, Christel Humme, Oliver Kaczmarek, Daniela Kolbe
(Leipzig), Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Florian Pronold, René Röspel,
Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau), Andrea Wicklein,
Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

EU-Bildungsprogramme modernisieren und ausbauen – Mobilität und Austausch
im Lebenslangen Lernen für eine integrationsfördernde europäische
Bildungspolitik erweitern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Förderung von Mobilität und grenzüberschreitendem Austausch von Schü-
lerinnen und Schülern, Auszubildenden, Studierenden, Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern sowie Lehrkräften und Erwachsenen allgemein aus allen Berei-
chen der formalen und nichtformalen Bildung und die Kooperation innerhalb
Europas auf allen Ebenen des Bildungssystems sind ein wesentlicher Beitrag
im Prozess der europäischen Integration. Infolge der im Jahr 2000 von den
Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beschlossenen Lissabon-
Strategie, mit der die EU zum wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirt-
schaftsraum der Welt entwickelt werden soll, haben die Bildungsminister/
-innen der EU-Länder 2001/2002 ein Arbeitsprogramm zur Schaffung eines
leistungsfähigen und innovativen europäischen Bildungsraumes entwickelt.
Die wichtigsten Ziele des Programms waren die Vergleichbarkeit der europäi-
schen Bildungssysteme (EQR, ECVET) sowie die Stärkung des Informations-
und Erfahrungsaustausches zwischen den Mitgliedstaaten.

Das aktuell laufende europäische Programm für lebenslanges Lernen (PLL) ist
am 1. Januar 2007 an den Start gegangen. Mit einem Budget von fast 7 Mrd.
Euro fördert das bislang größte europäische Bildungsprogramm von 2007 bis
2013 den europäischen Austausch von Lernenden und Lehrenden aller Alters-
stufen sowie die europäische Zusammenarbeit von Bildungseinrichtungen. Das
Programm soll die bildungspolitische Zusammenarbeit in Europa unterstützen
und insbesondere dazu beitragen, die Zielsetzungen der Erklärungen von Ko-
penhagen im Bereich der beruflichen Bildung und des Bologna-Prozesses im

Hochschulbereich umzusetzen. Es führte die bisherigen Programme LEO-
NARDO DA VINCI und SOKRATES unter einem gemeinsamen Dach
zusammen. Neben den 27 EU-Staaten nehmen die Türkei, Norwegen, Island
und Liechtenstein am Programm teil, seit 2011 auch die Schweiz und Kroatien.
Weitere Länder wie die ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien sowie
die westlichen Balkanstaaten können während der Laufzeit des Programms
noch hinzukommen.

Drucksache 17/9575 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das EU-Bildungsprogramm für lebenslanges Lernen unterteilt sich in vier
Hauptprogrammlinien: COMENIUS für die Schulbildung (Nationale Agentur:
Pädagogischer Austauschdienst = PAD der Kultusministerkonferenz), ERAS-
MUS für den Bereich der Hochschulen (Nationale Agentur: Deutscher Akade-
mischer Austauschdienst = DAAD), LEONARDO DA VINCI für die beruf-
liche Bildung und GRUNDTVIG für die Erwachsenenbildung (Nationale
Agentur für beides: Bundesinstitut für Berufsbildung = BIBB). Diese werden
im Wesentlichen durch drei kleinere Unterprogramme ergänzt: JEAN MON-
NET für die europäische Integration in der Forschung und Lehre, das Pro-
gramm eTwinning für die virtuelle Zusammenarbeit der Schulen in Europa und
ein „Querschnittsprogramm“, welches gewährleisten soll, dass die Einzelpro-
gramme die denkbar besten Ergebnisse erzielen (politische Zusammenarbeit,
Sprachenlernen etc.).

Parallel dazu gibt es das Programm „JUGEND IN AKTION“, welches die Mo-
bilität und interkulturelle Kommunikation junger Menschen in der nichtforma-
len Bildung (Jugendorganisationen etc.) in der Europäischen Union und auch
weltweit fördert, und das Programm „ERASMUS MUNDUS“, welches die
Verbesserung der Qualität der europäischen Hochschulen durch Austausch und
akademische Zusammenarbeit zwischen europäischen und nichteuropäischen
Universitäten fördert.

Vorarbeiten für das Nachfolgeprogramm im Rahmen der Strategie „Europa
2020“

Im Juni 2010 hat der Europäische Rat einen Strategischen Rahmen „Europa
2020“ beschlossen, der die Bedeutung der Bildung auf europäischer Ebene
noch weiter steigern und zum Zentrum der europäischen Wachstumsstrategie
machen soll. Zu dessen wichtigsten neuen Zielen gehören nicht nur die Verrin-
gerung der Zahl der Schulabbrecher/-innen (im Alter zwischen 18 und 24 Jah-
ren) von derzeit 14 Prozent auf 10 Prozent und die Steigerung des Anteils der
30- bis 34-Jährigen mit einem Hochschul- oder einem vergleichbaren Ab-
schluss von derzeit 32 Prozent auf 40 Prozent, sondern auch der deutliche
Ausbau der Mobilität von Lernenden und Lehrenden in allen Altersstufen in
Europa in Verbindung mit einer Steigerung der Attraktivität und Qualität der
europäischen Bildungseinrichtungen durch Austausch erfolgreicher Praktiken
und Entwicklung gemeinsamer Konzepte.

In diesem Zusammenhang hat der Rat der Europäischen Union auf Vorschlag
der Europäischen Kommission ein Jahr später (Sommer 2011) im Rahmen des
Mehrjährigen Finanzrahmens 2014 bis 2020 und speziell des Bildungspro-
gramms für lebenslanges Lernen den Mitgliedstaaten die Leitinitiative „Jugend
in Bewegung – die Mobilität junger Menschen zu Lernzwecken fördern“ vorge-
schlagen. Dafür sollten 15,2 Mrd. Euro zur Verfügung stehen. Hinzu kamen
noch ESF-Mittel für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen in den EU-Regionen,
die sich ähnlich wie in der Programmphase 2007 bis 2013 auf über 70 Mrd.
Euro belaufen sollten. In dieser Leitinitiative wurde die herausragende Bedeu-
tung der Mobilität für Europas demokratische Strukturen und für Europas Wett-
bewerbsfähigkeit hervorgehoben. Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert,
geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Hindernisse für die Mobilität zu besei-
tigen.

Allgemein befürworteten die Minister folgende Mobilitätsziele:

● Mindestens 20 Prozent der Hochschulabsolventen sollen 2020 eine Studien-
und Ausbildungsphase im Ausland aufweisen. Mit der neuen Phase der EU-
Bildungsprogramme soll jedem Studierenden die Möglichkeit eines Studien-
aufenthaltes im europäischen Ausland gegeben werden. Statt 400 000 junger

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9575

Menschen, die jährlich von ERASMUS profitieren, sollen es in Zukunft
800 000 sein.

● Bis 2020 sollen mindestens 6 Prozent der Absolventen einer beruflichen
Ausbildung eine Ausbildungsphase im Ausland absolviert haben, die min-
destens zwei Wochen dauert.

● Bis 2020 soll der Anteil der 25- bis 64-Jährigen, die an Erwachsenenbildung
teilnehmen, von 12,5 Prozent (im Jahr 2010) auf 15 Prozent erhöht werden.

Davon abweichende höhere nationale Ziele waren erwünscht.

Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission „Erasmus für alle“

Die EU-Kommission hat am 23. November 2011 ihren endgültigen Vorschlag
für das neue EU-Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und
Sport vorgelegt. Danach sollen alle Programme des lebenslangen Lernens, das
Programm „JUGEND IN AKTION“, das Programm „ERASMUS MUNDUS“
und weitere kleinere Förderprogramme in ein Programm mit dem Titel „ERAS-
MUS FÜR ALLE“ zusammengeführt werden. Das Gesamtbudget soll um
70 Prozent auf 19 Mrd. Euro für den Zeitraum 2014 bis 2020 aufgestockt wer-
den.

Das neue EU-Programm „ERASMUS FÜR ALLE“ sieht eine Zusammenfüh-
rung der bisherigen sieben Programme in eine neue schlankere Programmstruk-
tur (Synergieeffekte) vor. Von der Vereinfachung und Straffung des Programms
bzw. durch die kumulative Wirkung, die sich aus der Vereinfachung ergibt, er-
hofft sich die Kommission einen Produktivitätszuwachs von bis zu 40 Prozent.

Das Programm soll in drei wesentliche „Aktionstypen“ unterteilt werden, die
95 Prozent des geplanten Budgets auf sich ziehen sollen. Die Aufgaben dieser
drei Aktionstypen sind:

● Förderung der transnationalen Mobilität zu Lernzwecken. Hier soll „ERAS-
MUS FÜR ALLE“ im nächsten Siebenjahreszeitraum bis zu fünf Millionen
Menschen – das wäre eine Verdoppelung – aus allen Bereichen der allge-
meinen und beruflichen Bildung ermöglichen, zum Lernen ins Ausland zu
gehen (65 Prozent des geplanten Budgets).

● Ausbau der institutionellen Kooperation zwischen Bildungsorganisationen,
Jugendorganisationen, Behörden und der Arbeitswelt, um die Modernisie-
rung der Bildung, Innovationen und den Unternehmergeist zu fördern
(26 Prozent des geplanten Budgets).

● Unterstützung politischer Reformen in den Mitgliedstaaten und Zusammen-
arbeit mit Drittländern, um Evidenz für die Wirksamkeit von Bildungsinves-
titionen zu erzeugen, durch den Austausch bewährter Verfahren Politik-
unterstützung zu geben und so die Politiken der Mitgliedstaaten insgesamt
effektiver zu machen (4 Prozent des geplanten Budgets).

Die restlichen 5 Prozent des Budgets sollen für die Betriebskosten der nationa-
len Agenturen (3 Prozent) und für sonstige Verwaltungskosten (2 Prozent) aus-
gegeben werden.

Für die einzelnen Sektoren nach der klassischen Aufteilung des jetzigen Pro-
grammaufbaus gibt es Mindestanteile aus dem Gesamtbudget von „ERASMUS
FÜR ALLE“, die sich nach ersten Schätzungen wie folgt verteilen sollen:

● 25 Prozent für die Hochschulbildung („ERASMUS HOCHSCHULBIL-
DUNG“),

● 17 Prozent für die berufliche Aus- und Weiterbildung, davon 2 Prozent für

die Erwachsenenbildung („ERASMUS BERUSBILDUNG“),

Drucksache 17/9575 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● 7 Prozent für die Schulbildung („ERASMUS SCHULBILDUNG“),

● 7 Prozent für die Jugend (außerschulische Jugendorganisationen, nicht for-
males Lernen, „ERASMUS JUGENDBETEILIGUNG“).

Das Programm wird einige vollkommen neue Elemente enthalten, von denen
zwei besonders herausgestellt werden sollen:

● Zusätzlich zu den bisher angebotenen Möglichkeiten eines Mobilitätszu-
schlages (für drei bis zwölf Monate) und eines Stipendiums (ERASMUS
MUNDUS, für zwei Jahre) für Masterstudierende soll ab 2014 ein Garantie-
instrument von Studiendarlehen für Studierende, die ein Masterstudium in
einem anderen europäischen Land absolvieren möchten, angeboten werden
(ERASMUS MASTER, voraussichtlich über die Europäische-Investitions-
bank-Gruppe);

● die Schaffung von Wissensallianzen zwischen Hochschuleinrichtungen und
Unternehmen, um die Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden zu fördern.

Sehr wichtig ist eine beabsichtigte organisatorische Änderung: In jedem Mit-
gliedstaat soll es nur noch eine Agentur geben, die das gesamte zusammenge-
führte Programm betreut.

„ERASMUS FÜR ALLE“ soll nach Presseankündigungen der Kommission die
Anzahl der Menschen, die jährlich ein EU-Stipendium für einen Auslandsauf-
enthalt erhalten, von 400 000 im Jahr 2007 auf 800 000 jährlich im Zeitraum
2014 bis 2020 erhöhen. Im Jahr 2010 waren es ca. 560 000 Menschen.

Die Kommission wirbt in Bezug auf ihren Vorschlag zum neuen Programmauf-
bau „ERASMUS FÜR ALLE“ für den Mehrjahreszeitraum 2014 bis 2020 mit
folgenden quantitativen Zielen:

● 2,2 Millionen Studierende sollen Stipendien für Studienaufenthalte im Aus-
land erhalten (gegenüber 1,5 Millionen im laufenden Programm). Diese
Zahl schließt auch Studierende aus der EU ein, die in einem Drittland studie-
ren, sowie Studierende aus Drittländern, die ein Studium in der EU absolvie-
ren (insgesamt 135 000 Personen).

● 735 000 Auszubildende, Berufsschülerinnen und -schüler sollen einen Teil
ihrer Ausbildung im Ausland absolvieren (gegenüber 350 000 im laufenden
Programm).

● Eine Million Lehrkräfte, Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Jugendbetreu-
erinnen und - betreuer sollen Fördermittel für Lehr- und Fortbildungsaufent-
halte im Ausland erhalten (gegenüber 600 000 im laufenden Programm).

● 700 000 junge Menschen sollen Auslandspraktika in Unternehmen machen
(gegenüber 600 000 im laufenden Programm).

● 330 000 Masterstudierende sollen das vollkommen neue Garantieinstrument
des Studiendarlehens für ein Studium im Ausland in Anspruch nehmen.

● 540 000 junge Menschen sollen an Freiwilligen- oder Austauschprojekten
teilnehmen (gegenüber 374 000 im laufenden Programm).

● 34 000 Studierende sollen ein Stipendium für ein Studium an mindestens
zwei Hochschulen im Ausland erhalten, das zum Erwerb eines „gemein-
samen Abschlusses“ führt (gegenüber 17 600 im laufenden Programm).

● 115 000 in den Bereichen Allgemeine und Berufliche Bildung und/oder
Jugendaktive Einrichtungen und Organisationen sowie weitere Akteure sol-
len mehr als 20 000 „strategische Partnerschaften“ schließen, um gemein-
same Initiativen umzusetzen und den Austausch von Erfahrungen und

Know-how zu fördern.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9575

● 4 000 Bildungseinrichtungen und Unternehmen sollen 400 „Wissensallian-
zen“ und „Allianzen für branchenspezifische Fertigkeiten“ bilden, die als
Triebfedern für Beschäftigungsfähigkeit, Innovation und Unternehmergeist
dienen sollen.

● drei IT-Plattformen für virtuelle Mobilität sollen eingerichtet werden.

● 1 000 Projekte der internationalen Zusammenarbeit mit Drittländern zum
Aufbau von Kapazitäten im Hochschulbereich sollen durchgeführt werden.

Diese quantitativen Ziele werden jedoch in der entsprechenden Verordnung
nicht explizit erwähnt und bleiben somit unverbindlich. Dies ist bedauerlich.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt

● die Aufstockung der Mittel auf 19 Mrd. Euro und den deutlichen Ausbau der
Mobilitätsprogramme;

● die Bestrebungen nach mehr Qualität.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich gemeinsam mit den Ländern auf EU-Ebene in den Beratungen zu „ERAS-
MUS FÜR ALLE“ für folgende Ziele einzusetzen:

● auf dem deutlichen finanziellen Ausbau der EU-Bildungsprogramme
(19 Mrd. Euro) unbedingt zu beharren und diesen nicht durch die Forderung
einer Begrenzung der Ausgaben des nächsten EU-Finanzrahmens auf
1 Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens zu gefährden, sondern im Ge-
genteil eine Erhöhung dieses Volumens auf 1,11 Prozent zu fordern;

● die alten großen Programmlinien aus den Programmen „Lebenslanges Ler-
nen“ und „JUGEND IN AKTION“ mit den entsprechenden nationalen
Agenturen zu erhalten, um bestehende gut funktionierende Strukturen und
den Wiedererkennungswert nicht zu zerschlagen. Ansonsten könnte es zu ei-
nem Rückgang der Mobilität kommen. Eine Trennung der Programme nach
Bereichen der formalen und nichtformalen Bildung sollte bestehen bleiben;

● den neuen Namen des Gesamtprogramms „ERASMUS FÜR ALLE“ zu-
rückzunehmen und zu den alten Programmnamen „LEBENSLANGES
LERNEN“, „JUGEND IN AKTION“ etc. zurückzukehren;

● die quantitativen Mobilitätsziele und die Mittelzuweisungen nach Mobili-
tätsbereichen konkreter und verbindlicher mit in die Verordnung aufzuneh-
men. Es sollten mindestens 85 Prozent statt bisher 56 Prozent der Mittel den
einzelnen Mobilitätsbereichen zugewiesen werden;

● bei der Einführung von Qualitätsstandards und Mobilitätsstandards für die
EU-Bildungseinrichtungen dafür zu sorgen, dass die Länder, die besonders
massiv von der Finanzkrise betroffen sind, entsprechend unterstützt werden,
damit diese bei der Umsetzung und Wahrnehmung der EU-Bildungspro-
gramme nicht den Anschluss verlieren. Dies wäre für den europäischen Ge-
danken kontraproduktiv;

● ein Mobilitätskonto von 24 Monaten (bisher sechs bis zwölf Monate) einzu-
führen, welches flexibel im Bachelor- und/oder Masterstudium in Anspruch
genommen werden kann;

● das geplante Darlehen für das Auslandsstudium von 330 000 Masterstudie-
renden so zu gestalten, dass es in Abhängigkeit von der Einkommenslage
der Betroffenen in einen Zuschuss von 50 Prozent umgewandelt werden
kann;

Drucksache 17/9575 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● bei der Vergabe von ERASMUS-Stipendien und Mobilitätszuschlägen eine
soziale Staffelung einzuführen, um eine stärkere Partizipation Studierender
aus finanzschwachen Familien zu erreichen;

● die ERASMUS-Mobilitätszuschläge so zu erhöhen, dass nicht nur die höhe-
ren Lebenshaltungskosten im Ausland, sondern auch der Wegfall der Zuver-
dienstmöglichkeiten ausgeglichen werden kann;

● auch kürzere Auslandsaufenthalte an Hochschulen zu fördern (z. B.
„Sommerakademien“ von vier bis acht Wochen), um auch den Personen den
Auslandsaufenthalt zu ermöglichen, die sich aus familiären Gründen keinen
längeren Auslandsaufenthalt erlauben können;

● im Rahmen von „ERASMUS FÜR ALLE“ Qualitätskriterien für „Europa-
Universitäten“ zu entwickeln, die eine Zertifizierung möglich machen;

● besonders GRUNDTVIG als eigene Programmlinie zu erhalten und aufzu-
werten, um die Bedeutung des lebenslangen Lernens herauszustellen und die
Mobilitätsziele von 15 Prozent auf mindestens 20 Prozent zu erhöhen.
GRUNDTVIG sollte mit mindestens 7 Prozent des Gesamtbudgets finan-
ziell ausgestattet werden. Erwachsene Lernende sollten bezüglich des An-
gebots an Mobilitätsprogrammen nicht gegenüber anderen Altersgruppen
(Jugendliche, Studierende etc.) diskriminiert werden;

● die Programmlinie GRUNDTVIG analog den Programmen für die Hoch-
schulen auch für Drittländer zu öffnen, damit der Prozess der Internationali-
sierung nicht nur junge Menschen in der akademischen Ausbildung, sondern
auch Erwachsene im Prozess des lebenslangen Lernens erreicht;

● die vorschulische Bildung in die EU-Bildungsprogramme stärker mit einzu-
beziehen. Ziel muss es sein, dass auch Erzieherinnen und Erzieher bzw. das
Fachpersonal in den Kindertagesstätten ausreichend am Programm beteiligt
werden. Ein regelmäßiger Austausch von Erfahrungen und Forschungser-
gebnissen im Elementarbereich und verstärkte Mobilitätsaktivitäten von Er-
zieherinnen und Erziehern können zur EU-weiten Verwirklichung des neuen
Bildungsanspruchs im Elementarbereich beitragen;

● den Bereich Politische Bildung und Teilhabe (Active Citizenship) bzw.
Europäische Bürgerbildung zur Förderung des Dialogs der EU mit ihren
Bürgern und den Bürgern aus unterschiedlichen EU-Ländern untereinander
auszubauen, damit die Akzeptanz der EU bei den Bürgern wächst und nicht
nur mit Themen wie „Eurokrise“ negativ in Verbindung gebracht wird;

● die Alphabetisierung in die EU-Bildungsprogramme mit einzubeziehen, um
den Austausch von Erfahrungen und Informationen zwischen den beteiligten
Ländern zu fördern und einen Beitrag zur Verringerung der Zahl der funk-
tionalen Analphabeten in der EU zu leisten;

● ein allgemeines Europa-Bildungslabel zu entwickeln, mit dem besonders en-
gagierte und geeignete Institutionen bezüglich ihrer Beteiligung an den EU-
Bildungsprogrammen und an anderen EU-Aktivitäten im Bildungsbereich
ausgezeichnet werden;

● einen Verbund von EU-Bildungsforschungsinstituten zu etablieren, welche
die verschiedenen Evaluierungsstudien der Mobilitäts- und Integrationsmaß-
nahmen im Rahmen der EU-Bildungsprogramme bündeln und bewerten;

● einen umfassenden, konsistenten Fortschrittsbericht der EU-Kommission
zur Entwicklung von Mobilität und Austausch im Bildungswesen innerhalb
der EU und zum Stand der EU-Bildungsprogramme regelmäßig vorzulegen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/9575

IV. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich gemeinsam mit den Ländern und Hochschulen auf nationaler Ebene zur
wachsenden Bedeutung des lebenslangen Lernens im europäischen Kontext zu
bekennen und sich in diesem Rahmen für folgende Ziele einzusetzen:

● Verbesserung der Kooperation von Bund, Ländern und anderen Akteuren
des Bildungswesens bei der Umsetzung der auf europäischer Ebene verein-
barten Programme im Bildungswesen;

● Verstärkung der Aufklärung über die Möglichkeiten der europäischen Mobi-
litätsprogramme und intensive Werbung für eine Beteiligung hieran;

● Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Teilnahme von Lehrenden
aus anderen EU-Ländern am Bildungswesen in Deutschland. Dazu gehört
auch die Erleichterung der rechtlichen und fachlichen Voraussetzungen für
die Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern aus den anderen EU-Ländern an
deutschen Schulen;

● Aufnahme der europäischen Dimension in die regelmäßige Bildungsbericht-
erstattung, wie sie auf nationaler Ebene zwischen Bund und Ländern verein-
bart worden ist;

● Ausbau des „Auslands-BAföG“. Der Auslandszuschlag für höhere Lebens-
haltungskosten soll auch bei einem Aufenthalt in den EU-Staaten und in der
Schweiz gewährt werden;

● bessere Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten in den Gastländern bei
der Festlegung der ERASMUS-Mobilitätszuschüsse von den einzelnen Uni-
versitäten für ein Auslandsjahr oder -semester;

● Steigerung der EU-Mobilität von Professoren und vom Verwaltungspersonal
der Universitäten;

● leichtere Anerkennung von gleichwertigen, aber nicht gleichartigen im Aus-
land erworbenen Leistungen der Studierenden.

Berlin, den 9. Mai 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.