BT-Drucksache 17/9554

Keine deutsche Zustimmung zu einer europäischen Förderung der Atomenergie

Vom 9. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9554
17. Wahlperiode 09. 05. 2012

Antrag
der Abgeordneten Marco Bülow, Dirk Becker, Gerd Bollmann, Petra Ernstberger,
Iris Gleicke, Ulrich Kelber, Dr. Bärbel Kofler, Ute Kumpf, Dr. Matthias Miersch,
Thomas Oppermann, Frank Schwabe, Ute Vogt, Waltraud Wolff (Wolmirstedt),
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Keine deutsche Zustimmung zu einer europäischen Förderung der Atomenergie

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die dänische EU-Ratspräsidentschaft hat von den Mitgliedstaaten Stellungnah-
men zum EU-Energiefahrplan bis 2050 erbeten.

Vier Mitgliedstaaten, Großbritannien, Frankreich, Polen und Tschechien, setz-
ten sich in ihren Stellungnahmen für eine Gleichstellung der Atomenergie mit
den erneuerbaren Energien ein, da beide Energieformen CO2-neutral und damit
wichtige Mittel gegen den Klimawandel seien. Dementsprechend müsse die
finanzielle Förderung des Abbaus der CO2-Emissionen technologieneutral er-
folgen.

Die Motivation hinter dieser Forderung ist jedoch ökonomischer Natur. Alte
abgeschriebene Reaktoren sind nur durch in den letzten Jahrzehnten geflossene
Milliardensubventionen und die Vergesellschaftung der Folgekosten für die Be-
treiber profitabel. Der Neubau von Reaktoren rechnet sich dagegen nirgends
auf der Welt, da er deutlich teurer ist und länger dauert als bei jedem anderen
Kraftwerk, gleichzeitig aber durch die Entwicklung der erneuerbaren Energien
in Zukunft kein Preisvorteil besteht. Atomenergie ist nicht nur viel zu gefähr-
lich, sondern auch schlichtweg nicht wettbewerbsfähig.

Selbst in den atomfreundlichsten Ländern Europas oder den USA werden nicht
in großem Stile neue Atomkraftwerke (AKW) gebaut. Im Gegenteil, Groß-
britannien versucht seit Jahren, neue AKWs zu bauen, allerdings haben sich bis
jetzt keine Investoren gefunden, die die Milliardenrisiken tragen wollen. Frank-
reich weiß nicht, wie es seinen veralteten Reaktorpark erneuern soll, ohne dem
französischen Steuerzahler Milliardenkosten aufzubürden; schließlich ist das
einzige Betreiberunternehmen mehrheitlich in staatlicher Hand. Auch Polen
und Tschechien müssen für ihre AKW-Neubauprojekte auf Unterstützung mit
EU-Mitteln hoffen, da diese ansonsten zu scheitern drohen. Die Investitions-
kosten sind nicht nur viel zu hoch, sondern auch unkalkulierbar, wie das Bei-

spiel im finnischen Olkiluoto zeigt. Hier haben sich die Baukosten von 3 auf
derzeit 6,6 Mrd. Euro erhöht. Es ist nicht einmal klar, ob selbst diese mehr als
doppelt so hohe Summe ausreichen wird.

Wenn also offensichtlich ist, dass der Neubau von Atomkraftwerken in einem
immer flexibler werdenden europäischen Strommarkt privatwirtschaftlich nicht
refinanzierbar ist, so müsste die Konsequenz selbst bei Atomkraftbefürwortern
heißen, dass man sich aus rein wirtschaftlicher Vernunft von den Ausbauplänen

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verabschiedet. Förderungen für eine Energieform, die es in 50 Jahren nicht ge-
schafft hat, sich komplett ohne Unterstützung des Steuerzahlers ökonomisch zu
rechnen, sind auch unabhängig von den immensen Gefahren der Atomenergie
nicht darstellbar.

Zudem ist die Atomenergie nicht CO2-neutral. Ein Vergleich der Klimabilanzen
der Stromerzeugungsarten, den das Öko-Institut im Auftrag des Bundesminis-
teriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vornahm, ergab, dass
wegen des hohen Energieverbrauches beim Uranabbau bis zu 300 Gramm CO2
pro Kilowattstunde freigesetzt werden. Die Windkraft kommt, einschließlich
der Produktion der Anlage, auf 22 Gramm pro Kilowattstunde.

Der Bundesregierung wird es nicht gelingen, der deutschen Bevölkerung plau-
sibel zu erklären, warum man in Deutschland aus der Atomenergie aussteigt,
aber gleichzeitig die Förderung von AKW-Neubauten in angrenzenden Län-
dern akzeptiert.

Die Fraktion der SPD fordert die Bundesregierung daher auf, die Umsetzung
solcher Pläne zu verhindern und sich stattdessen konsequenterweise für einen
europaweiten Atomausstieg zu engagieren.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– sich beim Rat für Verkehr, Telekommunikation und Energie am 15. Juni
2012 klar gegen eine Gleichstellung der Atomenergie mit erneuerbaren
Energien und gegen jedwede Subventionierung vorhandener oder geplanter
Atomkraftwerke auszusprechen und

– gleichzeitig darauf hinzuwirken, dass die eingeleitete Energiewende, insbe-
sondere im Bereich der Energieeffizienz hin zu ambitionierten Zielen wei-
terentwickelt wird.

Berlin, den 8. Mai 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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