BT-Drucksache 17/9526

zu dem Antrag der Abgeordneten Helmut Heiderich, Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Harald Leibrecht, Helga Daub, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 17/9153 - Wasser und Ernährung sichern

Vom 7. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9526
17. Wahlperiode 07. 05. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Helmut Heiderich, Sibylle Pfeiffer,
Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Christiane Ratjen-Damerau, Harald Leibrecht,
Helga Daub, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 17/9153 –

Wasser und Ernährung sichern

A. Problem

Das Millenniumsentwicklungsziel, zwischen 1990 und 2015 den Anteil der
Menschen, die keinen nachhaltigen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sani-
tärer Grundversorgung haben, um die Hälfte zu reduzieren, konnte vorfristig er-
reicht werden.

Dennoch ist festzustellen, dass heute immer noch 800 Millionen Menschen in
Entwicklungsländern keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Insbe-
sondere leben 1,6 Milliarden Menschen heute in Gegenden, in denen Wasser
knapp ist. Dies betrifft vor allem die ländliche Entwicklung und die landwirt-
schaftliche Produktion.

Trotz der bisher erreichten Erfolge gibt es bisher keinen Anlass zur Entwarnung.
Nach Angaben der Vereinten Nationen (VN) werden 2015 rund drei Milliarden
Menschen unter Wasserknappheit leiden; davon leben 80 Prozent in Entwick-
lungsländern.

Aufgrund des ungebremsten Bevölkerungswachstums, der zunehmenden Ver-
städterung und Industrialisierung und nicht zuletzt auch wegen des steigenden
Lebensstandards ist realistischerweise davon auszugehen, dass die Produktion
von Nahrungsmitteln vom Wassermangel besonders betroffen sein wird. Nach
einer aktuellen Studie des United Nations Environment Programme (UNEP)
könnte sich die Zahl der von Wasserknappheit Betroffenen sogar auf zwei Mil-
liarden erhöhen.
Die Gründe für Wasserknappheit sind vielfältig: Übernutzung, Verschwendung,
ungleiche Verteilung, kulturell-religiös bedingte Vorbehalte gegen die Nutzung
von Abwasser, die Folgen des Klimawandels. Die unmittelbaren und mittelba-
ren Folgen sind bekannt: Hunger, Migration, Konflikte.

Der Antrag widmet sich primär dem Zusammenhang zwischen Wasserversor-
gung und Ernährungssicherung. Da 70 Prozent des Wassers zu landwirtschaftli-

Drucksache 17/9526 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

chen Zwecken genutzt wird, bedeutet eine zunehmende Verknappung eine Ge-
fahr für die Nahrungsmittelproduktion. In der Landwirtschaft bestehen aber
auch zugleich sehr große Effizienzpotentiale: Derzeit gehen in vielen Teilen der
Welt bis zu drei Viertel des Wassers beim Transport in maroden Kanälen ver-
loren und versickern oder verdunsten ungenutzt auf dem Feld. Was fehlt, sind
eine effektive Bewässerungsmethodik, eine angepasste Produktionstechnik und
eine entsprechende Infrastruktur in Form von Verteilungsnetzen und eines
Wassereinzugsgebietsmanagements. Fatalerweise steht Wasser nicht selten kos-
tenlos oder zu hoch subventionierten Preisen zur Verfügung. Hinzu kommen un-
geklärte Eigentumsverhältnisse, da in vielen Teilen der Welt die Landrechte
gleichbedeutend mit Wasserrechten sind. Woran es auch immer noch mangelt,
sind Züchtungen besonders dürreresistenter Nutzpflanzen, die sichere Erträge
garantieren.

Auch im internationalen Bereich wird der Wasserversorgung in Zusammenhang
mit der Ernährungssicherung steigende Bedeutung beigemessen.

Im Juli 2010 erkannte die Vollversammlung der VN eine Resolution zum Recht
auf Wasser- und Sanitärversorgung explizit an. Für den Zeitraum von 2005 bis
2015 haben sie eine Wasserdekade „Water for Life“ ausgerufen. 2012 befasst
sich die Weltwasserwoche in Stockholm mit dem Thema „Wasser- und Ernäh-
rungssicherung“.

Deutschland zeigt schon heute ein ausgeprägtes entwicklungspolitisches Enga-
gement im Wassersektor; weltweit ist Deutschland hier zweitgrößter bilateraler
Geber. Vor dem Hintergrund der Prognosen und der Bedeutung des Wassers be-
darf es auch weiterhin verstärkter Anstrengungen; insbesondere mit Blick auf
den Nexus von Wasser, Energie und Ernährung braucht es mehr Politikkohärenz
auf nationaler wie internationaler Ebene.

B. Lösung

Annahme des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Ablehnung des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9526

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/9153 anzunehmen.

Berlin, den 25. April 2012

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Helmut Heiderich
Berichterstatter

Dr. Sascha Raabe
Berichterstatter

Niema Movassat
Berichterstatter

Dr. Christiane
Ratjen-Damerau
Berichterstatterin

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

ser gestärkt würden, und dass private Wasserversorgungsbe-
Die Fraktion der FDP verweist auf die Verbindung zwi-
triebe durch geeignete Regulierung Tarifsysteme anwende-

ten, die auch der ärmeren Bevölkerung den Wasserzugang zu
bezahlbaren Preisen erlaubten.

Nicht zuletzt müssten auf nationaler wie internationaler Ebe-

schen Wasserknappheit und Wasserbedarf auf der einen
Seite und der Rolle der Landwirtschaft und die Ernährungs-
wirtschaft auf der anderen Seite. Nur 1 Prozent des vorhan-
denen Wassers auf der Erde könne als Trinkwasser genutzt
Drucksache 17/9526 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Helmut Heiderich, Dr. Sascha Raabe, Niema Movassat,
Dr. Christiane Ratjen-Damerau und Uwe Kekeritz

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/9153 in seiner 172. Sitzung am 29. März 2012 zur Feder-
führung an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung und zur Mitberatung an den Aus-
wärtigen Ausschuss, den Haushaltsausschuss, den Ausschuss
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und
den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, den
Wassersektor als Schwerpunktbereich der deutschen Ent-
wicklungszusammenarbeit weiter auszubauen. Insbesondere
gehe es darum, das „Integrierte Wasserressourcenmanage-
ment (IWRM)“ fortzuführen und neue Technologien zu
einem verbesserten Wassermanagement voranzutreiben. Der
Aufgabenbereich der neuen „Task Force für Ernährungs-
sicherheit“ beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (BMZ) müsse um den As-
pekt Wasserknappheit erweitert werden.

Auf europäischer Ebene soll die Bundesregierung die Be-
rücksichtigung von Erkenntnissen zum Wassernachfrage-
management und zur Wasserversorgungsinfrastruktur in in-
ternationalen Verhandlungen unterstützen. Des Weiteren soll
sie dafür plädieren, dass die EU-Dürrebeobachtungsstelle in
ein internationales System integriert wird.

Auf internationaler Ebene soll die Bundesregierung sich da-
für einsetzen, dass das Menschenrecht auf sauberes Trink-
wasser und Sanitärversorgung sowie der beschlossene Ak-
tionsplan der internationalen Entwicklungsbanken zu
Wasser, Nahrung und Landwirtschaft (Joint Multilateral)
umgesetzt werden. Im Rahmen des Rio+20-Prozesses und
beim Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)
sowie beim United Nations Framework Convention on Cli-
mate Change (UNFCCC) komme es darauf an, dem Nexus
von Klimawandel, Ernährungssicherung, Wasser und Ener-
gie Rechnung zu tragen und darauf hinzuarbeiten, dass wirk-
same Maßnahmen vereinbart werden. Die Bundesregierung
soll zudem bei der UN zu diesem Problemfeld einen globa-
len Bericht durch das Committee on World Food Security
(CFS) anregen.

In den Entwicklungsländern selbst sei es entscheidend, dass
die Eigentumsrechte der lokalen Nutzer auf Land und Was-

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 59. Sit-
zung, der Haushaltsausschuss hat den Antrag in seiner
87. Sitzung am 25. April 2012, der Ausschuss für Ernäh-
rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat den
Antrag in seiner 69. Sitzung, und der Ausschuss für Men-
schenrechte und humanitäre Hilfe hat den Antrag in seiner
59. Sitzung beraten.

Der Auswärtige Ausschuss, der Haushaltsausschuss und
der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz empfehlen mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Antrag anzunehmen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN, den Antrag anzunehmen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag in seiner 60. Sitzung am
25. April 2012 beraten. Er empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, den Antrag anzunehmen.

Die Fraktion der CDU/CSU unterstreicht den neuen An-
satz dieses Antrags in der Wasserpolitik. In der Vergangen-
heit habe man verstärkt die Wasser- und Sanitärversorgung
der Bevölkerung im Blick gehabt. Mit dem vorliegenden
Antrag werde der Fokus auf den Nexus von Wasser und
Ernährung gelegt. Die Bundesregierung habe sicherlich
Vorbildliches im Bereich des Wassermanagements in Ent-
wicklungsländern geleistet, aber auch hier müssten die Zu-
sammenhänge nicht nur gesehen, sondern auch in entspre-
chende Handlungskonzepte umgesetzt werden. Darauf gehe
der Antrag ein. Ein weiterer neuer Aspekt liege im Ausbau
und in der Anwendung einer regionalen Prognostik von dro-
henden Dürren und Hungerkatastrophen. Die Forschungsan-
sätze hierzu müssten in einer Institution gebündelt und dann
auch international genutzt werden. Nicht zuletzt gehe es im
Antrag darum, international Anstrengungen zu unterneh-
men, um die drohenden grenzüberschreitenden Auseinan-
dersetzungen um Wasser zu verringern oder ganz zu vermei-
den.
ne die Forschungsanstrengungen, beispielsweise zu Pflanzen
mit besserer Anpassung an Dürreperioden, forciert werden.

werden, 70 Prozent davon würden für die landwirtschaft-
liche Nutzung verbraucht. Wenn man ferner berücksichtige,

denen sehr viele Menschen lebten. Darum lehne man den
Antrag ab.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisiert, mit dem vorliegenden
Antrag werde lediglich die bisherige Wasserpolitik der Bun-
desregierung fortgesetzt. Sie setze auf Effizienzsteigerung
und den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen.
Das aber diene hauptsächlich den Agrarkonzernen und
schaffe Abhängigkeit bei den betroffenen Kleinbauern. Zu-

sen. Der Antrag sage auch nichts aus über die biologische
Produktion und ihre ökologischen, sozialpolitischen und
ökonomischen Vorteile. Ausgeklammert würde auch das
Thema „Ernährungssouveränität“, was eigentlich ganz oben
auf der Agenda stehen müsste. Nicht zuletzt mangele es an
einer selbstkritischen Aussage über den Zusammenhang
zwischen der westlichen Lebensweise und den Produktions-
verhältnissen in den Entwicklungsländern. Weil alle diese
wichtigen Aspekte fehlten, lehne man den Antrag ab.

Berlin, den 25. April 2012

Helmut Heiderich
Berichterstatter

Dr. Sascha Raabe
Berichterstatter

Niema Movassat
Berichterstatter

Dr. Christiane Ratjen-Damerau
Berichterstatterin

Uwe Kekeritz
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9526

dass die Steigerung der Erträge auf den landwirtschaftlich
genutzten Flächen weniger auf eine Ausweitung der Fläche,
sondern auf eine Intensivierung der Bewässerung zurückzu-
führen sei, und wenn man damit rechnen müsse, dass der Be-
darf in den kommenden Jahren weiter ansteigen werde, dann
müsse man sich Gedanken darüber machen, wie Wasser effi-
zienter eingesetzt werden könne. Darüber hinaus werde im
vorliegenden Antrag der Ausbau der Agrarforschung gefor-
dert. Man müsse prüfen, inwieweit gentechnisch veränderte
Pflanzen, die besonders dürreresistent seien, zum Einsatz
kommen könnten.

Die Fraktion der SPD räumt ein, es gebe durchaus eine Rei-
he von positiven Ansätzen in diesem Antrag, insbesondere
schätze man die Verbindung zum Thema Ernährungssicher-
heit. Was in dem Antrag aber fehle, das seien Angaben zur
Produktionsweise, vor allem zu verbindlichen Regeln bei der
industriellen Produktion. Der Nexus von Wasser und Land-
wirtschaft werde bei der Problematik des „Landgrabbing“
besonders deutlich. Von den Antragstellern würden hierzu
aber noch nicht einmal die FAO-Leitlinien als verbindlich
aufgeführt. Für seine Fraktion sei Wasser ein Gut der öffent-
lichen Daseinsvorsorge, um das sich in erster Linie die Kom-
munen kümmern müssten. Privatwirtschaftliches Engage-
ment würde sich in erster Linie am Gewinn orientieren und
darum vornehmlich nur in jenen Regionen stattfinden, in

dem wolle man zunehmend private Wasserversorgungsbe-
triebe in Entwicklungsländern fördern. Die Privatisierung
des Wassers aber leiste keinen Beitrag dazu, den Zugang
zum Wasser für die ärmere Bevölkerung zu sichern. Ihrer
Auffassung nach sei Wasser ein öffentliches Gut und die Ver-
sorgung der Menschen mit Wasser ein Menschenrecht. Das
müsse der Staat und nicht die Privatwirtschaft gewährleisten.
Insofern werde man den Antrag ablehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schließt sich
der Kritik an der geforderten verstärkten privatwirtschaft-
lichen Wasserversorgung an. Man frage sich zudem grund-
sätzlich, was für einen Sinn ein Antrag mache, in dem For-
derungen aufgelistet würden, die ohnedies in Bearbeitung
seien. Die zentralen Probleme würden im Antrag aber ausge-
spart. So würde beispielsweise nichts über den Zusammen-
hang der Wasserproblematik und dem „Landgrabbing“, den
großflächigen Rodungen, der CO2-Problematik oder die
Wasserspeicherfähigkeit des Bodens ausgesagt. Wenn es um
die Agrarforschung gehe und um trockenheitsresistente
Pflanzen, dann vermeide man geschickt den Begriff „Gen-
technik“. Würde es aber nur um Pflanzen gehen, die auch mit
salzigen Böden zurechtkommen könnten, dann brauche man
die Gentechnik nicht. Insofern hätte im Antrag ein Plädoyer
gegen Gentechnik und für die Vielfalt der Sorten stehen müs-

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