BT-Drucksache 17/9525

Gerechtere Verteilung durch eine 75-Prozent-Reichensteuer für Einkommensmillionäre

Vom 7. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9525
17. Wahlperiode 07. 05. 2012

Antrag
der Abgeordneten Sahra Wagenknecht, Sevim Dag˘delen, Nicole Gohlke, Ulrich
Maurer, Michael Schlecht und der Fraktion DIE LINKE.

Gerechtere Verteilung durch eine 75-Prozent-Reichensteuer für
Einkommensmillionäre

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der französische Präsidentschaftskandidat der sozialdemokratischen Parti
Socialiste, François Hollande, hat für Frankreich die Einführung einer Einkom-
mensteuer i. H. v. 75 Prozent auf das Einkommen über 1 Mio. Euro jährlich ge-
fordert.

Deutschland hat die Einführung einer solchen Steuer noch nötiger als Frank-
reich, denn hier war das Ausmaß der ungleicher werdenden Einkommensvertei-
lung in den letzten beiden Jahrzehnten im internationalen Vergleich besonders
hoch. Verdienten die obersten zehn Prozent in den 90er-Jahren noch sechs Mal
so viel wie die untersten zehn Prozent, war es 2008 bereits acht Mal so viel
(OECD „Divided we stand – Why inequality keeps rising“, Dezember 2011).

Noch weitaus stärker haben die Einkommen des obersten 1 Prozent und der
obersten 1 Promille der Einkommensbezieher zugenommen. Bei diesen Perso-
nen speist sich das Einkommen fast ausschließlich aus Kapitaleinkommen. Und
das wuchs in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich stärker als das Einkom-
men. Laut dem Statistischen Bundesamt gab es im Jahr 2007 rund 17 000 Ein-
kommensmillionäre in Deutschland. Diese Anzahl entspricht 0,04 Prozent aller
Einkommensbezieher. Diese verfügten über ein zu versteuerndes Einkommen
von zusammen knapp 53 Mrd. Euro bzw. 3,1 Mio. Euro durchschnittlich. Das
war mehr als das 50-fache des durchschnittlichen Einkommens der oberen
10 Prozent. Es ist davon auszugehen, dass das tatsächliche Einkommen der
Millionäre noch höher liegt, da das Kapitaleinkommen in der Regel signifikant
unterschätzt wird.

Die sogenannte Reichensteuer in Höhe eines Aufschlags von drei Prozentpunk-
ten auf den Spitzensteuersatz, 2005 von der Großen Koalition aus CDU/CSU
und SPD eingeführt, hat die fortschreitende Einkommenspolarisation in
Deutschland nicht bremsen können; es war bloße Symbolpolitik. Das Aufkom-
men einer 75- Prozent-Reichensteuer für Einkommensmillionäre läge dagegen bei

5 bis 11 Mrd. Euro jährlich und übertrifft die sogenannte Reichensteuer der Gro-
ßen Koalition um das Zehnfache.

Eine effektive Politik für mehr Einkommensgerechtigkeit ist auch aus ökonomi-
schen Gründen nötig. Einkommen kann von den Haushalten entweder konsu-
miert oder gespart werden. Der Anteil des Einkommens, der für den Konsum
ausgegeben wird, nimmt mit steigendem Einkommen ab. Deshalb hat die un-

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gleicher werdende Einkommensverteilung in den letzten zwei Jahrzehnten das
Wirtschaftswachstum strukturell gemindert und Kapital stattdessen in die Fi-
nanzmärkte geleitet. Die Mehreinnahmen aus der 75-Prozent-Reichensteuer für
Einkommensmillionäre sollen vom Staat so verwendet werden, dass dies den
untersten Einkommensschichten zugutekommt.

Durch die ungerechte Besteuerung der Einkommen in den letzten Jahrzehnten
wurde das Vermögen in Deutschland immer ungleicher verteilt. Mehr als zwei
Drittel der Gesamtbevölkerung besitzen kein oder nur ein sehr geringes Netto-
vermögen. Das oberste Prozent besitzt dagegen inzwischen knapp ein Viertel
des gesamten Vermögens in Deutschland. Neben der 75-Prozent-Reichensteuer
für Einkommensmillionäre ist deshalb eine Besteuerung der Vermögen ab 1 Mio.
Euro nötig.

Der Antrag berücksichtigt auch die gegenwärtige Situation in Europa. Die Mil-
lionäre tragen die überwiegende Verantwortung für die Krise, werden aber im
Unterschied zu allen anderen für die Kosten nicht zusätzlich in Anspruch ge-
nommen. Deshalb ist zumindest in der gegenwärtigen Phase eine solche Steuer
notwendig und angemessen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ein Gesetz zur Novellierung des Einkommensteuergesetzes vorzulegen, welches
einen Grenzsteuersatz von 75 Prozent für zu versteuerndes Einkommen über
1 Mio. Euro vorsieht.

Berlin, den 7. Mai 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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