BT-Drucksache 17/9509

Finanzierung des ukrainischen Nuclear Power Plant Safety Upgrade Program durch Euratom

Vom 30. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9509
17. Wahlperiode 30. 04. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn,
Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Dr. Hermann E. Ott,
Dorothea Steiner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Finanzierung des ukrainischen Nuclear Power Plant Safety Upgrade Program
durch Euratom

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und die
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) haben angekündigt, dem Kreditersu-
chen des ukrainischen staatlichen Kernkraftwerksbetreiber Ukrainian National
Energic Company (NEC) Energoatom nachzukommen und das von der ukrai-
nischen Regierung geplante AKW-Nachrüstungsprogramm für die 15 Reaktoren
im Land mit Krediten in Höhe von insgesamt 800 Mio. Euro zu unterstützen.
Euratom, zu dessen Mitgliedsstaaten auch Deutschland zählt, hat die Absicht
einen Kredit in Höhe von 500 Mio. Euro zu beschließen. Laut einer aktuellen
Studie (http://bankwatch.org/sites/default/files/Ukraine-SUP-review.pdf), die im
Auftrag vom CEE Bankwatch Network erstellt wurde, ist – anders als im Um-
weltbericht 2011 von NEC Energoatom dargestellt – davon auszugehen, dass die
geplanten Sicherheitsmaßnahmen für die 15 Reaktoren Teil des Lebensdauer-
verlängerungsprogramms sind, mit dem die Reaktoren länger als die ursprüng-
lich vorgesehenen 30 Jahre laufen könnten. Denn die Designlebensdauer der
meisten Reaktoren endet je nach Reaktorblock zwischen 2012 und 2019.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Informationen, insbesondere in schriftlicher Form, liegen der Bun-
desregierung über das ukrainische Nuclear Power Plant Safety Upgrade Pro-
gram (SUP) vor?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass die geplanten
Sicherheitsmaßnahmen für die 15 ukrainischen Reaktoren Teil des Lebens-
dauerverlängerungsprogramms sind?

3. Gibt es Nachweise darüber, welche Sicherheitsstandards durch das Pro-
gramm erreicht werden sollen, und entsprechen diese denen in Deutschland?

4. Liegt der Bundesregierung die IAEA-Studie (IAEA = International Atomic
Energy Agency) aus dem Jahr 2010 (Safety Evaluation of Ukrainian Nuclear

Power Plants www-ns.iaea.org/projects/ukraine/default.asp?s=8) vor?

Wenn ja, warum wird sie nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt,
dient sie doch als Grundlage für die Kreditvergabe?

Wenn nein, wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass sie diese
Studie bekommt und dass die Studie auch der Öffentlichkeit zugänglich ge-
macht wird?

Drucksache 17/9509 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Ist der Bundesregierung der „National Report on stress test results“ des
staatlichen ukrainischen Nuclear Regulatory Inspectorate bekannt, der für
die meisten der 15 ukrainischen Reaktoren eine Ende der Designlebens-
dauer je nach Reaktorblock bis 2019 festlegt (www.snrc.gov.ua/nuclear/
doccatalog/document?id=171796)?

Wie bewertet die Bundesregierung das Ende der Designlebensdauer der
ukrainischen Reaktoren in Zusammenhang mit dem SUP, das eine Laufzeit
über das Ende der Lebensdauer hinaus ermöglichen würde?

6. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die ukrainische Aufsichtsbehörde die
Lebensdauerverlängerung für die Atomkraftwerke Rivne 1 und Rivne 2 ge-
nehmigt hat, ohne die Espoo-Konvention über die grenzüberschreitende
Umweltverträglichkeitsprüfung zur Anwendung zu bringen, und dass das
Espoo Implementation Committee derzeit untersucht, ob es zu einer Verlet-
zung der Konvention gekommen ist?

Wenn ja, wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass diese Frage
geklärt werden muss, bevor Euratom eine Finanzierungszusage für das
SUP macht?

7. Ist der Bundesregierung bekannt, dass einige der vorgesehenen Modernisie-
rungen „signifikante Änderungen“ im Sinne der Espoo-Konvention darstel-
len, wie z. B. die Einführung von Nuklearbrennstoff der zweiten Generation?

Wie bewertet die Bundesregierung diese Änderung und das damit häufig in
Zusammenhang gebrachte erhöhte Unfallrisiko durch den höheren Ab-
brand dieses Brennstoffs?

8. Wie bewertet die Bundesregierung, dass Euratom und die EBWE über die
Zusage für die Finanzierung bereits vor dem Abschluss des Stresstests für
die ukrainischen Reaktoren (erste Ergebnisse werden für Juni 2012 erwar-
tet) beschließen möchte?

9. Wird die Bundesregierung Eurotam bzw. die EBWE dazu auffordern, die
Ergebnisse der Stresstests abzuwarten, bevor die Kredite für das SUP ver-
geben werden?

Wenn ja, in welcher Form und bis wann?

Wenn nein, warum nicht?

10. Wie bewertet die Bundesregierung den Sicherheitsstandard der in der
Ukraine betriebenen VVER-Reaktoren im Vergleich zu den in Deutschland
in Betrieb befindlichen Reaktoren?

11. Teilt die Bundesregierung die Aussage des ukrainischen Betreibers und der
Ukrainischen Aufsichtsbehörde, dass die Sicherheitsmaßnahmen auch für
den Fall einer Abschaltung der Reaktoren notwendig seien, und hält sie
dies als Grundlage für den Umweltbericht und das gesamte Kreditansuchen
bei Euratom und EBWE für ausreichend?

12. Welche Rolle spielt die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit
(GRS) mbH beim ukrainischen SUP?

13. Ist im weiteren Verfahren sichergestellt, dass eine Strategische Umweltver-
träglichkeitsprüfung nach Espoo und EU-Richtlinie sowie eine vollständige
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) mit Einbeziehung aller potentiell
von Atomunfällen in der Ukraine betroffenen Staaten durchgeführt wird?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9509

14. Wenn nein, wird die Bundesregierung eine vollständige UVP nach Espoo
bzw. Informationszugang gemäß Aarhus-Konvention einfordern, damit
auch die Bevölkerung und die Behörden in Deutschland über dieses Projekt
Informationen und Mitsprachemöglichkeit erhalten?

15. Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung (bilaterale und internatio-
nale Abkommen, Euratom-Mitgliedschaft), die Ukraine zur Darstellung
von Alternativen zum Nuklearprogramm für weitere 15 Jahre aufzufor-
dern, wie es laut SEA-Richtlinie (2001/42/EG) der EU erforderlich wäre?

Wird die Bundesregierung von diesen Möglichkeiten Gebrauch machen?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 30. April 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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