BT-Drucksache 17/95

Die Rolle von Flüssigerdgas (Liquid Natural Gas - LNG) für die Versorgungssicherheit Deutschlands

Vom 27. November 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/95
17. Wahlperiode 27. 11. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Cornelia Behm,
Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl,
Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff,
Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner, Markus Tressel, Daniela Wagner, Dr. Valerie
Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Rolle von Flüssigerdgas (Liquid Natural Gas – LNG) für die
Versorgungssicherheit Deutschlands

Weltweit steigende Bedeutung von LNG

Der Markt für LNG (Liquid Natural Gas – Flüssigerdgas) ist in der Vergangen-
heit weltweit jährlich um 8 Prozent gewachsen. In Zukunft gehen Schätzungen
sogar von 10 bis 15 Prozent Steigerung pro Jahr aus.1 Der Vorteil von LNG ist
seine Flexibilität: Das Erdgas kann, nachdem es unter hohem Druck auf einen
Bruchteil seines Volumens komprimiert und verflüssigt worden ist, unabhängig
von Pipelines mit Tankschiffen über große Entfernungen transportiert werden.
So können Gasvorkommen auch unabhängig vom Vorhandensein von Pipelines
für die deutsche und europäische Gasversorgung nutzbar gemacht werden. Dies
ermöglicht auch Gasproduzenten ohne Pipelineverbindung den Marktzutritt.

Länder wie Japan oder Südkorea, die über keine Gaspipelines mit Lieferländern
verbunden sind, setzen für ihre Versorgung LNG ein. Praktisch alle Staaten
West- und Mitteleuropas mit Küstenzugang betreiben LNG-Anlandeterminals
oder bauen bzw. planen diese.

Anders in Deutschland: Der marktbeherrschende Gasversorger in Deutschland,
E.ON-Ruhrgas (geschätzter Marktanteil bei Erdgas ca. 60 Prozent) ist zwar im
Besitz einer Genehmigung zum Bau eines LNG-Anlandeterminals in Wilhelms-
haven, zeigt jedoch kein Interesse, dieses auch zu bauen.

Bei einem deutlich wachsenden Biogasmarkt lässt sich eine LNG-Infrastruktur
perspektivisch auch für Biogas nutzen.

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP ist die Rede davon, dass „große
Infrastrukturprojekte“ wie LNG „intensiv begleitet“ werden sollen. Was das
jedoch konkret heißt, ist bislang unklar.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welcher Weise setzt sich die Bundesregierung für eine Diversifizierung
der Gasversorgung Deutschlands, z. B. durch die Errichtung einer LNG-In-
frastruktur (Anlandeterminal), ein?

1 Unter anderem laut Studie der Hypo Vereinsbank (2006): Verflüssigtes Erdgas (LNG) – Ein Markt im Fokus.

Drucksache 17/95 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Was ist konkret mit der o. g. Ausführung im Koalitionsvertrag gemeint?

3. Gilt die Aussage „Die Bundesregierung beurteilt derartige Projekte, die zur
Diversifizierung der Bezugsquellen bzw. der Transportwege beitragen und
die Liquidität im Markt erhöhen können, grundsätzlich positiv“ bei der
Beantwortung der Schriftlichen Frage 58 auf Bundestagsdrucksache
16/7639 zum geplanten Bauprojekt eines LNG-Terminals in Szczecin
(Polen) weiterhin, und wenn ja, nur für Polen oder auch für die Bundes-
republik Deutschland?

4. Wie hoch ist der LNG-Anteil am Gasverbrauch in Deutschland, Portugal,
Spanien, Frankreich, Italien, Belgien, Niederlande, Irland und Großbritan-
nien (bitte aufschlüsseln nach Land und Jahr für die Jahre 2000 bis 2009)?

Gibt es Prognosen dieser Regierungen zu zukünftigen Markanteilen von
LNG (bitte ebenfalls aufschlüsseln)?

5. Sind in Deutschland LNG-Terminals in konkreter Planung (wenn ja, bitte
aufschlüsseln nach Anlage und Bundesland)?

6. Wenn nein, wie bewertet die Bundesregierung diese Situation im Hinblick
auf die Versorgungssicherheit und den Wettbewerb am Gasmarkt in
Deutschland?

7. Wie viele LNG-Terminals sind in der EU in Betrieb, im Bau oder in Pla-
nung (bitte aufschlüsseln nach Anlage und Land)?

8. Wie haben sich die Importpreise für Pipelinegas und LNG-Gas in der EU
in den letzten drei Jahren entwickelt (bitte gegebenenfalls aufschlüsseln
nach Land)?

9. Welche weitere Entwicklung erwartet die Bundesregierung hier?

10. Welche freien Lieferkapazitäten gibt es derzeit auf dem Weltmarkt (bitte
das verfügbare Liefervolumen insgesamt und aufgeschlüsselt nach Liefer-
ländern benennen)?

11. Wie hoch sind die durchschnittlichen Gaspreise in ct/kWh jeweils für pri-
vate und gewerbliche Verbraucher ohne Steuern und Abgaben in Deutsch-
land, Portugal, Spanien, Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden,
Irland und Großbritannien?

12. Wie hoch ist der aktuelle und der für die Zukunft erwartete auf den jeweiligen
Staat bezogene LNG-Anteil am Gasverbrauch in diesen neun EU-Staaten?

13. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, warum E.ON
den LNG-Terminalbau in Wilhelmshaven nicht realisiert hat?

14. Wann hat E.ON die Genehmigung erhalten?

15. Gibt es nach Meinung der Bundesregierung Indizien dafür, dass E.ON auf
der Basis seiner engen Verbindung mit Gazprom der größte Importeur
russischen Pipelinegases ist?

Wenn ja, welche?

16. Welche Informationen liegen der Bundesregierung darüber vor, ob ein an-
deres Unternehmen ein LNG-Terminal in Wilhelmshaven plant, und wenn
ja, wie weit sind die Planungen vorangeschritten?

17. Gibt es weitere sinnvolle Standorte?

Wenn ja, welche?

18. Wie verhält sich die Klimabilanz von LNG im Vergleich zu Erdgas, das
durch Pipelines geleitet wird – abhängig von der Länge der Pipelines?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/95

19. Wie hoch sind die gesamten Energieaufwendungen bezüglich Förderung,
Verflüssigung, Komprimierung und Gastransport im Vergleich von LNG
und Pipelinegas (bitte aufschlüsseln für 1 000, 2 000, 3 000, 4 000 und
5 000 km)?

20. Wie hoch ist der Gasverbrauch ab Erdgasfeld für ein GUD-Gaskraftwerk
bei Einsatz von LNG verglichen mit Pipelinegas?

21. Welche Studien bezüglich der Klimabilanz von LNG liegen der Bundesre-
gierung vor?

22. Wie setzt sich die Preisbildung auf LNG-Märkten, insbesondere bei Ver-
knappungen, zusammen?

23. Welche Erdgasquellen und Exporthäfen kämen primär für den potenziellen
Import von LNG nach Deutschland in Frage?

Berlin, den 27. November 2009

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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