BT-Drucksache 17/9450

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Schwabe, Ingrid Arndt-Brauer, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - Drucksache 17/7612 - Leitlinien für Transparenz und Umweltverträglichkeit bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas b) zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/5573 - Transparenz und Kontrolle bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas in Deutschland

Vom 26. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9450
17. Wahlperiode 26. 04. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(16. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Schwabe, Ingrid Arndt-Brauer,
Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/7612 –

Leitlinien für Transparenz und Umweltverträglichkeit bei der Förderung von
unkonventionellem Erdgas

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/5573 –

Transparenz und Kontrolle bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas
in Deutschland

A. Problem

Zu Buchstabe a

Die Fraktion der SPD macht geltend, dass Umweltgefährdungen durch die För-
derung von unkonventionellem Erdgas in Deutschland gegenwärtig nicht aus-
geschlossen werden könnten. Es lägen zu wenig gesicherte Erkenntnisse vor.
Gefahren für Mensch und Umwelt seien in allen Phasen der Förderung denkbar.
Deshalb sollten im Sinne eines „Moratoriums“ Anträge auf Projekte, in denen
Frac- oder Frac-Vorbereitungsmaßnahmen angewendet werden sollen, bis zur
Gewinnung wissenschaftlich fundierter Kenntnisse nicht entschieden werden.

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden,

– das Bundesbergrecht derart zu reformieren, dass Öffentlichkeitsbeteiligung

und umfassende Transparenz bei der Vergabe von Aufsuchungslizenzen ge-
währleistet sind;

– Fracking in sensiblen Gebieten wie zum Beispiel in Trinkwasser-Gewin-
nungsgebieten zu untersagen;

– Regelungen zu treffen, die eine Gefährdung des Grund- und Trinkwassers
durch die eingesetzten Chemikalien verhindern und

Drucksache 17/9450 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– dafür Sorge zu tragen, dass für eintretende Schäden nicht die Allgemeinheit,
sondern der Betreiber in unbegrenzter Höhe haftet.

Zu Buchstabe b

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betont, eine Förderung von unkon-
ventionellem Erdgas sei nur vorstellbar, wenn Gefahren und schwerwiegende
Belastungen für Mensch und Umwelt sicher ausgeschlossen werden würden.

Die Bundesregierung soll deshalb Sorge dafür tragen,

– dass „Hydraulic Fracturing“ nicht angewendet wird, bevor nicht gesicherte
wissenschaftliche Erkenntnisse über die Risiken und möglichen Folgen die-
ser Technologie vorliegen und Gefährdungen für Mensch und Natur ausge-
schlossen sind;

– Maßnahmen einzuleiten, welche den Einsatz trinkwassergefährdender, was-
serorganismenschädigender oder anderweitig giftiger Stoffe zur Aufsuchung
und Förderung von unkonventionellem Erdgas grundsätzlich ausschließen;

– die Öffentlichkeitsbeteiligung und Transparenz bei der Vergabe von Auf-
suchungslizenzen deutlich zu erhöhen;

– in Anlehnung an die Initiative der Europäischen Kommission eine grund-
legende Überprüfung des deutschen Rechtsrahmens für die Förderung von
unkonventionellem Erdgas einzuleiten.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/7612 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion
DIE LINKE.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/5573 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion
DIE LINKE.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9450

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 17/7612 abzulehnen,

b) den Antrag auf Drucksache 17/5573 abzulehnen.

Berlin, den 28. März 2012

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Eva Bulling-Schröter
Vorsitzende

Dr. Michael Paul
Berichterstatter

Frank Schwabe
Berichterstatter

Horst Meierhofer
Berichterstatter

Johanna Voß
Berichterstatterin

Oliver Krischer
Berichterstatter

Förderung von unkonventionellem Erdgas sei nur vorstell- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Antrag auf Druck-
bar, wenn Gefahren und schwerwiegende Belastungen für

Mensch und Umwelt sicher ausgeschlossen werden würden.

Die Bundesregierung soll deshalb Sorge dafür tragen,

– dass „Hydraulic Fracturing“ nicht angewendet wird, be-

sache 17/5573 abzulehnen.

IV. Öffentliche Anhörung
Drucksache 17/9450 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Michael Paul, Frank Schwabe, Horst Meierhofer,
Johanna Voß und Oliver Krischer

I. Überweisung

Zu Buchstabe a

Der Antrag auf Drucksache 17/7612 wurde in der 139. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 10. November 2011
zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an
den Innenausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie, den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung sowie den Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung überwiesen.

Zu Buchstabe b

Der Antrag auf Drucksache 17/5573 wurde in der 117. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 30. Juni 2011 zur
federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an
den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a

Die Fraktion der SPD macht geltend, dass Umweltgefähr-
dungen durch die Förderung von unkonventionellem Erdgas
in Deutschland gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden
könnten. Es lägen zu wenig gesicherte Erkenntnisse vor.
Gefahren für Mensch und Umwelt seien in allen Phasen der
Förderung denkbar. Deshalb sollten im Sinne eines „Mora-
toriums“ Anträge auf Projekte, in denen Frac- oder Frac-
Vorbereitungsmaßnahmen angewendet werden sollen, bis
zur Gewinnung wissenschaftlich fundierter Kenntnisse
nicht entschieden werden.

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden,

– das Bundesbergrecht derart zu reformieren, dass Öffent-
lichkeitsbeteiligung und umfassende Transparenz bei der
Vergabe von Aufsuchungslizenzen gewährleistet sind;

– Fracking in sensiblen Gebieten wie zum Beispiel in
Trinkwasser-Gewinnungsgebieten zu untersagen;

– Regelungen zu treffen, die eine Gefährdung des Grund-
und Trinkwassers durch die eingesetzten Chemikalien
verhindern und

– dafür Sorge zu tragen, dass für eintretende Schäden nicht
die Allgemeinheit, sondern der Betreiber in unbegrenz-
ter Höhe haftet.

Zu Buchstabe b

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betont, eine

vorliegen und Gefährdungen für Mensch und Natur aus-
geschlossen sind;

– Maßnahmen einzuleiten, welche den Einsatz trinkwas-
sergefährdender, wasserorganismenschädigender oder
anderweitig giftiger Stoffe zur Aufsuchung und Förde-
rung von unkonventionellem Erdgas grundsätzlich aus-
schließen;

– die Öffentlichkeitsbeteiligung und Transparenz bei der
Vergabe von Aufsuchungslizenzen deutlich zu erhöhen;

– in Anlehnung an die Initiative der Europäischen Kom-
mission eine grundlegende Überprüfung des deutschen
Rechtsrahmens für die Förderung von unkonventionel-
lem Erdgas einzuleiten.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Innenausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 17/7612 abzulehnen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Antrag auf Druck-
sache 17/7612 abzulehnen.

Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
hat mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Antrag auf Druck-
sache 17/7612 abzulehnen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Antrag auf Druck-
sache 17/7612 abzulehnen.

Zu Buchstabe b

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und
vor nicht gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über
die Risiken und möglichen Folgen dieser Technologie

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit hat in seiner 58. Sitzung am 21. November 2011 eine

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9450

öffentliche Anhörung zu den Anträgen auf Drucksachen 17/
7612 und 17/5573 durchgeführt. Hierzu hat der Ausschuss
folgende Sachverständige eingeladen:

Prof. Dr. Dietrich Borchardt
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH

Dr. Michael Kosinowski
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Geo-
zentrum Hannover

Dr. Hartmut Pick
Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V.

Dr. Manfred Scholle

Volker Milk
Bezirksregierung Arnsberg

Martin Weyand
Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.

Jörn Krüger
IG „Gegen Gasbohren“ Nordwalde

Dirk Jansen
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V.

Die Ergebnisse sind in die Beratungen des Ausschusses ein-
geflossen. Die schriftlichen Stellungnahmen der geladenen
Sachverständigen (Ausschussdrucksachen 17(16)471-A bis
17(16)471-D(neu)) sowie das Wortprotokoll der Anhörung
sind der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich.

V. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit hat die Anträge auf Drucksachen 17/7612 und 17/5573
in seiner 64. Sitzung am 8. Februar 2012 anberaten und in
seiner 69. Sitzung am 28. März 2012 abschließend beraten.

Die Fraktion der CDU/CSU erklärte, fraktionsübergrei-
fend unterscheide man sich kaum hinsichtlich der Ziele der
Förderung von unkonventionellem Erdgas. Die Aufsuchung
und Erschließung von unkonventionellen Erdgaslagerstätten
biete eine energiewirtschaftliche Chance für Deutschland.
Sie könne einen Beitrag zur Versorgungssicherheit in
Deutschland leisten. Einheimisches Erdgas mache zurzeit
rund 14 Prozent des verbrauchten Erdgases aus. Dieser An-
teil werde in den kommenden Jahren voraussichtlich sinken,
weil die Erdgasvorkommen relativ erschöpft seien. Erdgas
werde bei der Energiewende eine wichtige Rolle im Ener-
giemix spielen. Eine stärkere Unabhängigkeit von Importen
wäre aus Gründen der Versorgungssicherheit vernünftig.

Auch sei man sich fraktionsübergreifend einig, dass die
Aufsuchung und Gewinnung von unkonventionellem Erd-
gas an strenge Anforderungen einer Umweltverträglich-
keitsprüfung zu knüpfen seien. Es dürfe keine Gefahr für
Umweltschutzgüter, wie das Trinkwasser, ausgehen. Man
sei sich einig, langfristig ausschließlich nicht wassergefähr-
dende Stoffe einzusetzen. Die Kommunen und die Bevölke-
rung seien zu einem frühen Zeitpunkt umfassend zu infor-
mieren. Darüber hinaus sei der uneinheitliche Vollzug der
gesetzlichen Anforderungen innerhalb der Bundesrepublik

In den Anträgen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gebe es Aspekte, denen man sich anschlie-
ßen könne. In Teilbereichen würde die Fraktion der CDU/
CSU sogar darüber hinausgehen. In den Anträgen der Frak-
tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei beispiels-
weise nicht erkennbar, dass den Wasserbehörden beim
Fracking mit wassergefährdenden Stoffen eine Art Veto-
recht eingeräumt werde. Dies sei aus Sicht der Fraktion der
CDU/CSU aber durchaus vernünftig.

Zum jetzigen Zeitpunkt bestehe noch keine Notwendigkeit,
das Rechtsetzungsverfahren einzuleiten. Auf Grund des
Moratoriums, das es faktisch in Nordrhein-Westfalen gebe,
fänden derzeit keine Aufsuchungs- und Gewinnungsmaß-
nahmen mithilfe von Fracking statt. Es gebe einen Informa-
tions- und Dialogprozess, den die Firma ExxonMobil Cen-
tral Europe Holding GmbH (ExxonMobil) auf den Weg ge-
bracht habe, dessen Ergebnisse in Kürze vorgelegt werden
würden. Darüber hinaus hätten sowohl die Landesregierung
in Nordrhein-Westfalen als auch die Bundesregierung Gut-
achten in Auftrag gegeben, die Grundlage der weiteren auch
gesetzgeberischen, Tätigkeiten sein sollten. Aus diesem
Grund könne man den jetzt vorliegenden Anträgen nicht zu-
stimmen.

Die Fraktion der SPD erklärte, die Fraktionen der CDU/
CSU und FDP sowie der Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie und der Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit seien nicht in der Lage, sich
auf einen gemeinsamen Beschluss zu verständigen. Mit den
Gutachten habe das nichts zu tun. Der Bundesminister für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Norbert
Röttgen (CDU), habe als Landesvorsitzender der CDU
in Nordrhein-Westfalen einen Landesvorstandsbeschluss
erwirkt, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werde,
tätig zu werden. Offenbar könne sich der Bundesminister
im Kabinett nicht durchsetzen.

Noch vor eineinhalb Jahren habe man geleugnet, dass es
überhaupt ein Problem bei der Förderung unkonventionel-
len Erdgases gebe. Auf Anfrage habe das Bundesministe-
rium für Wirtschaft und Technologie mitgeteilt, die Förde-
rung unkonventioneller Erdgasvorkommen sei vergleichbar
mit der Förderung im konventionellen Bereich. Einen be-
sonderen Handlungs- oder Regelungsbedarf habe man nicht
gesehen. Inzwischen sehe man zwar das Problem, handle
aber immer noch nicht.

Die Lehre aus den energiepolitischen Debatten der vergan-
genen Jahrzehnte sei, dass man die Menschen nur mit einer
transparenten Politik, die auch den Umweltschutz angemes-
sen berücksichtige, überzeugen könne. Wenn man im Be-
reich der unkonventionellen Erdgasvorkommen die Bürger-
beteiligung, die Haftungsfragen und den Umweltschutz
nicht umfassend regele, werde es nicht zur Förderung dieser
Vorkommen kommen. Das werde ablaufen wie bei CCS und
vielen anderen Bereichen. Deshalb sei es unverantwortlich,
dass die Bundesregierung auch hier wieder, wie in den
meisten Bereichen der Energiepolitik, nicht in der Lage sei,
vernünftige Entscheidungen zu treffen.

Beim Ausschluss von Trinkwasserschutzgebieten sei man
sich noch einig. Bei der Umweltverträglichkeitsprüfung sei
es wichtig, grundsätzlich eine umfassende Prüfung durchzu-
Deutschland auf Dauer kein guter Zustand. Er müsse im
Rahmen der Gesetzgebung behoben werden.

führen und nicht abgestufte Varianten einzuführen. Wenn es
möglich sei, Fracking in zwei Jahren ohne grundwasserge-

Drucksache 17/9450 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

fährdende Chemikalien durchzuführen, dann müssten diese
Stoffe auch komplett ausgeschlossen werden.

Es sei der Landesregierung Nordrhein-Westfalen zu verdan-
ken, die sich engagiert dem Thema gewidmet habe, dass es
eine Art Moratorium gebe. Viele Unternehmen verhielten
sich in dieser Hinsicht sehr vernünftig. Das Verhalten von
ExxonMobil sei unglaubwürdig. Auf der einen Seite würde
eine Informationsplattform mit Expertenbeteiligung einge-
richtet werden. Gleichzeitig würden auf der anderen Seite
Werbespots geschaltet werden, in denen berichtet werde,
dass alle Tätigkeiten des Unternehmens keine Probleme
verursachten. Entweder sei es richtig, sich offen mit den
Problemen auseinanderzusetzen und nach Lösungen und
Regelungen zu suchen oder man erkläre, alles sei gut, es be-
stehe kein Handlungsbedarf.

Es gebe eine große Unsicherheit bei den Menschen. Man
müsse sich jetzt einigen und Position beziehen. Bei der letz-
ten Beratung habe man auf eine Abstimmung verzichtet, um
den Fraktionen der CDU/CSU und FDP die Gelegenheit zu
geben, sich auf eine Linie zu verständigen. Da sie dazu nicht
in der Lage gewesen seien, wolle man nunmehr über die
vorliegenden Anträge abstimmen.

Die Fraktion der FDP erklärte, es sei durchaus möglich,
dass ExxonMobil der festen Überzeugung sei, keine Pro-
bleme mit den bisher durchgeführten Maßnahmen verur-
sacht zu haben. Trotzdem könne man sich für mehr Trans-
parenz und einen Runden Tisch vor Ort einsetzen, wie es
von der Politik vor Ort gefordert werde. Das sei durchaus
ein vernünftiger Weg. Es sei gut, dass die Branche ihre Ver-
pflichtung zur Transparenz erkannt habe, auch wenn sie
selbst davon überzeugt sei, dass es sich um ein gefahrloses
Vorgehen beim Fracking handle. Dies sei sicher auch ein
Lernprozess, der im Umgang mit CCS eingetreten sei. Auch
dort habe man zu spät erkannt, dass die Menschen sensibili-
siert seien und zu Recht informiert werden wollten.

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ent-
halte richtige Punkte. Aber die Annahme, Fracking nicht zu
brauchen, weil man in nächster Zeit weniger Gas benötige,
sei nicht realistisch. Wenn man in der Bundesrepublik
Deutschland über eigene Ressourcen verfüge, könne man
diese auch nutzen, um sich weniger abhängig von den
Importen zu machen und die Versorgungssicherheit zu erhö-
hen. Es sei nicht vernünftig, sich ausschließlich auf Importe
zu verlassen. Auch nutze man zurzeit noch Kohle, auf die
man zukünftig verzichten wolle. Man benötige im Rahmen
der Energiewende Investitionen in schnell hoch und runter
zu fahrende Gaskraftwerke.

Wenn ExxonMobil glaube, in zwei Jahren ohne wasserge-
fährdende Chemikalien auskommen zu können, müsse man
sich überlegen, ob und wo man vorher noch fördern wolle.
Das Fracking sei keine neue Erfindung, sondern werde in
Niedersachsen für Tight Gas bereits seit rund 30 Jahren ein-
gesetzt. Warum hätten die ehemaligen Bundesminister für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Jürgen Trittin
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Sigmar Gabriel (SPD)
nicht bereits angefangen, sich mit dieser Technik auseinan-
derzusetzen? Erst die jetzige Bundesregierung verhandle
ernsthaft zu diesem Thema.

halb der Regierungskoalition unstrittig. Ebenso sei es klar,
dass ein Einvernehmen mit den Wasserbehörden bestehen
müsse. Ein Benehmen sei nicht ausreichend. Denn dann
wäre die Bergbehörde in der Lage, das Veto der Wasserbe-
hörde zu überstimmen. Letzteres wäre damit wertlos. Ein
Einvernehmen sei deshalb von entscheidender Wichtigkeit.
Gleiches gelte für eine Umweltverträglichkeitsprüfung.
Man müsse sich noch darüber verständigen, ob eine Vor-
prüfung ausreiche. Möglicherweise sei dies nicht der Fall.
Darüber müsse man noch reden.

Es wäre gut gewesen, wenn man sich bereits hätte einigen
können. Leider habe es in den Arbeitsgruppen Wirtschaft
noch Beratungsbedarf gegeben - insbesondere auch in der
Fraktion der CDU/CSU. Auch vom Bundesminister für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Norbert
Röttgen (CDU), sei in der letzten Zeit wenig gekommen.

Im Ergebnis sei es so, dass in Nordrhein-Westfalen zurzeit
nichts passiere, während in Niedersachsen weitergemacht
werde. Dieser Zustand sei nicht zufriedenstellend. Man
müsse deshalb zu einem Ergebnis kommen. Fracking kom-
plett zu verbieten, auch wenn die Umwelt- und Wasser-
schutzbehörden einverstanden seien, gehe zu weit. Man
könne den vorliegenden Anträgen nicht zustimmen.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, in Niedersachsen
werde zwar bereits seit 1964 gefrackt. Die heute angewandte
Technik unterscheide sich jedoch in wesentlichen Punkten
von der damaligen. Man habe die Chemikalien bereits im
Blut von Menschen nachweisen können. Tiere seien veren-
det und Böden hätten ausgetauscht werden müssen. In der
von ExxonMobil finanzierten Studie würden vor allem
Schäden untersucht, die in Pennsylvania aufgetreten seien.
In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen würden nur vier
neue Bohrungen untersucht werden. Für die Evaluation sei
nur ein halbes Jahr vorgesehen. Selbst die Forscher seien der
Auffassung, dass dies nicht ausreiche. Zwei von ihnen hätten
deutlich gemacht, dass das Verpressen des Lagerstätten-
wassers in den Untergrund den Umweltanforderungen nicht
genüge. Das Fracking betreffe nicht nur Niedersachsen.
Auch in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und
Thüringen gebe es Firmen, die dort tätig seien. Es wäre des-
halb vernünftig, wenn man sich zumindest darauf verständi-
gen könnte, zwei Jahre auf Fracking zu verzichten.

Erst vor Kurzem habe es in Niedersachsen ein Erdbeben der
Stärke 3,5 auf der Richterskala gegeben. Selbst wenn diese
Beben nichts mit der Erdgasförderung zu tun hätten, und
Erdbeben in Niedersachsen natürlich seien, müsse man
besonders vor Fracking warnen. Denn dann könne es un-
kontrolliert zu Rissbildungen und anderen Schäden kom-
men, die dann zu einer Verseuchung des Trinkwassers führ-
ten.

Die Fraktion DIE LINKE. habe ein Verbot gefordert, habe
sich damit aber nicht durchsetzen können. Schließlich habe
man andere Maßnahmen gefordert, in der Hoffnung, andere
Fraktionen könnten sich dem anschließen. Letztlich wäre
eine andere Energiepolitik nötig, um weitgehend auf die
massiven Eingriffe im Erdboden verzichten zu können, de-
ren Auswirkungen nicht kontrollierbar seien. In der Nordsee
sei gerade ein Unfall aufgetreten, bei dem Sauergas, schwe-
felwasserstoffreiches Erdgas, austrete. Die Umweltschäden
Klar sei, dass innerhalb von Trinkwasserschutzgebieten
nicht mit Chemikalien gefrackt werden dürfe. Das sei inner-

seien noch nicht abzuschätzen. Es könne bis zu einem hal-
ben Jahr dauern, bis eine Entlastungsbohrung durchgeführt

Fracking, so wie es heute zur Förderung von unkonven-
tionellem Erdgas praktiziert werde, sei eine Risikotechnolo-
gie. So lange giftige Chemikalien in den Untergrund ver-
presst werden müssten, sei diese Technologie nicht akzepta-
bel. Man könne es keinem Bürger erklären, warum er mit
hohem Aufwand seinen Kanalanschluss überprüfen und
sanieren solle, während unter Umständen wenig entfernt ein
Gasunternehmen krebserregende, giftige Stoffe in den
Untergrund presse.

Der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit, Dr. Norbert Röttgen (CDU), habe mehrfach Ge-
setzesinitiativen zur Regelung von Fracking-Maßnahmen in
der Presse angekündigt. In Nordrhein-Westfalen habe er Be-
schlüsse der CDU bewirkt, die sich kritisch mit Fracking aus-
einandersetzten. Teilweise seien sie weitergehend als der vor-
liegende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Trotzdem lege die Fraktion der CDU/CSU im Deutschen
Bundestag nichts vor. Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sei am 30. Juni 2011 in erster Lesung beraten
und überwiesen worden. Mehrfach habe man die Beratung
im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit aus Rücksicht auf die Fraktionen der CDU/CSU und
FDP verschoben, weil es hieß, man wolle einen eigenen An-
trag einbringen. Trotzdem sei nichts vorgelegt worden. Man
müsse deshalb davon ausgehen, dass die Fraktionen der
CDU/CSU und FDP keine Änderung wollten.

Die von den Parteien SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
getragene Landesregierung in Nordrhein-Westfalen habe
gehandelt und dafür gesorgt, dass nicht gefrackt werden
könne – im Gegensatz zu Niedersachsen. Dieses Moratorium
sei aber auf Grund des Bergrechts allenfalls bis Mitte des

Fall solange warten und anschließend entscheiden. Alles
dies sei mit den Fraktionen der CDU/CSU und FDP nicht zu
beschließen. Seit einem Jahr sei man trotz mehrfacher An-
kündigung nicht in der Lage, zu handeln. Offenbar wolle
man die Gewinne der Öl- und Gasindustrie nicht gefährden
und die Sicherung der Vorräte, die Abgrenzung der Claims,
möglichst schnell vorantreiben. Dieses Vorgehen werde die
Widerstände vor Ort erhöhen und dazu führen, dass man sich
nicht mehr vernünftig und sachlich mit der Sache auseinan-
dersetzen könne.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit beschloss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE., den Änderungsantrag der Fraktion
der SPD auf Ausschussdrucksache 17(16)498 abzulehnen.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit beschloss mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktion DIE LINKE., dem Deutschen Bundestag
zu empfehlen, den Antrag auf Drucksache 17/7612 abzuleh-
nen.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit beschloss mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktion DIE LINKE., dem Deutschen Bundestag
zu empfehlen, den Antrag auf Drucksache 17/5573 abzuleh-
nen.

Berlin, den 28. März 2012

Dr. Michael Paul
Berichterstatter

Frank Schwabe
Berichterstatter

Horst Meierhofer
Berichterstatter

Johanna Voß
Berichterstatterin

Oliver Krischer
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/9450

werden könne. Diese Gefahr unkontrollierbarer Unfälle sei
ständig gegeben.

Auf jeden Fall sollte man die zwei Jahre warten, bis angeb-
lich ohne Chemikalien gefrackt werden könne. Aber auch
beim Fracken ohne Chemikalien gebe es Veränderungen des
Untergrunds. Radioaktive Stoffe, Quecksilber und andere
Gifte könnten den Weg aus dem Untergrund ins Trinkwas-
ser finden. Auch könnten die Bohrstellen selbst den Er-
schütterungen nicht standhalten, der Beton könne porös
werden und das Lagerstättenwasser in das Grundwasser ge-
langen. Derartige Unfälle seien durchaus üblich.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte,

Jahres aufrechtzuerhalten. Danach würden die Konzerne
verlangen, dass über die Anträge entschieden und diese ge-
nehmigt werden würden. Andernfalls drohe eine gerichtliche
Auseinandersetzung, deren Ausgang ungewiss sei. Die Lan-
desregierung habe nur eingeschränkte rechtliche Möglich-
keiten. Der Bund sei gefordert, eine klare Rechtslage dahin-
gehend zu schaffen, dass diese Technologie in den kommen-
den zwei Jahren in der Bundesrepublik Deutschland nicht
zugelassen werde. Dies könne im Bundesberggesetz geregelt
werden. Man könne sich die Zeit nehmen, die Gutachten aus-
zuwerten und auf dieser Basis dann entscheiden, ob man
diese Technologie in der Bundesrepublik Deutschland an-
wenden wolle. Wenn es möglich sei, in zwei Jahren ohne den
Zusatz von Chemikalien zu fracken, sollte man auf jeden

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