BT-Drucksache 17/9438

zu der Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Uta Zapf, D. h. c. Gernot Erler, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - Drucksachen 17/7226, 17/8843 - Deutsche nukleare Abrüstungspolitik weiterentwickeln - Deutschlands Rolle in der Nichtverbreitung stärken und weiterentwickeln

Vom 24. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9438
17. Wahlperiode 24. 04. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Uta Zapf, Dr. h. c. Gernot Erler, Petra Ernstberger, Iris Gleicke,
Ute Kumpf, Dr. Rolf Mützenich, Thomas Oppermann, Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

zu der Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der
Abgeordneten Uta Zapf, Dr. h. c. Gernot Erler, Petra Ernstberger,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksachen 17/7226, 17/8843 –

Deutsche nukleare Abrüstungspolitik weiterentwickeln – Deutschlands Rolle in
der Nichtverbreitung stärken und weiterentwickeln

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Fenster der Möglichkeiten für eine weitere vertraglich gestützte nukleare
Abrüstung wurde von Präsident Barack Obama auf seiner Prag-Rede im März
2009 geöffnet. Die Überprüfung der US-amerikanischen Nuklearstrategie, der
Abschluss des New-START-Vertrages zwischen den Vereinigten Staaten von
Amerika und Russland und die Abhaltung von inzwischen zwei Gipfeltreffen
zur nuklearen Sicherheit waren wichtige Schritte auf dem Weg zu nuklearer
Abrüstung.

Auch der hoffnungsvolle und erfolgreiche Verlauf und Abschluss der Über-
prüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag (NVV) zeigen durch einen
Aktionsplan konkrete Vorschläge und Schritte zur nuklearen Rüstungskontrolle
und Abrüstung auf. Insbesondere der Plan, eine Konferenz über eine massenver-
nichtungswaffenfreie Zone im Mittleren Osten durchzuführen, kann Impulse für
die weitere regionale Stabilität wie auch das allgemeine Ziel einer vollständigen
Abrüstung von Nuklearwaffen geben.

Der NATO-Gipfel von Lissabon hat die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht er-
füllt. Die NATO-Mitglieder konnten sich nicht darauf einigen, die Rolle von

Nuklearwaffen in der NATO zu reduzieren. Die NATO hat sich weiterhin als
nukleare Gemeinschaft definiert und ist nicht bereit, Abrüstungs- und Rüs-
tungskontrollpolitik aktiv zu betreiben.

Die NATO überprüft gegenwärtig die nukleare und konventionelle Zusammen-
setzung ihres Fähigkeitsprofils. Vom Ergebnis, insbesondere der Frage, inwie-
weit die NATO sich auf eine Reduzierung der Rolle der Nuklearwaffen und des

Drucksache 17/9438 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nukleardispositivs einigen kann, hängt ab, ob die NATO ihrer im Neuen Strate-
gischen Konzept selbst gestellten Verpflichtung, „die Bedingungen für eine
Welt ohne Kernwaffen zu schaffen“, nachkommt.

In einem überfraktionellen Antrag (Bundestagsdrucksache 17/1159) hat der
Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf zahlreiche Maßnahmen im Be-
reich der nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle verpflichtet. Die Bundes-
regierung hat bislang viele der Forderungen noch nicht erfüllt.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt

1. das Bekenntnis der Bundesregierung zum langfristigen Ziel der vollständi-
gen Abschaffung der Nuklearwaffen (Global Zero);

2. die Ankündigung der Bundesregierung, sich für den Abzug der substrategi-
schen Nuklearwaffen aus Europa und insbesondere aus Deutschland einzu-
setzen, ebenso ihr Engagement für die Einbeziehung der substrategischen
Nuklearwaffen in den weiteren Abrüstungsprozess;

3. das Engagement der Bundesregierung im Rahmen der im September 2010
von zehn Staaten begründeten „Initiative für Nichtverbreitung und Abrüs-
tung“, die sich für die Umsetzung der Beschlüsse der NVV-Überprüfungs-
konferenz vom Mai 2010 einsetzt;

4. den Einsatz der Bundesregierung für die Verstetigung des Ausschusses für
die Kontrolle und Abrüstung von Massenvernichtungswaffen (WCDC) in
der NATO.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich im Rahmen der Überprüfung des Nuklearwaffendispositivs der NATO
auch auf höchster politischer Ebene für eine Reduzierung der Rolle von Nu-
klearwaffen einzusetzen;

2. sich im Rahmen der NATO dafür einzusetzen, dass die NATO die negativen
Sicherheitsgarantien, wie sie in der Nuclear Posture Review der Vereinigten
Staaten vom März 2010 erklärt wurden, in ihre Politik übernimmt;

3. sich entsprechend dem Bundestagsbeschluss vom 26. März 2010 „proaktiv
an der Diskussion über die verschiedenen, auch zivilgesellschaftlichen An-
sätze für eine vollständige nukleare Abrüstung zu beteiligen, wie beispiels-
weise an der ,Global-Zero‘-Initiative oder der Diskussion über den Vor-
schlag für eine Nuklearwaffenkonvention zur Ächtung von Atomwaffen“
(Bundestagsdrucksache 17/1159);

4. sich bei ihren Partnern und im internationalen Rahmen für vorbereitende Ex-
pertengespräche und -gruppen über Einzelaspekte einer Nuklearwaffenkon-
vention auf internationaler Ebene einzusetzen;

5. das Thema einer umfassenden rechtlichen Regelung zum Verbot von Nu-
klearwaffen (Nuklearwaffenkonvention) bei ihren Partnern und in den dafür
zuständigen internationalen und multilateralen Gremien auf die Agenda zu
setzen und in der VN-Generalversammlung entsprechende Initiativen zu un-
terstützen;

6. sich verstärkt für eine Universalisierung des Nichtverbreitungsvertrages ein-
zusetzen und insbesondere die drei informellen Kernwaffenstaaten aufzufor-
dern, dem NVV beizutreten;

7. sich für die Fortsetzung des Rüstungskontroll- und Abrüstungsprozesses
von Nuklearwaffen insbesondere unter Einbeziehung von substrategischen

Nuklearwaffen zwischen den Vereinigten Staaten und der Russischen Föde-
ration einzusetzen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9438

8. sich wirkungsvoll für den Abzug der substrategischen Nuklearwaffen der
Vereinigten Staaten aus Europa und – als vertrauensbildende Maßnahme –
für den einseitigen Abzug dieser Waffen aus Deutschland einzusetzen und
bei den skeptischen NATO-Mitgliedstaaten um Unterstützung zu werben;

9. auf eine Modernisierung und Anpassung von Trägersystemen für substrate-
gische Nuklearwaffen zu verzichten;

10. sich verstärkt für die Umsetzung des auf der Überprüfungskonferenz des
Nichtverbreitungsvertrages beschlossenen Aktionsplans einzusetzen;

11. den Facilitator für die Durchführung einer Konferenz über eine massenver-
nichtungswaffenfreie Zone im Mittleren Osten, den finnischen Diplomaten
Jaakko Laajava, bei der Vorbereitung und Durchführung seiner Aufgabe
engagiert zu unterstützen;

12. die internationale Atomenergieorganisation (IAEA) als Überwachungs-
organ des NVV zu stärken;

13. verstärkt die obligatorische Unterzeichnung und Ratifizierung des Zusatz-
protokolls (Additional Protocol) zu unterstützen, um dessen universelle
Anwendung zu gewährleisten;

14. sich für eine Erhöhung des regulären Haushalts der IAEA einzusetzen;

15. sich durch hochrangige Gespräche verstärkt für die Ratifizierung des um-
fassenden Atomteststoppabkommens (CTBT) durch die Staaten, die für
das Inkrafttreten des Vertrages notwendig sind, einzusetzen;

16. in der UN-Abrüstungskonferenz in Genf (CD) auf die baldige Ausarbei-
tung eines Abkommens zum Verbot der Produktion von Spaltmaterial
(FMCT) zu dringen und bei weiterer Erfolglosigkeit den Vorschlag aufzu-
nehmen, außerhalb der CD ein Abkommen zu erarbeiten;

17. einer Mitgliedschaft Indiens in der Nuclear Suppliers Group erst zuzustim-
men, wenn Indien ein verbindliches Atomteststoppmoratorium erklärt hat,
sich verpflichtet den CTBT zu ratifizieren, die nukleare Aufrüstung zu be-
enden und im Rahmen des Global-Zero-Prozesses konkrete Abrüstungs-
schritte vorzunehmen;

18. dafür Sorge zu tragen, dass Pakistan in Abrüstungsgespräche einbezogen
wird mit dem Ziel, die regionale Vertrauensbildung zu unterstützen, die re-
gionale Stabilität zu fördern und den Abrüstungsprozess voranzubringen;

19. sich verstärkt für die Institutionalisierung von Rüstungskontrolle und Ab-
rüstung als Thema in der NATO einzusetzen, unter anderem durch die Ver-
stetigung des WCDC;

20. darauf zu drängen, dass die Raketenabwehr der NATO in Absprache und in
Kooperation mit der Russischen Föderation geplant und durchgeführt wird;

21. dafür Sorge zu tragen, dass die Entwicklung des NATO-Russland-Verhält-
nisses in den Aufbau einer europäischen Sicherheitsgemeinschaft, wie sie
in der Schlusserklärung von Astana erwähnt wurde, eingepasst wird.

Berlin, den 24. April 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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