BT-Drucksache 17/9350

Angriffe auf Moscheen in Deutschland

Vom 18. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9350
17. Wahlperiode 18. 04. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Nicole Gohlke, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Angriffe auf Moscheen in Deutschland

In den letzten 30 Jahren hat es in der Bundesrepublik Deutschland ein Dutzend
Bombendrohungen und über hundert kleinere und größere Anschläge mit
Steinwürfen, Brandsätzen und sogar Schusswaffen gegen Moscheen gegeben.
Eine im September 2011 veröffentlichte Studie von Gerhard Piper, wissen-
schaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlanti-
sche Sicherheit, listet 122 Anschläge gegen 92 Moscheen in 82 Städten und Ge-
meinden auf. Dazu kommen rund 50 Schändungen durch rechtsextreme
Schmierereien, Fäkalien oder Schweineblut. Die Studie zeigt eine Verdoppe-
lung der Anschläge gegen Moscheen in Deutschland in den zehn Jahren nach
den Anschlägen des 11. September 2001 in den USA (www.heise.de/tp/artikel/
35/35449/1.html).

Die Generalsekretärin des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Nurhan
Soykan, zeigte sich im Januar 2012 aufgrund der „aktuellen Bedrohungslage“
und „der vielen ungeklärten und weiter stattfindenden Anschläge“ besorgt und
forderte besseren Schutz der Moscheegemeinden durch die Polizei.

Schändungen und Anschläge auf Moscheen finden in den letzten Jahren vor
dem Hintergrund einer sich verschärfenden Integrationsdebatte in der Bundes-
republik Deutschland statt, in der etwa der frühere Berliner Finanzsenator und
Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank Thilo Sarrazin mit seinem mil-
lionenfach verkauften Buch „Deutschland schafft sich ab“ Muslime pauschal
als minderintelligent, integrationsunwillig und arbeitsscheu abwertet.

Rechtsextreme Verbände erhoffen sich zudem, von Kampagnen gegen eine an-
geblich drohende „Islamisierung Europas“ Gehör für ihre fremdenfeindlichen
Thesen in der sogenannten Mitte der Gesellschaft zu finden. So kündigte die
vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte
Bürgerbewegung PRO NRW während des laufenden Landtagswahlkampfes in
Nordrhein-Westfalen eine „Freiheit-statt-Islam“-Tour mit Kundgebungen vor
Moscheen in 25 Städten als angeblichen „Brennpunkten der Islamisierung“ an.
Verbunden ist die Tour, auf der auch ausländische Rechtsextreme wie der
Vlaams-Belang-Vorsitzende Filip Dewinter aus Belgien und die FPÖ-Abge-
ordnete Dr. Susanne Winter aus Österreich sprechen sollen, zudem mit einem

antiislamischen Karikaturenwettbewerb (www.welt.de/regionales/duesseldorf/
article106140937/Freiheit-statt-Islam-als-Billigwahlkampf-Losung.html).

Drucksache 17/9350 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Werden antimuslimische Straftaten und Gewalttaten gegen muslimische
Einrichtungen von Bundesbehörden zentral erfasst?

a) Wenn ja, seit wann, durch welche Behörden und in welchen Dateien?

b) Wenn nein, inwieweit sieht die Bundesregierung eine Notwendigkeit
zur zentralen Erfassung solcher antimuslimischer Straftaten analog zur
Erfassung antisemitischer/judenfeindlicher Straftaten?

2. Wie viele Anschläge auf Moscheen, Moscheevereine oder sonstige isla-
mische Einrichtungen in Deutschland gab es nach Kenntnis der Bundes-
regierung seit dem Jahr 2000 (bitte einzeln nach Ort, Name der Moschee
und ihrer möglichen Dachorganisation, Art des Anschlags und Schadens-
höhe auflisten)?

3. Wie viele Schändungen von Moscheen durch Farbschmierereien, Fäkalien,
Schlachtabfälle etc. sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2000 bekannt
(bitte einzeln nach Ort, Name der Moschee und ihrer möglichen Dachorga-
nisation, Art der Schändung auflisten)?

4. Inwieweit konnten bei diesen Anschlägen oder Schändungen Täter oder
Tatverdächtige ermittelt werden?

a) In wie vielen und welchen Fällen waren Fremdenfeindlichkeit bzw. Hass
auf Muslime das Tatmotiv oder gehörten die Täter oder Tatverdächtigen
der rechtsextremen Szene an?

b) In wie vielen und welchen Fällen waren politische oder religiöse Aus-
einandersetzungen unter Ausländergruppen der Hintergrund?

c) In wie vielen und welchen Fällen handelte es sich um keine politisch
motivierten Anschläge oder Schändungen?

5. Wie viele Bombendrohungen gegen Moscheen und andere islamische Ein-
richtungen sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2000 bekannt?

6. Wie viele Morddrohungen gegen welche Funktionäre von Moscheever-
einen oder islamischen Verbänden seit dem Jahr 2000 sind der Bundes-
regierung bekannt, und wer sind die (mutmaßlichen) Täter?

7. Inwieweit erkennt die Bundesregierung einen Anstieg von islamfeindli-
chen Straftaten seit dem Jahr 2000?

8. Inwieweit kann die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen An-
schlägen auf Moscheen und islamfeindlichen Äußerungen in der laufenden
Integrationsdebatte erkennen?

9. Welche besonderen Sicherheitsvorkehrungen der Sicherheitsbehörden zum
Schutze von Moscheen und islamischen Einrichtungen sind der Bundes-
regierung bekannt?

10. Inwiefern sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit zusätzlicher
Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von Moscheen und islamischen Ein-
richtungen vor Anschlägen und Schändungen?

11. Welchen Stellenwert hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Agitation
gegen Muslime, den Islam oder Moscheeneubauten bei Rechtsextremen in
der Bundesrepublik Deutschland (bitte auch nach Organisationen auf-
schlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9350

12. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse hat die Bundesregierung
über die Beteiligung rechtsextremer Gruppierungen an Bürgerinitiativen
und Protesten gegen den Bau von Moscheen in der Bundesrepublik
Deutschland (bitte nach Ort, Anlass, Zeitpunkt, beteiligten Gruppierungen
aufschlüsseln)?

13. Inwieweit hält die Bundesregierung die von PRO NRW im Landtagswahl-
kampf in Nordrhein-Westfalen gebrauchte Losung „Freiheit statt Islam“ in
Verwendung mit einem Verbotsschild mit einer durchgestrichenen
Moschee und Kundgebungen vor Moscheen dafür geeignet, den öffent-
lichen Frieden oder das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören?

Berlin, den 17. April 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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