BT-Drucksache 17/9208

Umsetzung des globalen Verhaltenskodex der Weltgesundheitsorganisation für die grenzüberschreitende Anwerbung von Gesundheitsfachkräften durch die Bundesregierung

Vom 28. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9208
17. Wahlperiode 28. 03. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer, Karin Roth (Esslingen), Mechthild Rawert,
Bärbel Bas, Petra Ernstberger, Elke Ferner, Dr. Edgar Franke, Iris Gleicke, Angelika
Graf (Rosenheim), Ute Kumpf, Dr. Karl Lauterbach, Steffen-Claudio Lemme, Hilde
Mattheis, Thomas Oppermann, Dr. Carola Reimann, Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Umsetzung des globalen Verhaltenskodex der Weltgesundheitsorganisation
für die grenzüberschreitende Anwerbung von Gesundheitsfachkräften durch die
Bundesregierung

Laut der WHO (World Health Organization) herrscht in 57 Ländern der Welt ein
akuter Mangel an Gesundheitspersonal (davon in 36 Ländern allein in Afrika).
Dem steht ein wachsender Bedarf in den entwickelten Ländern gegenüber. Die
internationale Rekrutierung von Gesundheitspersonal kann zur Entwicklung
und Stärkung der nationalen Arbeitskräfte beitragen, jedoch auch negative Aus-
wirkung auf die Qualität der medizinischen Versorgung in den betroffenen Län-
dern haben.

Nach mehrjähriger Bearbeitung wurde während der Weltgesundheitsversamm-
lung im Jahr 2010 der Globale Verhaltenskodex zur Rekrutierung von Gesund-
heitspersonal (im Folgenden WHO-Kodex genannt) von 193 Staaten unterzeich-
net. Deutschland hat sich aktiv an der Ausarbeitung des Kodex beteiligt und die-
sen mit auf den Weg gebracht.

Als erster Schritt zur Umsetzung hätte bis zum Juni 2011 eine sogenannte
National Authority (nationaler Ansprechpartner) benannt werden sollen, was die
Bundesregierung nicht getan hat. Dieser nationale Ansprechpartner ist verant-
wortlich für den Austausch von Informationen bezüglich der Implementierung
des Kodex, er soll Maßnahmen koordinieren, relevante Akteure zusammenbrin-
gen und motivieren, den Kodex umzusetzen und auch mit den nationalen An-
sprechpartnern aus anderen Ländern, der WHO und weiteren Interessenvertre-
tern zu diesem Thema kommunizieren.

In diesem Jahr steht im Mai als Meilenstein die erste Berichtsrunde zur Um-
setzung des Kodex an die Weltgesundheitsversammlung an. Es werden sowohl
qualitative als auch quantitative Daten abgefragt, die durch einen Onlinefragen-
katalog erhoben werden. Bei den quantitativen Daten geht es insbesondere
darum, eine Datenbasis zu erstellen, anhand derer in den kommenden Jahren

Fortschritte ermittelt werden können. Es muss verlässliche Daten über Migra-
tionsbewegungen von Gesundheitspersonal geben, um entsprechend reagieren
zu können. Hier geht es zum Beispiel auch um Wanderketten, die durch die
aktive Abwerbung von Personal durch Deutschland aus europäischen Ländern
beeinflusst werden.

Zur Umsetzung des Kodex ist eine Kooperation des federführenden Bundes-
ministeriums für Gesundheit mit anderen Institutionen, beispielsweise dem

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Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dem
Bundesministerium des Innern, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales
sowie privaten Rekrutierungsagenturen, Arbeitsagenturen, Arbeitgeberverbän-
den, kommunalen Immigrationsbüros und auch Nichtregierungsorganisationen
notwendig.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher ergriffen, um den
WHO-Kodex umzusetzen, und welche Maßnahmen plant sie für die lau-
fende Legislaturperiode?

2. Wurde von Seiten der Bundesregierung ein nationaler Aktionsplan zur Um-
setzung des WHO-Kodex oder ein vergleichbares Instrument erarbeitet?

3. Inwiefern werden der WHO-Kodex und das Thema „Mangel an Gesund-
heitsfachkräften in Entwicklungsländern“ in der globalen Gesundheitsstra-
tegie der Bundesregierung berücksichtigt?

4. Hat die Bundesregierung in den vergangenen zwei Jahren seit der Unter-
zeichnung des WHO-Kodex die Möglichkeit genutzt, ein Feedback bezüg-
lich der Umsetzbarkeit des Kodex an die WHO zu melden?

Falls ja, was wurde gemeldet?

5. Hat sich die Bundesregierung an der Ausarbeitung der WHO-„Guidelines
on Monitoring the Implementation of the Code“ beteiligt?

Falls nein, warum nicht?

6. Welche Bilanz zieht die Bundesregierung über die bisherige Umsetzung des
WHO-Kodex in Deutschland, und was wird sie bei der ersten Berichtsrunde
bei der Weltgesundheitsversammlung 2012 berichten?

7. Welche qualitativen und quantitativen Daten wurden für den Bericht zur
Umsetzung des WHO-Kodex erhoben?

Woher erhält die Bundesregierung diese Daten?

8. Wird die Bundesregierung zukünftig zusätzliche Daten erheben lassen, um
die Berichtsanforderungen der WHO besser zu erfüllen?

Falls nein, warum nicht?

9. Wer ist die National Authority/der nationale Ansprechpartner in der Bun-
desregierung für die Umsetzung des WHO-Kodex?

10. Gibt es eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe mit Vertretern der zuständi-
gen Bundesministerien (Bundesministerium für Gesundheit, Bundesminis-
terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Bundesminis-
terium des Innern, Bundesministerium für Arbeit und Soziales), die sich mit
dem Thema des WHO-Kodex beschäftigt?

11. Aus welchen Ländern stammt das zurzeit in Deutschland tätige ausländi-
sche Gesundheitspersonal (bitte nach Ländern und Qualifikation aufschlüs-
seln und bei den einzelnen Ländern angeben, wie der Schlüssel Arzt/Ein-
wohner ist)?

12. Welche bilateralen Abkommen zur Rekrutierung von Gesundheitsfachkräf-
ten existieren, und wie sind die Rahmenbedingungen?

13. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass diese Abkommen die betreffen-
den Länder nicht negativ in ihrem Fachkräfteangebot beeinflussen, bezie-
hungsweise dass diese Länder nicht selbst aus schlechter gestellten Ländern

abwerben?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9208

14. Welche Daten werden erhoben, um die Auswirkung dieser bilateralen Ab-
kommen auf die Fachkräftedichte in diesen Ländern und auf Drittstaaten
(Stichwort Wanderketten) zu untersuchen?

15. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass kein Gesundheitspersonal aus
von der WHO als Krisenländer eingestuften Ländern abgeworben wird?

16. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass Arbeitgeberverbände und pri-
vate Anwerbeagenturen darüber informiert sind, aus welchen Ländern keine
Fachkräfte abgeworben werden sollten?

17. Wird die Bundesregierung die Global Health Workforce Alliance weiterhin
finanziell unterstützen?

Falls nein, warum nicht?

18. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um zu gewährleisten,
dass auch zukünftig keine Notwendigkeit besteht, Gesundheitsfachkräfte
aus Entwicklungsländern/Krisenländern abzuwerben?

19. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass Fachkräfte aus dem Ausland die
gleichen Arbeitsbedingungen wie deutsche Gesundheitsfachkräfte haben?

20. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass Pflegekräfte, die im Rahmen des
Abkommens nach Deutschland kommen, hier entsprechend ihrer Berufs-
qualifikation eingestellt und bezahlt werden?

21. Wie stellt die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für das Funktionie-
ren einer zirkulären Migration von Gesundheitsfachkräften sicher?

22. Wie informiert die Bundesregierung andere relevante Akteure, beispiels-
weise die Länderbehörden, Arbeitgeberverbände, über die Inhalte des
WHO-Kodex?

23. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um eine kohärente Poli-
tik zwischen den Bundesländern und der Bundesregierung zu erreichen?

24. Hat die Bundesregierung die Besonderheiten eines föderalen Systems (bei-
spielsweise die konkurrierende Gesetzgebung) bei dem von ihr maßgeblich
mitgestalteten WHO-Kodex eingebracht?

Falls nein, wurden der WHO festgestellte Probleme bei der Umsetzung des
Kodex mitgeteilt?

25. Gibt es Bestrebungen der Bundesregierung, sich mit den anderen europäi-
schen Staaten, die den WHO-Kodex ebenfalls umsetzen, auszutauschen?

Falls nein, warum nicht?

26. Unterstützt die Bundesregierung multilaterale Institutionen wie den Globa-
len Fonds zur Bekämpfung von Malaria, AIDS und Tuberkulose bei der
Bekämpfung des Fachkräftemangels?

Falls nein, warum nicht?

27. Investiert die Bundesregierung die von der WHO empfohlenen 0,1 Prozent
Official Development Assistance (ODA) in die Gesundheit und davon
25 Prozent in die Stärkung von Gesundheitspersonal in Entwicklungs-
ländern?

Falls nein, warum nicht?

Berlin, den 28. März 2012
Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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