BT-Drucksache 17/9203

Ausbau der Pflegeinfrastruktur durch Pflegestützpunkte und Pflegeberatung

Vom 28. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9203
17. Wahlperiode 28. 03. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hilde Mattheis, Dr. Karl Lauterbach, Bärbel Bas,
Petra Ernstberger, Elke Ferner, Dr. Edgar Franke, Iris Gleicke, Angelika Graf
(Rosenheim), Petra Hinz (Essen), Ute Kumpf, Steffen-Claudio Lemme,
Caren Marks, Thomas Oppermann, Mechthild Rawert, Dr. Carola Reimann,
Ewald Schurer, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Ausbau der Pflegeinfrastruktur durch Pflegestützpunkte und Pflegeberatung

Mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 1. Juli 2008 wurde die Einrich-
tung von Pflegestützpunkten nach § 92c des Elften Buches Sozialgesetzbuch
(SGB XI) ermöglicht. Ziel der Pflegestützpunkte ist es, eine wohnortnahe
Organisation von Beratung und Versorgung Hilfsbedürftiger und ihrer Ange-
hörigen zu gewährleisten. Neben dem Aufbau von Pflegestützpunkten wurde
daher auch der Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung im § 7a
SGB XI festgeschrieben.

Der Aus- und Aufbau der Pflegestützpunkte und der Pflegeberatung hat vor
dem Hintergrund des demographischen Wandels eine zentrale Bedeutung. Pfle-
gestützpunkte sollen eine niedrigschwellige und fallbezogene Unterstützung
für Menschen mit Pflege-, Versorgungs- und Betreuungsbedarf ermöglichen.
Sie sollen eine unabhängige und neutrale Beratung von Pflegebedürftigen und
ihren Angehörigen gewährleisten. Durch Pflegestützpunkte soll auf den Einzel-
fall bezogen sichergestellt werden, dass Pflegeberatung ohne lange Wege statt-
finden kann. Die Aufgabe der Pflegeberatung ist es, den Anspruch auf indivi-
duelle Beratung und Hilfestellung für Pflegebedürftige und für deren Angehö-
rige möglichst frühzeitig, gegebenenfalls auch im Vorfeld einer Pflegesituation
umzusetzen. Die Pflegeberatung umfasst die Auswahl und Inanspruchnahme
von vorgesehenen Sozialleistungen und Hilfsangeboten und die umfassende
Unterstützung von Menschen mit Pflege-, Versorgungs- und Betreuungsbedarf
im Sinne eines an den Kundinnen und Kunden orientierten Unterstützungs-
managements. Die Beraterinnen und Berater sollen darüber hinaus eine auf den
individuellen Einzelfall ausgerichtete Beratung für Hilfs- und Unterstützungs-
leistungen, die über das SGB XI hinausgehen, gewährleisten. Sie sollen sich mit
den Leistungserbringern und den Kommunen vor Ort vernetzen und dadurch
passgenaue Hilfe anbieten. Ohne diese Unterstützung fiele es den meisten Be-
troffenen schwer, ihre Situation zu bewerkstelligen. Durch die Beratung in den

Pflegestützpunkten können Fehlentscheidungen der Betroffenen und Angehöri-
gen verhindert werden. Überdies wird der Grundsatz „ambulant vor stationär“
gestärkt.

Mit Inkrafttreten des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes wurde in allen Bun-
desländern, mit Ausnahme von Sachsen und Sachsen-Anhalt, mit dem Aufbau
von Pflegestützpunkten begonnen. Die Bundesländer Sachsen und Sachsen-

Drucksache 17/9203 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Anhalt haben ein anderes Modell der vernetzten Pflegeberatung gewählt. Der
Ausbau der Pflegestützpunkte erfolgt sehr unterschiedlich. Während Rhein-
land-Pfalz mit insgesamt 135 Pflegestützpunkten eine flächendeckende und
wohnortnahe Beratungsstruktur anbieten kann, stehen andere Bundesländer erst
am Beginn des Ausbaus ihrer Pflegeinfrastruktur. Die Anschubfinanzierung für
den Ausbau der Pflegestützpunkte lief am 30. Juni 2011 aus und wurde durch
die Bundesregierung nicht verlängert. Die zur Verfügung gestellten Bundesmit-
tel in Höhe von 60 Mio. Euro wurden von den Bundesländern nur in einer Höhe
von etwa 11 Mio. Euro abgerufen.

Pflegestützpunkte als Hilfesysteme vor Ort gilt es zu unterstützen. Vor diesem
Hintergrund müssen umfassende Kenntnisse über die Beratungsbedürfnisse
von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen sowie über Angebotsstruktur der
Pflegestützpunkte vor Ort gewonnen werden. Ziel muss es sein, die Arbeit in
den Pflegestützpunkten zu verbessern und so gut wie möglich auf die Bedürf-
nisse der Hilfebedürftigen auszurichten.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Stand Umsetzung der Pflegestützpunkte- und Pflegeberatung

1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, warum die Mittel
für die Anschubfinanzierung der Pflegestützpunkte von fast allen Bundes-
ländern nicht vollständig abgerufen wurden?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die gegebenenfalls vor-
handenen unterschiedlichen Beratungsleistungen in den einzelnen Pflege-
stützpunkten in den einzelnen Bundesländern?

3. Welche niedrigschwelligen Angebotsstrukturen für Pflegeberatung werden
durch Pflegestützpunkte gewährleistet (zum Beispiel kundenfreundliche
Öffnungszeiten, Gewährleistung von Barrierefreiheit, Erreichbarkeit mit
öffentlichen Verkehrsmitteln, sichtbare Ausschilderungen etc.)?

4. Gibt es Erkenntnisse darüber, welche Konzeptionen und Organisationsfor-
men der Pflegeberatung den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen und ihren
Angehörigen an eine individuelle Beratung in Pflegestützpunkten am ehes-
ten entsprechen?

5. Wenn ja, welche Konzeptionen und Organisationsformen sind das?

6. Welche Formen der Zusammenarbeit zwischen Pflegestützpunkten und an-
deren Servicestellen gibt es?

7. Wie werden gewonnene Erkenntnisse aus den Kommunen auf der Landes-
ebene oder Bundesebene zusammengeführt, um Konsequenzen für den
Umgang mit den auf Grund der demografischen Entwicklung zu erwarten-
den Herausforderungen an die Pflegeberatung zu ziehen?

8. Plant die Bundesregierung eine Evaluation des bestehenden Angebots der
Pflegeberatung?

9. Welche Mechanismen verhindern unter Umständen eine fallbezogene Zu-
sammenarbeit der Beraterinnen und Berater mit den zuständigen Akteuren
vor Ort (zum Beispiel Datenschutzbestimmungen, Überschneidung von
Zuständigkeiten etc.)?

10. In welcher Weise beteiligt sich die private Pflegeversicherung an den vor-
handenen Pflegestützpunkten?

11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung, inwieweit von den Pflege-
stützpunkten aus auch aufsuchende Beratung auf Wunsch der Pflegebe-

dürftigen oder ihrer Angehörigen angeboten und durchgeführt wird?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9203

12. Gelingt es den Pflegestützpunkten, die Arbeit von Ehrenamtlichen in ihre
Beratungstätigkeit zu integrieren, und in welcher Form erfolgt gegebenen-
falls diese Integration?

13. Welche „best practice“-Beispiele für passgenaue fallbezogene Beratung
gibt es, und wie werden diese von den Pflegestützpunkten aufgenommen?

14. Wie und auf welche Weise werden die Pflegestützpunkte vor Ort bewor-
ben?

15. Welche Materialien werden in den Pflegestützpunkten vorgehalten?

16. Gibt es in den Pflegestützpunkten Materialien in mehreren Sprachen, und
wenn ja, in welchen?

17. Gibt es Materialien, die zwar nachgefragt, aber von den Pflegestützpunkten
nicht vorgehalten werden können?

18. Gibt es Erkenntnisse darüber, welche Qualifikation bei Beraterinnen und
Beratern vorhanden sein muss, und welche Qualifikation gegebenenfalls
benötigt wird?

19. Werden die Beraterinnen und Berater in den Pflegestützpunkten kontinu-
ierlich fort- und weitergebildet, um die Kundinnen und Kunden sachge-
recht beraten zu können?

20. Welche Organisationen nutzen das Versorgungsmanagement nach § 11 Ab-
satz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)?

21. Welche Organisationen ergreifen für das Versorgungsmanagement nach
§ 11 Absatz 4 SGB V die Initiative?

22. Wie wird die Umsetzung des Versorgungsmanagements nach § 11 Absatz 4
SGB V evaluiert?

II. Weiterentwicklung der Pflegestützpunkte

23. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung darüber, ob für die im
Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG) geplante Umsetzung des Anspruchs
auf Pflegeberatung mit Hilfe eines Beratungsgutscheins eine ausreichende
Pflegeberatungsinfrastruktur vorhanden ist, die den Pflegebedürftigen und
ihren Angehörigen ermöglicht, einen solchen Gutschein auch tatsächlich
einzulösen?

24. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Qualität von Bera-
tungsleistungen nach dem im Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG) neu
einzurichtenden § 7b SGB XI sicherzustellen?

25. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung darüber, wie viele Pfle-
gestützpunkte mit welcher personellen Ausstattung bezogen auf die jewei-
lige Einwohnerzahl notwendig sind, um eine wohnortnahe und flächende-
ckende Pflegeberatung der gesamten Bevölkerung sicherzustellen?

26. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Pflegeberatung in
den Pflegestützpunkten dahingehend zu unterstützen, dass im Rahmen ei-
nes umfassenden „Case Managements“ Pflegeberatung mit anderen Bera-
tungsbedürfnissen (zum Beispiel der Sozialberatung) verknüpft werden
kann, um das Ziel einer fallbezogenen „Beratung aus einer Hand“ zu stär-
ken?

27. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um weitere Erkenntnisse
über die Arbeit der Pflegestützpunkte zu erlangen?

28. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Arbeit der Pflege-

stützpunkte kontinuierlich zu verbessern?

Drucksache 17/9203 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
29. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung hinsichtlich des weiteren
Ausbaus der Pflegeberatung in wohnortnahen Pflegestützpunkten?

Berlin, den 28. März 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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