BT-Drucksache 17/901

Internationaler Frauentag - Gleichstellung national und international durchsetzen

Vom 3. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/901
17. Wahlperiode 03. 03. 2010

Antrag
der Abgeordneten Nadine Müller (St. Wendel), Elisabeth Winkelmeier-Becker,
Dorothee Bär, Peter Altmaier, Gitta Connemann, Ingrid Fischbach, Norbert Geis,
Markus Grübel, Mechthild Heil, Thomas Jarzombek, Katharina Landgraf, Stefan
Müller (Erlangen), Michaela Noll, Eckhard Pols, Klaus Riegert, Erwin Josef Rüddel,
Anita Schäfer (Saalstadt), Dr. Peter Tauber, Marcus Weinberg (Hamburg),
Volker Kauder, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Nicole Bracht-Bendt, Miriam Gruß, Sibylle Laurischk
und der Fraktion der FDP

Internationaler Frauentag – Gleichstellung national und international durchsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Folgende wichtige Referenzdokumente der Vereinten Nationen (VN) prägen die
politischen Debatten zum Internationalen Frauentag 2010: die vor 15 Jahren ver-
abschiedete Aktionsplattform der Weltfrauenkonferenz von Peking 1995 und
die VN-Sicherheitsratsresolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ aus
dem Jahr 2000. Ein wesentlicher Schritt zur Anerkennung von Frauenrechten als
Menschenrechten ist das „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau“ („Convention on the Elimination of All Forms of
Discrimination Against Women“ – CEDAW), das am 18. Dezember 1979 von
der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde; die Bun-
desregierung erstellt auf dieser Grundlage alle vier Jahre einen Staatenbericht
zur Gleichstellung in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Debatten über Klimawandel, stabile Finanzmärkte oder militärische Inter-
ventionen haben gezeigt: Die Mitgestaltung internationaler und die Gestaltung
nationaler Politik unter Einbeziehung internationaler Übereinkommen werden
immer wichtiger – auch in der Gleichstellungspolitik. Notwendige Veränderun-
gen in den internationalen und nationalen Finanz-, Wirtschafts- und Sicherheits-
strukturen müssen die besonderen Belange von Frauen und ihren Anspruch auf
gleichberechtigte Teilhabe berücksichtigen.

Frauen in Krisengebieten
Nicht nur die Finanz- und Wirtschaftskrise, auch die internationale Sicherheits-
lage beeinflusst das Leben von Frauen und Männern – in Deutschland wie welt-
weit. Gerade in kriegerischen Auseinandersetzungen sind Frauen und Mädchen
oftmals die Hauptleidtragenden. In kriegerischen Konflikten tragen Frauen oft
die Hauptverantwortung dafür, die Familie zu ernähren, für die Kinder zu sorgen
und Reste von zivilem Leben aufrechtzuerhalten. Entsprechend fordert die VN-
Resolution 1325 dazu auf, das zur Friedenssicherung und Konfliktbeilegung

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eingesetzte militärische Personal und die Sicherheitskräfte für diese Fragen zu
sensibilisieren, diejenigen zu verfolgen, die Kriegsverbrechen an Frauen bege-
hen, Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten besonders zu schützen und mehr
Frauen bei friedensschaffenden Missionen einzusetzen sowie bei Friedens-
verhandlungen und Wiederaufbau zu beteiligen. Angesichts des deutschen
Engagements im Ausland rücken für die deutsche Bevölkerung die Menschen-
rechtsgefährdungen und Bedrohungen durch bewaffnete Konflikte verstärkt ins
Blickfeld. Die Stärkung der Rechte und der Schutz von Frauen und Mädchen in
bewaffneten Konflikten stellen eine zentrale Herausforderung dar. Das vom
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im September
2009 in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik initiierte Werkstattgespräch
hat aufgezeigt, wie unter Berücksichtigung von „best practice“-Beispielen euro-
päischer Nachbarländer die Einbeziehung der VN-Resolution 1325 gerade auch
bei Einsätzen deutscher Soldaten und Soldatinnen in Konfliktregionen besser
gelingen kann.

Frauen gehören in vielen Ländern zu den schwächsten Teilen der Gesellschaft
und werden überproportional häufig in ihren elementaren Rechten verletzt.
Unter dem Vorwand der Tradition werden Frauen und Mädchen von Bildung
ferngehalten und von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen; sie leiden ein
Leben lang an den Folgen von Genitalverstümmelungen oder werden getötet,
vermeintlich aus Gründen der Ehre, was aber von keiner Rechtsordnung ge-
rechtfertigt wird. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)
sind weltweit 12 Millionen Menschen, hauptsächlich Frauen und Kinder, Opfer
von Menschenhandel. 70 Prozent von ihnen werden als Zwangsprostituierte
Opfer sexueller Ausbeutung. Es müssen alle Mittel zum Schutz der Opfer und
zur Strafverfolgung der Täter genutzt werden.

Frauen in Deutschland und Europa

Die uneingeschränkte und gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern
am öffentlichen Leben ist auch das Ziel europäischer Politik. So legte die Euro-
päische Kommission im Jahr 2000 eine Rahmenstrategie zur Förderung der
Gleichstellung von Frauen und Männern für die Jahre 2000 bis 2005 sowie 2006
einen Fahrplan (Road Map) zur Gleichstellung von Frauen und Männern für
2006 bis 2010 vor. Die Gleichheit von Männern und Frauen in allen Bereichen
ist außerdem in Artikel 23 der Grundrechte-Charta enthalten und auf nationaler
Ebene in Artikel 3 des Grundgesetzes verankert.

Die Zahl der Haushalte mit Familienernährerinnen in Deutschland hat sich in
den letzten 15 Jahren erhöht. Im Westen stieg der Prozentsatz in Paarhaushalten
zwischen 1991 und 2006 von 6,3 auf 9,5 Prozent, im Osten von 10,4 auf
13,1 Prozent an. Die Frage der Frauenerwerbstätigkeit sowie ihrer Einkom-
mens- und Aufstiegschancen wird damit für die ökonomische Situation von
Familien immer wichtiger. Obwohl in Deutschland inzwischen 59 Prozent der
Hochschulabsolventen Frauen sind, lag der Verdienstunterschied im Jahr 2008
zwischen Frauen und Männern weiterhin bei 23 Prozent (Statistisches Bundes-
amt vom 12. November 2009). Deutschland liegt damit im europäischen
Vergleich auf einem der hinteren Plätze. Die Ursachen für Lohnunterschiede
zwischen Frauen und Männern sind vielfältig. Sie beginnen bei der Ausbil-
dungs- und Berufswahl. Bei den 2008 abgeschlossenen Ausbildungsverträgen
liegen bei den Männern weiterhin Berufe wie Kraftfahrzeugmechatroniker und
Industriemechaniker auf den ersten Plätzen; junge Frauen haben sich für Berufe
wie Kauffrau im Einzelhandel, Bürokauffrau, Verkäuferin oder Friseurin ent-
schieden. Zu den Lohnunterschieden tragen aber auch die Unterbewertung von
typischerweise von Frauen gewählten Berufen, Erwerbsunterbrechungen und
Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Dies reicht bis hin zu

schlechteren Aufstiegschancen – auch von kinderlosen Frauen. In Führungs-

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positionen sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. In der Privatwirtschaft
beträgt ihr Anteil an Leitungspositionen rund 27 Prozent, im öffentlichen Dienst
23 Prozent. Die Bekämpfung der Ursachen der Entgeltungleichheit ist eine zen-
trale Herausforderung der Gleichstellungspolitik. Eine gleiche Entlohnung von
Frauen und Männern bei gleichwertigen Tätigkeiten und mehr Frauen in Füh-
rungspositionen sind auch für mehr ökonomische Sicherheit der Familien von
immenser Bedeutung.

Auch wenn die Erwerbstätigenquote der Frauen seit Jahren kontinuierlich an-
steigt, waren im Jahr 2009 nur 37 Prozent der Vollzeitbeschäftigten Frauen; bei
den Teilzeitbeschäftigten stellten sie hingegen einen Anteil von 83,4 Prozent.
Bei den ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten finden sich Frauen
zu 66,8 Prozent; Männer hingegen nur zu 33,2 Prozent. Der hohe Anteil von
Frauen in Niedriglohnbeschäftigungsverhältnissen sowie bei nicht voll sozial-
versicherungspflichtigen Mini- und Midi-Jobs trägt nicht nur zum Armutsrisiko
in der Erwerbsphase, sondern auch im Alter bei. Die Bedingungen für berufliche
Aufstiegsmöglichkeiten gerade für Frauen müssen daher verbessert und der
Übergang von Mini- und Midi-Jobs in existenzsichernde, voll sozialversiche-
rungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse muss unterstützt werden. Einmal
arbeitslos geworden ist es für Frauen schwierig, den Wiedereinstieg in Beschäf-
tigungsverhältnisse erfolgreich zu gestalten. Von den Beschäftigungseffekten im
Wiederaufschwung nach der Krise können Frauen häufig erst sehr verzögert
profitieren.

Altersarmut ist noch kein verbreitetes Phänomen, da statistisch das Einkommen
der Älteren mit 97 Prozent (18 000 Euro) nur leicht unter dem durchschnitt-
lichen Einkommen von 2003 (19 350 Euro) liegt. Finanziell schlechter gestellt
sind allerdings alleinstehende Frauen im Alter mit einem Einkommen von rund
16 100 Euro. Für die Zukunft ist damit zu rechnen, dass der Anteil der Personen
zunehmen wird, deren Alterssicherung unter der Grundsicherung im Alter liegt.
Dies geht unter anderem aus dem Bericht der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung „Pensions at a Glance“ (2007, S. 75) und
dem Bericht „Altersvorsorge in Deutschland 2005 (AVID)“ hervor, der im Auf-
trag der Deutschen Rentenversicherung Bund und des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales erstellt wurde. Verheiratete Frauen, die aufgrund geringer
eigener Erwerbsbeteiligung auf das Erwerbs- bzw. Familieneinkommen des
Ehemannes angewiesen waren, verfügen in der Regel nur über geringe eigene
Alterssicherungsleistungen und sind auch im Alter auf das Einkommen des Ehe-
mannes angewiesen. Dies ist im Falle von Trennung und Scheidung besonders
problematisch. Erwerbsunterbrechungen machen sich bei der Altersvorsorge be-
merkbar. Bereits heute muss ein (Voll-zeit-)Arbeitnehmer beziehungsweise eine
(Vollzeit-)Arbeitnehmerin mit einem durchschnittlichen Arbeitsentgelt 25 Jahre
lang Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, um eine Rente
über Grundsicherungsniveau zu erhalten; 2030 wird man nach Modellrechnun-
gen dafür 30 Jahre benötigen. Hinzu kommt, dass der Anteil der sozialversiche-
rungspflichtig Beschäftigten in Teilzeit von knapp 11 Prozent im Jahr 1993 auf
heute 18 Prozent gestiegen ist. Nur 5 Prozent der sozialversicherungspflichtig
beschäftigten Männer arbeiten in Teilzeit, während Frauen zu einem Drittel Teil-
zeit arbeiten. Auch im Bundesdienst ist Teilzeitbeschäftigung weiterhin Frauen-
sache: 2004 arbeiteten 80 161 Beschäftigte in Teilzeit; 91 Prozent hiervon waren
Frauen (Erster Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Bundesgleichstel-
lungsgesetz gemäß § 25 BGleichG, Bundestagsdrucksache 16/3776, S. 13). Die
Zahl der selbständig Erwerbstätigen insgesamt und auch der Anteil der Frauen
haben während der letzten Jahre zwar beständig zugenommen; bei 51,7 Prozent
der selbständig tätigen Frauen liegt das Einkommen allerdings unter 1 100 Euro.

Gleichstellungspolitik muss darauf abzielen, soziale Risiken in den Lebens-

läufen und Erwerbsbiografien zu erkennen. Frauen und Männer müssen mehr
Möglichkeiten haben, ihren Berufsweg individuell zu gestalten. Wir brauchen

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familien-, gleichstellungs- und kinderfreundliche Rahmenbedingungen durch
eine familienfreundliche Kultur und Infrastruktur, die eine Entscheidung für
Kinder durch echte Wahlfreiheit ermöglicht. Die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf sollte – auch für Männer – in Form flexiblerer Arbeitszeitmodelle fester
Bestandteil einer modernen und nachhaltigen Personalpolitik in den Unterneh-
men sein. Im Jahr 2009 belief sich die Betreuungsquote bei den Kindern unter
drei Jahren bundesweit zwar auf über 20 Prozent (Statistisches Bundesamt vom
1. Januar 2009). Doch muss die Dynamik beim Ausbau der Kindertagesbetreu-
ung weiter gesteigert werden, um das Ziel von 35 Prozent im Jahr 2013 zu errei-
chen. Dies gilt insbesondere für die westdeutschen Flächenstaaten.

Gleichstellungspolitik muss gezielt die Unterschiede in den Lebensverläufen
von Frauen und Männern berücksichtigen und bei der Familiengründung oder in
der Phase des Wiedereinstiegs ins Erwerbsleben zielgenaue Hilfe anbieten.
Lebenslaufpolitik verknüpft Gleichstellungspolitik und Sozialpolitik zu einer
nachhaltigen Politik des gesellschaftlichen Zusammenhalts, geschlechtsbe-
dingte Nachteile werden abgebaut, partnerschaftliche Verantwortung wird
gestärkt. Leitbild dieser Gleichstellungspolitik in der Lebensverlaufsperspektive
ist eine Kultur des Zusammenhalts, die auf einer gleichberechtigten Partner-
schaft von Männern und Frauen fußt. Ein besonderes Augenmerk ist auf die
Situation von alleinerziehenden Müttern und Vätern zu legen, die vor besonde-
ren Schwierigkeiten stehen und einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt sind.

Frauen haben beim Integrationsprozess meist eine Schlüsselrolle, da sie oftmals
die Hauptverantwortung für die Betreuung und Erziehung der Kinder tragen und
für die Bewältigung von Alltagsfragen zuständig sind. Eine gelungene Migra-
tionspolitik muss dem Rechnung tragen.

Gewalt gegen Frauen

Rund 40 000 Frauen und Mädchen, die körperlicher, sexueller oder seelischer
Gewalt ausgesetzt sind, suchen jedes Jahr Zuflucht in Frauenhäusern. Der
„Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen
Frauen“ (Bundestagsdrucksache 16/6584) sieht ein Bündel von Maßnahmen
gegen häusliche Gewalt vor. Es ist geplant, möglichst bald eine bundesweite
Notrufnummer einzurichten und einen Bericht zur Lage der Frauen- und Kinder-
schutzhäuser und der darüber hinausgehenden Hilfeinfrastruktur vorzulegen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung im Rahmen der zur
Verfügung stehenden Haushaltsmittel auf,

1. sich verstärkt für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen
gesellschaftlichen Bereichen einzusetzen und Benachteiligungen in Wirt-
schaft und Arbeitswelt, Politik und Gesellschaft zu beseitigen;

2. zur Umsetzung der VN-Resolution 1325 die Zusammenarbeit zwischen den
verschiedenen Ressorts zu verstärken und dabei die internationalen Erfahrun-
gen mit der Umsetzung der Resolution zu berücksichtigen;

3. das zehnjährige Bestehen der VN-Resolution 1325 dazu zu nutzen, ihre
Inhalte und ihre Bedeutung einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen;

4. sich im Sinne der Chancengleichheit entschlossen für eine deutliche Erhö-
hung des Anteils von Kandidatinnen aus Deutschland in Führungspositionen
bei internationalen Organisationen einzusetzen und Anwärterinnen hierfür
gezielt auszubilden und aktiv zu fördern;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/901

5. sich für die Durchsetzung von Frauenrechten als Menschenrechten einzu-
setzen sowie für die Bekämpfung von Zwangsprostitution, auch und insbe-
sondere im Zuge von internationalen Großereignissen, und für die Bekämp-
fung von Sklaverei, Ausbeutung, Menschenhandel, Genitalverstümmelung
und Zwangsverheiratung einzutreten;

6. sich weiterhin für eine Kultur der Vielfalt (Diversity) in Unternehmen ein-
zusetzen;

7. unbeschadet der primären Verantwortung der Tarifparteien und der einzel-
nen Arbeitgeber auf die Beseitigung der Entgeltungleichheit zwischen
Frauen und Männern hinzuwirken; dazu ist eine Strategie der ursachen-
gerechten Überwindung der Entgeltungleichheit zu entwickeln, die neben
dem beratungsunterstützten Lohntestverfahren Logib-D unter anderem
Maßnahmen enthält, die Frauen in Gehaltsverhandlungen stärken und die
Unterbewertung von frauendominierten Tätigkeiten bekämpfen; es sollte
dabei auch ein besonderes Augenmerk auf den ländlichen Raum gelegt wer-
den, wo der geschlechterspezifische Lohnunterschied besonders groß ist;

8. die Bedingungen für berufliche Aufstiegsmöglichkeiten gerade für Frauen
zu verbessern und den Übergang von Mini- und Midi-Jobs in existenz-
sichernde voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu
unterstützen;

9. Stereotype bei Bildung, Ausbildung und Beschäftigung zu bekämpfen und
im Rahmen der Berufsberatung gemeinsam mit den Ländern darauf hinzu-
wirken, dass Mädchen und junge Frauen auf Wirtschafts- und Ausbildungs-
zweige hingewiesen werden, in denen bislang vor allem Männer tätig sind,
sowie junge Männer auf berufliche Tätigkeiten in Bereichen, in denen bis-
lang vor allem Frauen tätig sind;

10. für flexible Teilzeitmodelle – auch in Leitungsfunktionen – zu werben, die
für Frauen und Männer gleichermaßen attraktiv sind, um mehr Wahlfreiheit
bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Pflege und Beruf zu er-
möglichen und im Rahmen der Gleichstellungspolitik auch Selbständige
und Existenzgründerinnen in den Blick zu nehmen;

11. sich entschlossen für eine deutliche Erhöhung des Anteils von Frauen in
Führungspositionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst nach
Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzusetzen; ferner wird ein
Stufenplan für eine Erhöhung des Anteils von Frauen in Vorständen und
Aufsichtsräten vorgelegt werden; der Stufenplan setzt in einer ersten Stufe
auf verbindliche Berichtspflichten und transparente Selbstverpflichtungen;

12. die Ziele des Bundesgleichstellungsgesetzes und des Bundesgremienbeset-
zungsgesetzes weiterhin mit Nachdruck zu verfolgen und zu prüfen, ob und
inwieweit die Gesetze geändert und effektiver gestaltet werden müssen;

13. im Bereich des Öffentlichen Dienstes darauf hinzuwirken, dass dieser seine
Potentiale, frauen- und familienfreundlicher zu werden, weiter ausschöpft;
dazu gehört auch die Fortentwicklung flexibler Arbeitsformen und Arbeits-
zeitmodelle gerade auch für Leitungspositionen;

14. das Aktionsprogramm „Perspektive Wiedereinstieg“ unter Berücksichti-
gung der Evaluationsergebnisse weiterzuführen und als Prototyp moderner
Gleichstellungspolitik in Lebensverlaufsperspektive weiterzuentwickeln;
dabei sind die Qualifizierungsangebote für Frauen, die familienbedingt fünf
oder mehr Jahre die Erwerbstätigkeit unterbrochen haben, auszubauen und
insbesondere auch Maßnahmen zu entwickeln, die auf die (Ehe-)Partner der
Wiedereinsteigerinnen zielen und ihre Wiedereinstiegsphase unterstützen;

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15. die Rahmenbedingungen für alleinerziehende Mütter und Väter durch ein
Maßnahmenpaket zu verbessern, das insbesondere in verlässlichen Netz-
werk- und Kinderbetreuungsstrukturen für alleinerziehende Mütter und
Väter lückenlos, flexibel und niedrigschwellig bereitgestellt wird;

16. in der Kinderbetreuung weitere Maßnahmen für einen verbesserten qualita-
tiven und quantitativen flexiblen Ausbau der Betreuung bei Trägervielfalt
und unter Einbeziehung der Tagespflege zu ergreifen und die Vernetzung
mit anderen familienunterstützenden Angeboten wie den Familienzentren
und Mehrgenerationenhäusern zu intensivieren;

17. zur Umsetzung von Gleichstellungspolitik in Lebensverlaufsperspektive zu
analysieren, unter welchen Bedingungen sich schwierige Übergänge im
Lebenslauf als „Brücke“ statt als „Bruch“ erweisen können, und einen Rah-
menplan mit verpflichtenden Zielen und konkreten Maßnahmen vorzule-
gen, mit denen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in
bestimmten Phasen des Lebens verbessert wird;

18. zeitnah zu prüfen, wie das Unterhalts-, Steuer-, Sozial- und Familienrecht
harmonisiert werden kann, und entsprechende Schritte einzuleiten;

19. zu prüfen, wie die familienpolitische Komponente im Rahmen der finan-
ziellen Möglichkeiten gestärkt und Erziehungsleistungen in der Alterssiche-
rung noch besser berücksichtigt werden können;

20. die Vermeidung von Altersarmut auf die Agenda der Gleichstellungspolitik
zu setzen und dazu ein nachhaltiges Informations- und Beratungsangebot
bereitzustellen;

21. eine Regierungskommission mit dem Ziel einzusetzen, Regelungen zu ent-
wickeln, um in Zukunft die Gefahr steigender Altersarmut – gerade auch für
Frauen – zu vermeiden;

22. für Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, eine bundesweite Rufnummer
einzurichten, unter der sie und ihre Familienangehörigen rund um die Uhr
Beratung und Unterstützung erhalten;

23. einen Bericht zur Lage der Frauen- und Kinderschutzhäuser und der darüber
hinausgehenden Hilfeinfrastruktur zu erarbeiten, um auf dieser Grundlage
zu prüfen, wie das Hilfesystem im Bereich Gewalt gegen Frauen im Rah-
men der Bundeszuständigkeit weiter gestützt werden kann;

24. das Potential von Migrantinnen in der Integrationspolitik mit Blick auf ihre
Schlüsselrolle und entsprechende bildungspolitische Erfordernisse weiter
zu erschließen.

Berlin, den 3. März 2010

Volker Kauder, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und Fraktion
Birgit Homburger und Fraktion

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