BT-Drucksache 17/90

Schaffung eines Naturwalderbes auf fünf Prozent der bundesdeutschen Waldfläche

Vom 27. November 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/90
17. Wahlperiode 27. 11. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch,
Ulrike Höfken, Friedrich Ostendorff, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell,
Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Ingrid Nestle, Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner, Markus Tressel,
Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schaffung eines Naturwalderbes auf fünf Prozent der bundesdeutschen
Waldfläche

Die Bundesregierung hat sich in ihrer nationalen Biodiversitätsstrategie das
Ziel gesetzt, fünf Prozent der Wälder einer natürlichen Entwicklung zu über-
lassen, also aus der Nutzung zu nehmen. Bei 11,076 Millionen Hektar Wäldern
in Deutschland sind das zirka 554 000 Hektar. Bei den Staatswäldern soll dieser
Anteil zehn Prozent betragen. Bei 33,3 Prozent Staatswäldern im Jahr 2002
(Tendenz abnehmend) wären das zirka 368 500 Hektar.

Wenn die Bundesregierung ihr Ziel ernst nimmt, dann kann es dabei nicht um
einen vorübergehenden Nutzungsverzicht gehen, der kurzfristig wieder aufge-
hoben werden kann. Vielmehr müsste der dauerhafte Verzicht auf Nutzung
rechtlich abgesichert werden.

Unklarheit besteht immer noch darüber, wie viel rechtlich gesicherte Natur-
waldfläche in Deutschland bereits besteht. Die Bundesregierung hat hierzu
auch in der Beantwortung verschiedener Anfragen keine Klarheit geschaffen.
Vielmehr wurde zum Teil versucht, sämtliche Wälder, die zum Beispiel im
Kleinprivatwald bis auf weiteres nicht genutzt werden, auf die fünf Prozent an-
zurechnen, um zu begründen, dass keine oder kaum zusätzliche Waldflächen
benötigt werden, um das Ziel zu erreichen. Diese Flächen können jedoch nicht
als „einer natürlichen Entwicklung überlassen“ gelten, da der Nutzungsverzicht
keine gezielte, dauerhafte Maßnahme ist, sondern jederzeit wieder aufgehoben
werden kann.

Zur Umsetzung des Fünf-Prozent-Ziels sollte ein Pool an gesicherten, aus der
Nutzung genommenen Wäldern geschaffen werden, der mindestens fünf Pro-
zent der gesamten Wälder in Deutschland umfasst. An diesem Pool könnten
sich unterschiedliche staatliche und private Institutionen und Stiftungen betei-
ligen. Das heißt, das zu schaffende Naturwalderbe muss nicht unbedingt in
einer Hand liegen. Sinnvoll wäre es aber, wenn es ein organisatorisches Dach

für die Wälder gäbe.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Bundesbehörden, Bundesanstalten (z. B. die Bundesanstalt für
Immobilienangelegenheiten, BImA), bundeseigenen Gesellschaften (z. B.
die Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft, BVVG, oder die Lau-

Drucksache 17/90 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft, LMBV), Bun-
des-Stiftungen (z. B. Deutsche Bundesstiftung Umwelt, DBU) und sons-
tigen bundeseigenen Institutionen sind Eigentümer von wie vielen Hektar
Wald?

2. Für wie viele Hektar Wald der oben genannten Institutionen sind jeweils
kurz-, mittel- oder langfristig die Privatisierung, und für wie viele jeweils
der dauerhafte Verbleib in Bundeseigentum vorgesehen?

3. Wie viele Hektar Wald sind in Deutschland dauerhaft und rechtlich ge-
sichert einer natürlichen Entwicklung überlassen bzw. aus der Nutzung
genommen?

4. Welche Waldgesellschaften finden sich auf diesen aus der Nutzung genom-
menen Flächen, bzw. welche Waldgesellschaften wären dort standort-
typisch und könnten sich dort entwickeln?

5. Welche bundeseigenen oder privaten Institutionen, Stiftungen oder Gesell-
schaften sind Eigentümer von wie vielen Hektar dieser aus der Nutzung
genommenen Wälder?

6. Auf welche Art und Weise plant die Bundesregierung das Ziel zu erreichen,
fünf Prozent der bundesdeutschen Wälder einer natürlichen Entwicklung
zu überlassen, also ein Naturwalderbe auf fünf Prozent der bundesdeut-
schen Waldfläche zu schaffen?

7. Wie will die Bundesregierung hierbei sicherstellen, dass alle heimischen
Waldgesellschaften in ausreichender Biotopgröße und Anzahl berücksich-
tigt werden?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es notwendig ist, den
Status „einer natürlichen Entwicklung überlassen“ bzw. „aus der Nutzung
genommen“ rechtlich so abzusichern (per Gesetz, per Stiftung oder durch
vertragliche Regelungen), dass er vom Eigentümer nicht ohne Weiteres
aufgehoben werden kann, und wenn nein, warum nicht?

9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es für die öffentliche Hand
und die sonstigen Träger des zukünftigen Naturwalderbes notwendig ist,
die betreffenden Waldflächen zum erheblichen Teil zu erwerben, weil von
Privatwaldbesitzern der Verzicht auf die Nutzung ihres Waldes nicht ent-
schädigungslos erwartet werden kann, und wenn nein, warum nicht?

10. Plant die Bundesregierung Entschädigungszahlungen für Privatwaldbesit-
zer, die auf die Nutzung ihres Waldes verzichten, und wenn ja, wie sollen
diese Zahlungen ausgestaltet, und aus welchen Haushaltstiteln finanziert
werden?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass anstelle einmaliger oder
dauerhafter Entschädigungszahlungen für Privatwaldbesitzer der Erwerb
der betreffenden Waldflächen durch die öffentliche Hand und die sonstigen
Träger des zukünftigen Naturwalderbes die vorteilhaftere Alternative wäre,
und wenn nein, warum nicht?

12. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass vor dem Hintergrund der
geplanten Schaffung eines Naturwalderbes und des Bedarfs, hierfür Wald-
flächen zu erwerben, ein Privatisierungsmoratorium für die bundeseigenen
Wälder angebracht wäre, um prüfen zu können, welche bundeseigenen
Wälder für die Einbringung in das Naturwalderbe geeignet sind, und um
ggf. Waldflächen mit privaten Eigentümer tauschen zu können, die nur
bereit sind, Wälder für das Naturwalderbe zu verkaufen, wenn sie stattdes-
sen andere Wälder zur Bewirtschaftung erhalten können, und wenn nein,

warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/90

13. In welchem Maße rechnet die Bundesregierung damit, dass Privatwald-
besitzer einen Teil ihrer Wälder freiwillig in das zu schaffende Naturwald-
erbe einbringen werden?

14. Welchen Finanzbedarf sieht die Bundesregierung für die Schaffung des
Naturwalderbes auf fünf Prozent der Waldfläche Deutschlands?

15. Welche Mittel plant die Bundesregierung in den nächsten Jahren für die
Schaffung des Naturwalderbes bereitzustellen?

16. Welchen freiwilligen Finanzierungsanteil von Privatpersonen und nicht-
staatlichen Institutionen hält die Bundesregierung zur Finanzierung des
Naturwalderbes für realistisch?

17. Wird die Bundesregierung für das Naturwalderbe ein organisatorisches
Dach schaffen, und wenn nein, warum nicht?

18. Nach welchen Kriterien wird die Bundesregierung Wälder für das Natur-
walderbe auswählen, und wie wird sichergestellt, dass diese sich sinnvoll
in das nationale Biotopverbundsystem einfügen?

Berlin, den 27. November 2009

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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