BT-Drucksache 17/89

Atommülllager Asse - Falschdeklarationen und Altabfälle

Vom 27. November 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/89
17. Wahlperiode 27. 11. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Cornelia
Behm, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Oliver Krischer,
Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff,
Dr. Hermann Ott, Brigitte Pothmer, Dorothea Steiner, Markus Tressel, Daniela
Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Atommülllager Asse – Falschdeklarationen und Altabfälle

Die Stilllegung des maroden Atommülllagers Asse II (kurz Asse) steht in Kürze
bevor. Wegen der damit verbundenen Risiken für Mensch und Umwelt ist es von
großem Interesse, genauere Informationen über das tatsächliche radioaktive und
chemotoxische Asse-Inventar zu erlangen. In den vergangenen Monaten wurde
immer deutlicher, dass die Dokumentation des ehemaligen Betreibers nicht
belastbar ist und das Asse-Inventar wohl weit gefährlicher ist als ursprünglich
gedacht.

So meldete die ARD Tagesschau am 29. August 2009, dass sich mindestens drei-
mal so viel hochgiftiges Plutonium in der Asse befindet wie zuvor offiziell ange-
geben. Nach Recherchen des TV-Magazins Monitor vom 23. Juli 2009 könnten
auch hochradioaktive Abfälle eingelagert worden sein. Im Herbst 2008 bezwei-
felten die Entsorgungs- und Strahlenschutzkommission in ihrer Stellungnahme
zur Asse die Plausibilität der Inventar-Dokumentation und verwiesen unter ande-
rem auf sogenannte Asse-Altabfälle in der Landessammelstelle Geesthacht.
Dabei handelt es sich um Gebinde, die für die Einlagerung in der Asse bestimmt
waren, jedoch bis 31. Dezember 1978 nicht mehr eingelagert werden konnten.
Im Jahr 2000 stellte sich heraus, dass die Altabfälle in Geesthacht falsch
deklariert waren und nicht den Asse-Annahmebestimmungen entsprachen
(vgl. <http://www.entsorgungskommission.de/downloads/snasse1250908.pdf>,
Seite 7).

Das Ausmaß falsch deklarierter Abfälle in der Asse ist unklar, da bei der Einlage-
rung nie Fässer für Kontroll-Stichproben geöffnet wurden (vgl. Bundestags-
drucksache 16/10783, Frage 14). Es gibt jedoch diverse Hinweise, dass nicht nur
vereinzelt gegen die Annahmebestimmungen verstoßen wurde. Vor diesem Hin-
tergrund können Altabfälle wertvolle Hinweise über das tatsächliche Gefähr-
dungspotenzial des Asse-Inventars liefern. Vor Kurzem teilte die Bundesregie-
rung mit, dass in der Hauptabteilung Dekontaminationsbetriebe (HDB) auf dem

Gelände des Forschungszentrums Karlsruhe über 500 Abfallgebinde lagern, von
denen nicht auszuschließen ist, dass es sich um ursprünglich zur Ablieferung an
die Asse vorgesehene Altabfälle handelt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/29,
Frage 84).

Drucksache 17/89 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

Mögliche Asse-Altabfälle im Forschungszentrum Karlsruhe

1. Welche Informationen hat die Bundesregierung im Einzelnen über die ge-
naue stoffliche Zusammensetzung und Aktivität der in der Bundestags-
drucksache 17/29, Frage 84 genannten 515 Abfallgebinde (bitte tabella-
rische Übersicht)?

2. Woher stammen diese 515 Gebinde (bitte tabellarische Übersicht mit Ablie-
ferer, Eigentümer, Annahmedatum und Ursprung wie Wiederaufarbeitungs-
kampagne, Atomkraftwerk etc.)?

3. Welche dieser 515 Gebinde waren Bestandteil von zum Teil tatsächlich in
die Asse verbrachten Gebindechargen (ggf. bitte mit Chargenangabe)?

4. Befinden sich unter diesen 515 Gebinden solche, die einst zur Einlagerung
an die Asse geliefert wurden, aber nicht angenommen wurden?

Falls ja, welche, und weshalb wurden sie auf der Asse nicht angenommen?

5. Welche dieser 515 Gebinde wurden nach dem 31. Dezember 1978 geöffnet,
umkonditioniert und/oder auf ihren Inhalt hin überprüft (bitte tabellarische
Übersicht mit Datum und Anlass)?

6. Welche Diskrepanzen zum vorherigen Wissensstand wurden dabei hinsicht-
lich stofflicher Zusammensetzung, Aktivität und Aggregatzustand festge-
stellt?

7. Weshalb kann nicht mehr nachvollzogen werden, welche der 515 Gebinde
für die Asse bestimmt waren (vgl. Bundestagsdrucksache 17/29, Frage 84)?

8. Für wie plausibel hält die Bundesregierung die Dokumentation der 515 Ge-
binde?

Gibt es Lücken?

9. Liegen aus Sicht der Bundesregierung bei diesen 515 Gebinden Mängel bei
der Dokumentation vor?

Falsch deklarierte Asse-Altabfälle in Geesthacht und an anderen Orten

10. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die festgestellten Ab-
weichungen hinsichtlich genauer stofflicher Zusammensetzung, Aktivität
und Aggregatzustand von für die Asse bestimmten Altabfällen in Geest-
hacht, auf die die oben genannte Stellungnahme der Entsorgungs- und Strah-
lenschutzkommission verweist (bitte tabellarische Übersicht)?

11. Wurden auch an anderen Orten neue Erkenntnisse über den Inhalt bis 1978
entstandener Abfälle hinsichtlich stofflicher Zusammensetzung, Aktivität
oder Aggregatzustand gewonnen?

Wenn ja, an welchem Ort, bei welchem Anlass (z. B. Umkonditionierung
wegen Korrosion, Umlagerung etc.), und bei welcher Zahl von Abfallgebin-
den (bitte tabellarische Übersicht)?

Bislang unveröffentlichte Hinweise auf weitere Asse-Abfälle

12. Hat die Bundesregierung Hinweise über weitere Abfälle wie die Siemens-
Fässer, über die ARD Monitor am 23. Juli 2009 berichtete, die nicht den
Asse-Annahmebedingungen entsprachen und/oder deren Einlagerung in die
Asse weder sicher bestätigt noch sicher ausgeschlossen werden kann?

Falls ja, welche?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/89

Dokumentationsfehler der in der Asse eingelagerten Plutoniummenge

13. Wie und wann genau kam es zu dem Übertragungsfehler, durch den die in
der Asse eingelagerte Plutoniummenge jahrelang mit nur rund einem Drittel
des am 29. August 2009 korrigierten Wertes angesetzt wurde?

Wer war für den Fehler verantwortlich?

Berlin, den 27. November 2009

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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