BT-Drucksache 17/8771

Behördeninformationen über die Partei DIE LINKE. und die Arbeiterpartei Kurdistan für das Onlineportal DEUTSCH TÜRKISCHE NACHRICHTEN

Vom 27. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8771
17. Wahlperiode 27. 02. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heidrun Dittrich, Andrej Hunko, Ingrid Remmers,
Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.

Behördeninformationen über die Partei DIE LINKE. und die Arbeiterpartei
Kurdistan für das Onlineportal DEUTSCH TÜRKISCHE NACHRICHTEN

Das Onlineportal „DEUTSCH TÜRKISCHE NACHRICHTEN“ berichtet am
20. Januar 2012 unter Berufung auf einen „hochrangigen Beamten“ deutscher
Sicherheitsbehörden über eine angeblich drohende „Eskalation der Gewalt“
durch Anhänger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutsch-
land. In dem Artikel heißt es unter Berufung auf nicht näher genannte „deut-
schen Sicherheitsbehörden“: „Großes Unverständnis haben die Sicherheitsbe-
hörden für die offene Zurschaustellung der Unterstützung der PKK durch linke
Politiker. […] Die Behörden werfen der Linken vor, die PKK aus wahltaktischen
Überlegungen zu unterstützen.“ (www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2012/
01/336878/behoerden-warnen-vor-neuer-pkk-gefahr-in-deutschland/).

Die DEUTSCH TÜRKISCHEN NACHRICHTEN gehören zum weltweit agie-
renden Netzwerk des in den USA lebenden pensionierten Imam Fethullah
Gülen. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage „Fethullah-Gülen-Bewegung“
hat die Bundesregierung „gelegentlichen Kontakt mit dem der Gülen-Bewegung
nahestehenden, in Berlin beheimateten ‚Forum für interkulturellen Dialog e. V.‘,
dies über die Person seines Vorsitzenden Ercan Karakoyun“ bestätigt (Bundes-
tagsdrucksache 17/7319). Ercan Karakoyun ist zugleich Herausgeber der
DEUTSCH TÜRKISCHEN NACHRICHTEN.

Kritiker werfen der Gülen-Gemeinde vor, in der Türkei einen „neuen tiefen
Staat“ errichtet zu haben und ihren Einfluss auf Polizei und Justiz zur will-
kürlichen Verhaftung tausender politischer Opponentinnen und Opponenten ein-
schließlich zahlreicher regierungskritischer Journalisten und Journalistinnen zu
nutzen (www.foreignpolicy.com/articles/2012/01/11/behind_bars_in_the_deep_
state).

Am 24. Oktober 2011 rief Fethullah Gülen das türkische Militär in einer über In-
ternet verbreiteten ca. 45-minütigen Ansprache zur militärischen Vernichtung
von als „Terroristen“ bezeichneten Vertretern der politischen Bewegung der
Kurdinnen und Kurden auf. Darin heißt es unter anderem: „Lokalisiert sie, um-
zingelt sie (...) zerschlagt ihre Einheiten, lasst Feuer auf ihre Häuser regnen,
überzieht ihr Klagegeschrei mit noch mehr Wehgeschrei, schneidet ihnen die

Wurzeln ab und macht ihrer Sache ein Ende!“. Dass sich Fethullah Gülens Auf-
ruf nicht nur auf bewaffnete PKK-Guerillas in den Bergen, sondern offenbar
auch auf zivile kurdische Politikerinnen und Politiker in den Städten bezieht,
macht die von Fethullah Gülen in der Ansprache genannte Zahl von bis zu
50 000 „Terroristen“ ebenso deutlich wie die Aufforderung, „Feuer auf ihre
Häuser regnen“ zu lassen (www.youtube.com/watch?v=u2UACsfGR9s&feature
=player_embedded&noredirect=1).

Drucksache 17/8771 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Der Vorsitzende des Forums für Interkulturellen Dialog Berlin e. V., Ercan
Karakoyun, verteidigte die Äußerungen Fethullah Gülens in einer Presseerklä-
rung und behauptete im Widerspruch dazu zugleich, dass Fethullah Gülen genau
wie die Partei DIE LINKE. dazu aufrufe, die kurdische Frage auf friedlichem
und demokratischem Wege zu lösen. In dieser Pressemitteilung wird Fethullah
Gülen mit der Aussage zitiert, dass man mit den nicht „terroristischen“ 95 Prozent
der kurdischen Bevölkerung „liebevoll“ umgehen müsse. Demzufolge gelten für
Fethullah Gülen 5 Prozent der kurdischen Bevölkerung, also etwa 1 Million Men-
schen, als „Terroristen“ (http://dialog-berlin.de/Gülen-Bewegung/die-linke-
nimmt-terror-der-pkk-in-schutz-und-verfaelscht-guelen-video.html). Von einigen
kurdischen Verbänden wird Fethullah Gülens Rede daher als „Fatwa zur Ver-
nichtung der Kurden“ verstanden (www.konkurd.org/de/info/die-strategie-des-
herrn-fethullah-gulen-an-der-wurzel-packen--1232550572.html).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit und in welcher Form stehen Bundesbehörden mit der Redaktion
der DEUTSCH TÜRKISCHEN NACHRICHTEN in Kontakt?

a) Aus welcher Bundesbehörde genau wurden die im Artikel „PKK:
Deutschland droht Eskalation der Gewalt“ genannten Informationen und
Aussagen an die DEUTSCH TÜRKISCHEN NACHRICHTEN weiterge-
leitet?

b) Bei welcher Gelegenheit wurden diese Informationen und Aussagen an
die DEUTSCH TÜRKISCHEN NACHRICHTEN übermittelt (bitte an-
geben, ob Interview, schriftliche Anfrage, informelles Gespräch etc.)?

2. Inwieweit trifft es zu, dass deutsche Behörden die „mangelnde Entschieden-
heit der Bekämpfung [der PKK] im Justizbereich“ beklagen?

a) Welche Behörden beklagen dies?

b) Bei welcher Gelegenheit wurde dies beklagt?

c) Auf welche Fakten stützt sich eine solche Klage?

d) Worauf im Einzelnen stützt sich der Vorwurf, es gebe vor allem in Nord-
rhein-Westfalen ein „eklatantes Vollzugsversäumnis“ der Justiz bei der
Verfolgung der PKK?

e) Bei welchen Sicherheitsbeamten welcher Behörden genau „herrscht des-
halb wegen der laxen Vorgehensweise [der Justiz gegen die PKK] regel-
rechte Verbitterung“?

3. Inwieweit trifft es zu, dass deutsche Sicherheitsbehörden „großes Unver-
ständnis“ für „die offene Zurschaustellung der Unterstützung der PKK durch
linke Politiker“ geäußert haben?

a) Worauf gründet sich die Einschätzung einer Unterstützung der PKK
durch die Partei DIE LINKE.?

b) Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, die Partei DIE
LINKE. sei mitverantwortlich für das „demonstrative Geschehen“ am
Wochenende des 26. November 2011 in Berlin, mit rund 60 Festnahmen
und einer Reihe von verletzten Polizeibeamten?

4. Inwieweit trifft es zu, dass Bundesbehörden der Partei DIE LINKE. vorwer-
fen, „die PKK aus wahltaktischen Gründen zu unterstützen“?

a) Worin besteht die von Behörden gegenüber den DEUTSCH TÜR-
KISCHEN NACHRICHTEN erklärte „geschickte Verschleierungstaktik
durch Die Linke“, durch die „für den durchschnittlichen kurdischen Wäh-

ler gar nicht erkennbar“ sei, „welche Interessen Die Linke und ihre kurdi-
schen Abgeordneten vertreten“?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8771

b) Meinen die zitierten Bundesbehörden mit „Verschleierungstaktik“, dass
kurdische Wählerinnen und Wähler in Deutschland von der Partei DIE
LINKE. absichtlich getäuscht wurden?

c) Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Wahlerfolge der
Partei DIE LINKE. in den alten Bundesländern auf „einer geschickten
Verschleierungstaktik“ beruhen?

d) Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Abgeordnete der
Partei DIE LINKE. mit Hilfe kurdischer Wählerinnen und Wähler in den
Düsseldorfer Landtag gewählt wurden?

e) Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die von der Partei DIE LINKE.
gestützte Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen ihre Macht „in-
direkt […] also der Unterstützung der PKK “ verdankt?

f) Inwieweit geht die Bundesregierung davon aus, dass kurdische Wählerin-
nen und Wähler der Partei DIE LINKE. gegen ihre eigentlichen Interes-
sen gewählt haben?

5. Ist der Bundesregierung die Rede Fethullah Gülens vom 24. Oktober 2011
zur Frage der Bekämpfung der PKK bekannt?

a) Wenn ja, inwieweit sieht die Bundesregierung in den gewaltverherr-
lichenden Aussagen dieser Rede angesichts des Einflusses von Fethullah
Gülen auf die türkische Politik ein Hindernis für eine friedliche, eine
politische Lösung der kurdischen Frage?

b) Inwieweit hält die Bundesregierung die von Medien der Gülen-Bewe-
gung auch in Deutschland bzw. mit deutschem Untertitel verbreitete Rede
dazu geeignet, den öffentlichen Frieden oder das friedliche Zusammenle-
ben der Völker zu stören?

c) Inwieweit hat die Bundesregierung die Absicht, ihre Kontakte zum Vorsit-
zenden des Forums für Interkulturellen Dialog Berlin e. V., Ercan
Karakoyun, angesichts von dessen offener Zustimmung zur Rede Fethullah
Gülens zu überdenken oder zumindest mit einer anderen Zielstellung zu
verbinden?

Berlin, den 28. Februar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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