BT-Drucksache 17/8736

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Jürgen Klimke, Erika Steinbach, Arnold Vaatz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Serkan Tören, Pascal Kober, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksache 17/8347 - Tourismus als Chance für die Einhaltung der Menschenrechte nutzen b) zu dem Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 17/6458 - Menschenrechte in der Tourismuswirtschaft achten, schützen und gewährleisten

Vom 27. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8736
17. Wahlperiode 27. 02. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Jürgen Klimke, Erika Steinbach,
Arnold Vaatz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Serkan Tören, Pascal Kober,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 17/8347 –

Tourismus als Chance für die Einhaltung der Menschenrechte nutzen

b) zu dem Antrag der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/6458 –

Menschenrechte in der Tourismuswirtschaft achten, schützen und
gewährleisten

A. Problem

Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP fordern in ihrem Antrag (Drucksache
17/8347) die Bundesregierung auf, den Dialog mit den Tourismusunternehmen
und ihren Branchenverbänden zum Thema Menschenrechte zu intensivieren und
über die aktuellen internationalen Vereinbarungen zur menschenrechtlichen
Unternehmensverantwortung zu informieren. Die Bundesregierung soll die
Regierungen anderer Länder weiterhin im Rahmen bilateraler Dialoge sowie in
Gesprächen auf EU-Ebene auf ihre völkerrechtliche Verpflichtung zur Umset-
zung und Wahrung der Menschenrechte hinweisen.

Die Fraktion der SPD fordert in ihrem Antrag (Drucksache 17/6458) die Bundes-
regierung auf, Tourismusunternehmen über die völkerrechtlichen Verpflichtun-

gen Deutschlands, die ILO-Kernarbeitsnormen, die UN-Leitlinien über Wirt-
schaft und Menschenrechte sowie über die OECD-Leitsätze für multinationale
Unternehmen zu informieren und diese bei der Einhaltung der Menschenrechte
und bei der Sensibilisierung der Reisenden für die Lage vor Ort zu unterstützen.
Sie soll ferner die menschenrechtlichen Prinzipien auch in der Tourismuswirt-
schaft bekannt machen und sich für eine unabhängige Zertifizierung touris-
tischer Angebote einsetzen.

Drucksache 17/8736 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Annahme des Antrags auf Drucksache 17/8347 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/6458 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion
DIE LINKE.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Keine.

E. Bürokratiekosten

Keine.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8736

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 17/8347 anzunehmen,

b) den Antrag auf Drucksache 17/6458 abzulehnen.

Berlin, den 8. Februar 2012

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Tom Koenigs
Vorsitzender und Berichterstatter

Jürgen Klimke
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Serkan Tören
Berichterstatter

Annette Groth
Berichterstatterin

Die Fraktion der SPD fordert in ihrem Antrag (Drucksache
in seiner 57. Sitzung, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit in seiner 64. Sitzung und der Aus-
17/6458) die Bundesregierung auf, Tourismusunternehmen
über die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands,
die ILO-Kernarbeitsnormen, die UN-Leitlinien über Wirt-
schaft und Menschenrechte sowie über die OECD-Leitsätze

schuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung in seiner 53. Sitzung beraten. Diese Ausschüsse
haben am 8. Februar 2012 mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
Drucksache 17/8736 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Jürgen Klimke, Christoph Strässer, Serkan Tören,
Annette Groth und Tom Koenigs

I. Überweisung

Zu Buchstabe a

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache
17/8347 in seiner 152. Sitzung am 19. Januar 2012 beraten
und an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe zur federführenden Beratung und an den Auswärtigen
Ausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie,
den Ausschuss für Arbeit und Soziales, den Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, den Ausschuss
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und
an den Ausschuss für Tourismus zur Mitberatung überwie-
sen.

Zu Buchstabe b

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache
17/6458 in seiner 120. Sitzung am 7. Juli 2011 beraten und
an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
zur federführenden Beratung und an den Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Arbeit und
Soziales, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit, den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung und an den Ausschuss für Touris-
mus zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP fordern in ihrem
Antrag (Drucksache 17/8347) die Bundesregierung auf, den
Dialog mit den Tourismusunternehmen und ihren Branchen-
verbänden zum Thema Menschenrechte zu intensivieren
und über die aktuellen internationalen Vereinbarungen zur
menschenrechtlichen Unternehmensverantwortung zu infor-
mieren. Die Bundesregierung soll die Regierungen anderer
Länder weiterhin im Rahmen bilateraler Dialoge sowie in
Gesprächen auf EU-Ebene auf ihre völkerrechtliche Ver-
pflichtung zur Umsetzung und Wahrung der Menschen-
rechte hinweisen.

Eine weitere Forderung der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP zielt darauf ab, dass die Bundesregierung im Men-
schenrechtsrat der Vereinten Nationen dahingehend ein-
wirkt, dass der Tourismusbereich innerhalb der Arbeits-
gruppe Wirtschaft und Menschenrechte stärker thematisiert
wird sowie der Dialog mit Nichtregierungsorganisationen
(NGOs) und Menschenrechtsverteidigern in touristischen
Zielländern intensiviert wird, verbunden mit dem Ziel,
Menschenrechtsverletzungen im Umfeld von Tourismus zu
minimieren.

lisierung der Reisenden für die Lage vor Ort zu unterstüt-
zen. Sie soll ferner die menschenrechtlichen Prinzipien auch
in der Tourismuswirtschaft bekannt machen und sich für
eine unabhängige Zertifizierung touristischer Angebote ein-
setzen.

Die Fraktion der SPD fordert darüberhinaus die Bundes-
regierung auf, sich für eine gesetzliche Verankerung der von
John Ruggie als „due diligence“ bezeichneten menschen-
rechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen einzusetzen
und auch gegenüber Tourismusunternehmen klarzustellen,
dass diese Sorgfaltspflicht die gesamte Wertschöpfungskette
umfasst. Zudem soll sie eine Unternehmensstrafbarkeit und
andere Sanktionsmechanismen gegen Unternehmen einfüh-
ren, die Menschenrechte verletzen oder deren Verletzung
billigend in Kauf nehmen. In touristischen Zielländern soll
sie NGOs und Gewerkschaften fördern, die sich für die
Rechte von Menschen einsetzen, die im Tourismus arbeiten
oder vom ihm betroffen sind.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag auf Drucksache
17/8347 in seiner 54. Sitzung, der Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie in seiner 60. Sitzung, der Aus-
schuss für Arbeit und Soziales in seiner 90. Sitzung, der
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit in seiner 64. Sitzung und der Ausschuss für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung in seiner 53. Sit-
zung beraten. Diese Ausschüsse haben am 8. Februar 2012
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Annahme empfohlen.

Der Ausschuss für Tourismus hat den Antrag auf Druck-
sache 17/8347 in seiner 49. Sitzung am 8. Februar 2012 be-
raten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimment-
haltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Annahme empfohlen.

Zu Buchstabe b

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Antrag auf Drucksache 17/6458 in seiner 60. Sitzung, der
Ausschuss für Arbeit und Soziales in seiner 90. Sitzung,
der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
für multinationale Unternehmen zu informieren und diese
bei der Einhaltung der Menschenrechte und bei der Sensibi-

SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung empfohlen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/8736

Der Ausschuss für Tourismus hat den Antrag auf Druck-
sache 17/6458 in seiner 49. Sitzung am 8. Februar 2012 be-
raten und hat mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat die Anträge in seiner 54. Sitzung am 8. Februar 2012
beraten.

Die Fraktion der CDU/CSU erklärte, grundsätzlich hätten
beide Anträge das gleiche Ziel, nämlich das Thema Unter-
nehmensverantwortung stärker auf die Tourismuswirtschaft
zu übertragen. Dabei setze der Antrag der Koalitionsfraktio-
nen der CDU/CSU und FDP zunächst auf Freiwilligkeit und
Sensibilisierung sowie die Stärkung positiver Ansätze. Au-
ßerdem fordere er vor allem mehr Aktivitäten auf internatio-
naler Ebene durch die Welttourismusorganisation UNWTO.
Die Koalitionsfraktionen machten sich in dem Antrag Ge-
danken über das Thema Sensibilisierung der Reisenden. Ziel
sei es, dass sich die Branche stärker mit ihrer sozialen und
menschenrechtlichen Verantwortung auseinandersetze und
Konsequenzen in Form von CSR-Aktivitäten oder der Un-
terstützung der UN- oder OECD-Leitlinien ziehe. Insgesamt
sähe die Fraktion der CDU/CSU deshalb die grundlegende
Frage der Unternehmensverantwortung als ausschlaggebend
auch für die Tourismusbranche an, die dort nur stärker ver-
ankert und an der einen oder anderen Stelle durch die UN-
WTO ergänzt werden sollte. Der Antrag der Fraktion der
SPD enthalte ebenfalls eine Fülle von zielführenden Forde-
rungen, zum Beispiel die Forderung an die Regierung der
Zielländer, die Förderung eines nachhaltigen Tourismus
durch entwicklungspolitische Maßnahmen zu initiieren.
Dies spiele auch im Antrag der Koalitionsfraktionen eine
Rolle. Einen Teil der Forderungen der Fraktion der SPD sehe
man als problematisch an und lehne sie deshalb ab. Zum Bei-
spiel die Forderung in Nummer 8, die Sorgfaltspflicht von
Unternehmen in Deutschland gesetzlich zu verankern. Dies
entspreche nicht dem Koalitionsansatz. Man wolle vielmehr,
dass Verstöße gegen Menschenrechte in den Reiseländern,
also vor allem in den Entwicklungsländern, geahndet wer-
den. Die Kontrolle dieses Gesetzes könne ohnehin nur von
den Regierungen der Reiseländer geleistet werden. Wenn
überhaupt, sei hier eine international verbindliche Lösung
anzustreben. Auch die Forderung in Nummer 9, nach einer
Unternehmensstrafbarkeit in Deutschland könne bestenfalls
der zweite Schritt sein. Man wolle, dass die Verstöße vor Ort
geahndet werden. Man solle Verbraucher über die auf dem
deutschen Markt aktiven Unternehmen informieren, die
systematisch in Zielländern Menschenrechte verletzen – ge-
gebenenfalls mit dem Ziel eines Boykotts. Man wolle aber
nicht die Rechtsgrundsätze umkehren. Für die Forderung in
Nummer 10, Rechtschutz der Opfer, gelte das zuvor Ge-
sagte. Es könne nicht Ziel sein, dass Opfer von Menschen-
rechtsverletzungen im Ausland in Deutschland ein Verfahren
herbeiführen. Es gelte vielmehr, die Entwicklungsländer im
Sinne von guter Regierungsführung und die Stärkung der

mutsbekämpfung in Tourismusländern mache keinen Sinn.
Armutsbekämpfung müsse dort erfolgen, wo die Not am
größten ist, also zum Beispiel in den wenig entwickelten
Staaten. Aber die Länder, die einen entwickelten Tourismus
haben, gehörten eher seltener dazu. Zudem trage der Touris-
mus zu einer Armutsreduzierung bei. Hier sei es sinnvoller,
sich für mehr Wertschöpfung im Lande durch entsprechende
Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit und für bes-
sere Ausbildung einzusetzen. Es sei nicht Aufgabe der deut-
schen Seite, was in Nummer 18 des Antrags der Fraktion der
SPD angesprochen werde, Gewerkschaften für Beschäftigte
im Tourismus im Ausland zu fördern oder zu fordern, also
letztlich auch finanziell zu unterstützen. Man könnte viel
eher die Einbeziehung von NGOs und Akteuren der Zivilge-
sellschaft bei der Tourismusentwicklung durch entspre-
chende Unternehmen anregen. Insgesamt übertrage der An-
trag der Fraktion der SPD die Verantwortung zu sehr auf die
Unternehmen und entlaste damit die Regierungen der Ziel-
länder, deren Hauptaufgabe die Sicherung der Menschen-
rechte im eigenen Lande sein sollte. Die Klagemöglichkeit
vor deutschen Gerichten und weitere Alleingänge auf natio-
naler Ebene würden deutsche Unternehmen im Wettbewerb
benachteiligen und die Bürokratiekosten für die Wirtschaft
eindeutig erhöhen. Man erwarte dennoch von den Unterneh-
men eine bessere Wahrnehmung ihrer menschenrechtlichen
Verantwortung. Deswegen beobachte man sehr genau die ak-
tuellen Entwicklungen auf EU-Ebene, die auch in diese
Richtung gingen und eine stärkere Verpflichtung der Unter-
nehmen vorsähen. In jedem Fall sei die EU-weite Herange-
hensweise besser als ein nationaler Alleingang. Vor diesem
Hintergrund lehne die Fraktion der CDU/CSU den Antrag
der Fraktion der SPD ab und stimme dem eigenen Antrag zu.

Die Fraktion der SPD führte aus, die Fraktion der CDU/
CSU habe bereits die wesentlichen Unterschiede zwischen
den beiden Anträgen dargestellt. Es sei allerdings ein inter-
essanter Ansatz, die Regierungen der Zielländer des Touris-
mus für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu ma-
chen und sie aufzufordern, hier einzuschreiten, obwohl sie
von Unternehmen hervorgerufen wurden, die ihren Sitz in
Deutschland haben. Die Frage der Strafbarkeit werde im
Koalitionsantrag gar nicht behandelt. Die Fraktion der SPD
sage nicht, dass die jeweiligen Länder nicht verantwortlich
seien – im Gegenteil: Man fordere die Einführung der ILO-
Kernarbeitsnormen. Das seien Verpflichtungen, die sich an
die Partnerländer wenden. Aber es ändere nichts daran, dass
letztendlich die Unternehmen, die Aufträge erteilen, von de-
nen häufig indigene Völker negativ betroffen sind, zur Re-
chenschaft gezogen werden müssen. Eines der Kernpro-
bleme sei, dass die Menschen vor Ort ihre Rechte nicht
bekommen könnten. Dies liege unter anderem daran, dass es
keine funktionierende Justiz gebe und keinen funktionieren-
den Rechtsstaat. Der Verweis auf die Rechtswege vor Ort
sei deshalb letztendlich eine weitere Menschenrechtsverlet-
zung. Darum sei es problematisch, dass das Konzept der
Unternehmensstrafbarkeit in Deutschland nicht verankert
sei. Man brauche an dieser Stelle Veränderungen, um Unter-
nehmen, denen Verantwortlichkeit für Menschenrechtsver-
letzungen nachgewiesen wurde, strafrechtlich heranziehen
zu können und um den Menschen vor Ort unbürokratisch
helfen zu können. Beide Anträge wollten nicht die Touris-
Justiz dahingehend zu unterstützen, dass Opfer dort zu ihrem
Recht kommen. Die Forderung in Nummer 15 nach einer Ar-

muswirtschaft an den Pranger stellen. Der Antrag der Frak-
tion der SPD liege im Übrigen bereits seit Juni 2011 vor, so

Drucksache 17/8736 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

dass er an einigen Stellen überholt sei. So zum Beispiel
habe sich die Situation in Birma und die dortige Menschen-
rechtslage inzwischen zum Glück deutlich verbessert. Auf
die Idee zu diesem Antrag sei die Fraktion der SPD durch
eine Veranstaltung von Tourism Watch, einer Organisation
der evangelischen Kirche, auf der ITB 2011 gekommen.
Dort hätten auch Vertreter von großen Reiseunternehmen
gesagt, sie seien sehr wohl bereit, zu akzeptieren, dass men-
schenrechtliche Standards und Grundsätze gelten. Auch zur
Umsetzung seien sie bereit. Sie erwarteten aber vom Staat,
dass es hierfür bestimmte Richtlinien gebe. Dies und nicht
mehr fordere auch die Fraktion der SPD. Mit Blick auf
Nummer 8 des Forderungskatalogs, in dem die sog. Ruggie-
Richtlinien angesprochen würden, sei man tatsächlich ande-
rer Auffassung als die Koalitionsfraktionen. Die Fraktion
der SPD habe immer gefordert, dass der Bericht von John
Ruggie, der im Menschenrechtsrat verabschiedet worden
sei, nicht folgenlos bleiben dürfe. Er werde aber nur dann
Konsequenzen haben, wenn seine Forderungen verbindlich
in nationales Recht übertragen würden. Dies gelte selbstver-
ständlich auch für den Tourismusbereich, weil es dort viele
Möglichkeiten gebe, Menschenrechte zu verletzen. Ganz
besonders wichtig sei die Frage der Rückverfolgbarkeit,
zum Beispiel bei der Anlage von großen Compounds in
naturgeschützten Gebieten, verbunden mit der Vertreibung
der dort lebenden Menschen. Dies müsse auch die Verant-
wortung der Unternehmen sein und diese müssten im Zwei-
fel zur Rechenschaft gezogen werden. Die Tourismuswirt-
schaft dürfe man nicht isoliert sehen von anderen men-
schenrechtlichen Forderungen. So finde sich die Forderung
nach Zeichnung und Ratifizierung des Zusatzprotokolls
zum UN-Sozialpakt, nur im Antrag der Fraktion der SPD.
Leider habe man die Ratifizierung auch während der eige-
nen Regierungszeit nicht durchsetzen können. Es sei auch
wichtig, die ILO-Konvention 169 über die Rechte der indi-
genen Völker zu zeichnen und zu ratifizieren. All das, was
dem gemeinsamen Anliegen entgegenstehe, nämlich einen
menschenrechtsverträglichen Tourismus zu etablieren,
müsse mit Sanktionen verbunden werden für diejenigen, die
Menschenrechtsverletzungen verursachen – und das seien
auch die Unternehmen. In vielen Teilen habe man ähnliche
Forderungen wie die Koalitionsfraktionen, halte aber zu-
sätzlich Restriktionen und andere Wege für nötig, um diese
umzusetzen. Deshalb werde man den Antrag der Koalitions-
fraktionen ablehnen und bitte um Zustimmung für den An-
trag der Fraktion der SPD.

Die Fraktion DIE LINKE. betonte, sie habe selbst an dem
Global Code of Ethics for Tourism mitgearbeitet bzw. zuge-
arbeitet. Sie sei in den 90er-Jahren Direktorin einer ökume-
nischen Einrichtung auf Barbados gewesen, die sich mit
Auswirkung des sogenannten Dritte-Welt-Tourismus in Ent-
wicklungsländern beschäftigt habe. Die Karibik sei eine der
vom Tourismus abhängigsten Regionen der Welt. Tourismus
sei einer der größten Industriezweige, von dem viele Arbeits-
plätze abhängen. Gleichzeitig werde durch die heutige Orga-
nisation des Massentourismus in den Zieldestinationen sehr
viel Schaden angerichtet. Es sei gut, dass der Antrag der
Fraktion der SPD die Golfplätze und Hotelanlagen und der
damit verbundene enorme Wasserverbrauch sowie die
Zwangsarbeit in Birma thematisiere. Trotz des Global Code

zeugung, dass es nicht ausreiche, Regierungen zu verpflich-
ten, ohne die Konzerne mit zu verpflichten. Ein Beispiel
seien die Angebote von All-Inclusive-Buchungen. Durch die
Zunahme der All-Inclusive-Angebote würde die Armut noch
verschärft, da ein großer Teil der Wertschöpfung nicht in den
Zielländern des Tourismus bleibe, sondern nur den interna-
tionalen Tourismuskonzernen zugute komme. Kleine Tauch-
schulen, kleine Restaurants und Verkaufsstände, die im Um-
feld der großen Hotels ansiedelt seien, werde in dem Mo-
ment, in dem ein All- Inclusive-Hotel gebaut werde, die Exis-
tenzgrundlage erschwert, da die meisten Touristen in der
Anlage konsumierten. In den 90er-Jahren habe Gambia als
einziges Land für eineinhalb Jahre ein Verbot für All-Inclu-
sive-Anlagen verabschiedet. Es musste dieses zurückneh-
men, da Gambia von der internationalen Tourismuskonzer-
nen boykottiert wurde.

Ein weiterer wichtiger Punkt seien die Auseinandersetzun-
gen mit den großen Airlines, die über ihre Angebote direkt
mit über Tourismusentwicklungen entscheiden, indem sie
die Flüge in diese Länder anböten.

Auch das jüngste Kreuzfahrtunglück in Italien sei ein Bei-
spiel, dass durch die massive Konkurrenz und die daraus
resultierenden Billigangebote die Sicherheit der Touristen
leide. So habe eine Passagierin 499 Euro für eine Woche auf
diesem Kreuzfahrtschiff, inklusive Anreise und einer Über-
nachtung bei der Anreise, bezahlt. Ein weiteres Beispiel für
den Preisverfall bei den Tourismusangeboten sei Djerba in
Tunesien. Dort werde versucht, den Tourismus mit Angebo-
ten von 199 Euro pro Woche anzukurbeln. Dies sei nicht
kostendeckend und bedeute, dass die Leute, die im Touris-
mus arbeiten, häufig Hungerlöhne verdienen und davon
nicht existieren können. Wichtig sei auch, sich mit den Um-
weltfolgen des Massentourismus auseinanderzusetzen. Bei
Golfplätzen gebe es das Problem des enormen Pestizid- und
Wasserverbrauchs. Es habe einmal eine Kampagne in Japan
gegeben, die Nahrung statt Golf gefordert habe, da Golf-
plätze häufig auf dem besten Ackerland errichtet würden. In
manchen Regionen Thailands habe sich dadurch die Reisan-
baumenge drastisch verringert, da viel Wasser für die Be-
wässerung der Golfplätze benötigt würde, dass dann für den
Reisanbau nicht mehr zur Verfügung stünde. Bei dem An-
trag der Fraktion der SPD werde man sich der Stimme ent-
halten und den Antrag der Koalitionsfraktionen ablehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, man
begrüße, dass sowohl die Fraktion der SPD als auch die
Koalitionsfraktionen das Thema Tourismus und Menschen-
rechte aufgegriffen haben. Es sei viel zu lange randständig
gewesen. Tourismus sei in der Diskussion tatsächlich ein
sehr gutes Instrument, um auf das Thema Menschenrechte
hinzuweisen. Positiv an dem Koalitionsantrag sei das flam-
mende Plädoyer für den nachhaltigen Tourismus. Es gebe
viele Forderungen, die man unterstützen könne, zum Bei-
spiel die Forderungen in den Nummern 5, 9 und 14. Aber
das Engagement der deutschen Wirtschaft müsse kritischer
angepackt werden und es müsse klarer geprüft werden, was
die Wirtschaft tun könne, um das Thema Menschenrechte
im Bereich Tourismus zu stärken. Die Forderungen seien
teilweise zu unkonkret, so dass man sich bei diesem Antrag
der Stimme enthalten werde. Der Antrag der Fraktion der
of Ethics habe sich die Situation in den letzten 15 Jahren
noch verschlimmert. Die Fraktion DIE LINKE. ist der Über-

SPD sei viel konkreter und dessen Forderungen trage man
hundertprozentig mit und werde ihm deshalb zustimmen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/8736

Die Fraktion der FDP erklärte, die Fraktion der CDU/CSU
habe schon im Wesentlichen vorgetragen, was man mit dem
Antrag erreichen wolle. Aus dem Beitrag der Fraktion DIE
LINKE. habe man nur Verbote, Preisregulierungen und die
Forderung nach der Abschaffung von All-Inclusive-An-
geboten heraushören können. Das habe allerdings mit dem
Antrag weniger zu tun. Man wolle aber darauf hinweisen,
dass viele Menschen in Deutschland, die weniger Geld zur
Verfügung haben, auf Urlaub verzichten müssten, wenn All-
Inclusive-Angebote verboten würden. Im Unterschied zu
dem Antrag der Fraktion der SPD setzten die Koalitions-
fraktionen mehr auf die Freiwilligkeit und sähen im Touris-
mus eine Chance für eine bessere Lebensgestaltung von
Millionen von Menschen, 235 Millionen Menschen welt-
weit. Insofern sei dieser Antrag sehr wichtig. In dem Antrag
sei besonders die Verantwortung des Verbrauchers bei der
Auswahl seiner Reise und bei der Entscheidung, wie man
seinen Urlaub gestaltet, hervorgehoben worden. Dazu gebe
es auch bereits Maßnahmen. So unterstütze der Bund den
Studienkreis für Tourismus und Entwicklung und versuche
darüber, Verbraucher aufzuklären. In diesem Zusammen-
hang seien auch die Leitsätze der OECD anzusprechen und
das dort neu aufgenommene eigene Menschenrechtskapitel.

Wichtig sei auch der von der Bundesregierung im Jahr 2010
beschlossene Aktionsplan CSR. Der Antrag der Fraktion
der SPD baue nicht auf Freiwilligkeit und versuche sogar,
über eine Art Bestrafung von Unternehmen oder die Aus-
weitung der Bestrafung von Unternehmen auf Standards vor
Ort einzuwirken. Das werde nicht gelingen. Im Zweifel
werde das Unternehmen abgeschreckt, was auch nicht hilf-
reich sei. Besser sei es, auf Freiwilligkeit und auf Aktivi-
täten vor Ort zu setzen. Die Fraktion der FDP werde daher
den Antrag der Fraktion der SPD ablehnen.

Als Ergebnis der Beratung empfiehlt der Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe den Antrag auf
Drucksache 17/8347 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anzunehmen.

Für den Antrag auf Drucksache 17/6458 hat der Ausschuss
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
die Ablehnung empfohlen.

Berlin, den 8. Februar 2012

Jürgen Klimke
Berichterstatter

Christoph Strässer
Berichterstatter

Serkan Tören
Berichterstatter

Annette Groth
Berichterstatterin

Tom Koenigs
Berichterstatter

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