BT-Drucksache 17/871

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -17/448- Beschlagnahmung von Generika in Europa stoppen - Versorgung von Entwicklungsländern mit Generika sichern

Vom 1. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/871
17. Wahlperiode 01. 03. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Ute Koczy, Thilo Hoppe,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/448 –

Beschlagnahmung von Generika in Europa stoppen – Versorgung von
Entwicklungsländern mit Generika sichern

A. Problem

Die indische Regierung hat im so genannten TRIPS-Rat mehrfach auf die
Problematik hingewiesen, dass Generikalieferungen an Entwicklungsländer in
Europa beschlagnahmt wurden. Gefälschte Medikamente dürfen nicht als Vor-
wand genommen werden, um legale Generikalieferungen zu beschlagnahmen
und zurückzuhalten. Bisherige Beschlagnahmungen erfolgten wegen des Ver-
dachts von Patentrechtsverletzungen gemäß Verordnung (EG) Nr. 1383/2003
des Rates (nach Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung). Eine Überprüfung der Ver-
ordnung muss daher umgehend auf Ersuchen des EU-Ministerrates von der
Europäischen Kommission eingeleitet werden.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten
Kosten wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/871 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/448 abzulehnen.

Berlin, den 24. Februar 2010

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar Wöhrl
Vorsitzende

Sabine Weiss (Wesel I)
Berichterstatterin

Karin Roth (Esslingen)
Berichterstatterin

Helga Daub
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

zung, der Ausschuss für Gesundheit in seiner 6. Sitzung,
der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Die Fraktion der CDU/CSU betont, dass man sich in der
Grundsatzfrage einig sei. Die TRIPS-Vorgaben müssten um-
in seiner 6. Sitzung und der Ausschuss für die Angelegen-
heiten der Europäischen Union in seiner 7. Sitzung am
24. Februar 2010 beraten. Die Ausschüsse empfehlen mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen

gesetzt werden. Dabei dürfe die Gesundheit der Menschen in
den Entwicklungsländern nicht gefährdet werden. Gerade
das Problem der verfälschten Medikamente spreche für den
Schutz der Menschen. 93 Prozent der Beschlagnahmungen
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/871

Bericht der Abgeordneten Sabine Weiss (Wesel I), Karin Roth (Esslingen),
Helga Daub, Niema Movassat und Uwe Kekeritz

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/448 in seiner 22. Sitzung am 10. Februar 2010 zur Feder-
führung an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung und zur Mitberatung an den Aus-
wärtigen Ausschuss, den Ausschuss für Gesundheit, den
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und an
den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Handel mit Generika (Nachahmermedikamente mit der
gleichen Wirkung) ist legitim und legal. Er ist abgedeckt
vom Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der
Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Abkommen) und
wurde in der Doha-Erklärung (Doha Declaration on TRIPS
and Public Health) vom 14. November 2001 (WT/MIN(01)/
DEC/2, Artikel 4) bekräftigt.

Die indische Regierung hat im so genannten TRIPS-Rat
mehrfach auf die Problematik hingewiesen, dass Generika-
lieferungen an Entwicklungsländer in Europa beschlag-
nahmt wurden.

Gefälschte Medikamente stellen eine Gefahr für die Men-
schen in Entwicklungsländern dar. Allerdings darf dies nicht
als Vorwand genommen werden, um legale Generikaliefe-
rungen zu beschlagnahmen und zurückzuhalten. Die Be-
schlagnahmung von Generika mit dem Hinweis, dass diese
Patentrechte im Transitland verletzen könnten, darf nicht to-
leriert werden.

Die Antragsteller fordern die Bundesregierung auf, sich für
einen Stopp der Beschlagnahmung von Generika im Transit
durch die Europäische Union einzusetzen, die Bereiche „ge-
fälschte Medikamente“ und Generika klar zu trennen und
das Argument, die Bevölkerung des Bestimmungslandes
schützen zu wollen, nicht als Argument zur Beschlagnah-
mung von Generika zu missbrauchen. Die Bundesregierung
soll sich im EU-Ministerrat für einen Beschluss einsetzen,
der die Europäische Kommission zur Überprüfung der Ver-
ordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates auffordert.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag in seiner 9. Sit-

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der federführende Ausschuss für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung hat den Antrag in seiner
7. Sitzung am 24. Februar 2010 beraten. Er empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag abzulehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legt dar, dass
der Antrag darauf abzielt, bestehendes Recht umzusetzen,
ein Recht, das international anerkannt ist und mindestens
zweimal in der Doha-Runde bestätigt wurde.

Das TRIPS-Abkommen sichere das geistige Eigentum, ent-
halte aber sogenannte Schlupflöcher, die es ermöglichen, die
lebensnotwendigen Medikamente für die Entwicklungslän-
der sicherzustellen.

Gerade der Gesundheitsbereich habe in den letzten zehn Jah-
ren gezeigt, dass sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit
möglich ist. Malaria sei zum Beispiel um 80 Prozent zurück-
gegangen, HIV/AIDS-Infektionen konnten in bestimmten
Regionen deutlich reduziert werden, und die Behandlung
von Erkrankten wurde möglich.

Einen bestimmenden Faktor für den Erfolg spiele das Geld.
Es gehe um Generika, die die Voraussetzung dafür waren,
dass in Afrika, Indien und Südamerika die Menschen mit den
notwendigen Medikamenten versorgt werden.

Vor zehn Jahren kostete die Behandlung eines HIV-Patienten
noch ca. 10 000 Dollar. Heute lägen die Kosten bei ca. 100
Dollar. Es komme bei solchen Preisdifferenzen zu enormen
Streitigkeiten zwischen den Originalherstellern der Medika-
mente und den Generikaherstellern. Diesen Streit dürfte es
international überhaupt nicht geben, weil das TRIPS-Ab-
kommen klare Regelungen setze. Es sei aber zur Beschlag-
nahme von in Indien legal produzierten und aus Indien legal
exportierten Generika gekommen. Diese fanden statt in
Paris, Frankfurt und Amsterdam. Der Grund, warum es zu
Beschlagnahmen kam, sei die EU-Verordnung 1383/2003
gewesen. Das heißt, es wurde unterstellt, dass ein Patent-
rechtsschutz-Verstoß vorliege. In keinem der Fälle sei das
nachgewiesen worden. Nach einer gewissen Zeit würden die
beschlagnahmten Medikamente wieder freigegeben. Es gehe
um die Frage, ob die Interessen der Pharma-Industrie höher
zu bewerten seien als die Interessen der Menschen in den
Entwicklungsländern. Die Versorgungssicherheit der Men-
schen mit bezahlbaren Medikamenten müsse Vorrang haben
vor dem Individualinteresse der Pharma-Industrie.
die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Antrag abzulehnen.

von Medikamenten 2008 seien wegen Markenrechtsverlet-
zungen erfolgt, dabei sei davon auszugehen, dass darunter

verfahren einzuhalten. Es wäre interessant zu wissen, ob es
in anderen Bereichen ähnliche Verstöße gegen Transitab-
kommen gebe wie im Bereich der Arzneimittel oder ob hin-
ter dem tatsächlich die Interessen der Pharma-Industrie stän-
den und sie so weit Einfluss nehmen könne, dass am Ende
die Bürokratie die entsprechenden Maßnahmen vor Ort orga-
nisiert.

Insofern stimme die SPD-Fraktion diesem Antrag zu. Eine
weitere Behandlung könne dann immer noch im Unteraus-
schuss für Gesundheit und Entwicklung erfolgen. Die Gene-

In der Vergangenheit sei leider versucht worden, im Interesse
auch der Pharma-Konzerne seitens der EU-Kommission den
Einsatz von Generika zu behindern. Die Beschlagnahme der
indischen Lieferung sei ein gutes Beispiel dafür. Man müsse
auch hier sehen, dass es ein sogenanntes Recht auf bestmög-
liche gesundheitliche Versorgung gebe. Das ergebe sich aus
der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und stehe
sicherlich über den Interessen der Pharma-Konzerne. Die
Fraktion DIE LINKE. ist der Überzeugung, dass der Zugang
zu Generika gewährleistet werden und dass er verbessert
werden müsse.

Berlin, den 24. Februar 2010

Sabine Weiss (Wesel I)
Berichterstatterin

Karin Roth (Esslingen)
Berichterstatterin

Helga Daub
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter

Uwe Kekeritz
Berichterstatter
Drucksache 17/871 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

viele Fälschungen seien. Insofern halte sie den Antrag für zu
weitgehend, sämtliche Beschlagnahmen sofort zu stoppen.
Aber zum Schutz der Menschen vor Ort halte sie es für aus-
gesprochen gefährlich, dass auch nur eine falsche Lieferung,
die die Gesundheit der Menschen in den Entwicklungslän-
dern tatsächlich gefährden könnte, nicht angehalten werde.
Aus diesem Grunde könne die CDU/CSU-Fraktion dem An-
trag nicht zustimmen. Sie wolle aber im Unterausschuss für
Gesundheit und Entwicklung dieses Thema prioritär behan-
deln.

Die Fraktion der SPD hebt hervor, dass es sich hierbei um
einen Transit von Arzneimitteln über die Bundesrepublik
Deutschland und über die Europäische Union handelt. Die
Frage, ob am Ende die Generika richtig oder falsch sind,
müsse das jeweilige Empfängerland noch extra feststellen.
Wenn sich die EU in der Gesetzgebung selbst verpflichtet
habe, die TRIPS-Abkommen einzuhalten, müsse die EU die-
se dann auch einhalten. Es dürfe dabei keine Willkür geben.
Daher sei es richtig, die Einhaltung des Abkommens anzu-
mahnen. Zum Zweiten gehe es auch darum, die Beschlag-
nahme von solchen Arzneimitteln aus Gründen, die nicht
nachvollziehbar sind, zu verurteilen und um eine rechtsstaat-
liche Beurteilung des Verfahrens, nicht um eine inhaltliche.
Wenn es ein solches Abkommen gebe, dann sei das Transit-

rikafrage sei eine Existenzfrage der Menschen in den Ent-
wicklungsländern. Die SPD-Fraktion habe kein Interesse
daran, dass dieser Generikahandel auf eine solche Weise be-
einträchtigt werde. Wenn es um Qualitätsfragen gehe, dann
müsse dies an anderer Stelle geklärt werden, aber nicht durch
derartige Beschlagnahmen.

Die Fraktion der FDP schließt sich den Ausführungen der
CDU/CSU-Fraktion an und unterstreicht, dass Generika eine
Existenzfrage für die Menschen in den Entwicklungsländern
sind. Es gehe aber auch um den Schutz der Menschen. Des-
halb müsse man in Bezug auf verfälschte Produkte aufmerk-
sam bleiben.

Zum jetzigen Zeitpunkt lehne die FDP-Fraktion den Antrag
ab, möchte das Thema aber weiterbehandelt sehen im Unter-
ausschuss für Gesundheit und Entwicklung.

Die Fraktion DIE LINKE. stellt klar, dass sie dem Antrag
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen werde. Sie
kritisiert, dass seitens der EU zunehmend versucht werde,
Patentbestimmungen zu Lasten der Verbreitung von Generi-
ka zu verschärfen. Generika seien eine Existenzfrage. Damit
sei eine logische Folgerung, dass man diesem Antrag zu-
stimme.

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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