BT-Drucksache 17/8661

EU-Stresstest für das grenznahe französische Atomkraftwerk Cattenom - Zwischenstand

Vom 10. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8661
17. Wahlperiode 10. 02. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn,
Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Dr. Hermann E. Ott,
Dorothea Steiner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

EU-Stresstest für das grenznahe französische Atomkraftwerk Cattenom –
Zwischenstand

Das grenznahe französische Atomkraftwerk (AKW) Cattenom war bereits bei
seiner Inbetriebnahme hierzulande stark umstritten. Insbesondere das Saarland
machte damals auf diverse Defizite der Anlage aufmerksam. Kritiker machten
vor allem auf Sicherheitsdefizite im Zusammenhang mit Flugzeugabstürzen
aufmerksam. Auch auf Überflutungsrisiken sowie die Ausführung und den Zu-
stand elektrischer Einrichtungen weisen Kritiker des AKW Cattenom schon
länger hin.

Im Lichte der Atomkatastrophe von Fukushima, die am 11. März 2011 begann,
erließ die französische Atomaufsichtsbehörde Autorité de Sûreté Nucléaire,
kurz ASN, am 5. Mai 2011 die „Resolution no. 2011-DC-2013“ für einen
„Stresstest“ der französischen AKW. Kurz darauf, am 31. Mai 2011, veröffent-
lichte die Europäische Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicher-
heit, kurz ENSREG, die EU „Stress Tests“ specifications für einen EU-weiten
AKW-„Stresstest“. Letztere sind der Bundesregierung durch die Teilnahme
Deutschlands am sogenannten EU-Stresstest der AKW bekannt.

Mittlerweile liegen die Betreiberberichte des EU-AKW-Stresstests vor, mithin
auch der entsprechende Bericht des Cattenom-Betreibers Électricité de France,
EDF, zum AKW Cattenom. Wie dem Plenarprotokoll 17/145, Anlage 53, zu
entnehmen ist, ist der Stresstest-Prozess noch nicht abgeschlossen und die
Bundesregierung hätte die Chance, speziell bezüglich des Cattenom-Stresstests
darauf hinzuwirken, dass dieser zu mehr und belastbareren Informationen über
die Anlage führt und höheren Sicherheitsansprüchen genügen muss.

Diese Kleine Anfrage basiert stark auf dem Zwischenbericht des ehemaligen
Unterabteilungsleiters für Reaktorsicherheit im Bundesministerium für Um-
welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dieter Majer, den dieser im Auftrag
des Saarlands, Rheinland-Pfalz und Luxemburgs als offizieller Beobachter des
Cattenom-Stresstests erstellt und im Dezember 2011 vorgelegt hat.

Soweit nicht anderes angegeben, ist im Folgenden mit „Betreiberbericht“,

„EDF-Bericht“ oder „Stresstestbericht“ immer dieser EU-Stresstest-Bericht
von EDF zu Cattenom gemeint. Ferner geht es in allen Fragen – soweit nicht
explizit anders angegeben – immer um das AKW Cattenom. Die Kapitelbezüge
der Zwischenüberschriften gelten dem Betreiberbericht.

Soweit die Bundesregierung die folgenden Fragen nicht bestätigen kann bzw.
die darin genannten Auffassungen nicht teilt, wird jeweils um eine Begründung

Drucksache 17/8661 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gebeten. Der Übersichtlichkeit halber wird aber nicht in jeder betreffende Frage
einzeln um eine solche Begründung gebeten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sind der Bundesregierung

a) der EDF-Stresstest-Bericht zum AKW Cattenom,

b) der am 17. November 2011 online veröffentlichte Bewertungsbericht des
Instituts de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire (IRSN) zu den Betrei-
berberichten des Stresstests der französischen AKW,

c) der ASN-Inspektionsbericht zur ASN-Inspektion des AKW Cattenom,
die vom 2. bis 4. August 2011 stattfand,

d) die in der Vorbemerkung der Fragesteller genannte ASN-Resolution sowie

e) der in der Vorbemerkung der Fragesteller genannte Zwischenbericht Dieter
Majers

bekannt?

Zur Aussagekraft des Stresstests bezüglich der Sicherheit von Cattenom und
zur Vollständigkeit des Betreiberberichts

2. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass der Stresstest des AKW Catte-
nom

a) nur eine (kleine) Auswahl auslösender Ereignisse und deren Folgen be-
trachtet,

b) terroristische Attacken, z. B. gezielte Flugzeugabstürze, und Cyber-At-
tacken nicht betrachtet und insbesondere

c) die sicherheitstechnische Auslegung der Anlage, deren Ziel die Beherr-
schung von Auslegungsstörfällen und damit die Verhinderung von Unfäl-
len ist, nicht untersucht und kritisch hinterfragt – mithin etwaige Defizite
und zu geringe Sicherheitsreserven in der Auslegung nicht untersucht?

3. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass

a) im Betreiberbericht der laut ENSREG-Vorgabe zu untersuchende unfall-
bedingte Flugzeugabsturz nicht behandelt wird, und

b) auch das ASN-Pflichtenheft für den Stresstest diesbezüglich von der
ENSREG-Vorgabe abweicht?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass im Betreiber-
bericht keine konsequente Betrachtung von auslegungsüberschreitenden Stör-
fällen unabhängig von deren Eintrittswahrscheinlichkeit vorgenommen wird?

5. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass das ASN-Pflichtenheft eine Be-
handlung von Störfällen und Unfällen, unabhängig von Eintrittswahrschein-
lichkeiten, fordert?

6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass im Zuge des
EU-Stresstests bzw. im Betreiberbericht eine komplette Szenarienbetrachtung
inklusive damit möglicherweise verbundener Freisetzungen erforderlich ist –
auch für sehr unwahrscheinliche Fälle?

7. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht Angaben
über Umfang und Hauptergebnisse von probabilistischen Sicherheitsana-
lysen, also Angaben über Ausfallwahrscheinlichkeiten von Sicherheitssys-

temen und Eintrittswahrscheinlichkeiten von Kernschmelzen und großen
Freisetzungen radioaktiver Stoffe, fehlen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8661

8. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass bereits im ASN-Pflichtenheft
eine Forderung nach derartigen Angaben über Umfang und Hauptergeb-
nisse von probabilistischen Sicherheitsanalysen fehlt?

9. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht der Erd-
beben-Stärkebereich, bei dessen Überschreiten ein Ausfall grundlegender
Sicherheitsfunktionen oder eine schwere Beschädigung des Brennstoffs
unvermeidbar wird, nicht spezifisch ermittelt und dargestellt wird?

10. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im ASN-Pflichtenheft die Er-
mittlung von Sicherheitsmargen im Hinblick auf auslegungsüberschrei-
tende Erdbeben gefordert wird?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass, um dieser in der vorange-
gangenen Frage genannten Forderung nachkommen zu können, für wich-
tige Cattenom-Einrichtungen wie beispielsweise den Reaktorkreislauf,
sicherheitstechnisch wichtige Gebäude, die Brennelementlagerbecken und
die Sicherheitssysteme zur Störfallbeherrschung die sogenannte Grenzerd-
bebenintensität angegeben werden müsste, die gerade noch keine Schäden
an diesen Einrichtungen verursachen würde?

Teilt die Bundesregierung ferner die Auffassung, dass ein Vergleich dieser
Grenzerdbebenintensität mit dem Auslegungserdbeben für Cattenom eine
Aussage über die Sicherheitsmarge der jeweiligen wichtigen Cattenom-
Einrichtungen im Hinblick auf die Erdbebensicherheit zulassen würde?

12. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht die Mög-
lichkeit einer Hochdruckkernschmelze als mögliches auslegungsüber-
schreitendes Ereignis nicht untersucht wird, obwohl ein solches Ereignis
physikalisch möglich ist?

Kann die Bundesregierung ferner bestätigen, dass die Cattenom-Hoch-
druckeinspeisesysteme nur eine begrenzte Fähigkeit besitzen, unter Hoch-
druckbedingungen in den Primärkeis einzuspeisen?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Reaktordruckbehälter
aus der Verankerung gerissen und möglicherweise das Containment durch-
schlagen werden könnte, falls die Hochdruckeinspeisung nicht mehr mög-
lich sein sollte, obwohl der Druck im Primärkreis noch nicht gesenkt wer-
den konnte?

Teilt die Bundesregierung ferner die Auffassung, dass dieses Szenario bei
Cattenom nicht a priori ausgeschlossen werden kann?

14. Wie bewertet die Bundesregierung im Zusammenhang mit den beiden vor-
angegangenen Fragen die Feststellung im Betreiberbericht, dass die Ventile
im Druckhalter im Hinblick auf die Druckentlastungsfunktion nur „eine re-
lativ geringe Zuverlässigkeit haben“?

Insbesondere, welche Bedeutung misst die Bundesregierung dieser Fest-
stellung im genannten Zusammenhang bei?

15. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass

a) im Betreiberbericht die Leistungsfähigkeit der (für die Beherrschung
der Auslegungsstörfälle vorgesehenen) Sicherheitssysteme nicht be-
schrieben wird,

b) dies aber im EU-Pflichtenheft gefordert ist und

c) die ASN in ihrem Pflichtenheft auf diese Forderung aus dem EU-Pflich-
tenheft verzichtet hat?

Drucksache 17/8661 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

16. Ist der Bundesregierung bekannt, dass diese Forderung

a) Gegenstand der Expertendiskussion der GPR bei ihrer Sitzung vom
8. bis 10. November 2011 in Paris war und

b) diese Diskussion deutlich die Notwendigkeit der Überprüfung der
Sicherheitssysteme im Rahmen des Stresstests unterstrichen hat?

17. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht die generell
geforderten Angaben über die Validierung von im Rahmen des Stresstests
verwendeten Unterlagen nur in wenigen Fällen enthalten sind – insbeson-
dere die Angaben, ob diese Unterlagen ein Qualitätssicherungsprogramm
im Rahmen des Genehmigungsverfahrens durchlaufen haben?

18. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht Angaben
über die erforderliche Zeit für die Inbetriebnahme der bereits am Standort
sowie außerhalb des Standorts befindlichen Ausrüstung, um im Falle eines
kerntechnischen Unfalls schadensvermeidende oder schadensmindernde
Maßnahmen zu ergreifen, fehlen?

19. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht Angaben
über die Verfügbarkeit von kompetentem Personal für die Inbetriebnahme
von Notfalleinrichtungen fehlen?

20. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass

a) im Betreiberbericht die Nennung von Schutzmaßnahmen gegen Über-
flutung in Abhängigkeit von dem Zeitraum zwischen Warnung und
Überflutung fehlt, aber

b) sowohl das EU- als auch das ASN-Pflichtenheft Angaben über solche
Schutzmaßnahmen in Abhängigkeit von der zur Verfügung stehenden
Zeit fordern?

21. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Umfang der Schutz-
maßnahmen gegen Überflutung entscheidend von der zwischen Warnung
und Überflutung zur Verfügung stehenden Zeit abhängt?

Zum Kapitel Kenndaten

22. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die im Betreiberbericht ent-
haltenen Cattenom-Kenndaten zwar einen Überblick über die Auslegung
der Anlage geben, aber

a) nicht ausreichend sind, um eine sicherheitstechnisch belastbare Analyse
durchzuführen, und

b) auch nicht ausreichend sind, um die in den nachfolgenden Kapiteln des
Betreiberberichts getroffenen Feststellungen des Betreibers eigenstän-
dig und unabhängig zu überprüfen?

23. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht zwar Catte-
nom nahegelegene Industrie- und Hafenanlagen sowie Straßen- und Schie-
nennetze beschrieben und auf ihre potenzielle Gefahr für die Cattenom-
Sicherheit hin untersucht werden, dabei allerdings weder der nahegelegene
Flughafen Luxemburg beschrieben noch das mit ihm verbundene Risiko
eines Flugzeugabsturzes auf Cattenom untersucht wird?

Zum Kapitel Erdbeben

24. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht eingeräumt
wird, dass einzelne wichtige Einrichtungen wie beispielsweise Teilsysteme
der Kühlwasserversorgung aus der Mosel oder das Druckentlastungssys-

tem für den Schutz des Containments bei Überdruck nicht gegen das Aus-
legungserdbeben ausgelegt sind?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/8661

25. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht trotzdem
generell von einer Einhaltung der Vorschriften bezüglich der Erdbebensi-
cherheit im Auslegungsbereich ausgegangen wird?

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass an dieser Sichtweise jedoch
insbesondere für den sogenannten Hochpunkt, also die Verbindungsstation
zwischen Mirgenbachsee und den vier Cattenom-Blöcken, erhebliche
Zweifel bestehen?

26. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass dem Betreiberbericht nicht ent-
nommen werden kann, ob die darin beschriebenen Methoden und Verfah-
ren bezüglich der Erdbebenauslegung auch tatsächlich für die Auslegung
und Prüfung der betroffenen Systeme, Strukturen und Komponenten ange-
wandt wurden?

27. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass dem Betreiberbericht keine
Nachweise entnommen werden können, dass Cattenom (nachweislich) ge-
gen Erdbeben ausgelegt wurde, die stärker als das nach dem Stand von
Wissenschaft und Technik ermittelte Auslegungserdbeben sind?

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die im Betreiberbericht ge-
nannte Sicherheitsmarge im Zusammenhang mit der Festlegung des Ausle-
gungserdbebens und der ingenieurtechnischen Berechnungen der Anlagen-
komponenten im Zusammenhang mit Erdbeben lediglich ausreichen, um
eine ausreichende Dimensionierung für den Auslegungsbereich sicherzu-
stellen?

28. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die im Betreiberbericht ge-
nannten Erdbebeninspektionen (Anlagenbegehungen) theoretische Analy-
sen über Erdbebenbelastungen, die über das Auslegungserdbeben als ein
Maß für die Robustheit hinausgehen, nicht ersetzen können?

Teilt die Bundesregierung ferner die Auffassung, dass die Verifikation be-
stimmter relevanter Kriterien für die AKW-Erdbebensicherheit, wie z. B.
die Armierung von Betonstrukturen oder die Befestigung von Ankerplat-
ten, nicht durch Anlagenbegehungen, sondern erfahrungsgemäß nur auf der
Basis von Montage- oder Verlegungsprotokollen oder durch zerstörende
Stichprobenprüfungen vor Ort möglich sind?

29. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die im Betreiberbericht ge-
machte Schlussfolgerung, die Erdbebenkapazitäten der Strukturen und Aus-
rüstungen, deren Versagen zur Gefährdung der Sicherheitsfunktionen führen
würde, würden mehr als das 1,5-Fache des Bemessungserdbebens betragen,
in dieser allgemeinen Form auf Grundlage des Betreiberberichts nicht nach-
vollziehbar ist (insbesondere angesichts der in den vorangegangenen Fragen
des Abschnitts „Erdbeben“ behandelten Sachverhalte/Problempunkte)?

30. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass

a) eine Überprüfung der elektrischen Einrichtungen und Kabelführungen
durch unabhängige Gutachter im Hinblick auf die Erdbebensicherheit
erforderlich ist und

b) sowohl die Berechnungsgrundlagen für die Auslegung als auch die qua-
litätsgerechte Installation vor Ort überprüft werden sollten?

Falls nein, welche anderen schriftlichen Erkenntnisse welchen Datums und
von wem liegen der Bundesregierung außer dem Betreiberbericht zur Aus-
legungskonformität, Robustheit und Installationsqualität der elektrischen
Einrichtungen und Kabelführungen in Cattenom vor?

Drucksache 17/8661 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

31. Teilt die Bundesregierung die im Betreiberbericht gemachte Einstufung der
Jodabscheidung der Cattenom-Ringraumabsaugung als nicht erdbeben-
relevant?

Falls ja, kann die Bundesregierung bestätigen, dass sich im Cattenom-
Ringraum sicherheitstechnisch wichtige Einrichtungen befinden, die im
Falle eines Unfalles zur Minderung von Unfallfolgen möglicherweise be-
gangen werden müssen?

Zum Kapitel Überschwemmung

32. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht nicht dar-
gestellt wird, wie ein für die gesamte Anlage geltendes Bemessungshoch-
wasser ermittelt wurde, also eine Überflutungshöhe, gegen die alle sicher-
heitstechnisch wichtigen Systeme und Strukturen geschützt sind?

33. Hält die Bundesregierung die im Betreiberbericht dargestellte Ermittlung
eines sogenannten erhöhten Sicherheitsmaßes CMS, das angibt, wie hoch
der Wasserstand in der unmittelbaren Umgebung des AKW aufgrund der
Analysen sein kann, für ausreichend und ausreichend zuverlässig, um die
Überschwemmungssicherheit sowie -robustheit Cattenoms zu ermitteln?

34. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass im Betreiberbericht die
Kombination von Überschwemmungsereignissen nicht ausreichend be-
rücksichtigt ist?

35. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass in Cattenom für das Zusam-
mentreffen eines starken Jahrhundertregenfalles für einen Zeitraum von
60 Minuten und der Verstopfung der Regenwasserabläufe der Kanalisation,
das zu einer Überflutung in die Gebäude, die für die Sicherheit der Anlage
wichtig sind, führen kann, derzeit keine Nachrüstmaßnahmen zur Ver-
meidung einer solchen Überschwemmung wichtiger Sicherheitsbereiche
vorgesehen sind?

36. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass in Cattenom für das Zusam-
mentreffen einer Zerstörung der Kühltürme und der Becken für die Deio-
natverteilung im nuklearen und konventionellen Bereich sowie eines Lecks
der nicht erdbebensicheren Rohrleitungen, verursacht durch ein aus-
legungsüberschreitendes Erdbeben, das zu einer Überflutung führt, die
sämtliche Räumlichkeiten des Kernkraftwerkes betrifft, derzeit keine
Nachrüstmaßnahmen zur Vermeidung einer solchen Überflutung vorgese-
hen sind?

Zum Kapitel Sonstige extreme Naturereignisse

37. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass im Betreiberbericht im Ka-
pitel zu sonstigen extremen Naturereignissen Sicherheitsaussagen getrof-
fen werden, denen teilweise ingenieurtechnische Abschätzungen zugrunde
gelegt werden, die fragwürdig sind (zum Beispiel für die Aussagen zur
Windbelastung und zum Hagelschlag)?

Zum Kapitel Ausfall der Stromversorgung und der Kühlungssysteme

38. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass im Rahmen des Cattenom-
Stresstests noch eine vertiefte Betrachtung der Wärmesenke Mirgenbach-
see als der entscheidenden „Sicherheitswärmesenke“ vorgenommen wer-
den sollte?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/8661

39. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass in Cattenom die Pumpen und
Wasserzuleitungen von der Mosel generell keiner Sicherheitsklassifizie-
rung unterliegen?

Teilt die Bundesregierung ferner die Auffassung, dass dies bedeutet, dass
die Wärmesenke Mosel ein rein betriebliches System, ohne Auslegung ge-
gen Erdbeben, Hochwasser und andere Einwirkungen von außen, ist?

Und teilt die Bundesregierung schließlich die Auffassung, dass somit die
sichere Wärmeabfuhr für das AKW-Cattenom entscheidend von der Wärme-
senke Mirgenbachsee abhängt?

40. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein belastbarer wissen-
schaftlicher Nachweis der Erdbebensicherheit des Mirgenbachsee-Dammes
und einer eventuellen Sicherheitsmarge erforderlich ist (im Betreiberbericht
nicht enthalten)?

41. Sind der Bundesregierung Sachverständigenaussagen bekannt, wonach am
sogenannten Hochpunktbauwerk, der Verbindungsstelle zwischen Standort
der Anlage und Mirgenbachsee, erhebliche Defizite festgestellt wurden und
sich dieser Hochpunkt unter ingenieurtechnischer Betrachtungsweise in
einem allgemein schlechten Zustand befindet?

Zum Kapitel Auslegungsüberschreitende Störfälle

42. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht auf Studien
hingewiesen wird, die es nahelegten, dass die permanente Anwesenheit in
der Steuerwarte in der Zeit nach dem Öffnen des Containment-Druckent-
lastungssystems vermieden werden sollte?

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass dies für die Notwendigkeit
von räumlich getrennten Notsteuerstellen spricht?

43. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass räumlich getrennte Not-
steuerstellen auch erheblich zu Schadensvermeidung oder wenigstens
Schadensminderung im Zusammenhang mit den Unfallfolgen eines Flug-
zeugabsturzes beitragen können?

44. Welche räumlich getrennten Notsteuerstellen gibt es in Cattenom nach
Kenntnis der Bundesregierung?

45. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht ausgeführt
wird, dass wesentliche Elemente des Containment-Druckentlastungssys-
tems auch im Hinblick auf das Auslegungserdbeben nicht qualifiziert sind?

Teilt die Bundesregierung ferner die Auffassung, dass Containment-Druck-
entlastungssystem mindestens für das Auslegungserdbeben, möglichst aber
auch für stärkere Erdbeben, qualifiziert sein sollte?

46. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass in Cattenom für die Messung
der Austrittsaktivität im Falle einer Druckentlastung des Containments eine
fest installierte, erdbebenqualifizierte Messeinrichtung nicht vorhanden ist?

Teilt die Bundesregierung ferner die Auffassung, dass eine zuverlässige fest
installierte Messeinrichtung zur möglichst korrekten Erfassung der Aktivi-
tätsabgaben bei der Druckentlastung unbedingt erforderlich ist?

47. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass laut Betreiberbericht der Ab-
scheidegrad für molekulares Jod im o. g. Druckentlastungsfilter im günsti-
gen Fall lediglich Faktor 10 beträgt?

Kann die Bundesregierung ferner bestätigen, dass nach dem heutigen Stand
der Filtertechnik bei der Druckentlastungsfilterung für molekulares Jod ein

Abscheidegrad von 100 oder höher erreicht werden kann?

Drucksache 17/8661 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

48. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Aussage im Betreiber-
bericht, es bestehe international die übereinstimmende, auf experimentel-
len Ergebnissen basierende Meinung, dass der Primärkreislauf bei einer
Dampfexplosion im Reaktorbehälter ausreichend widerstandsfähig sei, um
das Herausschleudern von Geschossen, durch die das Containment geschä-
digt werden kann, zu verhindern, und dass daher keine Vorkehrungen zur
Abwendung dieses Risikos notwendig seien, nicht plausibel ist?

Teilt die Bundesregierung ferner die Auffassung, dass es diesbezüglich zwar
einzelne Experimente zu Dampfexplosionen gibt, dass deren Übertragbar-
keit auf reale Unfallabläufe im Kernkraftwerk jedoch sehr begrenzt ist?

49. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auch die Aussage im Be-
treiberbericht, aus den verfügbaren Studien ergebe sich eine gute Fähigkeit
des Containments, den Belastungen infolge einer Dampfexplosion zu wi-
derstehen und seine Integrität wäre in dieser Situation somit wahrschein-
lich nicht infrage gestellt, nicht plausibel ist?

Teilt die Bundesregierung ferner die Auffassung, dass für eine ausreichend
belastbare Aussage zur Containment-Integrität diese unter den ungünstigsten
Bedingungen einer Dampfexplosion im Containment nachgewiesen werden
müsste?

50. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Gefahr von Zerstörun-
gen der Integrität des Reaktorbehälters und/oder des Containments durch
unfallbedingte Dampfexplosionen nicht vernachlässigbar ist und deshalb
im Rahmen des Stresstests untersucht werden sollte?

51. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass im Betreiberbericht die
Ausführungen zur Funktionsfähigkeit und zum Messbereich von Messein-
richtungen im Falle eines schweren Unfalles nicht ausreichend aussage-
kräftig sind?

52. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die vom Betreiber im Be-
richt vorgenommene Einstufung des Rekritikalitätsrisikos als vermeidbar
und nicht zu untersuchen, nicht plausibel ist?

Teilt die Bundesregierung ferner die Auffassung, dass die Möglichkeit einer
Rekritikalität im Falle einer Kernschmelze in die Stresstest-Betrachtungen
mit einbezogen werden sollte?

53. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass im Betreiberbericht davon aus-
gegangen wird, dass die Situation teilweise freigelegter Brennelemente im
Brennelementlagerbecken und damit teilweise nicht mehr gekühlte Brenn-
elemente nicht möglich sei, da entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung
eines Freiliegens der Brennelementbündel dies verhindern würden?

Teilt die Bundesregierung ferner die Auffassung, dass dies im Betreiberbe-
richt nicht plausibel begründet wird, und kann die Bundesregierung zudem
bestätigen, dass die Stresstest-Vorgaben verlangen, dass auch Situationen zu
betrachten sind, die zwar relativ unwahrscheinlich sind, aber physikalisch
nicht ausgeschlossen werden können?

54. Wie bewertet die Bundesregierung den jetzt festgestellten Zwischenfall der
Stufe 2 der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES)
vor dem Hintergrund, dass EDF in seinem Stresstest-Bericht von der sicheren
Kühlung der Brennelemente im Brennelementlagerbecken ausgegangen ist?

55. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass für den Fall des Freiliegens
der Brennelemente die Wasserstoffbildung durch Oxidation der Brennstäbe
und deren negative Auswirkungen untersucht werden muss?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/8661

Zum Kapitel Zusammenfassung und Aktionsplan

56. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die vorgesehene Frist für
die Einrichtung der Zusatzwassereinspeisung für äußerste Notfälle bis spä-
testens 2015 eine viel zu lange Frist ist?

57. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die nuklearen Hilfsanlagen
dort, wo sie nicht gegen das Auslegungserdbeben ausgelegt sind, unver-
züglich nachzurüsten sind?

58. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die vorgesehene Frist für
die Aufstellung von Notstromdieseln für äußerste Notfälle (DUS) in jedem
Reaktorblock bis spätestens 2020 eine viel zu lange Frist ist?

59. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die vorgesehene Frist für
die Einrichtung einer schnellen Eingreiftruppe für Störfälle (FARN) bis
spätestens 2015 eine zu lange Frist ist?

Weitere Fragen

60. Welche der in den vorangegangen Fragen behandelten Problempunkte,
Unklarheiten, Diskrepanzen zu ENSREG-Vorgaben, Defizite etc. hält die
Bundesregierung für so relevant, dass sie daraus Konsequenzen ziehen will
(bitte tabellarische Übersicht mit Differenzierung nach den betreffenden
o. g. Fragen)?

Bis wann, in welcher Form und gegenüber wem will sie dabei jeweils wel-
che Konsequenzen ziehen?

61. Wann genau (Datum bitte) wird die nächste Sitzung der deutsch-franzö-
sischen Kommission auf dem Gebiet der kerntechnischen Sicherheit statt-
finden?

62. Welche der in dieser Kleinen Anfrage behandelten Aspekte wird die Bun-
desregierung bei dieser Sitzung besprechen?

Welche der in dieser Kleinen Anfrage behandelten Aspekte wird die Bun-
desregierung bei dieser Sitzung nicht nur besprechen, sondern mit welchen
konkreten Forderungen verbinden?

Berlin, den 10. Februar 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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