BT-Drucksache 17/865

Einführung einer Kopfprämie in der gesetzlichen Krankenversicherung

Vom 25. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/865
17. Wahlperiode 25. 02. 2010

Große Anfrage
der Abgeordneten Elke Ferner, Bärbel Bas, Dr. Edgar Franke, Iris Gleicke, Angelika
Graf (Rosenheim), Ute Kumpf, Dr. Karl Lauterbach, Steffen-Claudio Lemme,
Hilde Mattheis, Thomas Oppermann, Mechthild Rawert, Dr. Carola Reimann,
Dr. Marlies Volkmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Einführung einer Kopfprämie in der gesetzlichen Krankenversicherung

Die Bundesregierung plant, die bisherige einkommensabhängige und damit ge-
rechte Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch eine
für alle Mitglieder gleiche Kopfprämie zu ersetzen. Damit insbesondere Men-
schen mit niedrigen Einkommen auch in Zukunft ihre Krankenversicherung
noch bezahlen können, ist ein Sozialausgleich geplant. Nach Aussagen von Bun-
desminister Dr. Philipp Rösler soll der Ausgleich „automatisch“ erfolgen. Wie
diese Automatik aussehen soll, wer sie in Gang setzt und wer die Ergebnisse um-
setzt, ist nicht einmal in Ansätzen geklärt.

Eine auch nur grobe Einschätzung über die finanzielle Be- und Entlastung der
Versicherten, den bürokratischen Aufwand und die damit verbundenen Mehr-
kosten für den Sozialausgleich sowie die künftige Entwicklung der Kosten für
die Versicherung in der GKV hat die Bundesregierung bisher nicht vorlegen
können. Antworten auf eine entsprechende Kleine Anfrage der SPD-Fraktion
wurden verweigert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch wäre eine durchschnittliche Kopfprämie anstelle des einkommens-
abhängigen Krankenkassenbeitrages jeweils im Jahr 2008 und im Jahr 2009
ausgefallen, damit sie zusammen mit den Arbeitgeberbeiträgen und den
Steuerzuschüssen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung bei
unterstellter Beibehaltung der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern
und Ehegatten gedeckt hätte?

2. Wie viele Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung hätten bei einer
Finanzierung über Kopfprämien jeweils in den Jahren 2008 und 2009 mehr
für ihre Krankenversicherung gezahlt als bei der Finanzierung über einkom-
mensabhängige Beiträge?

3. Wie hoch müsste die Kopfprämie anstelle des einkommensabhängigen Kran-
kenkassenbeitrages im Jahr 2010 ausfallen, damit sie zusammen mit den Ar-
beitgeberbeiträgen und den geplanten Steuerzuschüssen die vom Schätzer-

kreis der Bundesregierung prognostizierten Ausgaben der gesetzlichen
Krankenversicherung bei unterstellter Beibehaltung der beitragsfreien Mit-
versicherung von Kindern und Ehegatten abdecken?

4. Wie viele Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung müssten bei einer
Finanzierung durch Kopfprämien im Jahr 2010 mehr für ihre Krankenver-
sicherung zahlen als bei der bestehenden Erhebung einkommensabhängiger
Beiträge?

Drucksache 17/865 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Ab welchem monatlichen Einkommen hätten Mitglieder der GKV bei einer
Finanzierung über Kopfprämien jeweils in den Jahren 2008 und 2009 mehr,
und ab welchem Einkommen weniger monatlich bezahlt als beim einkom-
mensabhängigen Krankenversicherungsbeitrag?

6. Ab welchem monatlichen Einkommen müssten Mitglieder der GKV bei
einer Finanzierung über Kopfprämien im Jahr 2010 mehr, und ab welchem
Einkommen weniger monatlich bezahlen als bei dem bisherigen einkom-
mensabhängigen Krankenversicherungsbeitrag?

7. Wie hätte sich in den Jahren 2008 und 2009 jeweils die Mehr- oder Minder-
belastung durch die Kopfprämie im Vergleich zum bisherigen einkommens-
abhängigen Krankenkassenbeitrag bei folgenden Personengruppen verteilt,
jeweils unterteilt nach Männern und Frauen: Rentenbezieher, abhängig Be-
schäftigte, Selbstständige, Versicherte in den einzelnen Bundesländern?

8. Welche Summe wäre in den Jahren 2008 und 2009 jeweils für den Sozial-
ausgleich erforderlich gewesen?

9. Falls die Gegenfinanzierung über die Einkommensteuer erfolgt wäre, wel-
cher Anteil des Einkommensteueraufkommens wäre dafür erforderlich ge-
wesen?

10. Wie hätte gegebenenfalls der Einkommensteuertarif verändert werden müs-
sen, um das erforderliche Mehraufkommen zu erzielen?

11. Falls keine Erhöhung des Einkommensteuertarifes unterstellt wird, wie hät-
ten sich in den Jahren 2008 und 2009 jeweils die Mehrbelastungen auf
Bund, Länder und Kommunen verteilt?

12. Falls die Gegenfinanzierung über die Umsatzsteuer erfolgt wäre, welcher
Anteil des Umsatzsteueraufkommens wäre dafür erforderlich gewesen?

13. Wie hätten gegebenenfalls die Umsatzsteuersätze verändert werden müssen,
um das erforderliche Mehraufkommen zu erzielen?

14. Falls keine Erhöhung der Umsatzsteuersätze unterstellt wird, wie hätten
sich in den Jahren 2008 und 2009 jeweils die Mehrbelastungen auf Bund,
Länder und Kommunen verteilt?

15. Wie wäre in den Jahren 2008 und 2009 jeweils die Kopfprämie für Versi-
cherte „netto“ gewesen: nach Abzug des Steuervorteils durch die Absetz-
barkeit der Krankenversicherungskosten bei einem Monatseinkommen von
1 500 Euro, 2 000 Euro, 2 500 Euro, 3 000 Euro, 3 500 Euro, 4 000 Euro,
4 500 Euro, 10 000 Euro?

16. Wie sieht die Verteilung des Sozialausgleichs in 10-Euro-Schritten auf die
in Frage 7 genannten Personengruppen aus?

17. Wie wird sich die Kopfprämie, wie in Frage 3 berechnet, in den nächsten
zehn Jahren entwickeln, wenn die Steigerungsraten bei den Ausgaben der
GKV im Durchschnitt der letzten zehn Jahre unterstellt werden, der Arbeit-
geberbeitrag auf 7 Prozent eingefroren wird und der Steuerzuschuss 14 Mrd.
Euro nicht übersteigt?

18. Soll der Gesamtversichertenbeitrag künftig im Rahmen des Quellenabzuges
wie bisher direkt vom Gehalt, der Rente bzw. durch die Bundesagentur für
Arbeit abgeführt werden, oder sollen die Krankenkassen die Kopfprämie
direkt von ihren Mitgliedern einziehen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/865

19. Welcher einmalige und welcher dauerhafte Aufwand (bürokratischer Auf-
wand, Zusatzkosten) würde bei den Arbeitgebern, der Deutschen Renten-
versicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit entstehen, um den
Krankenkassenbeitrag vom einkommensabhängigen Beitrag auf eine Kopf-
prämie umzustellen?

Welche zusätzlichen Kosten würden für die Krankenkassen (Verwaltungs-
und Inkassokosten pro Mitglied) entstehen?

20. Welche Stelle wäre grundsätzlich in der Lage, den Sozialausgleich ohne An-
tragstellung der Betroffenen automatisch durchzuführen?

21. Welche Daten sind für einen automatischen Sozialausgleich notwendig, und
wie sollen diese erhoben werden?

22. Wie hoch ist der durchschnittliche Personalbedarf in der Finanzverwaltung
je 10 000 Einkommensteuerpflichtige?

23. Falls der automatische Sozialausgleich über die Finanzämter erfolgen soll,
wie viele Neuveranlagungen wären dafür erforderlich, und wie hoch ist der
Verwaltungsaufwand hierfür?

24. Wie hoch ist der durchschnittliche Personalbedarf der Krankenkassen für
Einzug und Verwaltung der Beiträge bei freiwillig Versicherten mit Ein-
kommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze je 10 000 Personen die-
ser Gruppe?

25. Falls der automatische Sozialausgleichs über die Krankenkassen erfolgen
soll, wie hoch schätzt die Bundesregierung den zusätzlichen Personalbedarf
der Kassen für die rund 50 Millionen Mitglieder der GKV, ausgehend vom
Verwaltungsaufwand bei freiwillig Versicherten (z. B. Selbstständigen),
deren Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegen?

26. Wird zur Berechnung des Sozialausgleichs bei Eheleuten und eheähnlichen
Lebensgemeinschaften das Einkommen des Partners bzw. der Partnerin mit
einbezogen?

27. Muss bei schwankendem monatlichen Einkommen der Sozialausgleich
jeden Monat neu berechnet werden, und welcher Aufwand ist hierfür erfor-
derlich?

Wer muss an wen die hierfür notwendigen Daten übermitteln, und wie ist
der Datenschutz zu gewährleisten?

28. Wie kann für Bezieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen sicherge-
stellt werden, dass sie nicht in Vorlage treten müssen, um die Kopfprämie
zahlen zu können, falls der automatische Sozialausgleich jährlich berechnet
werden soll?

Berlin, den 24. Februar 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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