BT-Drucksache 17/8612

zu dem Antrag der Abgeordneten Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/7845 - Rettung einheimischer Rebsorten durch Erhaltungsanbau

Vom 8. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8612
17. Wahlperiode 08. 02. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
(10. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/7845 –

Rettung einheimischer Rebsorten durch Erhaltungsanbau

A. Problem

Zur Sicherung der Erhaltung von alten Obst- und Getreidesorten existieren
gesetzliche Regelungen zum Ausgleich des Mehraufwands bei deren Anbau.
Für historische Rebsorten fehlt nach Darstellung der Fraktion DIE LINKE. eine
solche Erhaltungsrichtlinie bisher. Doch auch alte einheimische (autochthone)
Rebsorten benötigen nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE. einen kulturhis-
torisch begründeten Sonderstatus, der deren Anbau erleichtert. Die Förderung
des Erhalts alter einheimischer Rebsorten ist aus Sicht der Fraktion DIE LINKE.
sowohl ökonomisch als auch ökologisch geboten und nachhaltig.

Mit dem Antrag auf Drucksache 17/7845 soll die Bundesregierung insbesondere
aufgefordert werden, eine offizielle, flexibel zu ergänzende Liste der einheimi-
schen (autochthonen) Rebsorten des deutschsprachigen Kulturraums zu erstel-
len, den Begriff der Erhaltungssorte zu definieren und autochthone Rebsorten
als Erhaltungssorten gemäß ihren noch existierenden Populationsgrößen zu
klassifizieren, die Kontrollgebühren für Erhaltungssorten wegfallen zu lassen
und den Erhaltungsanbau durch Aufnahme des Anbaus von Erhaltungssorten in
die allgemeine Strukturförderung des Weinbaus zu fördern.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/8612 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/7845 abzulehnen.

Berlin, den 18. Januar 2012

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Hans-Michael Goldmann
Vorsitzender

Alois Gerig
Berichterstatter

Gustav Herzog
Berichterstatter

Alexander Süßmair
Berichterstatter

Dr. Erik Schweickert
Berichterstatter

Harald Ebner
Berichterstatter

tungssorten beim Bundessortenamt (BSA) zur Sicherung
Rebsorten in ihren jeweiligen Anbaugebieten zugelassen
werden. Fraglich sei auch an dem Antrag, wer die Kosten
der Sortenechtheit gemäß dem Rebenverkehrsgesetz ein-
zuführen;

5. eine kostenfreie Registrierung als Erhaltungszüchterin
bzw. Erhaltungszüchter für Klone von Erhaltungssorten

dafür übernehme, wenn jeweils eine bestimmte Hektarfläche
dieser 300 seltenen Rebsorten gepflegt werden solle. Zudem
stehe der Forderung der weitgehenden Befreiung der Erhal-
tungszucht von Gebühren beim Bundessortenamt entgegen,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8612

Bericht der Abgeordneten Alois Gerig, Gustav Herzog, Alexander Süßmair, Dr. Erik
Schweickert und Harald Ebner

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/7845 in seiner 149. Sitzung am 15. Dezember 2011 erst-
mals beraten und an den Ausschuss für Ernährung, Land-
wirtschaft und Verbraucherschutz zur federführenden Bera-
tung sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit und an den Ausschuss
für Tourismus überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Zur Sicherung der Erhaltung von alten Obst- und Getrei-
desorten existieren gesetzliche Regelungen zum Ausgleich
des Mehraufwands bei deren Anbau. Für historische Rebsor-
ten, von denen nach Angabe der Fraktion DIE LINKE. etwa
300 in Deutschland auf den Weingütern noch vorhanden sein
sollen, fehlt nach Darstellung der Fraktion DIE LINKE. bis-
her eine solche Erhaltungsrichtlinie. Doch auch alte einhei-
mische (autochthone) Rebsorten benötigen nach Ansicht der
Fraktion DIE LINKE. einen kulturhistorisch begründeten
Sonderstatus, der deren Anbau erleichtert. Hinzu kommt
unter anderem die Notwendigkeit des Erhalts alter Kultur-
sorten generell als Genreserve. Die Förderung des Erhalts
alter einheimischer Rebsorten ist aus Sicht der Fraktion
DIE LINKE. sowohl ökonomisch als auch ökologisch ge-
boten und nachhaltig. Der nach ihrer Darstellung unkompli-
zierte, von Bürokratie und Kosten befreite Erhaltungsanbau
dieser Sorten würde zu ihrem Überleben in praxistauglicher
Qualität beitragen.

Mit dem Antrag auf Drucksache 17/7845 soll die Bundes-
regierung aufgefordert werden,

1. eine offizielle, flexibel zu ergänzende Liste der einheimi-
schen (autochthonen) Rebsorten des deutschsprachigen
Kulturraums zu erstellen. Dies soll auf der Grundlage der
rebsortenkundlichen (ampelographischen) Literatur un-
ter Beteiligung unabhängiger Fachwissenschaftlerinnen
und Fachwissenschaftler geschehen;

2. den Begriff der Erhaltungssorte zu definieren und autoch-
thone Rebsorten als Erhaltungssorten gemäß ihren noch
existierenden Populationsgrößen zu klassifizieren. Not-
wendig ist in diesem Zusammenhang die Festlegung ei-
nes Grenzwerts für die Klassifizierung als Erhaltungssor-
ten unterhalb von 5 Hektar Anbaufläche;

3. die bundesweite Anbaufreigabe der als Erhaltungssorten
definierten Rebsorten zum Zweck der Verhinderung eines
weiteren Rückgangs autochthoner Sorten zu erwirken;

4. eine kostenfreie Sortenprüfung der Klone von Erhal-

6. die Kontrollgebühren für Erhaltungssorten wegfallen zu
lassen;

7. eine kostenfreie Registrierung und Abnahme der züchte-
rischen Erhaltungsbestände als Vermehrungsbestände
nach festzulegenden Qualitätskriterien einzuführen;

8. den Erhaltungsanbau durch Aufnahme des Anbaus von
Erhaltungssorten (zum Beispiel als Rote-Liste-Sorten) in
die allgemeine Strukturförderung des Weinbaus zu för-
dern;

9. darauf hinzuwirken, dass auch für Rebsorten eine EU-
Erhaltungsrichtlinie vorbereitet wird.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat in seiner 62. Sitzung am 18. Januar 2012 den
Antrag auf Drucksache 17/7845 beraten und mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Ablehnung empfohlen.

Der Ausschuss für Tourismus hat in seiner 46. Sitzung am
18. Januar 2012 den Antrag auf Drucksache 17/7845 beraten
und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz hat den Antrag auf Drucksache 17/7845 in
seiner 59. Sitzung am 18. Januar 2012 abschließend beraten.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dem Deut-
schen Bundestag die Ablehnung des Antrags zu empfehlen.

Die Fraktion der CDU/CSU bemerkte, der Antrag der
Fraktion DIE LINKE. sei „alter Wein in neuen Schläuchen“
und werde abgelehnt. Unabhängig von den Bemühungen der
Länder gebe es beispielweise das Institut für Rebenzüchtung
Geilweilerhof in Siebeldingen (Julius Kühn-Institut – Bun-
desforschungsinstitut für Kulturpflanzen), das sich schon
seit längerer Zeit für den Erhalt der genetischen Vielfalt bei
den Rebsorten einsetze. Zurzeit umfassten die Bestände der
dortigen Genbanksammlung rund 3 900 Muster. Die Aktivi-
täten des Bundes in Siebeldingen seien vorbildlich. Nicht zu
vergessen sei, dass die Zulassung von Rebsorten in die
Zuständigkeit der Länder falle. Diese legten fest, welche
einzuführen und die vergleichende Sortenprüfung für Er-
haltungssorten wegfallen zu lassen;

dass Letzteres gehalten sei, möglichst kostendeckend zu
arbeiten.

Drucksache 17/8612 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Instrumente, die Anbauhemmnisse abbauten und Mehrauf-
wand ausglichen, damit in den Betrieben auch die alten Sor-
ten erhalten würden, gebe es auch schon. Gemäß der Richt-
linien der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrar-
struktur und des Küstenschutzes“ hätten die Länder durchaus
heute schon die Möglichkeit, den Erhaltungsanbau im Rah-
men ihrer Länderprogramme zu fördern und Kofinanzie-
rungsmittel zu beanspruchen. Es existiere auch schon eine
sogenannte rote Liste für gefährdete Arten bei den Rebsor-
ten. Von daher lehne sie den Antrag ab.

Die Fraktion der FDP äußerte, mit ihren Forderungen spre-
che die Fraktion DIE LINKE. den falschen Adressaten an.
Für die Zulassung in den Anbaugebieten sei jeweils das Bun-
desland verantwortlich, in denen die Reben angebaut wür-
den. Viele Bundesländer begegneten der Zulassung alter Re-
ben mit großem Interesse. Die Zulassung der alten Sorte
„Roter Riesling“, der Urform des Rieslings, sei in Hessen
vorbildlich praktiziert worden. Das zeige, dass die heutige
Zulassungspraxis auf Länderebene auch mit etwas weniger
Bürokratie stattfinden könne. Auch die Kosten legten die
Länder fest. Die Forderung nach einer Kostenfreiheit bei den
Gebühren könne nicht unterstützt werden, da sie nur schwer
gegenüber den privaten Züchtern zu rechtfertigen sei, die
bisher für ihre Züchtungen eine Gebühr zu zahlen hätte. Man
müsse zudem berücksichtigen, dass sich nicht bei jeder auto-
chthonen Rebsorte die Zulassung lohne, denn Rebsorten
seien für jeden Züchter nur dann interessant, wenn auch eine
Nachfrage von Seiten des Konsumenten bestehe. Dem An-
trag könne nicht zugestimmt werden.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, Untersuchungen hätten
gezeigt, dass es in Deutschland deutlich mehr einheimische
Rebsorten noch gebe, als man ursprünglich angenommen
habe. Allerdings sei für die betroffenen Züchter oder Winzer,
die sich häufig dem Erhalt dieser Qualitätssorten widmeten,
das Ganze mit sehr hohen bürokratischen Hürden und Kos-
ten verbunden, da diese einheimischen seltenen Rebsorten
mit ihren wenigen Erträgen kommerziell keine größere Rolle
spielten und für eine größere Vermarktung nicht interessant
genug seien. Deshalb fordere die Fraktion DIE LINKE. mit
ihrem Antrag die Bundesregierung auf, sich wie andere EU-
Staaten auch dieser Frage anzunehmen. Hierzu gehöre vor
allem, eine offizielle Liste der einheimischen (autochthonen)
Rebsorten zu erstellen, bundesweite Anbaufreigaben für als
Erhaltungssorten definierte Rebsorten zu erwirken, die Kon-

Herausforderungen wie die Auswirkungen des Klimawan-
dels, das Aufziehen neuer Schaderreger und Krankheiten zu
bewältigen. Deshalb sei die Erhaltung der genetischen Basis
bei den Rebsorten ein hohes Gut. Sehr wertvoll seien auch
die bei verschiedenen Instituten angesiedelten Genbanken,
die sicher unabdingbar seien. Eine Erhaltung in Genbanken
mit nur drei Weinstöcken pro Sorte sei auf Dauer nicht aus-
reichend. Deshalb sei es wichtig, wenn es Erhaltungszüchter
gebe, die auf etwas größeren Flächen solche Sorten mit
größerer Sicherheit für die Nachwelt bewahrten. Bei dieser
Erhaltungszüchtung sollten die Bedingungen von Winzern,
die solche Sorten auf größeren Flächen dann auch anbauen
wollen, erleichtert werden. Der Antrag der Fraktion DIE
LINKE. werde unterstützt, allerdings halte man die Grenze
von fünf Hektar Anbaufläche für die Klassifizierung als
Erhaltungssorte für zu hoch. Hier reichten 0,1 bis 0,5 Hektar
vollkommen aus.

Die Bundesregierung verwies darauf, dass für sie die Er-
haltung und nachhaltige Nutzung bedrohter Tierarten und
Pflanzensorten als sogenannte genetische Ressourcen ein
wichtiges Ziel sei. National würden die Aktivitäten über das
„Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung
pflanzengenetischer Ressourcen landwirtschaftlicher und
gartenbaulicher Kulturpflanzen“ gebündelt. Es sei überar-
beitet worden und befinde sich in der Abstimmung mit den
Ländern. Die Erhaltung historischer Rebsorten sei auch wei-
terhin ein wichtiges Ziel des Fachprogramms. In einem vom
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz finanzierten Erhebungsvorhaben seien bun-
desweit seltene historische Rebsorten erfasst worden. Dabei
sei auch Material zur Vermehrung dieser Rebsorten gesichert
worden. 2010 sei die Datenbank „Deutsche Genbank Reben“
offiziell eröffnet worden. Sie bestehe aus einem Netzwerk
von Institutionen auf Bundes- und Länderebene, die das
gemeinsame Ziel hätten, rebengenetische Ressourcen lang-
fristig zu sichern sowie ihre Nutzung für Forschung, Züch-
tung und weinbauliche Zwecke zu ermöglichen. Allein das
bundeseigene Julius Kühn-Institut (JKI) pflege eine Samm-
lung von mehr als 3 800 Rebsorten und Mustern. Die Bun-
desländer könnten bereits heute auch historische Rebsorten
klassifizieren und damit deren Anbau auf eine gesicherte
rechtliche Basis stellen. In einzelnen Bundesländern seien
Sorten für den Anbau klassifiziert, die nicht beim Bundes-
sortenamt zugelassen seien.

Berlin, den 18. Januar 2012

Alois Gerig
Berichterstatter

Gustav Herzog
Berichterstatter

Alexander Süßmair
Berichterstatter

Dr. Erik Schweickert
Berichterstatter

Harald Ebner
Berichterstatter
Die Fraktion der SPD erinnerte, wichtige Kernforderungen
des Antrags seien bereits umgesetzt. So habe man seit 2010
die Deutsche Genbank Reben (DGR), die über 2000 Einträge
unter dem Suchbegriff „Vitis vinifera L.“ aufliste, fast 500
davon aus Deutschland. Ein Netzwerk aus sieben rebener-
haltenden Einrichtungen kümmere sich zudem darum, dass
Reben und Sorteneigenschaften nicht verloren gingen. Auch

trollgebühren für Erhaltungssorten wegfallen zu lassen und
darauf hinzuwirken, dass auch für Rebsorten – analog, wie es
sie schon bei den alten Obstsorten gebe – eine EU-Erhal-
tungsrichtlinie vorbereitet werde.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, die
Sortenvielfalt sei eine unabdingbare Voraussetzung erfolg-
reicher Züchtung und Voraussetzung dafür, auch in Zukunft

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