BT-Drucksache 17/8585

Marktwirtschaftliche Industriepolitik für Deutschland - Integraler Bestandteil der Sozialen Marktwirtschaft

Vom 7. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8585
17. Wahlperiode 07. 02. 2012

Antrag
der Abgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer, Dr. Michael Fuchs, Kai Wegner,
Peter Altmaier, Thomas Bareiß, Veronika Bellmann, Erich G. Fritz, Dr. Matthias
Heider, Ernst Hinsken, Robert Hochbaum, Dieter Jasper, Andreas Jung
(Konstanz), Andreas G. Lämmel, Ulrich Lange, Stephan Mayer (Altötting),
Dr. h. c. Hans Michelbach, Dr. Mathias Middelberg, Stefan Müller (Erlangen),
Dr. Georg Nüßlein, Franz Obermeier, Rita Pawelski, Ulrich Petzold, Eckhardt
Rehberg, Dr. Heinz Riesenhuber, Albert Rupprecht (Weiden), Anita Schäfer
(Saalstadt), Nadine Schön (St. Wendel), Christian Freiherr von Stetten,
Lena Strothmann, Antje Tillmann, Andrea Astrid Voßhoff, Volker Kauder,
Gerda Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Martin Lindner (Berlin),
Claudia Bögel, Klaus Breil, Paul K. Friedhoff, Joachim Günther (Plauen),
Christian Lindner, Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP

Marktwirtschaftliche Industriepolitik für Deutschland – Integraler Bestandteil der
Sozialen Marktwirtschaft

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Industrie ist eine der tragenden Säulen der deutschen Wirtschaft. Traditio-
nell liegt in der Produktion hochwertiger Güter und Anlagen eine besondere
Stärke unseres Landes. Auch im Zeitalter der Globalisierung und der damit ein-
hergehenden zunehmenden weltweiten Standortkonkurrenz hat sich Deutsch-
land eine starke industrielle Basis sichern können. Weit mehr als in vergleich-
baren entwickelten Industrieländern beruhen hier Wohlstand und Beschäftigung
auf der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Verarbeitenden Gewerbes.
Dessen Anteil an der Gesamtleistung der Wirtschaft liegt nach aktuellen Zahlen
der OECD in Deutschland bei etwa 20 Prozent, in den USA, Großbritannien und
Frankreich bei 10 bis 12 Prozent sowie in Japan bei immerhin gut 18 Prozent.

Einen entscheidenden Beitrag hierzu leistet der außerordentliche Erfolg der
deutschen Industrie auf den Weltmärkten. Nahezu jedes zweite Erzeugnis der
deutschen Industrie wird inzwischen exportiert. Im Jahr 2010 nahm Deutschland
unter den Exportnationen weltweit nach dem wesentlich bevölkerungsreicheren

China und fast gleichauf mit den USA den dritten Rang ein. In 2011 sind die
deutschen Exporte wieder schneller gewachsen als der Welthandel, so dass sich
ihr Weltmarktanteil auf voraussichtlich rund 8,5 Prozent erhöht hat.

Die deutsche Industrie ist in hohem Maße innovativ und investiert stark in For-
schung und Entwicklung (FuE). Von den sich in 2010 auf 47 Mrd. Euro be-
laufenden Forschungsinvestitionen der deutschen Wirtschaft entfielen allein gut

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40 Mrd. Euro auf das Verarbeitende Gewerbe. Gemessen am Bruttoinlandspro-
dukt liegen die FuE-Aufwendungen der Wirtschaft in Deutschland bei fast
2 Prozent und damit um mehr als die Hälfte höher als im Durchschnitt der
Europäischen Union (1,23 Prozent). Einen wichtigen Beitrag hierzu leisten die
Beschäftigten selbst. Gut ausgebildet und engagiert sorgen sie für die hohe Qua-
lität der hergestellten Produkte.

Auch zu der sehr positiven Beschäftigungsentwicklung in Deutschland in 2011
hat die Industrie in erheblichem Umfang beigetragen. So waren im vergangenen
Jahr im Verarbeitenden Gewerbe 131 000 Personen mehr erwerbstätig als 2010.
Hinzu kommt die starke Zunahme der Erwerbstätigenzahl bei den unterneh-
mensnahen Dienstleistungen, an der die Industrie angesichts der zunehmenden
Verflechtung von Industrie und Dienstleistungssektor einen nicht unerheblichen
Anteil hat. Auch 2012 wird die Industrie aller Voraussicht nach einen wichtigen
Beitrag zu einer weiter positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt leisten. So
rechnet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag e. V. mit rund 60 000
zusätzlichen Beschäftigten in der Industrie.

Die deutsche Industrie ist Motor für eine nachhaltige Entwicklung. Ihren Beitrag
zur Erreichung der im Kyoto-Protokoll festgelegten Klimaschutzziele hat sie
bereits erfüllt. Die Bundesregierung hat sich im Energiekonzept entsprechend
ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt. Schon aus wirtschaftlichem Eigeninte-
resse entwickelt die Industrie ihre Produktionsprozesse im Hinblick auf einen
effizienten Energie- und Ressourcenverbrauch kontinuierlich fort. Zugleich hat
die deutsche Industrie maßgeblichen Anteil an Entwicklung, Produktion und
Export potenzieller Klima- und Umweltschutzgüter. Deutsche Direktinvestitionen
schaffen weltweit auch in Entwicklungs- und Schwellenländern Arbeitsplätze
und tragen zu Wachstum und Wohlstand bei.

Gerade in der internationalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat sich ge-
zeigt, dass die Industrie Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft ist. Hier findet
jene Wertschöpfung statt, die die Grundlage für unseren Wohlstand bildet.
Durch ein kluges Zusammenspiel von Wirtschaft, Tarifvertragsparteien und
Politik ist es in der Krise gelungen, die Beschäftigungsverluste zu begrenzen
und zugleich die Fachkräftebasis zu sichern.

II. Der Deutsche Bundestag bekräftigt vor diesem Hintergrund

• seine industriepolitische Überzeugung, wonach eine an ordnungspolitischen
Prinzipien ausgerichtete Industriepolitik im Sinne der Sozialen Marktwirt-
schaft von Ludwig Erhard am besten geeignet ist, Wettbewerbsfähigkeit,
Wachstum, Wohlstand, Beschäftigung und gute Arbeitsbedingungen in
Deutschland dauerhaft zu stärken. Die wichtigsten industriepolitischen
Handlungsfelder sind die Sicherung erstklassiger Qualifikationen und Fähig-
keiten, moderne Technologien und Innovation, kosteneffizienter und effekti-
ver Umwelt- und Klimaschutz, die Sicherung von Rohstoff- und Energiever-
sorgung, die effiziente Nutzung von Ressourcen sowie die Stärkung offener
und effizienter Märkte;

• seine Überzeugung, dass die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen In-
dustrie auf der bewährten Aufgabenteilung zwischen Wirtschaft und Politik
im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft basiert, wonach es Aufgabe der
Politik ist, für alle Akteure verlässliche und zukunftsfähige Rahmenbedin-
gungen zu setzen;

• seine Auffassung, dass es primär Aufgabe und Kompetenz der Unternehmen
ist, ihre Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und dass die Indus-
triepolitik unternehmerische Entscheidungen nicht vorzeichnet, sondern sich

auf die Schaffung eines der Entfaltung unternehmerischer Freiheit und Krea-
tivität förderlichen Ordnungsrahmens konzentriert;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8585

• seine Ansicht, dass der Schlüssel zum Erhalt des für Wachstum, Wohlstand
und Arbeitsplätze unverzichtbaren industriellen Kerns unserer Volkswirt-
schaft in der Anpassungsfähigkeit unserer Unternehmen, einschließlich der
Industrieunternehmen, liegt;

• sein Bekenntnis zu Deutschland als einem international wettbewerbsfähigen
Industrieland und zu dem Anliegen, die politischen Rahmenbedingungen
zuverlässig und zukunftsfähig auszugestalten mit dem Ziel, die Anpassungs-
fähigkeit der Unternehmen in der Industrie in ihrer ganzen Bandbreite und
über alle Stufen der Wertschöpfungsketten, einschließlich der energieinten-
siven Grundstoffindustrien, zu fördern und nicht zu überfordern;

• seine Auffassung, dass auch arbeits- und sozialrechtlich abgesicherte Ar-
beitsverhältnisse, Mitbestimmung, Sozialpartnerschaft und Tarifautonomie
zu den Erfolgsfaktoren der deutschen Volkswirtschaft und insbesondere der
deutschen Industrie gehören;

• die Orientierung am Prinzip der Nachhaltigkeit in seiner ökonomischen, öko-
logischen und sozialen Dimension, um bestehende Chancen für kommende
Generationen zu sichern und neue zu schaffen;

• die Bedeutung der im Energiekonzept vereinbarten Klimaschutzziele: Insbe-
sondere sollen bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent, bis 2030
um 55 Prozent, bis 2040 um 70 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent
jeweils gegenüber 1990 reduziert werden;

• seine Forderung, dass beim eingeleiteten Umbau der Energieversorgung die
Aspekte Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit
sowie die Belange der im internationalen Wettbewerb stehenden Industrie-
unternehmen angemessen berücksichtigt werden;

• seine Überzeugung, dass eine moderne, verlässliche und gut ausgebaute In-
frastruktur eine notwendige Voraussetzung für einen auch in Zukunft inter-
national wettbewerbsfähigen Industriestandort Deutschland darstellt;

• die Bedeutung von Forschung und Innovation als zentrale Triebfedern der
technologischen Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit Deutsch-
lands.

III. Der Deutsche Bundestag begrüßt deshalb, dass die Bundesregierung

Qualifikation und Fähigkeiten

• in Anbetracht des demographischen Wandels Bildung und Qualifikation ganz
oben auf die Agenda gesetzt hat;

• im Rahmen ihres Fachkräftekonzeptes und der Fachkräfteoffensive bereits
wichtige Schritte unternommen hat, um verstärkt die inländischen Fachkräf-
tepotenziale zu nutzen und ausländische Fachkräfte zu gewinnen, wovon ins-
besondere die deutschen Industrieunternehmen profitieren werden;

• mit dem Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Aus-
land erworbener Berufsqualifikationen dafür gesorgt hat, dass die im Ausland
erworbenen beruflichen Qualifikationen von Mitbürgerinnen und Mitbürgern
mit Migrationshintergrund besser als bisher bewertet werden können. Damit
leistet die Bundesregierung einen wichtigen Beitrag dazu, das Fachkräfte-
potenzial der Menschen mit Migrationshintergrund für die deutsche Wirtschaft
zu erschließen und die Migranten noch besser in den deutschen Arbeitsmarkt
zu integrieren;

• mit dem Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Euro-

päischen Union die Zuwanderung von hochqualifizierten Fachkräften aus
Drittstaaten spürbar erleichtert;

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Technologien und Innovation

• neue Technologien, inklusive der Hoch- und Spitzentechnologien, sowie
unternehmerische Innovationen fördert, um die internationale Wettbewerbs-
fähigkeit der heimischen Industrie zu stärken;

• trotz der notwendigen Haushaltskonsolidierung 12 Mrd. Euro zusätzlich in
dieser Legislaturperiode für Forschung, Entwicklung und Bildung bereit-
stellt. Denn Deutschland kann nur eines der führenden Innovations- und
Hochtechnologieländer bleiben, wenn kontinuierlich in Bildung und For-
schung investiert wird;

• Forschung und Innovation im Rahmen der Hightech-Strategie 2020 in einer
kohärenten Gesamtstrategie befördert und dabei die Themen Energie/Klima,
Gesundheit, Kommunikation, Sicherheit, Mobilität sowie Schnittstellen und
Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in den Mittelpunkt
stellt;

• weitere Mittel für den Startfonds aus dem European Recovery Program
(ERP) und die neue High-Tech Gründerfonds Management GmbH zur Ver-
fügung gestellt hat. Die beiden Fonds leisten einen wichtigen Beitrag dazu,
Beteiligungskapital für junge innovative Unternehmen zu mobilisieren;

• verstärkt Mittel für das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand bereit-
gestellt hat. Damit können pro Jahr ca. 5 000 Forschungs- und Innovations-
projekte in kleinen und mittleren Unternehmen meist in Kooperation mit For-
schungseinrichtungen finanziert werden;

• mit der auf den drei Säulen Wettbewerb, Regulierung und Kooperation ru-
henden Breitbandstrategie entscheidende Anstöße für die Entwicklung von
flächendeckenden Hochleistungsnetzen gegeben hat. Von einem Technolo-
giemix und wettbewerblichen Strukturen geprägt werden diese Netze den
Wissenstransfer und den wissenschaftlichen Austausch weiter erleichtern
und damit die Rahmenbedingungen für Forschung, Entwicklung und Innova-
tion in der Industrie weiter verbessern;

kosteneffizienter und effektiver Umwelt- und Klimaschutz

• Ökonomie und Ökologie in Einklang gebracht hat, um eine industrieverträg-
liche Umstrukturierung zu umweltbewusstem Wirtschaften zu möglichen;

• die Chancen für Ansätze dazu ergreift, über den Umwelt- und Klimaschutz
zur Entwicklung neuer Produkte und Technologien zu kommen;

• sich international für ein bindendes Klimaschutzabkommen einsetzt, bei dem
sich alle Industrieländer zu vergleichbaren Minderungszielen verpflichten
und die wirtschaftlich weiter fortgeschrittenen Entwicklungsländer angemes-
sene Minderungsbeiträge zusagen;

• dazu beiträgt, die Energieeffizienz der Industrie zu verbessern, und einen
Energieeffizienzfonds aufgelegt hat;

• den industriellen Mittelstand durch die Ausweitung der Exportinitiative Ener-
gieeffizienz verstärkt dabei unterstützt, neue Absatzmärkte zu erschließen;

• mit der Einrichtung einer Nationalen Plattform für Elektromobilität und der
Verabschiedung des „Regierungsprogramms Elektromobilität“ die Elektro-
mobilität in Deutschland nachhaltig voranbringt;

Sicherung Rohstoff- und Energieversorgung

• die deutsche Industrie bei der Rohstoffsicherung durch die Verbesserung der
institutionellen und politischen Rahmenbedingungen maßgeblich unterstützt,

indem sie sich insbesondere für die Stärkung offener und effizienter Märkte
einsetzt und die Umsetzung der Rohstoffstrategie weiter vorantreibt;

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• in Kooperation mit der Industrie eine neue, die serviceorientierte Deutsche
Rohstoffagentur (DERA) bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe (BGR) aufgebaut hat;

• mit der Erarbeitung eines Deutschen Ressourceneffizienzprogramms dazu
beiträgt, die Beeinträchtigung der Umweltmedien durch Rohstoffgewinnung
und -verarbeitung zu minimieren und die Ressourcennutzung in Deutschland
weiter zu optimieren;

• durch ihre Energiepolitik auf einen breiten und effizienten Energiemix für ein
sicheres und preisgünstiges Angebot zielt;

• mit dem Umbau der Energieversorgung auch neue technologische und öko-
nomische Chancen für die deutsche Wirtschaft eröffnet hat;

• mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz die Planungs- und Genehmi-
gungsverfahren für Stromübertragungsnetze verkürzt. Bisher beträgt die Pla-
nungs- und Bauzeit im Bereich der Netze etwa zehn Jahre. Ziel ist es, diesen
Zeitraum auf vier Jahre zu senken;

• mit der Änderung der Anreizregulierungsverordnung den Investitionsrahmen
für den Ausbau der Stromnetze verbessern wird;

• im Rahmen der „Förderinitiative Energiespeicher“ mehr Mittel bereitstellt;

• mit dem Kreditprogramm „Offshore Windenergie“ der KfW Bankengruppe
bis zu zehn Offshore-Windparks mit einem Volumen von 5 Mrd. Euro unter-
stützt;

• mit dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) künftig auch für Unter-
nehmen des energieintensiven industriellen Mittelstands Erleichterungen bei
der EEG-Umlage vorsieht;

• mit dem neuen Energieforschungsprogramm in den kommenden Jahren die
Mittel zur Förderung von Forschung und Entwicklung moderner Energie-
technologien um rund 75 Prozent aufstockt;

offene und effiziente Märkte

• sich für die weitere Liberalisierung des Welthandels stark macht, zum einen
durch ihren Einsatz für den zügigen Abschluss der Doha-Runde und zum
anderen ergänzend durch das Voranbringen von regionalen und bilateralen
Freihandelsabkommen, und damit auch die Chancen der Schwellen- und Ent-
wicklungsländer auf Wachstum und Wohlstand erhöht;

• den Zugang der Wirtschaft zu den Exportkreditgarantien (Hermesdeckun-
gen) weiter erleichtert hat, unter anderem durch eine auf wenige Tage ver-
kürzte Antragsprüfung bei Exportkreditgarantien für kleinere Kredite;

• durch die Einführung eines elektronischen Kommunikationsportals beim
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle die Genehmigungsverfahren
in der Exportkontrolle deutlich vereinfacht und beschleunigt hat.

IV. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. bei der Industriepolitik weiter konsequent auf den „Wettbewerb als Entde-
ckungsverfahren“ zu setzen. Die Entwicklung, Herstellung und Vermarktung
von Konsum- und Investitionsgütern sollten ebenso wie die Entwicklung
neuer Produktionstechnologien in der sozialen Marktwirtschaft dem Wettbe-
werb auf den Märkten überlassen werden;

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2. klare, verlässliche und zukunftsfähige Rahmenbedingungen für industrielle
Innovation und Produktion zu setzen; direkte staatliche Eingriffe zu be-
schränken (sie sind vor allem bei nachweislich auftretendem Marktversagen
gerechtfertigt) und nicht auf Ausgabenprogramme für einzelne Branchen zu
setzen. Ziel muss dabei stets sein, die internationale Wettbewerbsfähigkeit
der am Standort Deutschland tätigen Unternehmen nachhaltig zu stärken, so
etwa die maritime Wirtschaft oder die Luft- und Raumfahrtindustrie (Level-
Playing-Field);

Qualifikation und Fähigkeiten

3. die Spitzenposition der deutschen Industrie im globalen Wettbewerb zu be-
wahren, indem sie dafür Sorge trägt, dass auch in Zukunft hochqualifizierte
Fachkräfte in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen;

4. sich weiter dafür einzusetzen, dass mehr Frauen für mathematisch-techni-
sche Berufe (MINT-Berufe) gewonnen und Jugendliche dazu motiviert
werden, einen Studiengang in diesem Bereich aufzunehmen;

5. eine Initiative auf den Weg zu bringen, die dazu beiträgt, Studienabbrecher
durch eine berufsbefähigende Qualifizierung verstärkt in den Arbeitsmarkt
zu integrieren und ihr Potenzial zur Deckung des Fachkräftebedarfs, insbe-
sondere im MINT-Bereich, noch besser zu nutzen;

6. sich dafür einzusetzen, die berufliche Bildung und die Hochschulbildung
besser zu verzahnen und dadurch die Durchlässigkeit des deutschen Bil-
dungssystems weiter zu erhöhen;

7. bei der Überarbeitung der EU-Regeln zur Berufsanerkennung weiter dafür
einzutreten, dass das Anerkennungsverfahren einfacher, transparenter und
nutzerfreundlicher gestaltet wird und die vorgesehenen Berufsausweise für
die Bürger freiwillig bleiben;

Technologien und Innovation, Investition

8. die Hightech-Strategie 2020 mit den Schwerpunkten Klima/Energie, Ge-
sundheit, Sicherheit, Kommunikation und Mobilität im Rahmen der zur
Verfügung stehenden Haushaltsmittel weiterzuentwickeln und umzusetzen.
Die Bündelung von Kräften in Wissenschaft und Wirtschaft in Zukunftspro-
jekten ist ein wichtiges Element der Strategie;

9. für den Erhalt der starken und breit gefächerten industriellen Basis in
Deutschland zu sorgen und mitzuhelfen, die Technologie- und Systemfüh-
rerschaft der heimischen Wirtschaft zu stärken und auszubauen;

10. Forschung und Innovation, die wesentliche Schlüssel für die Sicherung der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sind, auch
künftig Priorität bei der Budgetplanung einzuräumen;

11. die steuerliche Förderung von FuE noch in dieser Legislaturperiode zu be-
ginnen, sobald sich dafür unter Berücksichtigung des gebotenen Konsoli-
dierungskurses Spielräume ergeben, um die Attraktivität des Innovations-
standortes Deutschland zu steigern;

12. unter Berücksichtigung des gebotenen Konsolidierungskurses die richtigen
Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen vor allem im High-
tech-Bereich zu setzen. Dazu zählen auch Verbesserungen am Wagniskapi-
talmarkt und für den Business Angels Netzwerk Deutschland e. V.;

13. verstärkt dazu überzugehen, mit der industriellen Gemeinschaftsforschung
branchenübergreifende und internationale Projekte zu fördern und das Pro-

gramm vollständig auf ein wettbewerbliches Antragsverfahren umzustel-
len;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/8585

14. weitere Maßnahmen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushalts-
mittel zu ergreifen, um dem im Laufe der letzten Jahrzehnte entstandenen
Substanzverlust in der Verkehrsinfrastruktur zu begegnen. Dabei sollte auch
geprüft werden, wie verstärkt privates Kapital mobilisiert werden kann;

kosteneffizienter und effektiver Umwelt- und Klimaschutz

15. den bei der VN-Konferenz in Durban beschlossenen Weg zu einem globa-
len Klimaschutzabkommen entschlossen fortzusetzen mit dem Ziel einer
fairen internationalen Lastenverteilung und der Vermeidung einseitiger Be-
lastungen der hierzulande tätigen Industrieunternehmen;

16. sicherzustellen, dass notwendige ökologische Maßnahmen wirtschafts- und
sozialverträglich ausgestaltet werden. Dazu sind klare, verlässliche und an-
gemessene Zielvorgaben für die Industrieunternehmen notwendig. Ferner
sind marktkonforme Rahmenbedingungen zu setzen, die der Rolle des Um-
welt- und Klimaschutzes als Innovationsmotor Rechnung tragen;

17. bei der Überprüfung der europäischen Chemikalienverordnung REACH
darauf zu achten, dass der Abbau von Überschneidungen mit anderen
Rechtsakten und mehr Praxistauglichkeit bei der Anwendung der bestehen-
den Vorschriften im Fokus des Reviews stehen. Zu diesem Zeitpunkt ist
eine grundlegende Überarbeitung der Verordnung nicht angezeigt, da dafür
noch nicht ausreichend Erfahrungen gesammelt wurden. Insbesondere der
Anwendungsbereich von REACH sollte unverändert beibehalten werden;

18. bei der Umsetzung der europäischen Industrieemissionsrichtlinie auf un-
bürokratische und praxisnahe Regelungen zu setzen, keine national ein-
seitigen Verschärfungen vorzunehmen und die europäischen Vorgaben im
Verhältnis 1:1 in nationales Recht zu übernehmen;

19. die Elektromobilität in Deutschland im Rahmen der zur Verfügung stehen-
den Haushaltsmittel weiter zu unterstützen. Mit dem Aufbau von regionalen
Schaufenstern und der Entwicklung von Leuchtturmprojekten sollten Syn-
ergieeffekte ausgenutzt werden;

20. Vorkehrungen zur Vermeidung eines sog. Carbon Leakage aus Deutschland
zu treffen. Mit dieser Problematik beschäftigt sich auch die Enquete-Kom-
mission „Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität.“ Neben dem Verlust
von Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen für Deutschland bedeutet die Ver-
lagerung von Produktion auch ökologische Nachteile. Aufgrund der hohen
Umweltstandards wird in Deutschland mit zu den umweltfreundlichsten
Bedingungen produziert. Für die globale Klimabilanz bedeutet diese Verla-
gerungen daher eine Verschlechterung. Dies zeigt, wie wichtig es ist, die
globale Dimension unseres Handelns zu beachten. Mit Blick auf die inter-
nationale Wettbewerbsfähigkeit des Industrielands Deutschlands ist es not-
wendig, sich im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für
die Kompensation emissionshandelsbedingter Strompreiserhöhungen ein-
zusetzen;

Sicherung Rohstoff- und Energieversorgung

21. in den Handlungsfeldern Rohstoffe und Energie auf kohärente Langfrist-
strategien zu achten, um Reibungsverluste zwischen verschiedenen Politik-
zielen zu vermeiden und der Wirtschaft klare Orientierungen zu geben;

22. sich beharrlich dafür einzusetzen, Marktverzerrungen auf den Rohstoff-
märkten abzubauen und daneben die Rohstoffversorgung z. B. durch neue
Rohstoffpartnerschaften abzusichern;

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23. sich dafür einzusetzen, die Ressourceneffizienz in Deutschland weiter zu
steigern, wie im deutschen Ressourceneffizienzprogramm vorgesehen, so-
wie mit marktkonformen Mitteln auf eine weitere Steigerung der Energie-
effizienz hinzuwirken;

24. dafür zu sorgen, dass die Energiewende ohne Nachteile für die Wettbe-
werbsfähigkeit der deutschen Industrie umgesetzt wird. Die internationale
Wettbewerbsfähigkeit der industriellen Produktion in Deutschland ist auch
in Zukunft durch eine preisgünstige und sichere Energie- und Stromversor-
gung zu flankieren. Bestehende Kostensenkungspotenziale sind auszu-
schöpfen, so dass die Größenordnung der EEG-Umlage von 3,5 ct/kWh
nicht überschritten wird und die Umlage langfristig Senkungspotenziale
hat. Für die Förderung der erneuerbaren Energien müssen schrittweise
marktfähige Lösungen erarbeitet werden, damit die Marktteilnehmer nach
und nach in den Wettbewerb entlassen werden können;

25. mit Blick auf leistungsfähige Stromnetze den Dialog mit Netzbetreibern
und den Ländern zu suchen, die zum Thema Netze eingerichtete Plattform
als permanentes Forum weiterzuentwickeln und ein Konzept für ein „Ziel-
netz 2050“ zu entwickeln;

26. im Rahmen der Finanzierungsmöglichkeiten Anreize für den Bau neuer,
hocheffizienter und flexibler Gas- und Kohlekraftwerke, die Deutschland
zum Ausgleich der fluktuierenden Einspeisung der erneuerbaren Energien
braucht, für Marktteilnehmer mit weniger als 5 Prozent Marktanteil zu set-
zen und durch geeignete Rahmenbedingungen den Bau zu beschleunigen;

27. sich für eine unbürokratische Nachfolgeregelung des Spitzenausgleichs ein-
zusetzen, der für den Erhalt der energieintensiven Industrien am Standort
Deutschland unerlässlich ist;

offene und effiziente Märkte

28. sich im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) intensiv für einen
weiteren Abbau von Handelshemmnissen einzusetzen;

29. das breit gefächerte Instrumentarium der Außenwirtschaftsförderung weiter
zu optimieren, um die deutsche Industrie bei ihrem Auslandsengagement zu
unterstützen und Risiken abzufedern;

30. durch den Abschluss regionaler und bilateraler Freihandelsabkommen so-
wie durch Umsetzung der EU-Marktzugangsstrategie die Voraussetzungen
für deutsche Unternehmen im Auslandsgeschäft weiter zu verbessern;

31. die Zusammenarbeit mit anderen Industrieländern im Bereich der Normung
zu verstärken;

32. sich intensiv für den weltweiten Schutz geistigen Eigentums einzusetzen;

33. sich mit Nachdruck dafür einzusetzen und darauf zu achten, dass der Büro-
kratieabbau auf europäischer Ebene weiter vorangeht und das beschlossene
25-Prozent-Abbauziel konsequent umgesetzt wird. Auch bei neuen EU-Re-
gelungen ist im Wege der Folgenabschätzung darauf zu achten, dass keine
unnötigen Belastungen entstehen.

Berlin, den 7. Februar 2012

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

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