BT-Drucksache 17/8451

Kinder- und Jugendtourismus unterstützen und weiter fördern

Vom 24. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8451
17. Wahlperiode 24. 01. 2012

Antrag
der Abgeordneten Marlene Mortler, Ingbert Liebing, Dr. Michael Fuchs,
Peter Altmaier, Klaus Brähmig, Helmut Brandt, Heike Brehmer, Cajus Caesar,
Ingrid Fischbach, Ingo Gädechens, Ernst Hinsken, Christian Hirte, Jürgen Klimke,
Hans-Georg von der Marwitz, Stefan Müller (Erlangen), Rita Pawelski,
Christoph Poland, Anita Schäfer (Saalstadt), Carola Stauche, Volker Kauder,
Gerda Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Helga Daub, Horst Meierhofer, Jens Ackermann,
Claudia Bögel, Nicole Bracht-Bendt, Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß,
Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP

Kinder- und Jugendtourismus unterstützen und weiter fördern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Kinder- und Jugendreisen sind ein wichtiges Segment der deutschen Tourismus-
wirtschaft mit einem Jahresumsatz von 12 Mrd. Euro. Der Anteil der Reisen von
Jugendlichen und jungen Erwachsenen an allen Inlandsreisen liegt bei etwa
20 Prozent. Allein das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) verzeichnete im
Jahr 2010 über 10 Millionen Übernachtungen. Eine große Bedeutung haben
auch Schullandheime, Kinderferienlager, Jugendhotels sowie Einrichtungen der
kirchlichen Jugendferienwerke und freier Träger der Jugendarbeit. Dabei werden
von Kindern und Jugendlichen Reisearten wie Klassenfahrten, Jugendgruppen-
reisen, Ferienfreizeiten, Einzelreisen und internationale Begegnungen genutzt.

Kinder und Jugendliche werden in Deutschland oft als bedeutende Zielgruppe
für den Tourismus unterschätzt und nur ungenügend wahrgenommen. Dabei
haben Kinder- und Jugendreisen im Gegensatz zu anderen Tourismussegmen-
ten auch eine große pädagogische und soziale Bedeutung. Sie ermöglichen
intensive Erfahrungen durch das Zusammenleben in der Gruppe, dem Kennen-
lernen der eigenen Heimat und den Kontakt mit anderen Ländern und Kulturen.
Auch gezielte Angebote zu gesunder Ernährung und Bewegung gewinnen an
Bedeutung, da bei Kindern diese Bereiche immer häufiger aus dem Gleichge-
wicht geraten. Deshalb ist eine weitere Verbesserung der Qualität von Kinder-
und Jugendreisen eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Verantwortung für die Qualitätssicherung und -steigerung tragen in erster Linie

die Träger und Anbieter von kinder- und jugendtouristischen Angeboten. Sie
finden aber zugleich öffentliche Unterstützung, insbesondere bei der Moderni-
sierung von Jugendherbergen und Jugendfreizeitstätten. Energetische und öko-
logische Sanierungen können gerade hier Vorbildcharakter für junge Menschen
haben.

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Einrichtungen für Kinder und Jugendliche müssen, um für die Zielgruppe
attraktiv zu sein, permanent auf der Höhe der Zeit sein. Dies erfordert auch
einen besonderen Finanzierungsaufwand, z. B. um ein angemessenes Angebot
von Trendsportmöglichkeiten vorhalten zu können. Eine immer größere Rolle
spielt dabei auch der Jugendfreizeitbereich. Hier sind vor allem viele ehrenamt-
liche Helfer tätig. Diese Arbeit sollte wertgeschätzt und unterstützt werden. Sie
sollte ein wichtiger Aspekt in der Förderung des jugendlichen Tourismus wer-
den. Dazu zählen auch sogenannte Bildungscamps, die gezielt Freizeitspaß mit
Bildungsangeboten und Lebenskompetenz verbinden.

Die Bundesregierung bekennt sich zum Ziel der Teilhabe aller Bevölkerungs-
kreise am Tourismus. Auch Menschen mit gesundheitlichen, sozialen oder
finanziellen Einschränkungen sollen reisen können. Dies ist in besonderem
Maße für sozial benachteiligte Kinder wichtig, denen Reisen und der soziale
Austausch ermöglicht werden sollte.

Dabei ist zwingend, dass in allen Einrichtungen und Angeboten des Kinder-
und Jugendtourismus die Grundsätze und Ziele des „Tourismus für alle“ und
des barrierefreien Reisens berücksichtigt werden.

Im Zuge des „Aktionsplans zum Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland“
hat die Bundesregierung seit 2002 eine Vielzahl von Maßnahmen im Bereich des
Kinder- und Jugendtourismus gefördert. So wurden im Rahmen der Steigerung
der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Tourismuswirtschaft
zwei Grundlagenuntersuchungen zur Datenlage des Kinder- und Jugendtouris-
mus sowie Veranstaltungen des BundesForum Kinder- und Jugendreisen e. V.
unterstützt. Mit diversen Einzelmaßnahmen aus dem Kinder- und Jugendplan
des Bundes wurde die Arbeit an bundesweiten, trägerübergreifenden Fragen der
Qualität des Kinder- und Jugendreisens mit jährlich bis zu 450 000 Euro geför-
dert. Dazu zählen Fort- und Weiterbildungsangebote, Informations- und Bera-
tungstage sowie Publikationen. Außerdem wurde gemeinsam mit der Stiftung
Deutsche Jugendmarke e. V. die bundesweite, trägerübergreifende Klassifizie-
rung von Kinder- und Jugendunterkünften in Deutschland gefördert. Daneben
bedeuten auch Klassifizierungsinitiativen, z. B. des Landesjugendrings Schles-
wig- Holstein e. V. als Angebot für alle Landesjugendringe, eine qualitative Auf-
wertung und mehr Transparenz im Kinder- und Jugendtourismus.

Auch mit seinem Beitrag zur Finanzierung der Deutschen Zentrale für Touris-
mus e. V. (DZT) in Höhe von 27,7 Mio. Euro im Jahr 2012 unterstützt der Bund
den Kinder- und Jugendtourismus, da dieser Bereich ein wichtiger Teil der
touristischen Vermarktung Deutschlands durch die DZT ist. Im Jahr 2013 wird
die DZT mit ihrem Themenjahr „Junges Reiseland Deutschland“ hier sogar
einen Schwerpunkt setzen.

Mit dem Beschluss der Bundesländer für bundeseinheitliche Qualitätsstandards
der Jugendleitercard im Juni 2009 konnte ein weiteres Ziel des Aktionsplans er-
reicht werden.

Darüber hinaus kommen viele Maßnahmen des Bundes im Jugendbereich dem
Jugendtourismus zugute. So ist im Bundeshaushalt 2012 beim Kinder- und
Jugendplan des Bundes für die internationale Jugendarbeit Zuschüsse und Leis-
tungen an Länder, Träger und für Aufgaben der freien Jugendhilfe ein Betrag in
Höhe von 20,3 Mio. Euro veranschlagt. Für den deutsch-französischen und den
deutsch-polnischen Jugendaustausch ist ein Betrag von insgesamt 15,2 Mio.
Euro vorgesehen. Auch eine deutsch-israelische Jugendbegegnung, die organi-
siert vom DJH seit Jahren jährlich in beiden Ländern stattfindet, wird aus Mit-
teln des Kinder- und Jugendplans des Bundes gefördert. Außerdem werden der
Bau, der Erwerb, die Einrichtung und die Bauerhaltung von zentralen oder über-
regionalen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätten sowie von Jugend-

herbergen pro Jahr mit jeweils 5 Mio. Euro unterstützt.

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Mit dem Freiwilligendienstekonzept haben der Deutsche Bundestag und die
Bundesregierung den Wegfall des Zivildienstes als Chance zum Aus- und Auf-
bau der Freiwilligendienste genutzt und damit neue Möglichkeiten und Poten-
ziale des Bürgerschaftlichen Engagements ermöglicht. Auch der Jugendtouris-
mus und seine Einrichtungen bieten vielfältige Einsatzmöglichkeiten für junge
und für ältere Freiwilligendienstleistende, auf die stärker aufmerksam gemacht
werden sollte. Es sollte verstärkt öffentlich damit geworben werden, dass ein
Freiwilligendienst im Jugendtourismus interessante Erfahrungen und die Er-
weiterung persönlicher wie sozialer Kompetenzen verspricht.

In den kommenden Jahren wird es im Bereich des Kinder- und Jugendtouris-
mus insbesondere darauf ankommen, dem Modernisierungsbedarf der Jugend-
freizeiteinrichtungen Rechnung zu tragen. Während bereits viel in bauliche
Modernisierungen – auch mit öffentlicher Förderung – investiert worden ist,
kommt es nun auch auf weitere Modernisierungserfordernisse an. Dies betrifft
die Ausstattung genauso wie die inhaltlichen Angebote. Gerade für Jugendfrei-
zeiteinrichtungen, die für Klassenfahrten genutzt werden, sollten zubuchbare
Bildungsangebote und Erlebnisangebote, die spielerisches Lernen ermöglichen,
Standard sein. Dazu gehört auch die notwendige Qualifizierung des Personals.

Mit der Förderung des Kinder- und Jugendtourismus wird auch langfristig ein
wichtiger Beitrag zur Steigerung der Attraktivität des Tourismusstandortes
Deutschland geleistet. Wer als junger Mensch, ganz gleich ob als Gast aus dem
In- oder Ausland, die Qualitäten des Reiselands Deutschland kennenlernt, wird
diese auch als Erwachsener zu schätzen wissen.

Zum Kinder- und Jugendtourismus gehören auch die Auslandsaufenthalte von
Schülern. Jährlich kommen rund 3 000 Schülerinnen und Schüler für mehrmo-
natige oder ganzjährige Aufenthalte nach Deutschland. Umgekehrt nehmen
jährlich ca. 20 000 junge deutsche Schülerinnen und Schüler an Austauschpro-
grammen im Ausland teil. Ganzjährige Auslandsaufenthalte von Schülerinnen
und Schülern sind im Hinblick auf den Jugendtourismus, aber auch unter bil-
dungs- und kulturpolitischen Aspekten, wertvoll und sollen auch in Zukunft ein
wichtiger Bestandteil der Bildung junger Menschen sein und im Rahmen der
Schullaufbahn auch anerkannt und gefördert werden.

Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld ist die Kooperation und Vernetzung ju-
gend-touristischer Anbieter und Leistungserbringer. Ihre Struktur ist sehr viel-
fältig, gemeinnützige und gewerbliche Anbieter ergänzen sich zu einem attrak-
tiven Gesamtangebot. Im Interesse der Kinder und Jugendlichen als Kunden ist
eine bessere Abstimmung und Kooperation u. a. auch bei der Vermarktung ihrer
Angebote zu fördern. Die Vielfalt der Träger muss dabei erhalten und gefördert
werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● eine Auflistung zu erstellen, welche Bundesländer Aktionspläne zum Kin-
der- und Jugendtourismus aufgestellt haben und mit welchen Maßnahmen
dieser Bereich jeweils gefördert wird;

● sich für eine intensivere internationale Vermarktung von Angeboten für den
Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland einzusetzen, insbesondere
durch die Deutsche Zentrale für Tourismus e. V. (DZT);

● den internationalen Jugendaustausch und Jugendbegegnungen weiter zu för-
dern;

● zu prüfen, wie eine bessere Vernetzung und Kooperation bei den Anbietern
jugendtouristischer Angebote erreicht und unterstützt werden kann;

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● gegenüber den Bundesländern anzuregen, dass – und gegebenenfalls wie –
Klassenfahrten in den Richtlinien verankert werden können (Schulfahrtener-
lasse), sowie stärker unter einem pädagogischen oder thematischen Bezug
durchgeführt werden, um schulisches und außerschulisches Lernen noch
besser miteinander zu verbinden, und entsprechende Fortbildungsmöglich-
keiten für Lehrer und Referendare anzubieten;

● bei den Bundesländern auf die positiven Aspekte der Einbeziehung von Rei-
severmittlern bei der Planung von Klassenfahren hinzuweisen;

● die Qualifizierung von im Kinder- und Jugendtourismus tätigen Mitarbeitern
und ehrenamtlichen Helfern weiter zu fördern;

● darauf hinzuwirken, dass bei der Ausbildung von Jugendreiseleitern die
Themen Sexualität und sexuelle Gewalt bei Kinder- und Jugendreisen und
internationalen Begegnungen verstärkt aufgegriffen werden, z. B. unter Nut-
zung der neuen Schulungsmaterialien von transfer e. V. und dem Bundes-
Forum Kinder- und Jugendreisen e. V., um Kinder und Jugendliche zu sensi-
bilisieren, vor Übergriffen zu schützen und möglichen interkulturellen Kon-
flikten vorzubeugen;

● zu prüfen, inwieweit der Aufbau einer Internetplattform „Jugendtourismus
in Deutschland“ unterstützt werden kann;

● sich bei der Kultusministerkonferenz dafür einzusetzen, dass der Schüleraus-
tausch zwischen Deutschland und den Partnerstaaten nach Möglichkeit inten-
siviert wird, dass für den Schulaufenthalt in Deutschland international stärker
geworben wird und dass das im Ausland erworbene schulische Wissen, die
Abschlüsse und Kompetenzen in höherem Umfang angerechnet werden.
Zielsetzung sollte sein, dass Auslandsjahre deutscher Schüler mit Schul-
besuch im Ausland für die deutsche Schulzeit anerkannt werden;

● sich dafür einzusetzen, dass bei der Fortentwicklung von jugendtouris-
tischen Angeboten auch die Vernetzung von Freizeiteinrichtungen, Jugend-
hilfe und Schulen einbezogen wird („Bildungscamps“);

● gegenüber den Bundesländern anzuregen, das Projekt „Schulwandern – Stark-
machen für mehr Bewegung und nachhaltige Naturerlebnisse“, das als zwei-
jähriges Projekt des Verbandes Deutscher Gebirgs- und Wandervereine e. V.
von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert wird und als offizielles
Projekt der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgezeich-
net wurde, in die Programme von Klassenfahrten einzubeziehen;

● an geeigneter Stelle auf die Einsatzmöglichkeiten des neuen Bundesfreiwil-
ligendienstes in jugendtouristischen Einrichtungen hinzuweisen.

Berlin, den 24. Januar 2012

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

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