BT-Drucksache 17/8377

Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung der privaten Weiterveräußerung unkörperlicher Werkexemplare

Vom 18. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8377
17. Wahlperiode 18. 01. 2012

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak, Jan Korte, Agnes Alpers,
Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, Caren Lay, Frank
Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung der privaten Weiterveräußerung
unkörperlicher Werkexemplare

A. Problem

Es ist rechtlich ungeklärt, ob Verbraucherinnen und Verbraucher, die Musik,
Filme, Bücher oder Computerspiele als Download im Internet kaufen, berechtigt
sind, die entsprechenden Dateien im Rahmen des privaten Gebrauchthandels
weiterzuverkaufen. Obwohl einer Weiterveräußerung von Immaterialgütern
keine gesetzliche Bestimmung explizit im Wege steht, enthalten die allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGB) von Downloadshops in aller Regel Formulie-
rungen, die dies ausdrücklich ausschließen. Zwar hat sich in verschiedenen Fäl-
len gezeigt, dass entsprechende Klauseln einer gerichtlichen AGB-Kontrolle
nicht standhalten, doch bleibt die Rechtslage für den einzelnen Betroffenen un-
überschaubar. Verbraucher, die unbedarft Mediendateien als „Gebrauchtware“
weiterverkaufen, müssen derzeit befürchten, von den Inhabern der an den
betroffenen Werken bestehenden Urheber- und Leistungsschutzrechte auf
Unterlassung und Schadensersatz verklagt zu werden (vgl. www.frag-einen-
anwalt.de/ebook-versteigert---Reaktion-auf-Abmahnung--__f10957.html).

Verbrauchern ist jedoch häufig gar nicht bewusst, dass die Medienprodukte, die
sie per Download in unkörperlicher Form erwerben, gegebenenfalls weniger
wert sind als körperliche Werkexemplare, also im Laden gekaufte CDs oder ge-
druckte Bücher. Denn während ein Buch oder eine CD, die der Besitzer nicht
mehr benötigt, jederzeit gebraucht weiterveräußert werden kann, um einen
wirtschaftlichen Restwert zu realisieren, ergeben sich für den Secondhand-
handel mit Dateien unerwartete Schwierigkeiten. Aufgrund der unklaren
Rechtslage lassen Onlineshops wie eBay einen entsprechenden Handel schon
von vornherein nicht zu (bezeichnenderweise fällt Dateihandel bei eBay von
vornherein in die Kategorie „Bootlegs“: http://pages.ebay.de/help/policies/
bootlegs.html). Während ein Musikfreund jederzeit seine CD-Sammlung, ein
Bücherliebhaber nach Gutdünken seine Bibliothek gebraucht verkaufen darf,
werden die Besitzer digitaler Güter daran gehindert.

Dies ist erstaunlich, da es sich beim Verkauf von Medienprodukten auf dem
Wege des Internetdownloads lediglich um eine neue Vertriebsform handelt, die
den Verkauf von körperlichen Gütern in einem Laden zunehmend ersetzt. Es ist
deshalb für Verbraucher überraschend und nicht nachvollziehbar, warum sie
über das erworbene Eigentum nicht in gleicher Weise verfügen können sollten
wie über Eigentum an körperlichen Werkexemplaren.

Drucksache 17/8377 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

B. Lösung

Es wird eine gesetzliche Weiterveräußerungsbefugnis für unkörperliche Werk-
exemplare ins Urheberrechtsgesetz aufgenommen.

C. Alternativen

Keine, wenn die aktuelle Rechtsunsicherheit und Ungleichbehandlung von
Käufern analoger und digitaler Medien aufgehoben werden soll.

D. Kosten

Keine.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8377

Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung der privaten Weiterveräußerung
unkörperlicher Werkexemplare

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Urheberrechtsgesetzes

Das Urheberrechtsgesetz in der Fassung der Bekannt-
machung vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273), das zu-
letzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach § 17 folgende Angabe
eingefügt:

„§ 17a Weiterveräußerung von Werkexemplaren“.

2. Nach § 17 wird folgender § 17a eingefügt:

㤠17a
Weiterveräußerung von Werkexemplaren

(1) Vervielfältigungsstücke des Werkes, die vom Berech-
tigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen
Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr ge-
bracht wurden, dürfen vom rechtmäßigen Erwerber weiter-
veräußert werden, soweit dieser keine weitere Vervielfäl-
tigung des veräußerten Werkexemplars zurückbehält.

(2) Das Recht zur Weiterveräußerung kann nicht vertrag-
lich abbedungen werden. Eine öffentliche Zugänglichma-
chung von Vervielfältigungsstücken des Werkes durch den
Erwerber ist nicht zulässig.“

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in
Kraft.

Berlin, den 18. Januar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Drucksache 17/8377 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

I. Erschöpfungsgrundsatz

Das in § 17 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) geregelte
Verbreitungsrecht regelt die Befugnis des Rechteinhabers,
Vervielfältigungsstücke seines Werks in Verkehr zu bringen.
Es handelt sich hierbei um ein Ausschließlichkeitsrecht, das
seine Grenze jedoch am sogenannten Erschöpfungsgrund-
satz findet. Dieser ist auf EU-Ebene in verschiedenen Richt-
linien geregelt (Vermiet- und Verleihrechts-Richtlinie 92/
100/EWG, Artikel 9 Absatz 2, Computerprogramm-Richt-
linie 91/250/EWG, Artikel 4c, Infosoc-Richtlinie 2001/29/
EG, Artikel 4 Absatz 2). Sofern der Urheber ein körperliches
Exemplar seines Werks in Verkehr gebracht hat (oder einem
Dritten dies genehmigt hat), erschöpft sich mit diesem Akt
sein Recht, die weitere Verbreitung zu kontrollieren. Die ent-
sprechenden Werkstücke können mithin innerhalb der Euro-
päischen Union frei gehandelt werden. Dies bezieht sich
auch auf Gebrauchthandel. Die Regelung steht im Einklang
mit den Bestrebungen der Gemeinschaft, einen möglichst
reibungslosen innereuropäischen Warenhandel zu ermög-
lichen. Der Urheber bzw. Rechteinhaber soll, nachdem er
sein Werk einmal „auf den Markt geworfen“ hat, nicht mehr
die Möglichkeit haben, dessen weitere Verbreitung etwa von
der Zahlung von Urheberrechtsvergütungen abhängig zu
machen.

Allerdings gilt dies nach herrschender Meinung nur für kör-
perliche Werkexemplare, also für Musik-CDs, Bücher oder
Softwaredatenträger, nicht jedoch für unkörperliche Me-
dienprodukte, also Dateien. Dies hat nicht zuletzt darin sei-
nen Grund, dass Dateien per definitionem nicht „verbreitet“
werden und folglich auch nicht „weiterverbreitet“ werden
können. Wird ein Werk nicht in körperlicher Form, sondern
beispielsweise als Download vertrieben, handelt es sich von
vornherein nicht um eine Verbreitung, sondern hier ist das
Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a) betrof-
fen. Folglich kann auch keine Weiterverbreitung stattfinden.
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung jedoch er-
schöpft sich nicht, die Nutzung ist genehmigungspflichtig.
„Die Online-Übertragung stellt keine Verbreitung dar, son-
dern ist ein Recht der öffentlichen Wiedergabe“, schreibt
auch Gerhard Schricker in seinem Urheberrechtskommentar
(Schricker/Loewenheim, Urheberrecht Kommentar, 4. Aufl.
2010, § 17, Rn. 45).

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob daraus ge-
schlossen werden muss, dass die Verkehrsfähigkeit unkör-
perlicher Werkstücke grundsätzlich eingeschränkt sein soll,
nämlich abhängig von der Genehmigung des Rechtein-
habers. Oder ob in Fällen, in denen der unkörperliche Ver-
trieb lediglich traditionelle Vertriebsformen ersetzt, von
einer Analogie körperlicher und unkörperlicher Werkexem-
plare auszugehen ist. Hierüber gehen die Meinungen aus-
einander (vgl. Berger, GRUR 2002, S. 198/199; Dreier,
ZUM 2002, S. 28/32; Dreier/Schulze-Dreier, § 19a, Rn. 11;
Hoeren, MultiMedia und Recht 2000, S. 515/517; Knies,
GRUR Int. 2002, S. 314 ff. passim; Spindler, GRUR 2002,
S. 105/110; Wandtke/Bullinger-Grützmacher, § 69c, Rn. 31;
Kröger, CR 2001; S. 316/318; Fromm/Nordemann-

Dustmann, § 19a, Rn. 29; Mäger, CR 1996, S. 522/524 ff.;
Linnenborn, K&R 2001, S. 394/395; Koch, GRUR 1997,
S. 417/425 ff.; Koehler, Der Erschöpfungsgrundsatz im On-
line-Bereich, Dissertation 2000, S. 167 ff. Anderer Auffas-
sung Jaeger, Der Erschöpfungsgrundsatz im neuen Urheber-
recht, in Hilty, Reto/Peukert, Alexander (Hrsg.), Interessen-
ausgleich im Urheberrecht, Baden-Baden 2004, S. 47 ff.;
Schricker-Loewenheim, § 17, Rn. 37; Fromm/Nordemann-
Czychowski, § 69c, Rn. 17; Schricker/v. Ungern-Sternberg,
§ 19a, Rn. 6; Schricker/Loewenheim, § 69c, Rn. 34). Befür-
worter einer analogen Anwendung des Erschöpfungsgrund-
satzes argumentieren mit dem gleich gelagerten Interesse der
Käufer sowie dem grundsätzlichen Interesse des Gesetz-
gebers an einem freien Markt. Skeptiker verweisen auf den
Erwägungsgrund 29 der Infosoc-Richtlinie 2001/29/EG, wo
es wörtlich heißt: „Die Frage der Erschöpfung stellt sich we-
der bei Dienstleistungen allgemein noch bei Online-Diens-
ten im Besonderen. Dies gilt auch für materielle Vervielfälti-
gungsstücke eines Werks oder eines sonstigen Schutzgegen-
stands, die durch den Nutzer eines solchen Dienstes mit Zu-
stimmung des Rechtsinhabers hergestellt worden sind. […]
Anders als bei CD-ROM oder CD-I, wo das geistige Eigen-
tum in einem materiellen Träger, das heißt einem Gegen-
stand, verkörpert ist, ist jede Bereitstellung eines Online-
Dienstes im Grunde eine Handlung, die zustimmungsbedürf-
tig ist, wenn das Urheberrecht oder ein verwandtes Schutz-
recht dies vorsieht.“

Es ist unschwer erkennbar, dass schon die europarechtlichen
Vorgaben unsicheres Terrain eröffnen. Einerseits ist aus dem
Erwägungsgrund 29 deutlich erkennbar, dass der Gesetz-
geber materielle Werkexemplare anders behandelt sehen
möchte als Onlinedienstleistungen. Andererseits unterschei-
det er nicht zwischen einem Onlinedienst als einem in urhe-
berrechtlicher Hinsicht zustimmungspflichtigen Angebot
und einer konkreten Datei als immateriellem Werkstück.
Auch erscheint die Logik der Formulierungen nicht schlüs-
sig: Im ersten Satz ist von einer Nichtanwendbarkeit des Er-
schöpfungsgrundsatzes auf Onlinedienste die Rede. Im
zweiten Satz wird diese Nichtanwendbarkeit jedoch aus-
drücklich auf materielle Werkstücke ausgedehnt. Demzu-
folge wäre der Erschöpfungsgrundsatz auf urheberrechtlich
geschützte Werke gar nicht anwendbar, ob sie nun körperlich
oder unkörperlich vertrieben werden.

Die Frage nach der analogen Anwendung des Erschöpfungs-
grundsatzes auf nichtkörperliche Werkstücke hat nicht nur
eine verbraucherpolitische, sondern auch eine handfeste
wirtschaftliche Bedeutung. Wenn heutzutage Lizenzen für
Computerprogramme an große Unternehmen verkauft wer-
den, möchten diese häufig ein und dasselbe Programm auf
zahlreichen Rechnern einsetzen. Statt unzählige CDs mit der
Post zu verschicken, verkaufen die Anbieter daher Volumen-
lizenzen, also mengenmäßig gestaffelte „Lizenzpakete“ von
beispielsweise 500, 1 000 oder 2 000 Arbeitsplatzlizenzen
eines Programms. Der Kaufpreis berechnet sich nach diesen
Paketen, es wird also nicht jede einzelne Lizenz bezahlt. Ent-
sprechend verfügen große Unternehmen häufig über über-
schüssige Volumenlizenzen, deren wirtschaftlichen Wert sie
durch einen Weiterverkauf zu realisieren versuchen. Doch

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/8377

auch bei der Einstellung einzelner Geschäftsbereiche eines
Unternehmens kann es sinnvoll erscheinen, die bislang ge-
nutzte Software „gebraucht“ weiterzuverkaufen. Hiervon
profitieren einerseits andere Wirtschaftsunternehmen, ande-
rerseits zahlreiche deutsche Städte und Gemeinden. Die
Firma usedSoft Gruppe, ein Marktführer in diesem Bereich,
zählt neben privaten Unternehmen nicht nur diverse Spar-
kassen zu ihren Kunden, sondern auch die Stadt München,
das Bundessozialgericht in Kassel, die Stadtverwaltung Bad
Salzuflen, die Datenzentrale Baden-Württemberg und wei-
tere 100 Kommunen (http://itnewsbyte.com/de/news/nws
153101,,.htm). Sie alle verstoßen aus Sicht der Rechteinhaber
möglicherweise gegen das Urheberrecht („Gebrauchte Pro-
gramme sind preiswert. Aber wenn die Original-Lizenz fehlt,
kann das Schnäppchen sehr teuer werden“, droht Microsoft:
http://microsoft.com/germany/gebrauchte-software/default.
mspx. Eine differenzierte Analyse der Rechtslage findet sich
beim Branchenverband BITKOM: http://bitkom.org/de/
themen/54834_45130.aspx. Beide betonen, für die Rechtmä-
ßigkeit der Weiterveräußerung seien nicht nur gesetzliche,
sondern auch vertragliche Bestimmungen entscheidend.).
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine entsprechende Ent-
scheidung kürzlich verschoben, um einzelne Fragen zu-
nächst vom Europäischen Gerichtshof klären zu lassen (vgl.
http://golem.de/1102/81170.html). Frühere Instanzen haben
in vergleichbaren Fällen uneinheitlich entschieden (LG
Hamburg: MultiMedia und Recht 2006, S. 827; OLG Mün-
chen: MultiMedia und Recht 2008, S. 601; OLG Frankfurt
am Main: ZUM-RD 2009, S. 541; LG München: Multi-
Media und Recht 2007, S. 328 ff. sowie MultiMedia und
Recht 2008, S. 563 ff.).

II. Eigentumsrechtliche Fragen

Letztlich läuft die Frage nach der Weiterveräußerbarkeit im-
materieller Werkstücke auf eine eigentumsrechtliche Frage
hinaus: Wird der Käufer einer Datei durch den Kauf zum
Eigentümer eines unkörperlichen Exemplars? Oder handelt
es sich um einen Lizenzvertrag, was bedeuten würde, dass
er kein Eigentum erwirbt, sondern sich lediglich bestimmte
Nutzungsrechte an einem Werk einräumen lässt? Bereits in
einem frühen Urteil hat der Bundesgerichtshof klargestellt,
dass es sich aus seiner Sicht bei dieser Art von Veräuße-
rungsvorgängen um Kaufverträge handelt. Beim Erwerb
eines Computerprogramms sei die Übergabe eines materiel-
len Datenträgers „nicht Endzweck des Rechtsgeschäfts“.
Vielmehr liegt im „Überspielen auf die Festplatte im Com-
puter des Käufers“ nach Auffassung des BGH „der eigent-
liche Endzweck des Kaufvertrages“. Der Verkäufer ver-
schaffe dem Käufer den „Besitz an der in einem Datenträ-
ger, nämlich der Festplatte eines Computers, verkörperten
Programmkopie.“ Entsprechend schlussfolgert das Gericht,
es handle sich „bei gleichem wirtschaftlichem Endzweck“
um einen Kaufvertrag, sodass „die entsprechende Anwen-
dung der Vorschriften“ für solche Verträge zu gelten habe
(BGH, NJW 1990, S. 320/321).

Dieser klaren Wertung steht die gegenwärtig übliche Praxis
der Onlineanbieter entgegen, ihre Verträge mit End-
verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen als
Lizenzverträge auszugestalten. Häufig wird in solchen
Geschäftsbedingungen sogar ausdrücklich festgeschrieben,
dass der Kunde an den ihm zur Verfügung gestellten Dateien
kein Eigentum erwerbe, sondern lediglich Nutzungsrechte

(vgl. etwa http://libri.de/shop/action/magazine/5054/agbs.
html: „Libri.de verschafft dem Kunden an eBooks und Audio-
dateien kein Eigentum. Der Kunde erwirbt ein einfaches,
nicht übertragbares, vor vollständiger Zahlung der Lizenz-
gebühr widerrufliches Recht zur Nutzung des angebotenen
Titels für den persönlichen Gebrauch.“).

Hierdurch wird dem Kunden suggeriert, es handele sich
nicht um ein Veräußerungsgeschäft, sondern um einen Ur-
heberrechtsvertrag. Dies erscheint abwegig, da das Interesse
des Kunden in einem Erwerb der Inhalte besteht, für deren
bestimmungsgemäße Benutzung er keiner Nutzungsrechte
bedarf. Das Anhören von Musik, das Lesen von E-Books
oder das Anschauen von Filmen ist grundsätzlich urheber-
rechtsfrei. Auch der Erwerb eines einfachen Nutzungsrechts
ist hierfür nicht erforderlich. Die Verwertungsrechte knüp-
fen „nicht an den Werkgenuss selbst an, sondern an die dem
Werkgenuss vorgelagerten und ihn ermöglichenden Nut-
zungshandlungen. Die Benutzung durch den Endverbrau-
cher wird als solche – anders als bei den technischen
Schutzrechten – von den Verwertungsrechten grundsätzlich
nicht erfasst […]“ (Urheberrechtskommentar Schricker,
§ 15, Rn. 11). Sofern überhaupt Urheberrecht tangiert ist,
weil etwa technisch bedingt Kopien des Werks erstellt wer-
den müssen, um es überhaupt wahrnehmen zu können, bei-
spielsweise durch Anzeige auf einem Bildschirm, sind diese
durch Schrankenregelungen privilegiert und daher zustim-
mungsfrei möglich. Grundsätzlich ist also für den Kauf
einer Film-, Musik-, Text- oder Softwaredatei kein Erwerb
von Nutzungsrechten vonnöten. Er dient in der Regel ledig-
lich dazu, die Rechte des Verbrauchers im Umgang mit dem
von ihm erworbenen Eigentum über das gesetzlich vorgege-
bene Maß hinaus einzuschränken.

Insbesondere die Möglichkeit, Dateien weiterzuverkaufen,
wird in der Regel vertraglich abbedungen. Zwar unterliegen
entsprechende Verträge grundsätzlich der AGB-Kontrolle
nach § 307 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Für den
einzelnen Verbraucher bedeutet dies jedoch, dass er in Er-
mangelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Weiterveräu-
ßerungsbefugnis nur auf dem Wege der individuellen Klage
Klarheit über seine tatsächlichen Rechte erlangen kann. Wie
eine Klage des Bundesverbands Verbraucherzentrale gegen
iTunes zeigt, können sich entsprechende Prozesse jahrelang
hinziehen. (Das Landgericht Berlin entschied zunächst ge-
gen die Möglichkeit eines Weiterverkaufs, vgl. MultiMedia
und Recht 2010, S. 46 f. Der Fall ist in der Berufung vor dem
Kammergericht anhängig.) Hinzu kommt, dass die entspre-
chenden Vertragsgestaltungen für Verbraucher häufig so in-
transparent sind, dass Letzteren die Problematik zum Zeit-
punkt des Kaufes gar nicht bewusst wird. Verbraucher, die
Musikstücke in Form von mp3-Dateien erwerben, sind sich
häufig nicht darüber im Klaren, dass sie im Zuge des
Erwerbs meist Vertragsbedingungen zustimmen, die sie im
Umgang mit dem erworbenen Gut schlechter stellen, als
wenn sie eine CD im Laden gekauft hätten. Eine gesetzliche
Klarstellung scheint hier im Interesse der Rechtssicherheit
aller Handelsteilnehmer dringend erforderlich.

III. Abgrenzung zu den Interessen der Rechteinhaber

Es ist anzumerken, dass das „geistige Eigentum“ des Urhe-
bers bzw. des Inhabers abgeleiteter Rechte durch die bloße
Weiterveräußerung einer legal erworbenen Datei nicht tan-
giert ist. Die Weiterveräußerung berührt schon deshalb kei-

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nerlei Ausschließlichkeitsrechte des Urhebers, da das „geis-
tige Eigentum“ am Werk besteht, nicht am Werkexemplar.
Das Werk als geistig-ästhetische Ausdrucksform ist grund-
sätzlich immaterieller Natur und sowohl von körperlichen
als auch von unkörperlichen Werkexemplaren zu unter-
scheiden („Gegenstand des subjektiven Urheberrechts ist
das Werk als immaterielle Wesenheit. […] Wer z. B. ein
Buch erwirbt, wird Eigentümer des Werkstücks, aber er er-
hält kein Recht, von dem darin verkörperten Werk seiner-
seits eine Ausgabe zu veranstalten; dies steht dem Inhaber
der entsprechenden urheberrechtlichen Befugnis zu“,
schreibt Schricker in der Einleitung zu seinem Urheber-
rechtskommentar, Rn. 29. Entsprechend erwirbt natürlich
auch der Käufer eines E-Books kein Recht, Verfilmungen
des darin verkörperten Werks zu autorisieren oder gedruckte
Ausgaben davon in den Handel zu bringen.). Die Komposi-
tion einer Sinfonie, geistiges Eigentum ihres Urhebers, ist
mit dem Exemplar der Notenblätter ebensowenig identisch
wie mit einer elektronischen Ausgabe dieser Notenblätter in
Dateiform. Allein aus der Tatsache, dass Werkstücke heut-
zutage in unkörperlicher Form, also als Dateien, vertrieben
werden, darf nicht auf eine Identität des Werkexemplars mit
dem Werk als geistige Schöpfung geschlossen werden.
Durch die Befugnisse des Verbrauchers, über das gekaufte
Eigentum frei zu verfügen, ist entsprechend die Freiheit des
Urhebers, über sein geistiges Eigentum zu verfügen, von
vornherein nicht beeinträchtigt.

Anders als häufig argumentiert, berührt die Schaffung einer
eindeutigen Möglichkeit der Weiterveräußerung auch nicht
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a
UrhG, da eine Weitergabe an den Zweiterwerber des Guts
auf dem Wege der Punkt-zu-Punkt-Übertragung möglich ist.
Der Verkäufer einer „gebrauchten“ Datei kann diese zum
Beispiel per Mail an einen Käufer übertragen. Eine E-Mail-
Übertragung an einen einzelnen Empfänger ist keine öffent-
liche Zugänglichmachung. Es ist nicht erforderlich, dass der
Verkäufer die Datei zum öffentlichen Download bereitstellt,
was die Interessen der Rechteinhaber unverhältnismäßig be-
einträchtigen würde und deshalb im vorliegenden Formulie-
rungsvorschlag auch nicht vorgesehen ist.

Unbedenklich erscheint ferner die Notwendigkeit, zum
Zwecke der Übertragung eine Vervielfältigung der entspre-
chenden Datei vorzunehmen. Zwar kann argumentiert wer-
den, dass hiermit in das ausschließliche Vervielfältigungs-
recht des Urhebers und/oder Leistungsschutzberechtigten
eingegriffen wird. Doch kann eine solche Kopie durchaus
als Privatkopie im Sinne des § 53 UrhG gewertet und ent-
weder dem Verkäufer oder dem Käufer zugeschrieben wer-
den, sofern sie nicht ohnehin rein technisch bedingt und
flüchtig im Sinne von § 44a UrhG, mithin also zustim-
mungsfrei möglich ist. Allerdings scheint eine klare Be-
grenzung der Vervielfältigungsbefugnisse zu Zwecken des
Weiterverkaufs, wie sie durch die vorgeschlagene Regelung
erreicht würde, mit Rücksicht auf die Komplexität der urhe-
berrechtlichen Interessenlage angeraten. Der Billigkeit ei-
nes Interessenausgleiches entspricht es ferner, dem Verkäu-
fer abzuverlangen, dass er keine dauerhaft nutzbare Kopie
des verkauften Werkexemplars auf dem eigenen Rechner
behält. Andernfalls käme es zur Vermehrung der in Verkehr
gebrachten Vervielfältigungsstücke. Eine solche Intention
des Gesetzgebers ist auch aus dem Bemühen, eine freie Wa-
renzirkulation zu ermöglichen, nicht ablesbar.

Zu betonen ist ferner, dass durch die vorgeschlagene Rege-
lung mitnichten ein Verkauf beliebig vieler „Privatkopien“
ermöglicht wird. Vielmehr sind Kopien, die zum Zwecke ei-
nes Verkaufs hergestellt werden, grundsätzlich keine Privat-
kopien im Sinne des § 53 UrhG. Ein solcher Verkauf wäre
also ohnehin rechtlich nicht möglich. Auch ist das Recht zur
Herstellung von Vervielfältigungen im deutschen Urheber-
rechtsgesetz nicht durchsetzungsstark gegenüber techni-
schen Schutzmaßnahmen ausgestaltet, welche ihrerseits Ur-
heberrechtsschutz nach § 95a UrhG genießen. Rechteinha-
ber haben also unabhängig von einer Weiterveräußerungs-
befugnis bereits die Möglichkeit, die Herstellung beliebig
vieler Kopien zu verhindern.

Abschließend ist festzuhalten, dass mit dem hier unterbrei-
teten Vorschlag keine Erschöpfung von Verwertungsrechten
einhergeht. Weder das Verbreitungsrecht noch das Recht der
öffentlichen Zugänglichmachung ist tangiert.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Urheberrechtsgesetzes)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Erweiterung der Inhaltsübersicht um den neu einzufügenden
§ 17a des Urheberrechtsgesetzes.

Zu Nummer 2 (Einfügung § 17a)

Bei der Formulierung handelt es sich um die Abwandlung
eines Vorschlags von Till Kreutzer, der in einem Gutachten
des Bundesverbands Verbraucherzentrale ausführlich vorge-
stellt und begründet wurde („Verbraucherschutz im Urhe-
berrecht. Vorschläge für eine Neuordnung bestimmter As-
pekte des geltenden Urheberrechts auf Basis einer Analyse
aus verbraucherschutzrechtlicher Sicht“, Studie, erstellt im
Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, April
2011, http://irights.info/userfiles/2011-05-03_Verbraucher-
schutz_im_Urheberrecht.pdf). Da die Erschöpfung materiel-
ler Werkexemplare europaweit geregelt ist, muss die vorge-
schlagene Neuregelung an diese territoriale Beschränkung
anknüpfen. Das Verbot, bei erfolgtem Verkauf dennoch ein
Vervielfältigungsstück zurückzubehalten, zielt darauf ab,
dass die Zahl der in Verkehr gebrachten Werkstücke durch
die Weiterveräußerungsbefugnis nicht erhöht werden soll.
Absatz 2 ist den Erfahrungen mit Allgemeinen Geschäfts-
bedingungen von Onlineanbietern geschuldet. Es hat sich
gezeigt, dass Verbraucherrechte, welche nicht „vertrags-
fest“, also unabdingbar ausgestaltet sind, in der Regel zu-
gunsten der Anbieter in für die Verbraucher zumeist nur
schwer durchschaubaren Vertragsklauseln abbedungen wer-
den. Das Instrument der AGB-Kontrolle erweist sich hier
als stumpfes Schwert, da das ökonomische Interesse des
Verbrauchers an einem Weiterverkauf einer einzelnen Me-
diendatei zu gering ist, um ihn dazu zu bewegen, einen zu-
grunde liegenden Vertrag auf eigenes Risiko gerichtlich
überprüfen zu lassen. Der letzte Satz dient der Verdeut-
lichung und der Abgrenzung zu § 19a.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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