BT-Drucksache 17/8217

Positionierung der Bundesregierung zu den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

Vom 16. Dezember 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8217
17. Wahlperiode 16. 12. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Bärbel Höhn, Cornelia Behm,
Harald Ebner, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Markus Tressel
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Positionierung der Bundesregierung zu den Legislativvorschlägen
der Europäischen Kommission zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

Die Europäische Kommission hat am 12. Oktober 2011 Legislativvorschläge für
die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union vor-
gelegt.

Im EU-Agrarrat laufen bereits die Beratungen über diese Verordnungsentwürfe.
Dabei vertritt das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz (BMELV) die Bundesregierung. Zu den Legislativvorschlägen
der Europäischen Kommission gibt es jedoch keine offiziell abgestimmte Posi-
tion der Bundesregierung. Die letzte abgestimmte Position der Bundesregierung
zur GAP-Reform stammt vom 31. März 2010, auf die am 31. Januar 2011 eine
Stellungnahme der Bundesregierung zur Mitteilung der Europäischen Kommis-
sion „Die GAP bis 2020: Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und ländliche
Gebiete – die künftigen Herausforderungen“ vom 18. November 2010 folgte.
Eine abgestimmte Position der Bundesregierung zu den nunmehr vorliegenden
konkreten Gesetzesvorschlägen der Europäischen Kommission liegt dagegen
nicht vor; gleichwohl verhandelt das BMELV im Rat intensiv über die Gesetzes-
vorschläge.

Die anstehende GAP-Reform ist für die Bäuerinnen und Bauern sowie für alle
in der Land- und Ernährungswirtschaft tätigen Menschen, für die Umwelt, für
den Tierschutz, für die Entwicklung der ländlichen Regionen sowie für die in-
ternationale Ernährungssouveränität von entscheidender Bedeutung.

Wir fragen die Bundesregierung:

Finanzierung

1. Ist die Bundesregierung der Überzeugung, dass der Haushaltsansatz der
Europäischen Kommission im mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die
Jahre 2014 bis 2020 für die Gemeinsame Agrarpolitik zu hoch ausgefallen
ist?
2. In welcher Höhe betrifft die Forderung der Bundesregierung zur Kürzung der
von der Europäischen Kommission im MFR 2014 bis 2020 geplanten Ausga-
ben auch die Ausgaben für die GAP?

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3. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die von ihr geforderte
Kürzung der von der Europäischen Kommission im MFR 2014 bis 2020 ge-
planten Ausgaben nicht die Mittel für die Entwicklung der ländlichen
Räume (2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik) und insbesondere nicht
die Agrarumwelt- und Tierschutzmaßnahmen betrifft?

Greening

4. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kommis-
sion, mindestens 30 Prozent der Direktzahlungen in der 1. Säule der GAP
unmittelbar an die Einhaltung konkreter ökologischer Standards zu binden?

5. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kommis-
sion, dass ein dabei einzuhaltender ökologischer Standard die Fruchtfolge
bzw. die Abwehr von Monokulturen sein soll, und wenn nein, warum nicht?

6. Ist die Bundesregierung dabei unserer Auffassung, dass zur Abwehr von
Monokulturen, zum Beispiel Maismonokulturen, als Standard gelten muss,
dass eine Frucht auf nicht mehr als 50 Prozent der betrieblichen Ackerflä-
che angebaut werden darf, es sei denn, der Betrieb kann einen jährlichen
Fruchtwechsel nachweisen, und wenn nein, warum nicht?

7. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kommis-
sion, als zweiten ökologischen Standard den Erhalt von Dauergrünland zur
Vermeidung weiteren Grünlandumbruchs einzuführen?

8. Ist die Bundesregierung dabei der Auffassung, dass der heute weiter fort-
schreitende Verlust von Dauergrünland sofort und wirksam gestoppt wer-
den muss und damit nicht auf die GAP-Reform gewartet werden kann und
deshalb ein in die Zukunft gesetztes Referenzjahr 2014 ungeeignet ist?

9. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kommis-
sion, als dritten ökologischen Standard eine Flächennutzung im besonderen
Umweltinteresse auf mindestens 7 Prozent der betrieblichen Ackerfläche
vorzusehen?

10. Welche „Flächennutzung im Umweltinteresse“ schlägt die Bundesregie-
rung vor?

11. Sieht die Bundesregierung den Anbau von Pflanzen zur Energieerzeugung
als eine „Flächennutzung im Umweltinteresse“ an?

12. Falls ja, zählt die Bundesregierung auch den Anbau von Raps, z. B. für die
Agrardieselerzeugung, den Anbau von Getreide oder Zuckerrüben für die
Ethanolerzeugung oder den Anbau von Mais oder Zuckerrüben für die
Biogaserzeugung dazu?

13. Sieht die Bundesregierung die Bewirtschaftungsform „Mulchsaatverfah-
ren“ als eine „Flächennutzung im Umweltinteresse“ an?

14. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es sinnvoll und erforderlich ist,
dass die nachgewiesenen Flächen mit einer „Flächennutzung im Umwelt-
interesse“ in räumlicher Nähe zum Sitz des landwirtschaftlichen Betriebes
liegen müssen, damit die ökologischen Vorrangflächen auch z. B. in aus-
geräumten Bördelandschaften Einzug halten?

15. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Betriebe des ökologischen
Landbaus schon dadurch, dass sie die Flächen ökologisch bewirtschaften,
die mit der Ökologisierungskomponente angestrebten ökologischen Leis-
tungen erfüllen, und es daher gerechtfertigt ist, dass anerkannte Betriebe des
ökologischen Landbaus den gesonderten Nachweis zur Einhaltung der öko-
logischen Standards nicht mehr extra erbringen müssen?

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16. Hält die Bundesregierung es für sinnvoll, den „Ansatz der Freistellung des
ökologischen Landbaus von den Greening-Verpflichtungen auch auf andere
Bereiche der Agrarumweltförderung in der 2. Säule“ auszuweiten, wie es
von Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz, Dr. Robert Kloos, laut dem BMELV-Ergebnis-
bericht auf dem EU-Agrarrat vom 14. bis 15. November 2011 vorgetragen
worden ist?

17. Wenn ja, welche Agrarumweltmaßnahmen der 2. Säule beinhalten nach
Ansicht der Bundesregierung zusammen die drei von der Europäischen
Kommission geforderten ökologischen Standards Fruchtfolge, Grünland-
erhalt und mindestens 7 Prozent ökologische Vorrangfläche auf der betrieb-
lichen Ackerfläche?

18. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass die Finanzmittel von der EU,
Bund und Bundesländern für die Agrarumweltmaßnahmen der 2. Säule in
Zukunft bei Weitem nicht ausreichen würden, wenn die Auszahlung von
Direktzahlungen in der 1. Säule an die Einhaltung von Agrarumweltmaß-
nahmen der 2. Säule gebunden würde?

19. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Bindung der Auszah-
lung von Direktzahlungen in der 1. Säule an die Einhaltung von Agrar-
umweltmaßnahmen der 2. Säule deutlich mehr bürokratischen Aufwand für
die Betriebe, für die Antragsverwaltung und für die Kontrollen mit sich
bringen würde als wenn der Vorschlag der Europäischen Kommission zur
Einführung der Ökologisierungskomponente bei den Direktzahlungen der
1. Säule umgesetzt würde?

20. Wenn nein, womit kann die Bundesregierung ihre Auffassung belegen?

21. Stimmt die Bundesregierung mit der Europäischen Kommission darin über-
ein, dass flächengroße Betriebe bzw. größere Begünstigte aufgrund ihrer
Betriebsgröße Skaleneffekte nutzen können und deshalb nicht denselben
einheitsbezogenen Stützungsumfang aus der Basisprämie benötigen wie
kleinere und mittlere Betriebe?

22. Welche Summe an Direktzahlungen wird im Rahmen der heutigen Modu-
lation in den Jahren 2010 und 2013 in Deutschland bei den Betrieben ein-
behalten, die über 150 000 Euro (oder ersatzweise über 100 000 Euro) pro
Jahr und Betrieb erhalten?

23. Wie hoch veranschlagt die Bundesregierung die Summe der erwarteten
Kürzungen in Deutschland durch die von der Europäischen Kommission
vorgeschlagene Staffelung der Basisprämie ab 150 000 Euro pro Betrieb
und bei der Obergrenze von 300 000 Euro je Betrieb unter Berücksich-
tigung der betrieblichen Lohnkosten?

24. Wie viele deutsche Betriebe insgesamt sieht die Bundesregierung von dem
Vorschlag der Europäischen Kommission zur Einführung der genannten
Staffelung der Basisprämie unter Berücksichtigung der betrieblichen Lohn-
kosten betroffen?

25. Stimmt die Bundesregierung der Feststellung der Agrarministerkonferenz
von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2011 zu, dass der Wegfall der
gestaffelten Modulation (gestaffelte Verlagerung von Direktzahlungen aus
der 1. Säule in die 2. Säule) zusammen mit der geplanten Verringerung der
nationalen Direktzahlungsobergrenze in der 1. Säule dazu führt, dass „klei-
nere und mittlere Betriebe […] eine deutliche Kürzung erfahren“?

26. Liegen der Bundesregierung bereits Berechnungen vor, wie hoch die in
Frage 25 zitierte „deutliche Kürzung“ für Betriebe mit heutigen Direktzah-

lungen von bis zu 5 000 Euro bzw. bis zu 10 000 Euro ausfallen werden?

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27. Welchen Vorschlag hat die Bundesregierung – entsprechend der Aufforde-
rung der Agrarministerkonferenz vom 28. Oktober 2011 – entwickelt, um
diese Kürzungen bei kleineren und mittleren Betrieben auszugleichen?

28. Hält die Bundesregierung einen Ausgleich in Form eines gestaffelten Zah-
lungsaufschlags für die ersten 50 Hektar je Betrieb für machbar, oder hält
die Bundesregierung dafür Änderungen an den Legislativvorschlägen der
Europäischen Kommission für erforderlich?

Ländliche Entwicklung

29. Wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass der höhere Kofinan-
zierungssatz für Maßnahmen, die die im Health Check benannten soge-
nannten neuen Herausforderungen bedienen, auch in der neuen Finanzie-
rungsperiode ab 2014 beibehalten wird, und wenn nein, warum nicht?

30. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die fehlende Erhöhung der
Höchstsätze für Agrar- und Waldumweltmaßnahmen angesichts der stei-
genden Agrarpreise dazu führen wird, dass die Maßnahmen vor allem in
Gunstlagen nicht mehr angemessen honoriert werden können?

31. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Erweiterung der Hono-
rierung von Agrarumweltmaßnahmen um eine Anreizkomponente notwen-
dig ist, damit auch bei steigenden Agrarpreisen Agrarumweltmaßnahmen
umgesetzt werden?

32. Wird die Bundesregierung sich in den Verhandlungen dafür einsetzen, dass
eine solche Anreizkomponente für Agrarumweltmaßnahmen eingeführt
und in der Welthandelsorganisation (WTO) durchgesetzt wird?

33. Wann wird der Prozess zur Erarbeitung des sogenannten Partnerschaftsver-
trags zwischen EU und Deutschland beginnen, und welche Akteure werden
wann in den Prozess einbezogen?

Exporterstattungen

34. Auf welche veränderten Rahmenbedingungen bezieht sich die Aussage von
Bundesministerin Ilse Aigner in „DER SPIEGEL“ (Nr. 49/5.12.11), „Ex-
portsubventionen passen nicht mehr in die Zeit“?

35. Ist die Bundesministerin Ilse Aigner der Auffassung, dass der Export der
Hühner- und Schweinefleisch aus deutscher Massentierhaltung in Entwick-
lungsländer noch „in die Zeit“ passt?

36. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die EU-Exporterstattungen
in Entwicklungsländern vielfach negative Auswirkungen auf lokale Märkte
und die Ernährungslage hatten und haben?

37. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass allein die EU-Exporterstattun-
gen für die negativen Effekte deutscher und europäischer Fleischexporte
auf lokale Märkte in Afrika verantwortlich sind, und wenn nein, welche
weiteren Gründe für diese negativen Effekte sieht die Bundesregierung?

38. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die Exportinitiative des
BMELV negative Auswirkungen auf lokale Märkte und die Ernährungs-
sicherheit in Entwicklungsländern hat?

39. Wenn Frage 36 mit nein beantwortet wurde, welche anderen Gründe haben
die Bundesministerin Ilse Aigner dazu veranlasst, ein Ende der Exportsub-
ventionen zu fordern?

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40. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Vorgehen der Bundes-
ministerin Ilse Aigner, öffentlich den einseitigen Ausstieg aus den Export-
subventionen anzukündigen, dem Ziel einer weltweiten Abschaffung
solcher Subventionen dienlich ist?

41. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Verhandlungsposition
Deutschlands und der EU in der Doha-Runde durch den von der Bundes-
ministerin Ilse Aigner angekündigten einseitigen Verzicht auf Exporterstat-
tungen gestärkt wird, und wenn ja, warum?

42. Vertritt die Bundesregierung weiterhin die folgende auf der Homepage des
BMELV veröffentlichte Auffassung zur Frage der EU-Exporterstattungen:
„Solange wichtige Konkurrenten auf dem Weltmarkt allerdings unverändert
Agrarexporte subventionieren, würde ein einseitiger und grundsätzlicher
Verzicht darauf bedeuten, dass andere Weltmarktexporteure diese Lücke
füllen. Dies würde den Erzeugern in den Entwicklungsländern nicht helfen,
für die EU aber einen Verzicht auf Marktanteile im internationalen Wett-
bewerb zugunsten dieser Wettbewerber bedeuten.“?

43. Wenn nein, welche neuen Erkenntnisse haben die Bundesregierung dazu
veranlasst, ihre bisherige Auffassung zu ändern?

44. Wenn Frage 42 mit ja beantwortet wurde, wie erklärt dann die Bundesregie-
rung den von der Bundesministerin Ilse Aigner angekündigten einseitigen
Ausstieg aus den Exporterstattungen?

Berlin, den 16. Dezember 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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