BT-Drucksache 17/82

Transparenz und Aufklärung über deutsche Rüstungsexporte

Vom 25. November 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/82
17. Wahlperiode 25. 11. 2009

Kleine Anfrage
der AbgeordnetenPaul Schäfer (Köln), Jan vanAken, AnnetteGroth, HeikeHänsel,
Andrej Hunko, Harald Koch, Ulla Lötzer, Niema Movassat, Alexander Ulrich
und der Fraktion DIE LINKE.

Transparenz und Aufklärung über deutsche Rüstungsexporte

Obwohl das Kriegswaffenkontrollgesetz, die „Politischen Grundsätze der Bun-
desregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“
sowie der EU-Verhaltenskodex zu Waffenausfuhren die Bundesregierung auf
eine restriktiveRüstungsexportpolitik verpflichten, gehört Deutschland nachwie
vor zu den weltweit größten Rüstungsexporteuren. Gleichzeitig kommt die Bun-
desregierung nur schleppend Vorgaben nach, über deutsche Rüstungsexporte
transparent und überprüfbar zu berichten. Eine solche Berichterstattung ist aber
eine wesentliche Voraussetzung dafür, überprüfen zu können, ob eine restriktive
Genehmigungs- und Exportpolitik vorliegt.

Eine zeitnahe parlamentarische und öffentliche Debatte über die 2008 geneh-
migten und gelieferten deutschen Rüstungsgüter ist erneut nicht möglich. Die
Bundesregierung wird aller Voraussicht nach erst Ende des Jahres den Bericht
der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter
(Rüstungsexportbericht) für das Vorjahr dem Deutschen Bundestag und der
Öffentlichkeit vorlegen. Bis heute weigert sich die Bundesregierung zudem, die
statistische Erfassung der realen Exporte von allen Rüstungsgütern gemäß der
Ausfuhrliste Teil 1A zu gewährleisten. Darüber hinaus fehlte bislang seitens der
jeweiligen Bundesregierung weitgehend die Bereitschaft, über die Minimalvor-
gaben der im europäischen Rahmen vereinbarten Mindeststandards für die Jah-
resberichte hinaus alle verfügbaren Informationen in den jährlichen Rüstungsex-
portberichten zusammenzutragen, wie z. B. Informationen über gewährte Her-
mes-Bürgschaften oder die Empfänger von allen Kleinwaffen und leichten Waf-
fen inklusive Sport- und Jagdwaffen, eine detailliertere Berichterstattung über
Sammelausfuhrgenehmigungen oder Allgemeingenehmigungen. Die Empfän-
ger bleiben imDunkeln. Gleiches gilt für die Abgabe vonWehrmaterial aus Bun-
deswehrbeständen an andere Staaten bzw. Streitkräfte soweit diese nicht vom
Waffenregister der Vereinten Nationen erfasst werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die öffentliche Teilhabe und
die Nachvollziehbarkeit der Genehmigungspraxis für Rüstungsgüter Be-
standteile einer effektiven und demokratischen Rüstungskontrollpolitik sind
und die Glaubwürdigkeit der deutschen Rüstungsexportpolitik stärken?

a) Wenn ja, wie wird dies von der Bundesregierung durch die jetzige Praxis
gewährleistet?

b) Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/82 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Welche Gründe sprechen nach Auffassung der Bundesregierung gegen eine
zeitnahe Veröffentlichung des Rüstungsexportberichts zum Berichtszeit-
raum im folgenden ersten Halbjahr?

3. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass eine effektive Kontrolle
des Rüstungsexports auch davon abhängt, den realen Exportwert der geneh-
migten Rüstungsgüter zu erfassen, um über die tatsächliche Verbreitung
deutscher rüstungstechnologischer Produkte informiert zu sein?

Wenn nein, warum nicht?

4. WelcheMaßnahmenwird die Bundesregierung ergreifen, um auch die realen
Ausfuhren von Rüstungsgütern der Ausfuhrliste Teil 1A statistisch zu erfas-
sen?

5. Welcher wertmäßige Prozentanteil der zwischen 2004 und 2008 jeweils be-
antragten Genehmigungen für Rüstungsexporte führte nach Kenntnis der
Bundesregierung zu tatsächlichen Ausfuhren von Kriegswaffen und sonsti-
gen Rüstungsgütern (bitte nach Jahren aufgeschlüsselt)?

6. Wie viele der in diesen Jahren jeweils erteilten Genehmigungen wurden je-
weils genutzt?

7. Wie viele Genehmigungen für Kriegswaffen gemäß der Kriegswaffenliste B
wurden zwischen 2004 und 2008 jeweils erteilt, und wie viele dieser Geneh-
migungen führten zu tatsächlichen Ausfuhren dieser Kriegswaffen (bitte
nach Jahren aufgeschlüsselt)?

8. Plant die Bundesregierung eine Überarbeitung der „Politischen Grundsätze
der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen
Rüstungsgütern“?

9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Öffentlichkeit einen An-
spruch darauf hat, zu erfahren, für welche Vorhaben die Bundesregierung in
Form von Bürgschaften Steuergelder zusagt, und wenn nein, warum nicht?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Steuerzahler einen An-
spruch darauf hat, zu erfahren, für welche Geschäfte Exportbürgschaften ge-
währt werden?

a) Wenn ja, wie kommt die Bundesregierung diesemAnspruch in Bezug auf
Bürgschaften für Rüstungsexportgeschäfte nach?

b) Wenn nein, warum nicht?

11. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung bislang darauf verzichtet,
die staatlichen Bürgschaften und Kredite für Rüstungsexporte z. B. in den
Jahresberichten aufzuführen, und wird sie diese Praxis in Zukunft ändern?

12. Steht die Vergabe von Hermes-Bürgschaften, die für die Absicherung gegen
wirtschaftliche und politische Risiken in den Empfängerländern gedacht
sind, für Rüstungsexporte nach Auffassung der Bundesregierung im
Widerspruch zu den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den
Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“, die festhalten,
dass bei der Entscheidung über die Genehmigung des Exports von Kriegs-
waffen und sonstigen Rüstungsgütern auch berücksichtigt werden soll, ob
die nachhaltige Entwicklung des Empfängerlandes durch unverhältnis-
mäßige Rüstungsausgaben ernsthaft beeinträchtigt wird (Politische Grund-
sätze, Abschnitt III Nummer 6) und Exportgenehmigungen für Rüstungsgü-
ter nicht erteilt werden sollen, wenn die innere Lage des betreffenden Landes
dem entgegensteht (Politische Grundsätze, Abschnitt III Nummer 4)?

13. Wie viele Hermes-Bürgschaften für Rüstungsexportgeschäfte wurden
zwischen 2006 und 2008 genehmigt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahr, Geld-
wert, Empfängerland und Laufzeit der Bürgschaft bzw. des Kredits)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/82

14. In wie vielen Fällen und in welcher Höhe musste der Bund tatsächlich im
Rahmen von Hermes-Krediten zwischen 2006 und 2008 für finanzielle Aus-
fälle bzw. Schadensfälle bei Rüstungsexportgeschäften haften?

15. Welchen Wertanteil hatten Hermes-Bürgschaften für Rüstungsexportge-
schäfte zwischen 2006 und 2008 am jährlichen Gesamtwert neuer gewährter
Hermes-Bürgschaften (bitte nach Jahren und nach Art der Garantie aufge-
schlüsselt angeben)?

16. Wie viele Sammelausfuhrgenehmigungen (SAG) wurden in den Jahren
2004 bis 2008 beantragt und genehmigt (nach Jahren und Empfängerstaaten
bzw. multinationalen Programmbüros aufgeschlüsselt)?

17. Auf welche Posten der Ausfuhrliste 1A verteilten sich die SAG (aufge-
schlüsselt nach Jahr der Erteilung und Leitposten der Ausfuhrliste 1A)?

18. Welche Empfängerländer kommen für die Erteilung von Sammelausfuhr-
genehmigungen in Frage, und in welchen Fällen können Sammelausfuhr-
genehmigungen auch dann erteilt werden, wenn das Empfängerland weder
NATO- noch EU-Mitglied ist?

19. Wie begründet die Bundesregierung die Erteilung von Sammelausfuhr-
genehmigungen für Länder, für die solche Genehmigungen nicht erteilt
wurden?

20. Welche Gründe sprechen gegen eine detaillierte Auflistung der SAG und/
oder der gültigen und laufenden „Internationalen Gemeinschaftspro-
gramme“ im nächsten Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik
für konventionelle Rüstungsgüter?

21. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung einleiten, um die Trans-
parenz bei rüstungsexportrelevanten Sondergenehmigungen und Sonderver-
fahren, wie z. B. den SAG, den Komplementärgenehmigungen oder neuen
Verfahren gemäß der EU-Richtlinie zur Vereinfachung der Bedingungen für
die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern, zu ver-
bessern?

22. Welche Staaten haben 2008 welches Wehrmaterial aus Bundeswehrbestän-
den erhalten, und welche Einnahmen hat die Bundesregierung dabei erzielt
(bitte unter Angabe der Stückzahl)?

23. Mit welchen Staaten wurde 2008 die Überlassung von Wehrmaterial aus
Bundeswehrbeständen, inklusive der Ausstattungshilfe, vereinbart (bitte
unter Angabe des Wehrmaterials, der Stückzahl und gegebenenfalls des
Lieferpreises)?

24. Wie vieleAnfragen auswelchen anderen Staaten zurÜberlassung vonWehr-
material wurden 2008 abschlägig beschieden?

25. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung dagegen, die an
andere Staaten abgegebenen Rüstungsgüter aus Bundeswehrbeständen
detailliert in den Rüstungsexportbericht aufzunehmen?

26. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auch Sport- und Jagdwaffen
durch Modifikationen zu militärischen Kleinwaffen umgerüstet werden
können, und wenn ja, inwieweit wird dies bei der Verregelung, Genehmi-
gung, Erfassung und Kontrolle der Ausfuhren von Sport- und Jagdgewehren
sowie etwaiger Komponenten dafür berücksichtigt?

27. In welche Staaten wurden aus Deutschland im Jahr 2008 welche Sport- und
Jagdgewehre sowie Teile, Zubehör und Munition exportiert (bitte unter An-
gabe der Stückzahl und desWertes)?

Drucksache 17/82 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
28. Wie viele Kleinwaffen aus Beständen der Polizei wurden 2008 an Unter-
nehmen in Deutschland abgegeben bzw. verkauft oder in andere Staaten
exportiert?

29. Wie viele Genehmigungen für den Weiterexport von ehemals aus Deutsch-
land an andere Staaten gelieferte Rüstungsgüter hat die Bundesregierung
zwischen 2005 und 2008 erteilt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und unter
Angabe des Reexportlandes, des Empfängerlandes und der Klassifikation
des Rüstungsproduktes gemäß der Ausfuhrliste Teil 1A)?

30. In wie vielen Fällen hat die Bundesregierung zwischen 2004 und 2008 eine
solche Reexportgenehmigung verweigert (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren
und unter Angabe des Reexportlandes, des Empfängerlandes und der Klassi-
fikation des Rüstungsprodukts gemäß der Ausfuhrliste Teil 1A)?

Berlin, den 23. November 2009

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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