BT-Drucksache 17/8195

Ausgestaltung des Betreuungsgeldes

Vom 14. Dezember 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8195
17. Wahlperiode 14. 12. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Caren Marks, Petra Crone, Petra Hinz (Essen), Christel Humme,
Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Ute Kumpf, Franz Müntefering, Aydan Özog˘uz,
Thomas Oppermann, Sönke Rix, Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Stefan
Schwartze, Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Ausgestaltung des Betreuungsgeldes

Die Einführung eines Betreuungsgeldes ist Inhalt des Koalitionsvertrages zwi-
schen CDU, CSU und FDP. Durch einen Beschluss des Koalitionsausschusses
am 6. November 2011 hat die Regierungskoalition bekräftigt, eine solche Leis-
tung zum Jahr 2013 einzuführen und ihre Pläne teilweise konkretisiert. Die
Leistung soll für zwei- und dreijährige Kinder statt der Förderung in einer Kin-
dertageseinrichtung gezahlt werden. Das hat auch die zuständige Bundesminis-
terin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, in der
Plenardebatte am 9. November 2011 bestätigt und erläutert, dass das Betreu-
ungsgeld zunächst für das zweite Lebensjahr und ab 2014 dann auch für das
dritte Lebensjahr gezahlt werden soll.

Die geplante Einführung eines Betreuungsgeldes wird seit Monaten kontrovers
diskutiert. Kritik wird von Expertinnen und Experten aus sozial-, bildungs-,
integrations- und gleichstellungspolitischer Perspektive geäußert. Bedenken
bestehen auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit eines Betreuungsgeldes mit
den Artikeln 3 und 6 des Grundgesetzes (GG).

Zum Betreuungsgeld und dessen konkreter gesetzlicher Ausgestaltung ergeben
sich viele Fragen.

Wir fragen die Bundesregierung:

Allgemeine Fragen

1. Wann legt die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Einführung eines
Betreuungsgeldes vor (bitte Datum nennen)?

2. Wird derzeit bereits ein Referentenentwurf zwischen den Bundesressorts ab-
gestimmt?

3. Bis zu welchem Zeitpunkt sollen die Regelungen zur Einführung eines Be-
treuungsgeldes in Kraft treten (bitte Datum nennen)?
4. Hat die Bundesregierung zum Koalitionsausschuss am 6. November 2011
eine Kostenschätzung zur Einführung eines Betreuungsgeldes zugrunde ge-
legt?

Unter welchen Annahmen hat die Bundesregierung die Kosten geschätzt?

Drucksache 17/8195 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die jährlichen Kosten für die Ein-
führung eines Betreuungsgeldes (bitte detailliert erläutern für die Jahre
2013 und 2014 und die folgenden Jahre)?

6. Aus welchen Mitteln plant die Bundesregierung die Kosten für das Betreu-
ungsgeld zu finanzieren?

Ist eine Gegenfinanzierung im entsprechenden Einzelplan vorgesehen?

7. Falls die Bundesregierung keine Kostenschätzung zur Einführung eines
Betreuungsgeldes am 6. November 2011 zugrunde gelegt hat, worauf be-
zieht sich die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Dr. Kristina Schröder, wenn sie von einer „finanzierbaren Lösung“ im Hin-
blick auf das geplante Betreuungsgeld (Zitat: Plenardebatte am 9. Novem-
ber 2011) spricht?

8. Welche Zielsetzung verfolgt die Bundesregierung mit der Einführung eines
Betreuungsgeldes?

9. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff „Wahlfreiheit“ für Familien,
und welchen Stellenwert hat dabei für sie der konsequente Ausbau der Be-
treuungsinfrastruktur?

10. Geht die Bundesregierung davon aus, dass das Betreuungsgeld die Nach-
frage nach Angeboten der frühkindlichen Bildung in Kindertageseinrich-
tungen drosseln wird?

Wenn nein, warum nicht?

11. Teilt die Bundesregierung die Bedenken von Expertinnen und Experten,
dass durch eine später einsetzende frühkindliche Bildung außerhalb des
Elternhauses – insbesondere für Kinder aus benachteiligten Familien – eine
Verschärfung der immer noch vorherrschenden Bildungsungerechtigkeit in
Deutschland die Folge sein wird?

a) Wenn ja, mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung gegensteuern?

b) Wenn nein, auf welche Untersuchungen stützt die Bundesregierung ihre
Einschätzung?

12. Teilt die Bundesregierung die von Expertinnen und Experten geäußerten
Bedenken, dass ein Betreuungsgeld vor allem im unteren und mittleren
Einkommensbereich den Anreiz zur Aufnahme von Erwerbsarbeit – auch
vor dem Hintergrund bestehender Regelungen im Steuer- und Sozialver-
sicherungsrecht (z. B. Ehegattensplitting, Mitversicherung von Ehegatten
ohne eigenes Einkommen in der gesetzlichen Krankenversicherung) – ver-
ringere, und wenn nein, warum nicht?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Expertinnen und Experten,
die Einführung eines Betreuungsgeldes vergrößere die Gefahr von Alters-
armut insbesondere für Frauen, und wenn nein, warum nicht?

14. Bezieht die Bundesregierung das Ergebnis der EMNID-Umfrage vom 13. No-
vember 2011, wonach sich 80 Prozent der Bundesbürgerinnen und -bürger
dafür aussprechen, die für das Betreuungsgeld veranschlagten Mittel lieber
in den Ausbau der Kindertagesstätten zu investieren, in ihre weiteren Über-
legungen ein?

a) Wenn ja, wie?

b) Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8195

Verfassungsrechtliche Fragen

15. Prüft die Bundesregierung verfassungsrechtliche Fragen bei der Ausgestal-
tung eines Betreuungsgeldes, und wenn ja, um welche Fragen handelt es
sich dabei?

16. Liegen bereits Zwischenergebnisse oder Ergebnisse einer Prüfung von ver-
fassungsrechtlichen Fragen vor, und wenn ja, wie lauten diese?

17. Wurden beziehungsweise werden verfassungsrechtliche Fragen vom zu-
ständigen Verfassungsressort geprüft?

18. Wie bewertet die Bundesregierung die beiden Gutachten von Prof. Dr. Ute
Sacksofsky, M. P. A. (Harvard) mit dem Titel „Vereinbarkeit des geplanten
Betreuungsgeldes nach § 16 Abs. 4 SGB VIII mit Art. 3 und Art. 6 GG“
vom Oktober 2010 sowie von Prof. Dr. Margarete Schuler-Harms mit dem
Titel „Verfassungsrechtlich prekär“ von September 2010, wonach das Be-
treuungsgeld als nicht verfassungsgemäß bzw. verfassungsrechtlich be-
denklich eingestuft wird?

19. Prüft die Bundesregierung vom Verfassungsressort insbesondere die Frage,
ob eine neue familienpolitische Leistung danach ausgerichtet werden kann,
ob Kinder institutionell oder zu Hause bzw. anderweitig betreut werden?

20. Sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen dem geplanten Be-
treuungsgeld und dem Auftrag des Staates nach Artikel 6 Absatz 1 GG, wo-
nach er die Erziehungsleistung aller Eltern unabhängig von der Ausgestal-
tung der Kinderbetreuung fördern muss?

Wenn nein, warum nicht?

21. Sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen dem geplanten
Betreuungsgeld und der Gleichberechtigungsgarantie des Staates nach Ar-
tikel 3 Absatz 2 GG, wonach er die Gleichberechtigung von Frauen und
Männern fördern und bestehende Nachteile beseitigen muss?

Wenn nein, warum nicht?

Fragen zur Ausgestaltung

22. Soll das Betreuungsgeld auf Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften
Buch Sozialgesetzbuch angerechnet werden?

a) Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung dies?

b) Wenn nein, warum nicht?

23. Soll der Anspruch auf ein Betreuungsgeld ausschließlich dann bestehen,
wenn ein Kind unter drei Jahren nicht in einer Kindertageseinrichtung ge-
fördert wird, und wie begründet die Bundesregierung dies?

24. Soll der Anspruch auf ein Betreuungsgeld bestehen, wenn ein Kind in Kin-
dertagespflege gefördert wird, und wenn nein, wie begründet sie dies?

25. Soll der Anspruch auf ein Betreuungsgeld bestehen, wenn ein Kind unter
drei Jahren

a) durch private Anbieterinnen und Anbieter (z. B. Babysitter, „Kinderfrau“,
„Leih-Oma“ und „Leih-Opa“)

b) durch Au-pairs

betreut wird, und wenn ja, wie begründet die Bundesregierung dies?

Drucksache 17/8195 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
26. Soll die jeweilige Höhe des geplanten Betreuungsgeldes an den zeitlichen
Umfang der Betreuung des Kindes in einer Kindertageseinrichtung gekop-
pelt werden?

a) Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung dies?

b) Wenn ja, wie soll das Betreuungsgeld im Zusammenhang mit dem zeit-
lichen Umfang der Betreuung des Kindes ausgestaltet werden?

27. Soll die Erwerbstätigkeit der Eltern bzw. eines Elternteils ein Ausschluss-
kriterium für den Anspruch des Betreuungsgeldes sein?

Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung dies?

28. Soll das Betreuungsgeld an den Umfang der Erwerbsbeteiligung der Eltern
gekoppelt werden?

a) Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung dies?

b) Wenn nein, warum nicht?

29. Soll das Betreuungsgeld an eine bestimmte Einkommenshöhe gekoppelt
werden?

a) Wenn ja, wie wird diese ausgestaltet?

b) Wenn nein, warum nicht?

30. Soll das geplante Betreuungsgeld als Geldleistung ausgezahlt werden?

a) Wenn ja, warum?

b) Wenn nein, warum nicht?

31. Soll das Betreuungsgeld als Gutschein ausgezahlt werden?

a) Wenn ja, warum?

b) Wenn nein, warum nicht?

32. Soll das Betreuungsgeld in Form einer stärkeren Anerkennung von Kinder-
erziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden?

a) Wenn ja, warum?

b) Wenn nein, warum nicht?

33. Ist unabhängig vom Betreuungsgeld eine stärkere Anerkennung von Kin-
dererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung geplant?

a) Wenn ja, wie soll eine entsprechende Neuregelung ausgestaltet werden?

b) Wenn ja, wie hoch schätzt die Bundesregierung die dafür anfallenden Kos-
ten für den Bundeshaushalt?

34. Welche steuerrechtliche Behandlung des Betreuungsgeldes soll erfolgen?

Berlin, den 14. Dezember 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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