BT-Drucksache 17/8181

zu dem Grünbuch Überarbeitung der Richtlinie über Berufsqualifikationen KOM(2011) 367 endg., Ratsdok. 12111/11 - Drucksache 17/6985 Nummer A.31 -

Vom 14. Dezember 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8181
17. Wahlperiode 14. 12. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)

zu dem Grünbuch Überarbeitung der Richtlinie über Berufsqualifikationen
KOM(2011) 367 endg., Ratsdok 12111/11
– Drucksache 17/6985 Nr. A.31 –

A. Problem

Verbesserung der Anerkennung von Berufsqualifikationen, die in anderen Mit-
gliedstaaten der EU erworben worden sind. Die Freizügigkeit in der EU soll er-
leichtert und die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung vereinfacht
werden.

B. Lösung

Annahme einer Entschließung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unter Kenntnisnahme des Grünbuchs der
Kommission.

C. Alternativen

Annahme einer anderslautenden Entschließung oder Absehen von einer über
die Kenntnisnahme hinausgehenden Empfehlung.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 17/8181 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

In Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 17/6985 Nr. A.31 wolle der
Deutsche Bundestag beschließen, folgende Entschließung anzunehmen:

„I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Ein Thema, das vor allem auch angesichts der demografischen Entwicklung zu-
nehmend in den Fokus der gesundheits- und pflegepolitischen Debatte rückt, ist
die langfristige Sicherstellung der pflegerischen Versorgung der Menschen.
Hierin liegt daher auch ein Schwerpunkt der deutschen Gesundheitspolitik.

Angesichts der demografischen Entwicklung der Bevölkerung ist in den nächs-
ten Jahren mit einem steigenden Bedarf an Fachkräften in den Pflege- und Ge-
sundheitsberufen zu rechnen. Um dem zu befürchtenden Fachkräftemangel
vorzubeugen, sind Maßnahmen erforderlich, die sicherstellen, dass auch wei-
terhin eine ausreichende Zahl junger Menschen für die professionelle Pflege
begeistert werden kann und sich für eine Ausbildung in den entsprechenden
Heilberufen entscheidet.

a) Allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege

Im Rahmen des laufenden Evaluierungs- und Änderungsprozesses zur Richtli-
nie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September
2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom
30.9.2005, S. 22) wird unter anderem auch die Anhebung der schulischen An-
forderungen an den Zugang zur Ausbildung in der allgemeinen Gesundheits-
und Krankenpflege durch die EU von zehn auf zwölf Schuljahre diskutiert.
Angesichts der hohen Qualität der Ausbildung in den genannten Heilberufen
ist eine Anhebung der Zugangsvoraussetzungen nicht angezeigt. Würde eine
solche EU-Vorgabe umgesetzt, um sicherzustellen, dass die deutschen Ausbil-
dungen in der allgemeinen Krankenpflege weiterhin automatisch anerkannt
werden, würde zugleich der Kreis der potenziellen Bewerberinnen und Bewer-
ber erheblich eingeschränkt. Damit würden die Anstrengungen konterkariert,
die Deutschland weiter unternehmen muss, um dem Fachkräftemangel in der
Pflege vorzubeugen. Es ist daher erforderlich, an den bisherigen Zugangsvor-
aussetzungen eines zehnjährigen allgemeinen Schulabschlusses festzuhalten.

Als einer der größten Mitgliedstaaten der EU sollte die Bundesregierung ihren
Einfluss dafür nutzen, die bisher automatisch anerkannten Ausbildungen in der
allgemeinen Krankenpflege und zur Hebamme auf dem bisherigen Ausbil-
dungsniveau in der Berufsanerkennung der EU zu erhalten. Soweit sie sich mit
diesen Anliegen nicht durchsetzen kann, sollte sie die erforderlichen Maßnah-
men zur Abmilderung der Folgen ergreifen.

b) Hebammen

Der Fachkräftemangel wird sich nicht auf den Bereich der Gesundheits- und
Krankenpflege beschränken. Auch für den Beruf der Hebamme und des Entbin-
dungspflegers müssen junge Menschen gewonnen werden. Wie alle Heilberufs-
qualifikationen konkurriert er mit attraktiven Ausbildungen in anderen Berei-
chen innerhalb und außerhalb des Gesundheitswesens. Für den Hebammenbe-
ruf ist eine Anhebung der schulischen Zugangsvoraussetzungen genauso wenig
wie in der Krankenpflege angezeigt und wünschenswert.

c) Übergangsregelungen

Die deutschen Ausbildungen in der allgemeinen Gesundheits- und Kranken-

pflege und zur Hebamme sind bisher flächendeckend in der automatischen An-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8181

erkennung der oben genannten Berufsanerkennungsrichtlinie. Im Falle einer
Änderung der Richtlinie hält der Deutsche Bundestag Bestandsschutzregelun-
gen für angezeigt.

d) Auswirkungen auf das nationale Recht

Die Bundesregierung plant aktuell die Modernisierung der Ausbildungen in
den Pflegeberufen. Im Falle einer Änderung der Zugangsvoraussetzungen in
der Richtlinie wären Regelungen zu prüfen, die sicherstellen, dass Deutschland
auch weiterhin über eine EU-konforme Ausbildung in der allgemeinen Kran-
kenpflege verfügt. Entsprechende Regelungen sind aus Sicht des Deutschen
Bundestages auch für den Hebammenberuf zu prüfen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich im laufenden Evaluierungs- und Änderungsprozess der Richtlinie 2005/
36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005
über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30.9. 2005,
S. 22) auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass für die Ausbildungen im Bereich
der allgemeinen Krankenpflege die bisherigen Zugangsvoraussetzungen einer
zehnjährigen abgeschlossenen allgemeinen Schulausbildung für eine auto-
matische Anerkennung innerhalb der EU erhalten bleiben;

2. sich gleichermaßen für den Beruf der Hebamme und des Entbindungspfle-
gers einzusetzen;

3. im Zusammenhang mit der Modernisierung und Neuregelung der Ausbil-
dungen in den Pflegeberufen Regelungen zu prüfen, wie eine automatische
Anerkennung deutscher Krankenpflegeausbildungen gewährleistet werden
kann, wenn in der EU eine Anhebung der Zugangsvoraussetzungen be-
schlossen werden sollte.“

Berlin, den 14. Dezember 2011

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

Ernst Hinsken
Vorsitzender

Nadine Schön (St. Wendel)
Berichterstatterin

Drucksache 17/8181 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Nadine Schön (St. Wendel)

I. Überweisung

Das Ratsdokument 12111/11 wurde mit Überweisungs-
drucksache 17/6985 Nr. A.31 vom 13. September 2011 ge-
mäß § 93 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
dem für Wirtschaft und Technologie zur federführenden Be-
ratung und dem Ausschuss für Arbeit und Soziales, dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem
Ausschuss für Gesundheit sowie dem Ausschuss für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mit-
beratung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Vorlage auf
Drucksache 17/6985 Nr. A.31 in seiner 74. Sitzung am
21. September 2011 beraten und empfiehlt, diese zur Kennt-
nis zu nehmen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend hat die Vorlage auf Drucksache 17/6985 Nr. A.31 in
seiner 52. Sitzung am 9. November 2011 beraten und emp-
fiehlt diese zur Kenntnis zu nehmen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat die Vorlage auf Ratsdo-
kument 12111/11 in seiner 55. Sitzung am 9. November
2011 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. bei Stimm-
enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in
Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 17/6985 Nr.
A.31, die aus der Beschlussempfehlung ersichtliche Ent-
schließung anzunehmen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat die Vorlage auf Drucksache 17/6985
Nr. A.31 in seiner 54. Sitzung am 9. November 2011 bera-
ten und empfiehlt diese zur Kenntnis zu nehmen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Vorlage in seiner 56. Sitzung am 30. November abschließend
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. bei Stimmenthal-
tung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Kenntnis
der Unterrichtung auf Drucksache 17/6985 Nr. A.31 die An-
nahme der aus der Beschlussempfehlung ersichtlichen Ent-
schließung.
Berlin, den 14. Dezember 2011

Nadine Schön (St. Wendel)
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/8181

RAT DER
EUROPÄISCHEN UNION

Brüssel, den 24. Juni 2011 (27.06)
(OR. en)
12111/11
ETS 13
MI 333

ÜBERMITTLUNGSVERMERK
Absender: Herr Jordi AYET PUIGARNAU, Direktor, im Auftrag der Generalsekretärin der

Europäischen Kommission
Eingangsdatum: 23. Juni 2011
Empfänger: der Generalsekretär des Rates der Europäischen Union, Herr Pierre de BOISSIEU
Nr. Komm.dok.: KOM(2011) 367 endgültig
Betr.: Grünbuch

Überarbeitung der Richtlinie über Berufsqualifikationen
Die Delegationen erhalten in der Anlage das Kommissionsdokument KOM(2011) 367 endgültig.

Anl.: KOM(2011) 367 endgültig
12111/11 CHO/sm
DG C 1 A DE

Drucksache 17/8181 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

EUROPÄISCHE KOMMISSION

Brüssel, den 22.6.2011
KOM(2011) 367 endgültig

GRÜNBUCH

Überarbeitung der Richtlinie über Berufsqualifikationen

(Text von Bedeutung für den EWR)

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/8181

1. EINLEITUNG
EU-Bürger1, die ein breites Spektrum an freiberuflichen Dienstleistungen für Verbraucher und
Unternehmen erbringen, sind wesentliche Akteure in unserer Wirtschaft. In einem anderen
Mitgliedstaat eine Arbeitsstelle finden oder Dienstleistungen erbringen – das sind konkrete
Beispiele dafür, wie sie vom Binnenmarkt profitieren können. Seit langem herrscht Einigkeit
darüber, dass restriktive Regelungen in Bezug auf Berufsqualifikationen sich auf die Mobilität
ebenso hemmend auswirken wie die Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. So
wurde die Anerkennung von Qualifikationen, die in einem anderen Mitgliedstaat erworben
wurden, ein wesentlicher Baustein des Binnenmarktes. Wie in der Strategie Europa 20202 und
der Binnenmarktakte3 hervorgehoben wurde, ist die berufliche Mobilität ein Schlüsselelement
von Europas Wettbewerbsfähigkeit. Aufwändige und unklare Verfahren zur Anerkennung
von Berufsqualifikationen wurden im Bericht über die Unionsbürgerschaft 20104 als eines der
Haupthindernisse genannt, denen die EU-Bürger bei der grenzüberschreitenden Ausübung
ihrer Rechte aus den EU-Rechtsvorschriften noch tagtäglich begegnen. Durch eine
Überarbeitung würde auch die Position der Europäische Union in internationalen
Handelsgesprächen gestärkt, so dass die angleichung der Rechtsvorschriften erleichtert würde
und die EU für EU-Bürger einen besseren Marktzugang in Drittländern erreichen könnte.

Die Mobilität von Berufstätigen ist in der EU noch sehr gering. Die Zahl der Beschwerden,
SOLVIT-Fälle und an Your Europe Advice gestellten Fragen sowie die Analyse dieser Fälle
belegen deutlich, dass die Vorschriften überarbeitet werden müssen. Außerdem macht der
innereuropäische Handel mit Dienstleistungen (einschließlich freiberuflicher
Dienstleistungen) nur etwa 25 % des gesamten innereuropäischen Handels aus. Dieser Anteil
ist viel zu gering, wenn man die Bedeutung des Dienstleistungssektors für die EU-Wirtschaft
insgesamt betrachtet (70 % des BIP). Hier kann mehr erreicht werden.

Verstärkte Mobilität würde auch der Herausforderung gerecht, angesichts des Rückgangs der
Erwerbsbevölkerung Stellen mit hohen Qualifikationsanforderungen besetzen zu können. Den
Prognosen des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (CEDEFOP)
zufolge müssen bis 2020 16 Millionen Arbeitsplätze mit hohen Qualifikationsanforderungen
besetzt werden5, was nach den derzeitigen Trends zu einem erheblichen Mangel an
qualifizierten Berufstätigen führen wird. Ein Teil dieses Fachkräftemangels könnte durch
Personen ausgeglichen werden, die Berufsqualifikationen außerhalb der EU erworben und
derzeit große Schwierigkeiten bei der Anerkennung ihrer Qualifikationen haben.

Besonders besorgniserregend ist der Mangel an einer Million Angehörigen von
Gesundheitsberufen. Wie Länder die Mobilität von Angehörigen von Gesundheitsberufen
1 Dies betrifft auch Staatsangehörige von Drittländern, die ihnen aus den Unionsvorschriften

erwachsende Rechte wahrnehmen: Familienangehörige von EU-Bürgern, langfristig
Aufenthaltsberechtigte, Flüchtlinge und Inhaber der „blauen Karte” werden hinsichtlich der
Anerkennung von Berufsqualifikationen genauso wie EU-Bürger behandelt.

2 Mitteilung der Kommission „Europa 2020 – Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und
integratives Wachstum“, KOM(2010) 2020 endgültig, 3.3.2010.

3 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschuss Binnenmarktakte Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen
„Gemeinsam für neues Wachstum“, KOM(2011) 206/4, SEK (2011) 467.

4 Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010 – Weniger Hindernisse für die Ausübung von
Unionsbürgerrechten vom 27. Oktober 2010, KOM(2010) 603 endgültig.

5 Skill supply and demand in Europe: medium-term forecast up to 2020 (2010), abrufbar unter:
http://www.cedefop.europa.eu/en/Files/3052_en.pdf
DE 1 DE

Drucksache 17/8181 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

besser handhaben können, indem sie ihre allgemeine Beschäftigungspolitik stärken und ihre
Mechanismen zur Planung des Arbeitskräftebedarfs weiter ausbauen, wird Gegenstand einer
gesonderten Maßnahme der Kommission und der Mitgliedstaaten sein6.

In diesem größeren Kontext muss das Recht der Bürger gesehen werden, ihr individuelles
Recht auf Arbeit überall in der EU auszuüben. Um von der Freizügigkeit in vollem Umfang
profitieren zu können, müssen Berufstätige ihre Qualifikationen in anderen Mitgliedstaaten
leicht anerkennen lassen können7. Daher ist es unverzichtbar, dass die Richtlinie über
Berufsqualifikationen8 klare und einfache Bestimmungen für die Anerkennung von
Berufsqualifikationen enthält. Gleichzeitig müssen die Bestimmungen qualitativ hochwertige
Dienstleistungen gewährleisten, ohne selbst ein Hindernis für die Mobilität darzustellen. Die
Europäische Union hat auf diesem Gebiet bereits viel erreicht: Für einige
Berufsqualifikationen, vor allem in den Bereichen Gesundheit, Architektur, Handwerk,
Handel und Industrie gilt die automatische Anerkennung. Für alle übrigen Berufe wurde der
Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung auf der Grundlage der „allgemeinen Regelung“
erfolgreich eingeführt. 2005 wurden diese Bestimmungen durch eine neue, einfachere
Regelung zur Erleichterung der vorübergehenden Mobilität ergänzt. Von diesen
Bestimmungen profitieren Millionen Berufstätige in Europa. Allein das System der
automatischen Anerkennung auf der Grundlage harmonisierter
Mindestausbildungsanforderungen gilt für schätzungsweise 6,4 Millionen Bürger9.

Im März 2010 leitete die Kommission eine Bewertung der Richtlinie ein, die zahlreiche
Betroffene mobilisierte. 2010 erstellten rund 200 zuständige Behörden Erfahrungsberichte,
während im Rahmen einer öffentlichen Konsultation Anfang 2011 rund 400 Teilnehmer ihre
Stellungnahme abgaben. Das Grünbuch baut auf dieser Bewertung auf. Darin werden neue
Ideen zur Erleichterung der Mobilität im Binnenmarkt vorgestellt, beispielsweise der
Europäische Berufsausweis (siehe Teil 2), Es wird untersucht, wie auf dem Erreichten
aufgebaut werden kann (siehe Teil 3) und die Optionen für die Überarbeitung der
automatischen Anerkennung werden genannt (siehe Teil 4). Eine breit angelegte Konsultation
zu diesen Ideen wird der Kommission helfen, die einzelnen Optionen für die Überarbeitung
der Richtlinie über Berufsqualifikationen zu bewerten.

Ein Legislativvorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie ist für Ende 2011 geplant.

2. NEUE ANSÄTZE FÜR DIE MOBILITÄT

2.1. Der Europäische Berufsausweis

Die Überarbeitung sollte sich auf die neuesten Technologien stützen, um neue Instrumente für
6 Ein weiteres Problem betrifft seeverkehrsbezogene reglementierte Berufe, zu denen die Kommission

2012 eine Mitteilung zum blauen Wachstum, dem von den Meeren und Küsten ausgehenden
nachhaltigen Wachstum veröffentlichen möchte. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Kommission daran
interessiert, zu erfahren, ob auf diesem Gebiet besondere Hindernisse für die gegenseitige Anerkennung
bestehen.

7 Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Anerkennung von Berufsqualifikationen sind eines der
Hindernisse für die Mobilität von Berufstätigen in der EU, ebenso wie die Übertragbarkeit der
Rentenansprüche, Sprachbarrieren usw.

8 Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die
Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 225 vom 30.9.2005, S. 22).

9 Binnenmarktanzeiger, Juli 2010.
DE 2 DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/8181

die Mobilität anbieten zu können. Diese Technologien haben sowohl das Potenzial,
Berufstätigen mehr Mobilität zu ermöglichen, als auch Verbraucher und Arbeitgeber besser
über Berufsqualifikationen für die von ihnen angebotenen Dienstleistungen zu informieren.
Ein Europäischer Berufsausweis könnte sich auf schnelle Kommunikationstechnologien des
21. Jahrhunderts stützen, damit im Rahmen einer überarbeiteten Richtlinie über
Berufsqualifikationen ein konkret auf ihn zugeschnittenes System entsteht. Das
Binnenmarktinformationssystem (IMI) könnte die viel zügigere Zusammenarbeit zwischen
dem Mitgliedstaat, der den Berufsausweis ausstellt (das Herkunftsland des Berufstätigen) und
dem Aufnahmemitgliedstaat (wo der Berufstätige sich niederlassen möchte) erleichtern. Die
zügigere Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern würde dem Inhaber des
Berufsausweises ein Schnellanerkennungsverfahren ermöglichen. Die Zusammenarbeit über
das IMI sollte ferner Fristen unterliegen, an deren Einhaltung die Mitgliedstaaten künftig
gebunden sein sollten. Desgleichen könnte die vorübergehende Mobilität für den Inhaber
eines Berufsausweises stark vereinfacht werden. Informationspflichten, die das
Aufnahmeland derzeit vorschreiben kann, würden überflüssig, wenn alle erforderlichen
Angaben entweder auf dem Berufsausweis selbst vermerkt sind oder aus dem Herkunftsland,
das den Berufsausweis ausgestellt hat, auf elektronischem Weg rasch abgerufen werden
können.

Mobilisierung des Herkunftsmitgliedstaats

Nach dem bisherigen System ist der Aufnahmemitgliedstaat für die Prüfung der
Berufsqualifikationen des Migranten zuständig. Dies kann für den Berufsangehörigen
Schwierigkeiten mit sich bringen, da er möglicherweise Übersetzungen verschiedener
Unterlagen vorlegen muss. Auch für die zuständige Behörde im Aufnahmemitgliedstaat, die
vielleicht nicht mit den Modalitäten des Erwerbs von Qualifikationen in anderen
Mitgliedstaaten vertraut ist, kann es ein sehr aufwändiges Verfahren sein. Durch einen
Europäischen Berufsausweis, der von der zuständigen Behörde in dem Mitgliedstaat
ausgestellt wird, in dem die Qualifikation erworben wird, und unter der Voraussetzung, dass
der Berufsangehörige zur Berufsausübung berechtigt ist, könnte das Verfahren erleichtert
werden, indem die Rolle des Herkunftsmitgliedstaats frühzeitig gestärkt wird.

Bei der Ausstellung des Berufsausweises müsste die zuständige Behörde des
Herkunftsmitgliedstaats prüfen, ob die Antragsteller über die ordnungsgemäßen
Qualifikationen verfügen und alle sonstigen, im Rahmen einer überarbeiteten Richtlinie
geforderten Voraussetzungen erfüllen, beispielsweise dass sie rechtmäßig niedergelassen sind
oder dass ihre Diplome echt sind. Die Behörde würde ferner die Dokumente, mit denen die
Ausstellung des Berufsausweises gerechtfertigt wird, aufbewahren und ihren Kollegen im
Aufnahmemitgliedstaat gegebenenfalls zur Verfügung stellen. Um das gegenseitige Vertrauen
zu gewährleisten würde der Berufsausweis nicht von kommerziellen Stellen ausgestellt. Ist
ein Beruf im Herkunftsmitgliedstaat nicht reglementiert, so würde es diesem Mitgliedstaat
obliegen, die für die Ausstellung des Berufsausweises zuständige Behörde (z. B.
Kontaktstellen10 oder NARIC-Zentren11) zu benennen.
10 Gemäß Artikel 57 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten zur Information der Bürger und der

Kontaktstellen der anderen Mitgliedstaaten sowie zur Unterstützung der Bürger bei der Wahrnehmung
ihrer Rechte eine Kontaktstelle benennen.

11 Die Nationalen Informationszentren für Fragen der akademischen Anerkennung (NARIC) unterstützen
die Bürger in Fragen in Zusammenhang mit akademischen Qualifikationen. Weitere Information sind
verfügbar unter: http://www.enic-naric.net/index.aspx?s=n&r=g&d=about#NARIC.
DE 3 DE

Drucksache 17/8181 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bei diesem System würden die Behörden im Aufnahmemitgliedstaat keine
Verwaltungsressourcen für die Prüfung aller Informationen benötigen, da diese bereits im
Herkunftsmitgliedstaat geprüft wurden. Es könnte ausreichen, die Gültigkeit des
Berufsausweises zu prüfen, um sicherzustellen, dass der Inhaber den Beruf im
Aufnahmemitgliedstaat ausüben kann.

Das Binnenmarktinformationssystem (IMI) könnte in diesem Zusammenhang als „Back
Office“ für die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden fungieren. Dazu
müssten alle zuständigen Behörden, die den Berufsausweis ausstellen und überprüfen, im IMI
registriert sein, um bei Fragen miteinander kommunizieren zu können. Ein erheblicher Anteil
der zuständigen Behörden in der EU ist bereits registriert, andere werden voraussichtlich Ende
2012 registriert sein.

Mobilisierung des Aufnahmemitgliedstaats

Für Berufstätige, die vorübergehend Dienstleistungen erbringen möchten, könnte der
Berufsausweis die Verwaltungsdokumente in Zusammenhang mit der vorherigen Meldung
ersetzen, die die meisten Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Artikel 7 der Richtlinie
fordern. Eine E-Mail mit der Nummer des Berufsausweises könnte ausreichend sein. Der
Inhaber des Berufsausweises könnte sogar ganz vom System der vorherigen Meldung
ausgenommen werden, da es ausreichend sein könnte, dass die Karte alle Angaben enthält.
Sie könnte anstelle einer vorherigen Meldung bei den Behörden und den
Dienstleistungsempfängern im Aufnahmemitgliedstaat vorgezeigt werden. Die
vorübergehende Mobilität würde viel einfacher, während notwendige Kontrollen weiterhin
möglich wären.

Vergleichbare Vorteile könnten für Berufstätige erzielt werden, die die automatische
Anerkennung ihrer Qualifikationen auf der Grundlage harmonisierter
Mindestausbildungsanforderungen beantragen. Ein Berufsausweis könnte bestätigen, dass die
Qualifikationen des Berufsangehörigen mit den harmonisierten
Mindestausbildungsanforderungen einer überarbeiteten Richtlinie konform sind. Dies könnte
von der für die Ausstellung des Ausweises zuständigen Behörde zum Zeitpunkt der
Antragstellung in dem Mitgliedstaat überprüft werden, in dem die erforderlichen
Ausbildungsnachweise ausgestellt wurden. Die Behörde im Aufnahmemitgliedstaat müsste
nicht länger die Qualifikationen überprüfen und könnte so einen Anerkennungsbeschluss
innerhalb wesentlich kürzerer Zeit (z. B. binnen zwei Wochen anstelle der bislang gemäß der
Richtlinie zulässigen drei Monate) fassen12.

Selbst bei der allgemeinen Regelung, bei der Qualifikationen auf Einzelfallbasis geprüft
werden, könnte ein Berufsausweis das Anerkennungsverfahren erleichtern und beschleunigen,
da die erste Überprüfung von der Behörde vorgenommen würde, die den Berufsausweis
ausstellt. Daher könnten die Verfahren auf höchstens einen Monat anstatt der derzeit
vorgesehenen höchstens vier Monate verkürzt werden13.
12 Zwar werden aufgrund der Stärkung der Rolle des Herkunftslandes möglicherweise mehr

Verwaltungsressourcen benötigt, doch dürfte durch diesen Ansatz der Gesamtaufwand verringert
werden, da es für das Herkunftsland leichter wird, die Qualifikationen selbst zu prüfen, wodurch die
sonst durch die Doppelarbeit bei der Überprüfung anfallenden Kosten sinken dürften.

13 Auch hier wird die Behörde im Herkunftsland mehr Zeit für die Überprüfung der Angabe benötigen.
Das Gesamtverfahren dürfte jedoch kürzer ausfallen, da die Behörde im Herkunftsland am besten in der
DE 4 DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/8181

Ein Berufsausweis wäre auch für die Dienstleistungsempfänger von Nutzen, vor allem
hinsichtlich der Transparenz. Durch Vorlage des Berufsausweises würden Berufsangehörige
eine Garantie dafür bieten, dass sie zur Ausübung des Berufs berechtigt sind. Zusätzlich
könnte ein System eingeführt werden, dass es Verbrauchern und Arbeitgebern ermöglicht, die
Gültigkeit des Berufsausweises zu überprüfen (z. B. durch direkten Kontakt zur zuständigen
Behörde).

Die Arbeit der Lenkungsgruppe und Pilotfallstudien

Ein Europäischer Berufsausweis wäre nicht verbindlich vorgeschrieben. Interessierte mobile
Berufstätige sollten die Möglichkeit haben, aber nicht verpflichtet sein, diesen Berufsausweis
zu beantragen. Die Kommission hat bereits für ausgewählte Interessenten eine
Lenkungsgruppe für den Berufsausweis eingesetzt. Sie setzt sich aus Vertretern
unterschiedlicher Berufe, zuständiger Behörden und Gewerkschaften zusammen. Die Gruppe
nahm ihre Arbeit Anfang Januar 2011 auf und wird voraussichtlich im Oktober dieses Jahres
konkrete Schlussfolgerungen vorlegen. Die Gruppe hat Überlegungen zum Zusatznutzen und
zu möglichen rechtlichen Auswirkungen des Berufsausweises angestellt. Ferner hat sie
bestehende Projekte zum Berufsausweis sowie vergleichbare Instrumente untersucht, die für
die Bürger im Alltag nützlich sein können (beispielsweise der Europäische Führerschein, die
Europäische Krankenversicherungskarte oder der künftige Europäische Qualifikationspass).
Besondere Aufmerksamkeit hat die Gruppe den Herausforderungen in Zusammenhang mit
der Umsetzung gewidmet, einschließlich der Fragen von Inhalt und Format dieses
Berufsausweises sowie der Frage, wie seine Zuverlässigkeit am besten gewährleistet werden
kann. Die Ergebnisse werden auf dem Binnenmarktforum vorgestellt, das am
3./4. Oktober 2011 in Krakau, Polen stattfindet.

Angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen für den Zugang zu den einzelnen Berufen
und für die Ausübung jedes Berufs hat die Lenkungsgruppe es als nützlich erachtet, für eine
Reihe ausgewählter Berufe Fallstudien zu entwickeln: Ingenieure, Ärzte,
Krankenpflegepersonal, Physiotherapeuten und Fremdenführer.

Frage 1: Haben Sie Anmerkungen zur jeweiligen Rolle der zuständigen Behörden im
Herkunftsmitgliedstaat bzw. im Aufnahmemitgliedstaat?

Frage 2: Sind Sie damit einverstanden, dass ein Berufsausweis je nach den Zielen des
Inhabers folgende Auswirkungen haben könnte?

a) Der Inhaber des Ausweises zieht vorübergehend um (vorübergehende Mobilität):

- Option 1: Durch den Berufsausweis würde die Meldung, die die Mitgliedstaaten bislang
gemäß Artikel 7 der Richtlinie fordern, überflüssig.

- Option 2: Das Meldesystem wird beibehalten, aber der Berufsausweis könnte anstelle von
Begleitdokumenten vorgezeigt werden.

b) Der Inhaber beantragt die automatische Anerkennung seiner Qualifikationen: Die Vorlage
des Berufsausweises würde das Anerkennungsverfahren beschleunigen (der
Aufnahmemitgliedstaat sollte einen Beschluss binnen zwei Wochen anstatt drei Monaten
fassen).
Lage ist, solche Prüfungen durchzuführen (sprachliche Gründe, Überprüfung der Gültigkeit der
Verwaltungsdokumente usw.).
DE 5 DE

Drucksache 17/8181 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c) Der Inhaber beantragt die Anerkennung seiner Qualifikationen, die nicht automatisch
anerkannt werden (die allgemeine Regelung): Die Vorlage des Berufsausweises würde das
Anerkennungsverfahren beschleunigen (der Aufnahmemitgliedstaat müsste einen Beschluss
binnen eines Monats anstatt vier Monaten fassen).

2.2. Schwerpunkt auf Wirtschaftstätigkeiten: der Grundsatz des partiellen Zugangs

Berufsangehörige können Schwierigkeiten mit der Anerkennung ihrer Qualifikationen haben,
wenn hinsichtlich des Umfangs der als Teil des Berufs ausgeübten Wirtschaftstätigkeiten
Unterschiede zwischen ihrem Herkunftsmitgliedstaat und dem Mitgliedstaat, in dem sie sich
niederlassen wollen, bestehen. Dies ist beispielsweise beim Beruf des „Snowboardlehrers“ der
Fall, den es in einigen Mitgliedstaaten als eigenständigen Beruf gibt, während in anderen
Mitgliedstaaten Snowboardunterricht von Skilehrern erteilt wird.

Zuweilen sind die Unterschiede hinsichtlich des Umfangs der unter einen Beruf fallenden
Wirtschaftstätigkeit zwischen zwei Mitgliedstaaten so groß, dass Berufsangehörige im
Aufnahmemitgliedstaat das vollständige Ausbildungsprogramm durchlaufen müssten, um die
Unterschiede bei den entsprechenden Qualifikationsanforderungen auszugleichen, so wie im
obigen Beispiel. Der Gerichtshof hat diesbezüglich den Grundsatz des partiellen Zugangs
entwickelt14. Der Gerichtshof vertrat die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten unter
bestimmten Voraussetzungen auf Antrag des Berufsangehörigen den partiellen Zugang zu
dem Beruf gewähren müssen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können
verhältnismäßige Beschränkungen der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit jedoch
aus Gründen des allgemeinen Schutzes der Verbraucher und Dienstleistungsempfänger
gerechtfertigt sein, wenn diese Maßnahmen im Hinblick auf das Erreichen des Ziels
notwendig und verhältnismäßig sind.

Durch die Aufnahme diese Grundsatzes in die Richtlinie würden die Garantien für
Berufsangehörige, beispielsweise in Bezug auf die Fristen, innerhalb derer die Mitgliedstaaten
Anerkennungsbeschlüsse fassen müssen, ausgeweitet und zwar auch auf Berufsangehörige,
die die Voraussetzungen für den partiellen Zugang erfüllen.

In einer überarbeiteten Richtlinie könnten auch die Kriterien bekräftigt werden, für die der
Grundsatz in Einklang mit der Rechtsprechung gelten würde („kriterienbasierter Ansatz“).
Dem Gerichtshof zufolge gilt der Grundsatz des partiellen Zugangs, wenn es möglich ist, die
berufliche Tätigkeit, die der Berufsangehörige im Aufnahmemitgliedstaat ausüben möchte,
objektiv von der Gesamtheit der Tätigkeiten zu trennen, die der Beruf in diesem Mitgliedstaat
umfasst. Eines der entscheidenden Kriterien ist die Frage, ob diese wirtschaftliche Tätigkeit
selbständig oder autonom in dem Mitgliedstaat ausgeübt werden kann, in dem die berufliche
Qualifikation erlangt wurde. So könnte beispielsweise ein auf Wasserbau spezialisierter
Ingenieur aus einem Mitgliedstaat, der in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten möchte, in
dem seine Tätigkeit von Ingenieuren mit breiterem Qualifikationsspektrum ausgeübt wird, die
auch im Wege-, Kanal- und Hafenbau tätig sind, im Aufnahmemitgliedstaat partiellen Zugang
zum Beruf erwerben. Er wäre dann nur berechtigt, eine Tätigkeit in Verbindung mit dem
Wasserbau auszuüben.
14 Colegio de Ingenieros de Caminos, Canales y Puertos, Rechtssache C- 330/03 vom 19. Januar 2006,

Sammlung der Rechtsprechung [2006] I-801.
DE 6 DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/8181

Von diesem Grundsatz kann es Ausnahmen geben, wenn dies aus zwingenden Gründen des
Allgemeininteresses gerechtfertigt und zum Erreichen des Ziels des Allgemeininteresses
geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was zum Erreichen dieses Ziels erforderlich ist.

Frage 3: Sind Sie ebenfalls der Auffassung, dass die Aufnahme des partiellen Zugangs und
spezifischer Kriterien für seine Anwendung in die Richtlinie deutliche Vorteile mit sich
bringen würde? (Bitte nennen Sie konkrete Gründe für etwaige Abweichungen von diesem
Grundsatz).

2.3. Umgestaltung der gemeinsamen Plattformen

Heutzutage gilt die automatische Anerkennung nur für eine begrenzte Anzahl von Berufen.
Für viele unter die „allgemeine Regelung“ fallende Berufe ist das gleiche Verfahren denkbar,
wodurch die Mobilität erleichtert würde. Artikel 15 der Richtlinie eröffnet die Möglichkeit,
gemeinsame Plattformen zu schaffen. Ziel dieser Plattformen wäre es, Ausgleichsmaßnahmen
(Eignungsprüfung oder Anpassungslehrgang) überflüssig zu machen. Es handelt sich nicht um
ein Instrument für die automatische Anerkennung von Qualifikationen. Daher wurde bislang
keine gemeinsame Plattform für Ausgleichsmaßnahmen geschaffen und es besteht ein breiter
Konsens dahingehend, dass es keine Grundlage für weitere Fortschritte gibt. Das derzeitige
Konzept gemeinsamer Plattformen hat sich als Fehlschlag erwiesen. In Zukunft sollte es
weiter gefasst werden und einen Weg zur automatischen Anerkennung eröffnen.

Die Kommission möchte der Nachfrage nach einfacherer Mobilität durch eine problemlosere
Anerkennung gerecht werden. Ein neues Konzept für die gemeinsamen Plattformen könnte
hierfür in Frage kommen. Sie könnten fast genauso funktionieren wie die Regelung der
automatischen Anerkennung für Ärzte, Zahnärzte, Krankenpflegepersonal, Hebammen,
Apotheker, Tierärzte und Architekten, aber ohne dass alle Mitgliedstaaten oder so viele
Mitgliedstaaten wie derzeit in Artikel 15 vorgesehen teilnehmen müssen. Der Schwellenwert
könnte von zwei Drittel auf ein Drittel aller Mitgliedstaaten (d. h. 9 von 27) gesenkt werden,
um die Wahrscheinlichkeit der Schaffung gemeinsamer Plattformen zu erhöhen. Außerdem
würde klargestellt, dass es allen übrigen Mitgliedstaaten freisteht, einer gemeinsamen
Plattform zu einem späteren Zeitpunkt beizutreten.

Jede neue Plattform würde einer Binnenmarktprüfung unterzogen. Dadurch würde
gewährleistet, dass die vereinbarten Voraussetzungen verhältnismäßig sind und die
gemeinsame Plattform nicht zu sehr ins Detail geht und dadurch ein Hindernis bildet für die
Mobilität von Berufstätigen aus nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten, die ihr Recht auf
Freizügigkeit im Binnenmarkt wahrnehmen wollen. Die Binnenmarktprüfung könnte von
einschlägigen Berufsverbänden durchgeführt werden und kann möglicherweise vor allem
dazu beitragen, klarzustellen, ob Berufserfahrung es einem Berufstätigen aus einem
nichtteilnehmenden Mitgliedstaat ermöglichen würde, den Beruf in einem teilnehmenden
Mitgliedstaat auszuüben.

Schließlich müssten die gemeinsamen Plattformen nicht nur von Berufsverbänden sondern in
einem zweiten Schritt auch von mindestens neun Mitgliedstaaten unterstützt werden. Auf der
Grundlage eines Vorschlags eines Berufsverbands und mit der notwendigen Unterstützung
einer ausreichenden Zahl von Mitgliedstaaten wäre die Kommission schließlich in der Lage,
eine gemeinsame Plattform durch einen delegierten Rechtsakt zu befürworten, dessen
Rahmen in der überarbeiteten Richtlinie festgelegt werden könnte. Ein Beispiel für die
laufende Arbeit an einer gemeinsamen Plattform ist die gemeinsame Plattform für Skilehrer.
DE 7 DE

Drucksache 17/8181 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Frage 4: Unterstützen Sie die Absenkung des bisherigen Schwellenwerts von zwei Dritteln
der Mitgliedstaaten auf ein Drittel (d. h. 9 von 27 Mitgliedstaaten) als Voraussetzung für die
Schaffung einer gemeinsamen Plattform? Bestätigen Sie den Bedarf an einer
Binnenmarktprüfung (basierend auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit), um
sicherzustellen, dass die gemeinsame Plattform kein Hindernis für Dienstleistungserbringer
aus nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten darstellt? (Nennen Sie bitte konkrete Argumente für
oder gegen dieses Konzept).

2.4. Berufsqualifikationen in reglementierten Berufen

Die Binnenmarktakte sieht eine weitere Bewertung der berufsqualifikationsabhängigen
Beschränkungen bestimmter Tätigkeiten vor. Außerdem wird darin eine Überarbeitung des
Umfangs der reglementierten Berufe gefordert. Heute sind in den 27 Mitgliedstaaten rund
4700 Berufe auf der Grundlage der Berufsqualifikationen reglementiert. Diese Berufe lassen
sich in etwa 800 verschiedene Kategorien zusammenfassen. Die Richtlinie über
Berufsqualifikationen bietet derzeit ein System der gegenseitigen Anerkennung, das für die
meisten Berufe insgesamt funktioniert. Es steht den Mitgliedstaaten frei, die
Qualifikationsanforderungen für den Zugang zu bestimmten Berufen festzulegen, als
geeignetes Instrument für das Erreichen bestimmter Ziele von öffentlichem Interesse in
Zusammenhang mit einer bestimmten Wirtschaftstätigkeit, beispielsweise der Gewährleistung
der Sicherheit. In bestimmten Fällen können die Qualifikationsanforderungen allerdings
unverhältnismäßig oder für das Erreichen der Ziele von öffentlichem Interesse unnötig sein
und könnten so ein Hindernis für die Freizügigkeit der EU-Bürger darstellen. Es könnte Fälle
geben, in denen EU-Bürger, die in ihrem Herkunftsmitgliedstaat bereits eine
Wirtschaftstätigkeit ausüben, in einem Aufnahmemitgliedstaat mit einer ungerechtfertigten
und unverhältnismäßigen Qualifikationsanforderung konfrontiert werden, die so hoch oder so
geartet ist, dass der Einzelne die Schwierigkeiten weder, wie in der Richtlinie über
Berufsqualifikationen vorgesehen, durch eine Eignungsprüfung oder einen
Anpassungslehrgang (sogenannte Ausgleichsmaßnahmen) überwinden noch gemäß der
Rechtsprechung des Gerichtshofs den partiellen Zugang zu dem Beruf beantragen könnte
(siehe Abschnitt 2.2 zu mehr Informationen über den partiellen Zugang). Die Bürger hätten
daher keine andere Wahl, als die gesamte Ausbildung zu durchlaufen, um die innerstaatliche
Qualifikation in diesem Aufnahmemitgliedstaat zu erlangen.

Frage 5: Sind Ihnen reglementierte Berufe bekannt, bei denen EU-Bürger tatsächlich in eine
solche Lage geraten könnten? Bitte erläutern Sie den Beruf, die Qualifikationen und die
Gründe, aus denen diese Lage nicht gerechtfertigt wäre.

3. AUF ERSTEN ERFOLGEN AUFBAUEN

3.1. Zugang zu Informationen und e-government

Berufstätige, die in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten möchten, müssen die für sie
geltenden Regelungen kennen und verstehen. Die Bewertung der Richtlinie, vor allem die
öffentliche Konsultation Anfang 2011, hat ergeben, dass dies für viele Beteiligte ein großes
Problem darstellt. Die Befragten haben vor allem darauf hingewiesen, dass nicht ausreichend
klar ist, welche Behörde für die Anerkennung der Berufsqualifikationen zuständig ist und
welche Dokumente eingereicht werden sollten. Unzureichende Informationen darüber, was
einzureichen ist und bei welcher Behörde behindern oft eine rasche Entscheidung durch den
Aufnahmemitgliedstaat.
DE 8 DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/8181

Eine weitere Herausforderung besteht darin, es den Berufstätigen zu ermöglichen, den Antrag
auf Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen auf effizientere und bequemere Weise stellen
und den Anerkennungsbeschluss über e-government-Websites erhalten zu können.

In der überarbeiteten Richtlinie sollte vorgesehen werden, dass jeder Mitgliedstaat über eine
zentrale Online-Zugangsstelle verfügt, bei der vollständige Angaben zu den für die
Anerkennung von Berufsqualifikationen zuständigen Behörden und erforderlichen
Dokumenten erhältlich sind, und zwar für alle Berufstätigen unabhängig von ihrem Beruf
oder der Region, in der sie ihn ausüben wollen. Damit würde der ersten Herausforderung
begegnet. Vorab zu wissen, welche Dokumente eingereicht werden müssen, würde mehr
Transparenz für die Berufstätigen mit sich bringen und Situationen vermeiden, in denen die
zuständigen Behörden keinen förmlichen Beschluss fassen mit der Begründung, die
Unterlagen des Migranten seien nicht vollständig (Artikel 51 Absatz 2 der Richtlinie).

Ein weiterer Schritt könnte darin bestehen, aufbauend auf den zentralen Kontaktstellen den
Berufstätigen Gelegenheit zu geben, alle mit der Anerkennung von Qualifikationen
verbundenen Verfahren online zu erledigen, um die zweite Herausforderung zu bewältigen.

Wie könnten diese Lösungen in der Praxis den beiden Herausforderungen gerecht werden?
Die erste Option wäre, auf den in Artikel 57 der Richtlinie genannten nationalen
Kontaktstellen aufzubauen, die Berufstätige bereits informieren und bei der Anerkennung
ihrer Qualifikationen unterstützen. Derzeit besteht ihre Aufgabe in erster Linie in der
schriftlichen oder telefonischen Beratung und weniger darin, an beruflicher Mobilität
interessierte EU-Bürger proaktiv über die erforderlichen Dokumente und die zuständige
Behörde zu informieren. In Zukunft könnten die nationalen Kontaktstellen auch die zentralen
Zugangsstellen zu Informationen organisieren und gemeinsam mit den zuständigen Behörden
die e-government-Anwendungen koordinieren, die es ermöglichen, alle Formalitäten online
zu erledigen.

Eine andere Option wäre der Aufbau auf den in der Dienstleistungsrichtlinie genannten
„Einheitlichen Ansprechpartnern“15. Diese sollen zu vollwertigen e-government-Portalen
werden, über die Dienstleistungserbringer leicht alle einschlägigen Informationen zu ihren
Tätigkeiten (Vorschriften, Verfahren, Fristen) online erhalten können. Zusätzlich ermöglichen
die „Einheitlichen Ansprechpartner“ es den Dienstleistungserbringern, alle für den Zugang zu
und die Ausübung der Dienstleistungstätigkeit erforderlichen Verwaltungsverfahren
elektronisch abzuschließen, einschließlich der Verfahren für die Anerkennung der
Qualifikationen, was den Schlüssel für die Abkürzung der Verfahren und die Verringerung
des mit den Verwaltungsformalitäten verbundenen Aufwands bildet. Derzeit stehen die
„Einheitlichen Ansprechpartner“ Dienstleistungserbringern offen (einschließlich entsandter
Mitarbeiter und Selbständiger), für die die Dienstleistungsrichtlinie16 gilt, aber ihr
Einsatzbereich könnte erweitert werden, falls die Mitgliedstaaten dies für angemessen
erachten, um alle beruflichen Tätigkeiten zu erfassen und nicht nur jene, für die die
Dienstleistungsrichtlinie gilt. Desgleichen könnten die Mitgliedstaaten auf Erfahrungen mit
den „Einheitlichen Ansprechpartnern“ aufbauen, indem sie Online-Anwendungen
weiterentwickeln, durch die die Verfahren zur Anerkennung von Qualifikationen aller
15 Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über

Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36.
16 Siehe das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen zur Umsetzung und Durchführung der

Richtlinie vom 22.10.2010, SEK(2010) 1292,
http://ec.europa.eu/internal_market/qualifications/docs/evaluation/staff-working-doc_en.pdf .
DE 9 DE

Drucksache 17/8181 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Berufsangehörigen unter Berücksichtigung des EU-Datenschutzrechts (Richtlinie 95/46/EG17)
vereinfacht und beschleunigt würden.

Schließlich wäre es im Sinne der Schaffung von Synergien wichtig, die enge Zusammenarbeit
zwischen den e-government-Anwendungen der Mitgliedstaaten und dem Portal „Europa für
Sie“ zu gewährleisten, das als zentrale Anlaufstelle fungieren soll, wenn es um nützliche
Informationen über EU-Rechte18 und die Herausforderungen ihrer Umsetzung geht.

Frage 6: Würden Sie es befürworten, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden,
sicherzustellen, dass die Angaben zu den für die Anerkennung von Berufsqualifikationen
zuständigen Behörden und erforderlichen Dokumenten über eine zentrale Online-
Zugangsstelle in jedem Mitgliedstaat zugänglich sind? Würden Sie eine Verpflichtung
befürworten, die Online-Abwicklung von Anerkennungsverfahren für alle Berufstätigen zu
ermöglichen ? (Nennen Sie bitte konkrete Argumente für oder gegen dieses Konzept).

3.2. Vorübergehende Mobilität

2005 wurde ein neues System zur Erleichterung der vorübergehenden Erbringung von
Dienstleistungen eingeführt. Danach müssen Berufstätige, die vorübergehend
Dienstleistungen erbringen, aber in ihrem Herkunftsmitgliedstaat niedergelassen bleiben
möchten, im Aufnahmemitgliedstaat kein förmliches Anerkennungsverfahren durchlaufen.
Die Mitgliedstaaten können lediglich verlangen, dass eine vorherige Meldung und
gegebenenfalls eine Reihe von Dokumenten an die zuständige Behörde gesandt werden. Eine
beträchtliche Zahl von Mitgliedstaaten macht von dieser Option umfangreichen Gebrauch.

Ein Hauptproblem besteht dann, wenn ein Berufstätiger aus einem Mitgliedstaat, in dem der
Beruf nicht reglementiert ist, vorübergehend in einen Mitgliedstaat wechselt, in dem der
Beruf reglementiert ist. In diesen Fällen gilt das neue System nur für diejenigen, die eine
zweijährige Berufserfahrung nachweisen oder belegen können, dass sie eine „reglementierte
Ausbildung” durchlaufen haben. Einige Interessengruppen fordern mehr Auswahl für die
Verbraucher, was durch eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des einfacheren Systems
erreicht werden könnte. Andere fürchten Missbrauch, beispielsweise das „Forum-shopping”.
Die Überarbeitung sollte das richtige Gleichgewicht zwischen diesen legitimen Standpunkten
herstellen.

3.2.1. Verbraucher, die sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben
Die Zweijahresvorschrift (Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie) wird allgemein akzeptiert, da sie
dem Verbraucherschutz in Mitgliedstaaten dient, in denen der Beruf reglementiert ist. Diese
Vorschrift kann jedoch dann unverhältnismäßig sein, wenn Verbraucher aus ihrem
Herkunftsmitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat reisen und als Begleitung nicht einen
Berufsangehörigen aus dem Mitgliedstaat, in den sie reisen, sondern aus ihrem
Herkunftsmitgliedstaat gewählt haben, beispielsweise eine Touristengruppe, die einen
17 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz

natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr,
ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

18 Das Portal „Europa für Sie” (europa.eu/youreurope) wird von der Kommission gemeinsam mit den
Mitgliedstaaten entwickelt. Der Redaktionsausschuss von „Europa für Sie“, der sich aus Vertretern der
Mitgliedstaaten zusammensetzt, muss gewährleisten, dass relevante nationale Informationen über
„Europa für Sie“ verfügbar sind und dass ordnungsgemäße Links zwischen „Europa für Sie“ und den
nationalen Informationsportalen bestehen.
DE 10 DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 17 – Drucksache 17/8181

Fremdenführer aus dem Land gewählt hat, aus dem sie kommt. In diesem Fall hat der
betreffende Berufsangehörige keinen Kontakt zu örtlichen Verbrauchern im
Aufnahmemitgliedstaat. Daher könnte die Forderung der vorherigen Meldung und der
zweijährigen Berufserfahrung aus Gründen des Verbraucherschutzes nicht gerechtfertigt sein.
Die Achtung der Wahl des Verbrauchers sollte gegenüber der Angst vor dem „Forum-
shopping” überwiegen, die in diesen Fällen nicht relevant erscheint19. Die Anforderung der
vorherigen Meldung wäre somit unnötig. Die Wahl des Verbrauchers könnte nur begrenzt
werden, wenn Gefahren für die öffentliche Gesundheit oder die Sicherheit der Verbraucher
eine vorherige Prüfung der Qualifikationen rechtfertigen (Artikel 7 Absatz 4 der aktuellen
Richtlinie).

Frage 7: Teilen Sie die Auffassung, dass die Anforderung einer zweijährigen
Berufserfahrung im Fall von Berufsangehörigen aus einem Mitgliedstaat, in dem der Beruf
nicht reglementiert ist, aufgehoben werden sollte, wenn Verbraucher die Grenze überschreiten
und nicht von einem örtlichen Berufsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat begleitet
werden? Sollte der Aufnahmemitgliedstaat in diesem Fall berechtigt sein, eine vorherige
Meldung zu verlangen? (Nennen Sie bitte konkrete Argumente für oder gegen dieses
Konzept).

3.2.2. Die Frage der „reglementierten Ausbildung”

Berufangehörige, die eine „reglementierte Ausbildung” durchlaufen haben, sind auch von der
Anforderung einer zweijährigen Berufserfahrung befreit. In der Richtlinie wird die
„reglementierte Ausbildung” eher restriktiv als Ausbildung definiert, die speziell auf die
Ausübung eines bestimmten Berufes ausgerichtet ist, wobei auf Sonderfälle in Anhang III der
Richtlinie verwiesen wird.

Die Ausbildungswelt ist jedoch in Bewegung und die Richtlinie muss mit diesen
Veränderungen Schritt halten. Um die Beschäftigungsfähigkeit im Rahmen des lebenslangen
Lernens zu stärken, zielen Ausbildungsmaßnahmen zusätzlich zu den speziellen
berufsbezogenen Fähigkeiten (technischen Fähigkeiten) zunehmend auf die Entwicklung
allgemeiner „übertragbarer“ Fähigkeiten (z. B. Kommunikation, Management) ab. In diesem
Zusammenhang ist es möglicherweise nicht gerechtfertigt, den Begriff einer reglementierten
Ausbildung auf die zu begrenzen, die auf die Ausübung eines bestimmten Berufes
ausgerichtet ist (siehe Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie). Der Begriff der
reglementierten Ausbildung könnte auf jede in einem Mitgliedstaat anerkannte, für den Beruf
relevante Ausbildung ausgeweitet werden. Der Europass-Diplomzusatz20 oder die Europass-
Zeugniserläuterung21 könnten von Ausbildungseinrichtungen für Informationen über Inhalt
und Ziele der einschlägigen Programme genutzt werden. Mit einer geänderten
19 Ideal wäre es, wenn diese Berufsangehörigen im Besitz eines Europäischen Berufsausweises wären.
20 Der Europass-Diplomzusatz wird für Absolventen einer Hochschuleinrichtung zusammen mit ihrem

Abschluss oder Diplom ausgestellt. Er trägt zur besseren Verständlichkeit der Hochschulabschlüsse
insbesondere außerhalb des jeweiligen Ausstellungslandes bei. Siehe
http://europass.cedefop.europa.eu/europass/home/vernav/InformationOn/EuropassDiplomaSupplement.
csp?loc=de_DE

21 Die Europass-Zeugniserläuterung wird Inhabern eines beruflichen Abschlusszeugnisses ausgestellt. Sie
stellt ergänzende Informationen zu dem betreffenden beruflichen Abschlusszeugnis bereit und trägt so
zur besseren Verständlichkeit des Abschlusszeugnisses, insbesondere bei Arbeitgebern oder
Einrichtungen im Ausland, bei. Weitere Information unter
http://europass.cedefop.europa.eu/europass/home/vernav/InformationOn/EuropassCertificateSupplemen
t.csp
DE 11 DE

Drucksache 17/8181 – 18 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begriffsbestimmung der reglementierten Ausbildung könnten mehr entsprechend ausgebildete
Berufsangehörige vom einfacheren System der vorübergehenden Mobilität profitieren.
Gleichzeitig wären die Mitgliedstaaten berechtigt, im Rahmen einer überarbeiteten Richtlinie
weiterhin die jährliche vorherige Meldung zu verlangen (außer in Fällen, in denen der
Berufsausweis dies überflüssig macht).

Frage 8: Sind Sie damit einverstanden, dass der Begriff der „reglementierten Ausbildung”
alle von einem Mitgliedstaat anerkannten, für einen Beruf relevanten Ausbildungen umfassen
könnte, und nicht nur die speziell auf die Ausübung eines bestimmten Berufes ausgerichtete
Ausbildung? (Nennen Sie bitte konkrete Argumente für oder gegen dieses Konzept).

3.3. Öffnung der allgemeinen Regelung

3.3.1. Qualifikationsniveaus

In Artikel 11 der Richtlinie sind fünf Qualifikationsniveaus vorgeschrieben, die auf Art und
Dauer der Ausbildung basieren. Beantragen Berufsangehörige die Anerkennung ihrer
Qualifikationen für einen Beruf, der unter die allgemeine Regelung fällt, so muss die
zuständige Behörde sich bei der Entscheidung darüber, ob die Richtlinie für den Antragsteller
gilt, auf diese Niveaus stützen. Liegen mindestens zwei Niveaus zwischen der Qualifikation
des Berufsangehörigen und der im Aufnahmemitgliedstaat verlangten Qualifikation, so findet
die Richtlinie derzeit keine Anwendung.

Die in Artikel 11 genannten Niveaus werden sich möglicherweise mit den acht Niveaus des
auf „Bildungsergebnissen“ basierenden Europäischen Qualifikationsrahmens überschneiden,
der 2012 umgesetzt werden soll22. Wenn zwei Klassifizierungssysteme nebeneinander
bestehen, könnte bei den zuständigen Behörden und anderen Beteiligten Verwirrung
entstehen. Eine von der GD Binnenmarkt und Dienstleistungen in Auftrag gegebene Studie
untersucht derzeit auch Nutzen und Grenzen dieser unterschiedlichen Klassifizierungssysteme
für den Zweck der Anerkennung von Qualifikationen. Die Ergebnisse dieser Studie werden
im Herbst vorliegen.

Eine mögliche Lösung wäre es, auf die Klassifizierung von Qualifikationen zu verzichten,
durch die bestimmte Berufsangehörige vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen
würden. Denkbar wäre die Streichung der Qualifikationsniveaus in Artikel 11 (sowie des mit
Artikel 11 verbundenen Anhangs II). Das würde bedeuten, dass die zuständigen Behörden
nicht länger anhand vorher festgelegter Qualifikationsniveaus darüber entscheiden müssten,
ob ein Antragsteller die Ausbildungsvoraussetzungen erfüllt, sondern sich darauf
konzentrieren würden, festzustellen, ob wesentliche Unterschiede zwischen den Ausbildungen
bestehen und ob Ausgleichsmaßnahmen erforderlich sind. Somit könnten die zuständigen
Behörden Anträge auf Anerkennung nicht mehr mit der Begründung ablehnen, dass ein
Unterschied beim Qualifikationsniveau bestehe, etwa zwischen einem Hochschuldiplom und
der Sekundarschulausbildung. Ebenso wenig könnten sie Berufsangehörige aus Gründen der
von einem Mitgliedstaat bescheinigten Berufserfahrung von der Anerkennung der
Qualifikationen ausnehmen (wie es derzeit in Artikel 11 Buchstabe a vorgesehen ist). Die
Streichung dieser Klassifizierungen würde den Mitgliedstaaten mehr Ermessensspielraum
22 Die „Erfahrungsberichte“ und Reaktionen auf die öffentliche Konsultation deuten darauf hin, dass die

Anwendung des Systems auf der Grundlage dieser vorher festgelegten Niveaus als zu komplex erachtet
wird.
DE 12 DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 19 – Drucksache 17/8181

geben.

Frage 9: Würden Sie die Streichung der in Artikel 11 (einschließlich Anhang II) genannten
Klassifizierung befürworten? (Nennen Sie bitte konkrete Argumente für oder gegen dieses
Konzept).

3.3.2. Ausgleichsmaßnahmen

Die Streichung von Artikel 11 birgt die Gefahr von mehr Ausgleichsmaßnahmen. Sollte
Artikel 11 gestrichen werden, so könnte eine Option sein, das System der
Ausgleichsmaßnahmen in vier Schritten neu auszurichten:

1) In Artikel 14 Absatz 1 der Richtlinie sind die Voraussetzungen festgelegt, unter denen der
Aufnahmemitgliedstaat Ausgleichsmaßnahmen vorschreiben kann. Dazu zählt die Dauer der
Ausbildung. Ein Unterschied von einem Jahr bei der Ausbildungsdauer ist derzeit eine
Begründung für eine Ausgleichsmaßnahme. Es ist fraglich, ob Artikel 14 Absatz 1
Buchstabe a der Richtlinie noch immer gerechtfertigt ist.
2) Gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Richtlinie müssen Berufsangehörige über eine mindestens
zweijährige Berufserfahrung verfügen, wenn ihr Beruf in ihrem Herkunftsmitgliedstaat nicht
reglementiert ist. Wenn sie diese Anforderung nicht erfüllen, gilt die „allgemeine Regelung“
für sie derzeit nicht. Es gibt keinen Grund, warum Berufsangehörige mit weniger
Berufserfahrung ausgeschlossen werden sollten. Der Aufnahmemitgliedstaat müsste auf jeden
Fall ihre vorhandenen Qualifikationen einschließlich ihrer Berufserfahrung prüfen.
Unterscheiden sich die Qualifikationen wesentlich von den innerstaatlich geltenden
Anforderungen, so kann der Aufnahmemitgliedstaat angemessene Ausgleichsmaßnahmen
vorschreiben. Artikel 13 Absatz 2 der Richtlinie würde dann gestrichen.
3) Bei der Kommission sind zahlreiche Beschwerden von Bürgern dagegen eingegangen, dass
die zuständigen Behörden unverhältnismäßige Ausgleichsmaßnahmen vorschreiben. Wenn
eine überarbeitete Richtlinie keine Klassifizierung mehr enthält, könnte eine neue Sicherung
in der Richtlinie eingeführt werden, um die EU-Bürger vor willkürlichen
Ausgleichsmaßnahmen zu schützen. Wenn sie einem Antragsteller eine Ausgleichsmaßnahme
vorschreibt, könnte die zuständige Behörde im Aufnahmemitgliedstaat ihre Entscheidung
explizit begründen in Bezug auf:

a) die wesentlichen Unterschiede zwischen der Ausbildung des Antragstellers und der im
Aufnahmemitgliedstaat geforderten Ausbildung (welche Bestandteile der im
Aufnahmemitgliedstaat geforderten Ausbildung werden durch die Ausbildung des
Antragstellers unzureichend abgedeckt und warum werden sie als „wesentliche Unterschiede“
erachtet)

b) warum diese wesentlichen Unterschiede den Berufsangehörigen an der Ausübung des
Berufs im Aufnahmemitgliedstaat hindern.
4) Schließlich könnten grundlegende Bestimmungen des Verhaltenskodexes für nationale
Verwaltungspraktiken, die unter die Richtlinie fallen23 (wie etwa die Vorschrift für die
zuständigen Behörden, Eignungsprüfungen mindestens zweimal jährlich anzubieten)
verbindlich vorgeschrieben werden. Für die übrigen Teile sollte der Verhaltenskodex jedoch
nicht verbindlich vorgeschrieben werden.
23 Siehe: http://ec.europa.eu/internal_market/qualifications/docs/future/cocon_de.pdf.
DE 13 DE

Drucksache 17/8181 – 20 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Frage 10: Falls Artikel 11 der Richtlinie gestrichen wird, sollten die oben beschriebenen vier
Schritte im Rahmen der überarbeiteten Richtlinie durchgeführt werden? Wenn Sie die
Umsetzung aller vier Schritte nicht unterstützen, würden Sie irgendeinem der Schritte
zustimmen? (Nennen Sie bitte konkrete Argumente für oder gegen alle bzw. einzelne
Schritte).

3.3.3. Teilweise qualifizierte Berufsangehörige

Durch die Richtlinie wird die Mobilität voll qualifizierter Berufsangehöriger erleichtert. Sie
gilt zurzeit nicht für Bürger, die zwar ihr Studium abgeschlossen haben, aber noch nicht voll
qualifiziert für die unabhängige Ausübung ihres Berufs sind. Immer mehr Bürger möchten
jedoch den Binnenmarkt nutzen, um ihren Beruf gegen Bezahlung unter Aufsicht im Ausland
auszuüben, und sollten auch die Möglichkeit dazu haben. In der Rechtssache Morgenbesser24
hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise
der Europäischen Union zur Freizügigkeit in diesen Fällen Anwendung finden und dass die
Mitgliedstaaten grundsätzlich niemanden davon abhalten können, einen Beruf gegen
Bezahlung unter Aufsicht auszuüben, sofern sie ihren eigenen Staatsangehörigen diese
Möglichkeit bieten. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Qualifikationen des Bewerbers
mit denen zu vergleichen, die auf nationaler Ebene gefordert werden, um zu beurteilen, ob sie
gleich oder zumindest gleichwertig mit diesen sind.

Im Einklang mit der Rechtsprechung in der Rechtssache Morgenbesser könnten in der
überarbeiteten Richtlinie zwei Grundsätze bestätigt werden: Die Verfahrensgarantien der
Richtlinie könnten auf Absolventen einer akademischen Ausbildung ausgeweitet werden, die
während einer bezahlten Berufsausübung unter Aufsicht Berufserfahrung im Ausland
sammeln wollen, vorausgesetzt, die Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaates haben
die Möglichkeit, ihren Beruf unter Aufsicht auszuüben. Dies betrifft vor allem die für die
zuständigen Behörden geltenden Fristen, um einen Beschluss zu fassen, aber auch die
Verpflichtung, innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens den Empfang des Antrags zu
bestätigen und dem Antragsteller mitzuteilen, welche Unterlagen fehlen. Gleichzeitig könnte
die Richtlinie klarstellen, dass das Herkunftsland die Anerkennung eines Praktikums
grundsätzlich nicht mit der alleinigen Begründung ablehnen kann, dass es im Ausland
absolviert wurde. Die Verfahrensgarantien der Richtlinie könnten auch in diesem
Zusammenhang Anwendung finden.

Frage 11: Würden Sie eine Ausweitung der Vorteile der Richtlinie auf die Absolventen einer
akademischen Ausbildung befürworten, die während einer bezahlten Berufsausübung unter
Aufsicht Berufserfahrung im Ausland sammeln möchten? (Nennen Sie bitte konkrete
Argumente für oder gegen dieses Konzept).

3.4. Nutzung des Potenzials des IMI

3.4.1. Obligatorischer Einsatz des IMI für alle Berufe

Die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten über IMI ist bereits tägliche Praxis. Sie ist
jedoch für die zuständigen Behörden im Fall von Berufstätigen, deren Tätigkeiten vom
Geltungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen sind, nicht verpflichtend. Aus
24 Rechtssache C-313/01, Morgenbesser vom 13. November 2003, Slg., I–13467. (Dieses Urteil wurde

durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Rechtssache C-345/08, PeĞla gegen
Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern bestätigt).
DE 14 DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21 – Drucksache 17/8181

den Rückmeldungen der zuständigen Behörden im Rahmen der Erfahrungsberichte 2010 und
der öffentlichen Konsultation geht hervor, dass eine breite Unterstützung für eine
obligatorische Nutzung der Regelung für Berufe außerhalb des Geltungsbereichs der
Dienstleistungsrichtlinie besteht. Eine Möglichkeit könnte sein, im Zusammenhang mit der
Überarbeitung der Richtlinie sicherzustellen, dass alle zuständigen Behörden auf Anfragen
ihrer Kollegen aus anderen Mitgliedstaaten über IMI antworten25.

3.4.2. Vorwarnungsmechanismus für Berufe im Gesundheitswesen

Außerdem könnte eine proaktivere Form der Zusammenarbeit eingeführt werden. Für Berufe,
die unter die Dienstleistungsrichtlinie fallen, besteht bereits ein Vorwarnungsmechanismus,
der es den zuständigen Behörden ermöglicht, einander unter bestimmten Umständen über
irgendwelche Dienstleistungen zu unterrichten, durch die ein schwerer Schaden für die
Gesundheit bzw. Sicherheit von Personen oder für die Umwelt verursacht werden könnte.
Daher fällt die Tätigkeit eines Handwerkers zurzeit unter diesen Vorwarnungsmechanismus,
nicht jedoch die Tätigkeit von Angehörigen der Gesundheitsberufe, die nicht unter den
Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie fallen.
Welche Lösung ist für sie am Besten geeignet? Die erste Option wäre, denselben
Vorwarnungsmechanismus für Angehörige der Gesundheitsberufe anzuwenden wie für
Berufe, die unter die Dienstleistungsrichtlinie fallen: d. h. eine Vorwarnung wäre auf Fälle
beschränkt, in denen eindeutig nachgewiesen werden kann, dass ein Angehöriger der
Gesundheitsberufe in einen anderen Mitgliedstaat auswandert, obwohl gegen ihn Sanktionen
verhängt wurden, durch die ihm die Ausübung seines Berufs im Herkunftsstaat untersagt ist.
Die Vorwarnung wäre auf diejenigen Mitgliedstaaten beschränkt, in denen eine hinreichende
Wahrscheinlichkeit besteht, dass Gefahren eintreten oder ein Schaden verursacht wird. In
diesem Fall müssten alle Faktoren berücksichtigt werden, die darauf schließen lassen, dass der
Berufstätige in anderen Mitgliedstaaten tätig werden könnte. Eine andere Option, durch die
Patienten wirksamer geschützt werden würden, wäre die Einführung einer Verpflichtung, eine
Vorwarnung an alle Mitgliedstaaten herauszugeben, sobald ein zuwandernder Angehöriger
der Gesundheitsberufe aufgrund von Sanktionen in einem Mitgliedstaat das Recht zur
Ausübung seines Berufs verliert. Jede Maßnahme in diesem Zusammenhang sollte im
Einklang mit der Charta der Grundrechte getroffen werden, insbesondere im Einklang mit
dem Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf.

Frage 12: Welche der beiden Optionen für die Einführung eines Vorwarnungsmechanismus
im IMI-System für Angehörige der Gesundheitsberufe bevorzugen Sie?

Option 1: Eine Ausweitung des Vorwarnungsmechanismus, wie er in der
Dienstleistungsrichtlinie festgelegt ist, auf alle Berufsangehörigen, einschließlich Angehörige
der Gesundheitsberufe? (Der veranlassende Mitgliedstaat würde entscheiden, an welche
anderen Mitgliedstaaten die Vorwarnung übermittelt werden sollte).
25 In den Fällen, in denen diese Zusammenarbeit die Verarbeitung personenbezogener Daten umfasst,

muss das entsprechende EU-Recht gemäß Artikel 56 Absatz 2 der Richtlinie über Berufsqualifikationen
eingehalten werden, insbesondere unter Bezugnahme auf die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 vom 23. November 1995, S. 31.
DE 15 DE

Drucksache 17/8181 – 22 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Option 2: Die Einführung einer weiter reichenden und strikteren Verpflichtung für
Mitgliedstaaten, eine unverzügliche Vorwarnung an alle Mitgliedstaaten herauszugeben,
wenn einem Angehörigen der Gesundheitsberufe die Ausübung seines Berufs aufgrund einer
disziplinarischen Sanktion untersagt wird? (Der veranlassende Mitgliedstaat wäre verpflichtet,
jede Vorwarnung an alle anderen Mitgliedstaaten zu übermitteln).

3.5. Sprachliche Anforderungen

Gemäß Artikel 53 der Richtlinie müssen Berufsangehörige über die Sprachkenntnisse
verfügen, die für die Ausübung ihrer Berufstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat erforderlich
sind. In diesem Zusammenhang müssen die Mitgliedstaaten dem Verhältnismäßigkeitsprinzip
Rechnung tragen, durch das systematische Sprachtests ausgeschlossen werden. Eine Prüfung
der Sprachkenntnisse der EU-Bürger, die Interesse an beruflicher Mobilität haben, von Fall zu
Fall könnte eine legitime Form zur Gewährleistung der Interessen der Verbraucher und
Patienten sein. Systematische Sprachtests können jedoch, wenn sie unverhältnismäßig
angewandt werden, ein Mittel darstellen, um ausländische Berufsangehörige
ungerechterweise am Zugang zu ihrem Recht zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit zu
hindern. Für die Gewährleistung, dass alle erforderlichen beruflichen Sprachkenntnisse
erworben wurden, ist in erster Linie der Arbeitgeber verantwortlich.

In einigen Mitgliedstaaten wird zurzeit über die sprachlichen Anforderungen von
Angehörigen der Gesundheitsberufe debattiert. Dieses Thema gewinnt immer mehr an
Bedeutung, da die Migration von Angehörigen der Gesundheitsberufe zunimmt, und es ist
besonders ernst, im Fall von den Angehörigen der Gesundheitsberufe, deren Qualifikationen
automatisch anerkannt werden und die direkten Kontakt mit Patienten haben. Sollten diese
Berufsangehörigen einen Sprachtest ablegen müssen? Und falls ja, zu welchem Zeitpunkt?

- Eine Option wäre eine Klarstellung des Verhaltenskodexes26, was stärker zu künftigen
Anpassungen beitragen würde.

- Eine andere Option wäre, eine Bestimmung in die Richtlinie aufzunehmen, die speziell für
Angehörige der Gesundheitsberufe mit direktem Kontakt zu Patienten gilt. Durch diese
Bestimmung würde eine einmalige Überprüfung der erforderlichen Sprachkenntnisse von
Angehörigen der Gesundheitsberufe vor dem ersten direkten Kontakt mit Patienten
ermöglicht werden.
26 Gegenwärtig haben die Mitgliedstaaten die Kontrolle darüber, dass die Berufsangehörigen über die für

die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen, müssen sie
allerdings in verhältnismäßiger Form ausüben. Das bedeutet, dass sie ausländische Berufsangehörige
nicht systematisch zu Sprachtests verpflichten können. Berufsangehörige sollten die Möglichkeit haben,
ihre Sprachkenntnisse auf andere Weise zu belegen (z. B. durch ein in der entsprechenden Sprache
erworbenes Diplom, Berufserfahrung im entsprechenden Land, eine Bescheinigung über
Sprachkenntnisse usw.). Das heißt auch, dass das erforderliche Niveau der Sprachkenntnisse je nach Art
der beruflichen Tätigkeit und dem Rahmen, in dem sie ausgeübt wird, unterschiedlich ist. Außerdem
können die Sprachkenntnisse erst nach Ende des Anerkennungsverfahrens geprüft werden und können
kein Grund dafür sein, die Anerkennung der Berufsqualifikationen als solche abzulehnen.
DE 16 DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23 – Drucksache 17/8181

Frage 13: Welche der beiden oben genannten Optionen bevorzugen Sie?
Option 1: Klarstellung der bestehenden Bestimmungen des Verhaltenskodexes.

Option 2: Änderung der Richtlinie selbst in Bezug auf Angehörige der Gesundheitsberufe,
die direkten Kontakt mit Patienten haben und deren Qualifikationen automatisch anerkannt
werden.

4. ÜBERARBEITUNG DER AUTOMATISCHEN ANERKENNUNG

4.1. Dreistufenkonzept für die Überarbeitung

Die Richtlinie über Berufsqualifikationen sieht eine Reihe von harmonisierten
Mindestanforderungen an die Ausbildung von Ärzten, Zahnärzten, Krankenschwestern und
Krankenpflegern, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, Hebammen, Apothekern,
Tierärzten und Architekten vor. Diese Mindestanforderungen an die Ausbildung sind seit
mehreren Jahren die Grundlage für die automatische Anerkennung. Die Regelung der
automatischen Anerkennung für diese Berufe wird weitgehend als Erfolg betrachtet. Einige
der Ausbildungsanforderungen sind allerdings bis zu 30 Jahren alt, und viele Beteiligte
fordern eine Überarbeitung der Richtlinie. Die überarbeitete Richtlinie sollte jedoch zunächst
die wichtigsten Grundsätze der automatischen Anerkennung beibehalten und über einen
flexiblen Mechanismus zur Aktualisierung der spezifischen Ausbildungsanforderungen
verfügen. Dieser Mechanismus könnte in der Folge dazu verwendet werden, die laufenden
Bildungsreformen schrittweise in die Regelung über die automatische Anerkennung
aufzunehmen. Gleichzeitig muss die Überarbeitung dem ständigen wissenschaftlichen und
technischen Fortschritt Rechnung tragen. Deshalb könnte die Überarbeitung in drei Stufen
stattfinden.

In der ersten Stufe könnte die Richtlinie selbst geändert werden, um die Grundlage der
Ausbildungsanforderungen zu klären und anzupassen, z. B. Klarstellung der Mindestdauer der
Ausbildung und Verstärkung der Maßnahmen, durch die die Qualität der von
Berufsangehörigen angebotenen Dienstleistungen gestärkt wird. Außerdem muss der
institutionelle Rahmen geändert werden, um das derzeitige Komitologiesystem im Einklang
mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union entweder durch
Durchführungsrechtsakte oder delegierte Rechtsakte27 zu ersetzen. Idealerweise würden der
Ministerrat und das Europäische Parlament über diese Änderungen im Anschluss an einen bis
Ende 2011 vorgelegten Vorschlag der Kommission entscheiden. In der Binnenmarktakte vom
13. April wird vorgeschlagen, dass bis Ende 2012 eine politische Einigung über diese Stufe
erzielt werden sollte.

In der zweiten Stufe würde der Rahmen der neu eingeführten Durchführungs- oder
delegierten Rechtsakte zur Aktualisierung der bestehenden Ausbildungsfächer für alle
betroffenen Berufsangehörigen sowie gegebenenfalls zur Entwicklung von
Kompetenzprofilen verwendet werden. (In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass die
Kommission bereits im Rahmen des bestehenden Komitologieverfahrens berechtigt ist,
einzugreifen). Änderungen in diesen Bereichen würden eine vorgelagerte Beteiligung der
zuständigen Behörden erfordern, die bereits begonnen haben, ein Wissensnetzwerk
aufzubauen, und die Kommission 2010 erfolgreich bei der Evaluierung der aktuellen
27 Siehe Artikel 290 und 291 AEUV.
DE 17 DE

Drucksache 17/8181 – 24 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Richtlinie unterstützt haben. Diese zweite Stufe würde 2013 beginnen und könnte 2014
abgeschlossen werden.

In der dritten Stufe könnte dann schließlich gegebenenfalls die Harmonisierung der
Mindestanforderungen an die Ausbildung weiter verbessert werden, z. B. indem die
Mitgliedstaaten vom Unterrichtsstundensystem zum Europäischen System zur Übertragung
und Akkumulierung von Studienleistungen (ECTS)28 übergehen, um die automatische
Anerkennung künftig zu erleichtern. Im Rahmen der laufenden Studie über die Auswirkungen
der Bildungsreformen29 werden die potenziellen Vorteile der Verwendung von ECTS-Punkten
in diesem Bereich bewertet. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Studie könnte ein
Mechanismus zur Klärung der in der überarbeiteten Richtlinie festgelegten Mindestzahl der
Ausbildungsjahre in Bezug auf die entsprechende Anzahl von ECTS-Punkten erwogen
werden. Dies würde jedoch weitere Anstrengungen seitens der Universitäten und der
Berufsangehörigen erfordern. Die ersten Bewertungen könnten 2014 beginnen.

Frage 14: Würden Sie ein Dreistufenkonzept zur Überarbeitung der in der Richtlinie
festgelegten Mindestanforderungen an die Ausbildung unterstützen, das aus den folgenden
Stufen besteht?

- Erste Stufe: Überprüfung der Grundlagen, namentlich die Mindestdauer der Ausbildung,
und Vorbereitung des institutionellen Rahmens für weitere Anpassungen, als Teil der
Überarbeitung der Richtlinie in dem Zeitraum 2011-2012.

- Zweite Stufe (2013-2014): Aufbau auf überprüften Grundlagen, einschließlich
gegebenenfalls Überarbeitung der Ausbildungsfächer und Vorarbeiten für zusätzliche
Kompetenzprofile im Wege des neuen institutionellen Rahmens.

- Dritte Stufe (nach 2014): Behandlung des Themas der ECTS-Punkte im Wege des neuen
institutionellen Rahmens.

4.2. Stärkung des Vertrauens in die automatische Anerkennung

In ihren Erfahrungsberichten haben viele der zuständigen Behörden eine Stärkung der
Regelung der automatischen Anerkennung gefordert. Einige unter ihnen gaben an, dass eine
weitere Harmonisierung der Mindestdauer der Ausbildung in der Richtlinie notwendig sei,
z. B. durch die Einführung einer Unterrichtsstundenanzahl oder durch eine Klärung, ob
sowohl Jahre als auch Unterrichtsstunden gelten sollen. Eine andere Option wäre,
Überlegungen anzustellen, welche nationale Einrichtung oder Behörde mehr Verantwortung
dafür übernehmen könnte, dass der Inhalt der zu einer bestimmten Berufsbezeichnung
führenden Ausbildung jederzeit die Anforderungen der Richtlinie erfüllt.

4.2.1. Klärung des Status von Berufsangehörigen

Die Richtlinie über Berufsqualifikationen sieht eine Reihe von harmonisierten
Mindestanforderungen an die Ausbildung von Ärzten, Zahnärzten, Krankenschwestern und
Krankenpflegern, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, Hebammen, Apothekern,
Tierärzten und Architekten vor. Diese Mindestanforderungen an die Ausbildung sind zurzeit
die einzige Grundlage für die automatische Anerkennung der Berufsqualifikationen. Diplome,
28 Für nähere Informationen siehe http://ec.europa.eu/education/lifelong-learning-policy/doc48_de.htm.
29 Die Studie wird von GBP durchgeführt und im Oktober veröffentlicht.
DE 18 DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25 – Drucksache 17/8181

mit denen die Erfüllung der Mindestanforderungen an die Ausbildung bestätigt wird, reichen
aus, damit sich ihre Inhaber in einem anderen Mitgliedstaat als dem niederlassen können, in
dem sie ihre Ausbildungsnachweise erworben haben. Es kann jedoch eintreten, dass Inhaber
von Diplomen ihr Recht verlieren, den Beruf auszuüben, für den sie sich in ihrem
Herkunftsmitgliedstaat qualifiziert haben (z. B. weil sie die nationalen Anforderungen
hinsichtlich der beruflichen Weiterbildung nicht eingehalten haben).

Zurzeit weist die Richtlinie eine Lücke auf. Im Fall einer vorübergehenden Erbringung von
Dienstleistungen müssen die Berufsangehörigen nachweisen, dass sie das Recht zur
Ausübung ihres Berufes in ihrem Herkunftsmitgliedstaat erworben haben und ihnen die
Ausübung dieser Tätigkeiten nicht untersagt ist, z.B. weil sie die nationalen Anforderungen in
Bezug auf die berufliche Weiterbildung nicht eingehalten haben. Es besteht keine
ausdrückliche Bestimmung für eine ähnliche Anforderung im Falle einer Niederlassung. Es
könnte sinnvoll sein, diese Anforderung auf Fälle auszuweiten, in denen sich ein
Berufsangehöriger dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen möchte. Dies sollte
beispielsweise Ärzte davon abhalten, die in einem Mitgliedstaat nicht mehr zur Ausübung
ihres Berufs berechtigt sind, in einen anderen Mitgliedstaat auszuwandern.

Frage 15: Wenn Berufsangehörige sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem niederlassen
wollen, in dem sie ihre Berufsqualifikationen erworben haben, sollten sie im
Aufnahmemitgliedstaat nachweisen, dass sie das Recht zur Ausübung ihres Berufes in ihrem
Herkunftsmitgliedstaat haben. Dieser Grundsatz gilt für die vorübergehende Mobilität. Sollte
er auf Fälle ausgeweitet werden, in denen ein Berufsangehöriger sich niederlassen möchte?
(Nennen Sie bitte konkrete Argumente für oder gegen dieses Konzept). Sollte sich die
Richtlinie ausführlicher mit dem Thema der beruflichen Weiterbildung befassen?

4.2.2. Klärung der Mindestdauer der Ausbildung für Ärzte, Krankenschwestern,
Krankenpfleger und Hebammen

Für einige durch Einzelrichtlinien geregelte Berufe wird die Mindestausbildungsdauer in
Jahren oder Unterrichtsstunden ausgedrückt. Dies kann zu Missverständnissen darüber führen,
ob die beiden Kriterien zwei Optionen darstellen oder gemeinsam angewandt werden sollen.
Eine Vielzahl von Beteiligten schlägt vor, die beiden Kriterien miteinander zu kombinieren.
In der überarbeiteten Richtlinie könnte dieser Punkt im Fall von Ärzten, Krankenschwestern
und Krankenpflegern sowie Hebammen klargestellt werden, für die diese beiden Bedingungen
bereits als Option bestehen.

Frage 16: Würden Sie eine Klärung der Mindestanforderungen an die Ausbildung für Ärzte,
Krankenschwestern und Krankenpfleger sowie Hebammen unterstützen, indem festgelegt
wird, dass die Bedingungen in Bezug auf eine Mindestausbildungsdauer in Jahren und
Unterrichtsstunden kumulativ angewandt werden sollen? (Nennen Sie bitte konkrete
Argumente für oder gegen dieses Konzept).

4.2.3. Gewährleistung einer besseren Einhaltung auf nationaler Ebene

Die automatische Anerkennung für Berufe, für die die Mindestanforderungen an die
Ausbildung harmonisiert wurden, wird auf der Grundlage der den Angehörigen dieser Berufe
verliehenen Berufsbezeichnungen gewährt, sofern sie die in der Richtlinie festgesetzten
Mindestanforderungen an die Ausbildungsinhalte einhalten. Ausbildungsinhalte ändern sich
DE 19 DE

Drucksache 17/8181 – 26 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

jedoch im Laufe der Zeit. Außerdem hat eine Vielzahl von Universitäten Reformen im
Rahmen des Bologna-Prozesses30 durchgeführt, der viele Änderungen mit sich bringen wird,
wie beispielsweise einen Übergang zu studentenorientiertem Lernen. Dies wirft die Frage auf,
wie die Mitgliedstaaten angesichts der laufenden Reformen künftig sicherstellen können, dass
Universitäten und andere Ausbildungseinrichtungen den von der Richtlinie festgelegten
Rahmen einhalten.

Eine andere Herausforderung stellt die Bedingung dar, dass die Mitgliedstaaten der
Kommission neue Entwicklungen melden müssen, insbesondere im Falle von neuen in dem
Mitgliedstaat verliehenen Berufsbezeichnungen. In der Praxis gehen solche Informationen
erst ein, wenn die betroffenen Studenten ihre Ausbildung abgeschlossen und ihre Diplome
erhalten haben, wodurch für einige Absolventen die Möglichkeit, die automatische
Anerkennung in Anspruch zu nehmen, eingeschränkt wird oder zumindest große Unsicherheit
in Bezug auf die Freizügigkeit geschaffen wird.

Zur Bewältigung dieser beiden Probleme könnte die überarbeitete Richtlinie die Anforderung
für die Mitgliedstaaten enthalten, dass Änderungen an den Diplomen gemeldet werden
müssen, sobald sie von einer Akkreditierungsbehörde zugelassen oder anderen öffentlichen
Stellen genehmigt wurden, d. h. rechtzeitig bevor die Studenten mit den gemeldeten
Diplomen ihr Studium abschließen. Die benannten Stellen (die nicht unbedingt neu
geschaffen werden müssten) würden eine nationale Kontrolle der Einhaltung der
Bestimmungen übernehmen und somit sicherstellen, dass die im Rahmen der Richtlinie
harmonisierten Mindestanforderungen an die Ausbildung eingehalten werden. Allen
Meldungen könnte ein entsprechender Bericht der Stelle beigefügt werden, die diese Aufgabe
wahrnimmt. Diese Änderungen würden nicht nur eine größere Sicherheit für junge
Absolventen darstellen, dass sie die automatische Anerkennung in Anspruch nehmen können,
sondern würden auch das Vertrauen unter den Mitgliedstaaten fördern.

Frage 17: Sind Sie damit einverstanden, dass die Mitgliedstaaten die Meldung übermitteln
sollten, sobald ein neues Bildungsprogramm genehmigt wurde? Würden Sie eine
Verpflichtung der Mitgliedstaaten unterstützen, der Kommission einen Bericht darüber zu
übermitteln, ob jedes Aus- und Weiterbildungsprogramm, das zum Erhalt einer
Berufsbezeichnung führt, die der Kommission gemeldet werden muss, die Bestimmungen der
Richtlinie einhält? Sollten die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck eine nationale Stelle für die
Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen benennen? (Nennen Sie bitte konkrete
Argumente für oder gegen dieses Konzept).

4.3. Fachärzte

Die Kommission hat eine Reihe von Anmerkungen zur Facharztausbildung erhalten, die sich
hauptsächlich auf zwei Punkte konzentrieren. Erstens kann die automatische Anerkennung
zurzeit nur auf medizinische Fachrichtungen ausgeweitet werden, die in mindestens zwei
Fünfteln der Mitgliedstaaten bestehen. Diese Schwelle könnte innovationsfeindlich wirken
und die Möglichkeit, neue medizinische Fachrichtungen in die Richtlinie aufzunehmen,
beschränken. Es könnte sinnvoll sein, die Schwelle für die Anzahl der erforderlichen
Mitgliedstaaten von zwei Fünfteln auf ein Drittel zu senken. Auf diese Weise würde die
30 Der Bologna-Prozess wurde 1999 eingeleitet, mit dem Ziel vergleichbarere, kompatiblere und

kohärentere Hochschulsysteme in Europa zu gewährleisten. Für nähere Informationen siehe
http://www.ehea.info/.
DE 20 DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 27 – Drucksache 17/8181

Schwelle für die Aufnahme neuer Fachrichtungen in die Richtlinie der vorgeschlagenen
Schwelle für gemeinsame Plattformen entsprechen (siehe Abschnitt 2.3).

Frage 18: Stimmen Sie zu, dass die Schwelle für die Mindestzahl der Mitgliedstaaten, in
denen die medizinische Fachrichtung bestehen muss, von zwei Fünfteln auf ein Drittel
gesenkt werden sollte? (Nennen Sie bitte konkrete Argumente für oder gegen dieses
Konzept).

Der zweite Punkt betrifft den allgemeinen Rahmen für die Durchführung der
Facharztausbildung. Die Richtlinie lässt wenig Spielraum für die Anerkennung von in
früheren Ausbildungsgängen erworbenen Kenntnissen, die zumindest gleichwertig mit der
Ausbildung für eine bestimmte Fachrichtung sind. Dies ist von besonderer Bedeutung für
Fachärzte in Gebieten, die über die innere Medizin oder allgemeine Chirurgie hinausgehen31.
Wenn ein Arzt eine Facharztausbildung abgeschlossen hat und in der Folge eine andere
Facharztausbildung absolvieren möchte, müsste er für die zweite Fachrichtung im Prinzip von
Anfang an dem gesamten Ausbildungsprogramm folgen. Durch die Überarbeitung der
Richtlinie könnte es den Mitgliedstaaten ermöglicht werden, Befreiungen für Teilbereiche der
Facharztausbildung zu gewähren, sofern dieser Teilbereich bereits im Rahmen eines anderen
Facharztausbildungsprogramms absolviert wurde.

Frage 19: Stimmen Sie zu, dass die Überarbeitung der Richtlinie eine Möglichkeit für
Mitgliedstaaten darstellen könnte, Befreiungen für Teilbereiche der Facharztausbildung zu
gewähren, sofern dieser Teilbereich bereits im Rahmen eines anderen
Facharztausbildungsprogramms absolviert wurde? Wenn ja, sollten für eine Befreiung für
Teilbereiche irgendwelche Bedingungen erfüllt werden müssen? (Nennen Sie bitte konkrete
Argumente für oder gegen dieses Konzept).

4.4. Krankenpflegekräfte und Hebammen

Die Zulassung zur Ausbildung für Krankenpflegekräfte setzt eine mindestens zehnjährige
allgemeine Schulausbildung voraus; dieselbe Voraussetzung gilt für die Ausbildung zur
Hebamme unter der sogenannten Ausbildungsmöglichkeit I (Artikel 40 Absatz 2 Buchstabe a
der Richtlinie). Der Krankenpflegeberuf hat sich allerdings in den letzten drei Jahrzehnten
deutlich weiterentwickelt – durch die gemeinschaftsorientierte Gesundheitsversorgung, den
Einsatz komplexer Therapien und der sich ständig weiterentwickelnden Technologie wird die
Fähigkeit einer unabhängigeren Arbeit von Krankenschwestern und Krankenpflegern
vorausgesetzt. In einigen Mitgliedstaaten wird aufgrund des Mangels an Ärzten von
Krankenpflegekräften und Hebammen erwartet, dass sie Aufgaben wahrnehmen, die zuvor
ausschließlich von Ärzten durchgeführt wurden. Die Besorgnis besteht, dass Schüler, die nach
einer nur zehnjährigen allgemeinen Schulbildung die Krankenpflegeschule besuchen, nicht
die nötigen grundlegenden Fähigkeiten und Kenntnisse haben, um eine Ausbildung zu
beginnen, die sie darauf vorbereiten soll, die komplexen Aufgaben der
Gesundheitsversorgung zu erfüllen. Eine Option wäre folglich, die Mitgliedstaaten dazu zu
31 Im Falle der inneren Medizin sind die folgenden 11 Fachrichtungen betroffen: Immunologie,

Rheumatologie, Lungen- und Bronchialheilkunde, Gastroenterologie, Kardiologie, Endokrinologie,
Geriatrie, Nierenkrankheiten, allgemeine Hämatologie, übertragbare Krankheiten und klinische
Onkologie. Als eng verbunden mit der allgemeine Chirurgie könnten die folgenden 11 Fachrichtungen
betrachtet werden: Plastische Chirurgie, Thoraxchirurgie, Kinderchirurgie, Gefäßchirurgie,
gastroenterologische Chirurgie, Neurochirurgie, Orthopädie, Kiefer- und Gesichtschirurgie,
Stomatologie, Gefäßchirurgie und Urologie.
DE 21 DE

Drucksache 17/8181 – 28 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

verpflichten, nur Kandidaten für Ausbildungsgänge der Krankenschwestern und
Krankenpfleger zuzulassen, die eine allgemeine Schulausbildung von mindestens zwölf
Jahren absolviert haben (dasselbe sollte für die Ausbildung zur Hebamme unter der
sogenannten „Ausbildungsmöglichkeit I“ gelten). Diese Anforderung besteht bereits in vielen
Mitgliedstaaten. Die andere Option wäre die Aufrechterhaltung des Status quo.

Frage 20: Welche der oben genannten Optionen bevorzugen Sie?

Option 1: Die Beibehaltung der Anforderung einer zehnjährigen allgemeinen
Schulausbildung.

Option 2: Die Anhebung der Anforderung einer allgemeinen Schulausbildung von zehn
Jahren auf zwölf Jahre.

4.5. Apotheker

Die herkömmliche Rolle des Apothekers befindet sich im Wandel, von der reinen Abgabe von
Medikamenten hin zu einem direkteren Kontakt mit Patienten, einschließlich Beratung und
Vermittlung von Informationen bis gegebenenfalls hin zur Überprüfung, Überwachung und
Anpassung der Behandlung. Die öffentliche Apotheke wird immer wichtiger. Einige der
Beteiligten sprechen sich für eine Ausweitung der in Artikel 45 Absatz 2 der Richtlinie
festgelegten Liste der beruflichen Tätigkeiten aus, die ein Apotheker in den Mitgliedstaaten
wahrnehmen darf, um diesem Wandel Rechnung zu tragen. Die Beteiligten fordern meistens
die Aufnahme der Begriffe „pharmazeutische Betreuung“, „öffentliche Apotheke“ und
„Pharmakovigilanz“ als neue berufliche Tätigkeiten. Zusätzlich schlägt eine Vielzahl der
Beteiligten vor, dass die Richtlinie (zurzeit Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe b) einen
Pflichtzeitraum von sechs Monaten für eine praktische Ausbildung festlegen sollte,
unmittelbar nach Abschluss der akademischen Ausbildung, um die künftigen Apotheker auf
ihre Rolle vorzubereiten.

Eine andere Frage bezieht sich darauf, ob die Mitgliedstaaten dazu berechtigt sein sollten, voll
qualifizierten Apothekern, die ihre Berufsqualifikationen in einem anderen Mitgliedstaat
erworben haben, die Eröffnung neuer Apotheken zu untersagen. Den Mitgliedstaaten ist
gemäß Artikel 21 Absatz 4 der Richtlinie zurzeit gestattet, die automatische Anerkennung der
Qualifikationen von Apothekern für die Errichtung oder Leitung einer neuen Apotheke nicht
zuzulassen. Dies gilt auch für Apotheken, die zu einem weniger als drei Jahre
zurückliegenden Zeitpunkt eröffnet wurden. Dies stimmt nicht mit dem allgemeinen
Grundsatz der automatischen Anerkennung überein und stellt eine Diskriminierung von
Apothekern in der EU dar. Eine Diskriminierung von EU-Bürgern eines anderen
Mitgliedstaats ist nicht vereinbar mit dem Binnenmarkt. Irland sieht von der Anwendung
dieser Ausnahme bereits ab, und das Vereinigte Königreich will sie bis zum Sommer dieses
Jahres abschaffen. Es wird vorgeschlagen, diese Bestimmung zu streichen, um die
Freizügigkeit der Apotheker zu fördern und dem Grundsatz der automatischen Anerkennung
volle Geltung zu verschaffen. In jedem Fall ermöglicht Artikel 61 der Richtlinie bereits
Ausnahmen, wenn es wirklich notwendig ist.

Frage 21: Stimmen Sie zu, dass die Liste der beruflichen Tätigkeiten von Apothekern
ausgeweitet werden sollte? Unterstützen Sie den oben beschriebenen Vorschlag, die
Anforderung eines sechsmonatigen Praktikums aufzunehmen? Unterstützen Sie die
Streichung von Artikel 21 Absatz 4 der Richtlinie? (Nennen Sie bitte konkrete Argumente für
oder gegen dieses Konzept).
DE 22 DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29 – Drucksache 17/8181

4.6. Architekten

In einer Vielzahl von Mitgliedstaaten bieten die Universitäten einen mindestens fünfjährigen
Lehrplan für das Architekturstudium an. In der Richtlinie sind keine Hindernisse für diesen
Trend enthalten. Die in Artikel 46 der Richtlinie festgelegten Ausbildungsanforderungen einer
vierjährigen akademischen Ausbildung für Architekten stellen nur die Mindestanforderungen
dar, wodurch die Mitgliedstaaten und Universitäten die Möglichkeit haben, höhere Standards
bei der Ausbildung künftiger Architekten anzuwenden. Gleichwohl schlagen die
Berufsverbände der Architekten vor, dass die in der Richtlinie festgesetzte
Mindestausbildungsdauer von vier auf fünf Jahre angehoben werden könnte, um der
Entwicklung des Berufs Rechnung zu tragen.

Der Vorschlag, die Ausbildungsanforderungen auf EU-Ebene auf fünf Jahre zu
harmonisieren, wirft schwierige Fragen auf. Erstens ist die Kommission nicht in der Lage zu
bestätigen, welche der bereits in der Richtlinie aufgrund der Erfüllung der aktuellen
Bestimmungen veröffentlichten Diplome eine fünfjährige Ausbildung bescheinigen. Daher
würde eine Harmonisierung der Mindestausbildungsdauer auf fünf Jahre, zusätzlich zu der
bereits bestehenden Regelung der erworbenen Rechte für Architekten, die ihre Ausbildung
vor dem Inkrafttreten der ersten Richtlinie über Architekten im Jahr 1985 absolviert haben
(siehe Artikel 49 der Richtlinie 2005/36/EG in Verbindung mit Anhang VI), eine neue
Regelung der erworbenen Rechte für Architekten erforderlich machen, deren Ausbildung vor
dem Inkrafttreten der überarbeiteten Richtlinie 2012 bzw. 2013 begonnen hat.

Zweitens würde diese Lösung die Flexibilität erheblich einschränken, ohne dabei ein anderes
Problem im Zusammenhang mit der Mobilität in Angriff zu nehmen – wie kann der
Ausübung eines Berufs unter Aufsicht Rechnung getragen werden, einem Aspekt der
Architektenausbildung, der bereits von vielen Mitgliedstaaten als wichtiger Bestandteil dieser
Ausbildung anerkannt wird?

Vor diesem Hintergrund scheinen zwei Optionen gegeben zu sein:

Die erste Option wäre, die bestehende Anforderung von vier Jahren beizubehalten.
Die zweite Option wäre, die Bestimmungen der Richtlinie näher an die derzeitige Lage in
den meisten Mitgliedstaaten anzugleichen, wobei für jede der Bestimmungen ein gewisses
Maß an Flexibilität ermöglicht wird, d. h. für eine automatische Anerkennung müssten
Architekten entweder eine mindestens fünfjährige akademische Ausbildung absolvieren,
gefolgt von einer Berufserfahrung im Rahmen einer Berufsausübung unter Aufsicht von
mindestens einem Jahr, oder eine mindestens vierjährige akademische Ausbildung mit einer
Berufserfahrung im Rahmen einer Berufsausübung unter Aufsicht von mindestens zwei
Jahren. Folglich würde es mindestens sechs Jahre dauern, um ein voll qualifizierter Architekt
in der Europäischen Union zu werden, und dieser Zeitraum würde immer eine
Berufsausübung unter Aufsicht umfassen.

Frage 22: Welche der beiden oben genannten Optionen bevorzugen Sie?

Option 1: Beibehaltung der aktuellen Anforderung einer mindestens vierjährigen
akademischen Ausbildung?
DE 23 DE

Drucksache 17/8181 – 30 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Option 2: Ergänzung der derzeitigen Anforderung einer mindestens vierjährigen
akademischen Ausbildung durch die Anforderung einer zweijährigen Berufserfahrung. Als
Alternative würde die automatische Anerkennung auch für Architekten gelten, die ein
fünfjähriges akademisches Ausbildungsprogramm absolviert haben, ergänzt mit einer
Berufserfahrung von mindestens einem Jahr.

4.7. Automatische Anerkennung in den Bereichen Handwerk, Handel und Industrie

In den Bereichen Handwerk, Handel und Industrie hängt die automatische Anerkennung von
zwei Bedingungen ab: 1) einer bestimmten Anzahl von Jahren der Berufserfahrung, die je
nach Tätigkeit unterschiedlich ist, und 2) einer eindeutigen Ermittlung der beruflichen
Tätigkeit auf der Grundlage von Anhang IV der Richtlinie. Im Hinblick auf die erste
Bedingung hat die Evaluierung ergeben, dass es keine Gründe für eine Änderung der
Mindestanzahl der Jahre der erforderlichen Berufserfahrung gibt. Im Hinblick auf die zweite
Bedingung wurde nachdrücklich die Auffassung vertreten, dass Anhang IV in seiner aktuellen
Form auf der Grundlage der darin aufgelisteten Tätigkeiten nicht immer eine eindeutige
Ermittlung des Berufs zulässt. Anhang IV bezieht sich zurzeit auf die Internationale
Standardklassifikation der Wirtschaftszweige (ISIC)32, jedoch nicht auf ihre aktuellste
Version, sondern geht manchmal bis in die fünfziger und sechziger Jahre zurück.

Eine Option wäre, dieselbe ISIC-Klassifikation als Grundlage zu nehmen, jedoch in ihrer
aktuell überarbeiteten Version von 2008, in der nun eine genauere Liste mit Tätigkeiten
enthalten ist. Die Festlegung und Aktualisierung von Berufsqualifikationen und den
entsprechenden Berufen ist aufgrund der raschen technologischen Fortschritte wichtig.
Verschiedene Beteiligte haben als alternative Lösung auch die Verwendung des
Gemeinsamen Vokabulars für öffentliche Aufträge33 der EU vorgeschlagen, das regelmäßig
aktualisiert wird, sowie die Verwendung der Systematik der Internationalen
Standardklassifizierung der Berufe (ISCO)34, in ihrer überarbeiteten Version von 2008.

Ausgehend von den Ergebnissen der Studie sollte die überarbeitete Richtlinie den Grundsatz
der automatischen Anerkennung für Berufe in den Bereichen Handwerk, Handel und Industrie
beibehalten, die Klassifikation der Tätigkeiten selbst könnte allerdings zu einem späteren
Zeitpunkt durchgeführt werden.

Frage 23: Welche der folgenden Optionen bevorzugen Sie?

Option 1: Unmittelbare Überarbeitung, indem die ISIC-Klassifikation von 1958 durch die
ISIC-Klassifikation von 2008 ersetzt wird.

Option 2: Unmittelbare Überarbeitung, indem Anhang IV durch das im Bereich öffentlicher
Aufträge verwendete Gemeinsame Vokabular ersetzt wird.
32 Die Systematik wurde von den Vereinten Nationen 1948 angenommen und 1958, 1968, 1989 und 2006

überarbeitet (die jüngste Überarbeitung wurde 2008 veröffentlicht).
33 Siehe Verordnung (EG) Nr. 2195/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom

5. November 2002 über das Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge (CPV), veröffentlicht im
ABl. L 340/1 vom 16. Dezember 2002, zuletzt geändert im Jahr 2009. Abrufbar unter: http://eur-
lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2002:340:0001:0001:DE:PDF.

34 Angenommen von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und abrufbar unter:
http://www.ilo.org/public/english/bureau/stat/isco/index.htm.
DE 24 DE

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31 – Drucksache 17/8181

Option 3: Unmittelbare Überarbeitung, indem Anhang IV durch die ISCO-Systematik in
ihrer zuletzt überarbeiteten Version von 2008 ersetzt wird.
Option 4: Überarbeitung in zwei Stufen: Bestätigung in der überarbeiteten Richtlinie, dass
die automatische Anerkennung weiterhin für Tätigkeiten im Zusammenhang mit Handwerk,
Handel und Industrie gilt. Die zusammenhängenden Tätigkeiten werden weiterhin durch
Anhang IV bestimmt, bis zum Jahr 2014, in dem eine neue Liste der Tätigkeiten durch einen
delegierten Rechtsakt festgelegt wird. Die Liste der Tätigkeiten sollte sich auf eine der unter
Option 1, 2 oder 3 beschriebenen Klassifikationen stützen.

4.8. Qualifikationen aus Drittländern

Die Richtlinie über Berufsqualifikationen gilt im Wesentlichen für EU-Bürger, die ihre
Ausbildungsnachweise in einem EU-Mitgliedstaat erworben haben. Sie unterstützt jedoch
auch EU-Bürger, die ihre Ausbildungsnachweise außerhalb der Europäischen Union erworben
haben (z. B. ein in Kanada oder China erhaltenes Diplom).

Die Richtlinie gilt, wenn ein EU-Bürger seinen Ausbildungsnachweis ursprünglich in einem
Drittland erworben hat, der Ausbildungsnachweis bereits in einem Mitgliedstaat anerkannt
wurde und der betreffende EU-Bürger drei Jahre Berufserfahrung in diesem Mitgliedstaat
besitzt. Durch Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie wird die Freizügigkeit eines EU-Bürgers
erleichtert, wenn dieser Bürger in einen anderen Mitgliedstaat zieht. Der EU-Bürger kann
somit alle Verfahrensgarantien im Rahmen der sogenannten allgemeinen Regelung in
Anspruch nehmen (wie eine rasche und begründete Entscheidung darüber, ob die
Berufsqualifikation anerkannt werden kann). Kurz gesagt, wird durch eine dreijährige
rechtmäßige und wirksame Berufserfahrung in einem Mitgliedstaat ermöglicht, dass der
ursprüngliche in einem Drittland erworbene Ausbildungsnachweis mit dem eines in einem
Mitgliedstaat erworbenen Ausbildungsnachweises gleichgestellt werden kann.

In der Richtlinie sind jedoch auch Sicherungen enthalten, um die Einhaltung der
Mindestanforderungen an die Ausbildung sicherzustellen, die bereits (für bestimmte Berufe
im Gesundheitswesen und für Architekten) auf europäischer Ebene harmonisiert wurden.
Gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie sollten die Mitgliedstaaten die in einem Drittland
erworbenen Berufsqualifikationen von EU-Bürgen nicht anerkennen, wenn das
Qualifikationsniveau nicht den für in der EU erworbene Qualifikationen festgelegten
Mindestanforderungen entspricht. Die Mitgliedstaaten sollten auch vermeiden, eine
Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus Ländern außerhalb der EU auszulösen35.

Die wichtigste Frage ist, ob aufgrund des allgemeinen Mangels an qualifizierten
Arbeitskräften eine Anpassung der oben beschriebenen Bestimmungen erforderlich ist. Eine
solche Anpassung würde in erster Linie den EU-Bürgern zugute kommen. Sie könnte
allerdings auch Auswirkungen auf bestimmte Staatsangehörige von Drittländern haben, die
Rechte im Rahmen des europäischen Rechts genießen: Familienangehörige von EU-
Bürgern36, langfristig Aufenthaltsberechtigte37, Flüchtlinge38 und Inhaber der „blauen
35 In diesem Zusammenhang sollte der Internationale Verhaltenskodex der WHO über die

grenzüberschreitende Anwerbung von Gesundheitsfachkräften berücksichtigt werden.
36 Richtlinie 2004/38/EG.
37 Richtlinie 2003/109/EG.
38 Richtlinie 2004/83/EG.
DE 25 DE

Drucksache 17/8181 – 32 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
DE 26 DE

Karte”39 werden hinsichtlich der Anerkennung von Berufsqualifikationen genauso wie EU-
Bürger behandelt (obwohl die entsprechenden Rechtsinstrumente nicht für alle
Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbindlich sind). Diese Anpassung würde die
Politik der Europäischen Union untermauern, auch die Mobilität im Zusammenhang mit der
überarbeiteten Europäischen Nachbarschaftspolitik zu fördern.

Frage 24:

Sind Sie der Auffassung, dass Anpassungen bei der Behandlung von EU-Bürgern im Rahmen
der Richtlinie erforderlich sind, die ihre Ausbildungsnachweise in Drittländern erworben
haben, z. B. durch eine Kürzung der in Artikel 3 Absatz 3 festgelegten dreijährigen
Berufserfahrung? Würden Sie eine solche Anpassung auch für Staatsangehörige von
Drittländern begrüßen, einschließlich derer, die unter die Regelung der Europäischen
Nachbarschaftspolitik fallen und von einer Gleichbehandlungsklausel im Einklang mit den
entsprechenden europäischen Rechtsvorschriften profitieren? (Nennen Sie bitte konkrete
Argumente für oder gegen dieses Konzept).

5. BEITRÄGE ZUM GRÜNBUCH

Die Kommission lädt alle Beteiligten ein, ihre Beiträge bis 20. September 2011, vorzugsweise
per E-Mail, an die folgende Adresse zu senden:

GD Binnenmarkt und Dienstleistungen, Referat E-4 „Freizügigkeit von Fachkräften“
E-Mail: [email protected]
Postanschrift: Europäische Kommission
Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen, Referat E-4
Rue de Spa/Spastraat 2
Büro 06/014
1049 Bruxelles/Brussel
BELGIQUE/BELGIË

In den Beiträgen muss nicht auf alle in diesem Grünbuch angesprochenen Punkte
eingegangen werden. Sie können sich auf die Fragen beschränken, die für Sie von Interesse
sind. Geben Sie bitte eindeutig an, auf welche Fragen sich ihr Beitrag bezieht. Soweit
möglich, nennen Sie bitte konkrete Argumente für oder gegen die in diesem Grünbuch
vorgestellten Optionen und Konzepte.

Alle Beiträge werden auf der Website der GD Binnenmarkt und Dienstleistungen
veröffentlicht, sofern der betreffende Teilnehmer dagegen keine Einwände erhebt. Daher
sollte die diesem Grünbuch beigefügte spezielle Datenschutzerklärung gelesen werden, die
Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten und zur Behandlung der Beiträge
enthält.
39 Richtlinie 2009/50/EG.

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