BT-Drucksache 17/8163

Erneuerbare Energien und Energieeffizienz als Alternative zum polnischen Atomprogramm fördern und fordern

Vom 14. Dezember 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8163
17. Wahlperiode 14. 12. 2011

Antrag
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Ingrid Nestle,
Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch,
Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Cornelia Behm, Harald Ebner,
Bettina Herlitzius, Dr. Anton Hofreiter, Stephan Kühn, Friedrich Ostendorff,
Claudia Roth (Augsburg), Markus Tressel, Daniela Wagner, Dr. Valerie Wilms
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erneuerbare Energien und Energieeffizienz als Alternative zum polnischen
Atomprogramm fördern und fordern

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Parlament der Republik Polen hat im Mai dieses Jahres den Einstieg in die
Atomenergie beschlossen und inzwischen eine Strategische Umweltprüfung
(SUP) mit grenzüberschreitender Konsultation entsprechend der SUP-Richt-
linie der EU sowie gemäß dem polnischen Umweltinformations- und Umwelt-
prüfungsgesetz eingeleitet. Das polnische Atomenergieprogramm sowie die
Kurzfassung eines Umweltberichts liegen seit Oktober 2011 in deutscher
Sprache vor. Noch bis zum 4. Januar 2012 besteht die Gelegenheit zur Stellung-
nahme zum Atomprogramm gegenüber dem polnischen Wirtschaftsminis-
terium.

Die freie Wahl des nationalen Energiemixes ist souveränes Recht jedes EU-
Mitgliedstaates. Der geplante Einstieg Polens in die Atomkraftnutzung wäre
jedoch ein gravierender Schritt mit erheblichen Wirkungen auf Deutschland
und andere Nachbarstaaten. Im Falle eines Unfalls oder eines gezielten An-
griffs auf ein Atomkraftwerk wäre auch Deutschland direkt durch eventuell
austretende Radioaktivität gefährdet. Das Ausmaß der Gefährdung wurde zu-
letzt durch die mehrfache Kernschmelze in den Reaktoren im japanischen
Fukushima in drastischer Weise deutlich. Ein solches Ereignis muss in Mittel-
europa verhindert werden. Dies ist letztlich nur durch Ausstieg bzw. Nichtein-
stieg in diese Hochrisikotechnologie möglich.

Mit dem parteiübergreifend verabschiedeten Konsens zum Atomausstieg hat
Deutschland international eine viel beachtete Vorreiterfunktion für den Aufbau
einer sicheren, klima- und umweltverträglichen und bezahlbaren Energiever-
sorgung ohne Atomkraft eingenommen.
Der Deutsche Bundestag begrüßt es daher, dass die Bundesregierung – wie im
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit am 9. November
2011 angekündigt – ebenso wie verschiedene Bundesländer eine Stellung-
nahme im Rahmen der Konsultation einreichen will und eine Abstimmung mit
den zuständigen Landesbehörden vornimmt.

Drucksache 17/8163 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Eine Analyse der eingereichten Unterlagen zum polnischen Atomprogramm
und insbesondere des Umweltberichts deutet auf schwerwiegende Fehler und
Lücken sowie Verstöße gegen europäisches Recht hin.

● Die Risiken der Kernenergie werden teils unzutreffend beziehungsweise in
hohem Maße unvollständig beschrieben. So wird davon ausgegangen, dass
„schwerwiegende Havarien einmal pro eine Million Jahre passieren“ und
sich im Falle eines größten anzunehmenden Unfalls (GAU) notwendige
Maßnahmen auf „z. B. [die] Verabreichung von Kaliumiodidtabletten inner-
halb eines geringen Radius von ca. 3 km je nach örtlichen Witterungsver-
hältnissen“ beschränken.

● Die polnische Regierung hat keine substanzielle Alternativenprüfung zum
Atomprogramm im Hinblick auf die Energieeffizienz und den Ausbau der
erneuerbaren Energien durchgeführt und damit eine zentrale Anforderung
der EU-Richtlinie über die Prüfung von Umweltauswirkungen nicht erfüllt.
Zudem ist fraglich, ob die Konsultationen nicht bereits zu spät erfolgen, da
die maßgeblichen Entscheidungen über die Einführung der Kernenergie in
Polen bereits getroffen sind und die Ergebnisse der Konsultationen keine
Berücksichtigung mehr finden können.

● Ebenso ist es fraglich, ob die Art und Weise, wie die Kernenergie in Polen
eingeführt werden soll, der EU-Richtlinie zu gemeinsamen Vorschriften für
die Liberalisierung des Elektrizitätsbinnenmarkts entspricht. So soll dem In-
vestor des ersten Kernkraftwerks, der PGE (Polnische Energiegruppe AG),
laut Atomprogramm gezielt „eine starke Marktposition ermöglicht“ werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung dazu auf,

● sich aktiv am Konsultationsprozess zu beteiligen und eine möglichst mit den
Bundesländern abgestimmte kritische Stellungnahme zu den Atomplänen
Polens bei polnischen Wirtschaftsministerium abzugeben;

● in der Stellungnahme insbesondere die energiepolitischen Alternativen, wie
die Erhöhung der Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien,
sowie die darin liegenden ökonomischen und klimapolitischen Potenziale
aufzuzeigen;

● die Hinweise auf Verstöße gegen europäisches Recht im Rahmen des Kon-
sultationsverfahrens zu prüfen, in der Stellungnahme aufzugreifen und ggf.
ein Beschwerdeverfahren bei der EU-Kommission einzuleiten;

● sich aktiv für einen Energiedialog mit der polnischen Regierung einzusetzen
und dieser beim Ausbau erneuerbarer Energien und bei der Erschließung
von Energieeinsparpotenzialen eine enge Zusammenarbeit anzubieten;

● die Öffentlichkeit in geeigneter Weise über das Atomprogramm Polens zu
informieren sowie sie über die Möglichkeit zur Abgabe von Stellungnahmen
in Kenntnis zu setzen.

Berlin, den 13. Dezember 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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