BT-Drucksache 17/8069

Stärkung der Mehrwegquote bei Getränkeverpackungen

Vom 2. Dezember 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8069
17. Wahlperiode 02. 12. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dorothea Steiner, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn,
Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch,
Dr. Hermann E. Ott und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stärkung der Mehrwegquote bei Getränkeverpackungen

Mehrwegverpackungen und -flaschen sind ökologisch vorteilhafte Verpackun-
gen. Mehrwegsysteme sind außerdem Systeme des regionalen Wirtschaftens.
Damit ist eine Stärkung von Mehrwegsystemen nicht nur ökologisch, sondern
auch ökonomisch sinnvoll.

Durch die Nutzung von Mehrwegflaschen können im Vergleich zur Nutzung
von Einweggetränkeverpackungen im erheblichen Umfang Abfälle vermieden
werden. Dies schont endliche Ressourcen und das Klima.

Ziel der Verpackungsverordnung ist die Stabilisierung und Förderung von
Mehrwegsystemen und ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen. In der
letzten Novelle wurde eine Quote von mindestens 80 Prozent aller Getränke in
Mehrweg- oder ökologisch vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen festge-
legt. Um diese Quote zu erreichen, wurde das Pflichtpfandsystem eingeführt.

Die im Juni 2011 von der Bundesregierung vorgelegten neuen Zahlen zeigen
jedoch, dass dieses Ziel auch im Jahr 2009 gravierend verfehlt wurde. Nur noch
rund 50 Prozent aller Getränke werden in Mehrwegverpackungen abgefüllt und
knapp 3 Prozent in anderen ökologisch vorteilhaften Verpackungen. Jüngere
Berechnungen anderer Stellen, z. B. der Deutschen Umwelthilfe e. V., kommen
für 2011 zu noch deutlich niedrigeren Ergebnissen. Soll das Mehrwegsystem
erhalten bleiben, herrscht also dringender Handlungsbedarf.

Bereits im April 2010 wurde eine Studie zur Evaluierung der Pfandpflicht ver-
öffentlicht, die die bifa Umweltinstitut GmbH im Auftrag des Umweltbundes-
amtes durchgeführt hat (Förderkennzeichen 3708 93 303). Diese empfiehlt bei
der Beibehaltung des jetzigen Pfandsystems drei konkrete Maßnahmen zur
weitergehenden Förderung von Mehrweg- und ökologisch vorteilhaften Ein-
weggetränkeverpackungen:

1. Einführung einer eindeutigen Kennzeichnungspflicht für Einweg- und
Mehrwegverpackungen;

2. Durchführung einer Aufklärungskampagne zur Förderung von Mehrwegge-

tränkeverpackungen und

3. Ausweitung der Pfandpflicht auf alle Getränkebereiche.

Im Rahmen der Studie „Mehrweg- und Recyclingsysteme für ausgewählte Ge-
tränkeverpackungen aus Nachhaltigkeitssicht“ empfiehlt die Pricewaterhouse
Coopers AG u. a. die Einführung zusätzlicher wirtschaftlicher Instrumente als
Maßnahme zur Stärkung von Mehrweggetränkeverpackungen und ökologisch

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vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen. Die Studie empfiehlt in diesem
Zusammenhang die Einführung einer Lenkungsabgabe für ökologisch nachtei-
lige Getränkeverpackungsarten.

Im Mai 2009 hatte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit den Entwurf einer Verordnung zur Kennzeichnung von bepfande-
ten Einweg- und Mehrweggetränkeverpackungen vorgelegt, die es Konsumen-
tinnen und Konsumenten ermöglichen sollte, eine informierte Kaufentscheidung
zu treffen. Seitdem ist, trotz Ankündigung der Bundesregierung auf Bundestags-
drucksache 17/2641, die Abstimmung mit der Europäischen Kommission rasch
voranbringen zu wollen, nichts weiter passiert.

Die Verpackungsverordnung enthält zudem die Vorgabe, dass die Bundesregie-
rung die abfallwirtschaftlichen Auswirkungen der Pfandpflicht bis zum 1. Ja-
nuar 2010 prüft und sowohl der Deutsche Bundestag wie der Bundesrat über ihr
Ergebnis unterrichtet. Die Bundesregierung kündigte am 20. Juli 2010 an, die-
sen Bericht in Kürze vorzulegen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2641). Eine
Unterrichtung liegt jedoch bis zum heutigen Tag nicht vor.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Warum hat die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag bislang keinen
Bericht über das Ergebnis der Prüfung der abfallwirtschaftlichen Auswir-
kungen der Pfandpflicht vorgelegt, und wann wird dieser Bericht vorgelegt?

2. Wie bewertet die Bundesregierung den erneuten Rückgang der Anteile der
in Mehrweg- oder ökologisch vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen
abgefüllten Getränke gemäß der neu vorgelegten Zahlen für 2009?

3. Welche abfallwirtschaftlichen ökolgischen und ökonomischen Auswirkun-
gen sind mit dem Rückgang der Anteile der in Mehrweg- oder ökologisch vor-
teilhaften Einweggetränkeverpackungen abgefüllten Getränke verbunden,
und welche Auswirkungen hat er auf den Arbeitsmarkt?

4. Hat die Bundesregierung seit der Veröffentlichungen des Umweltbundesam-
tes von 2002 neue Ökobilanzen zur ökologischen Vorteilhaftigkeit bestimm-
ter Getränkeverpackungen durchgeführt oder durchführen lassen oder liegen
ihr andere wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die für die Bundesregierung
eine veränderte Einschätzung der ökologischen Vorteilhaftigkeit bestimmter
Getränkeverpackungen ergeben?

5. Ist eine Neuberechnung der Ökobilanzen von Getränkeverpackungen oder
eine Neubewertung der Vorteilhaftigkeit bestimmter Getränkeverpackungen
durch die Bundesregierung in Planung, und wenn ja, wann werden hierzu
erste Ergebnisse erwartet?

6. Wie hoch ist der Anteil von Getränkekartons, der stofflich verwertetet wird,
und der Anteil der Getränkekartons, der energetisch verwertet wird, am Ge-
samtaufkommen von Getränkekartons, und wie lässt sich nach Ansicht der
Bundesregierung das Recycling von Getränkekartons verbessern?

7. Wie hoch ist der Anteil der jeweiligen Materialfraktionen von Getränke-
kartons die stofflich verwertet werden?

8. Wie hoch sind die Anteile der Mehrweg- und ökologisch vorteilhaften Ein-
weggetränkeverpackungen bei nicht der Pfandpflicht unterliegenden Ge-
tränke, z. B. Fruchtsäften, Wein und Milch?

9. Wie hat sich der Anteil der Dose an allen Getränkeverpackungen in den letz-
ten Jahren entwickelt, und wie beurteilt die Bundesregierung den zu beob-
achtenden Wiederanstieg des Getränkedosenabsatzes, insbesondere aus öko-

logischer Sicht?

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10. In welchem Ausmaß (Mengen) werden inzwischen importierte Getränke-
dosen ohne Pfand in Automaten, im Handel oder in Gaststätten verkauft,
und wie plant die Bundesregierung gegen diese Entwicklung vorzugehen?

11. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der sogenannte Pfand-
schlupf, also jene Einwegpfandgelder, die nicht wieder ausgezahlt werden,
da die Getränkeverpackungen nicht zurückgegeben werden, und wo ver-
bleiben diese Gelder nach Wissen der Bundesregierung?

12. Verfolgt die Bundesregierung weiterhin das Ziel, den Mehrweganteil an
Getränkeverpackungen zu stabilisieren, und hält sie am Ziel von mindes-
tens 80 Prozent Anteil an Mehrweg- und ökologisch vorteilhaften Einweg-
verpackungen fest?

13. Durch welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, das Ziel der 80 Pro-
zent Mehrweg- oder ökologisch vorteilhaften Einweggetränkeverpackun-
gen zu erreichen, und bis wann soll das Ziel erreicht werden?

14. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung angesichts der erneuten
deutlichen Rückgänge von Mehrweg- und ökologisch vorteilhaften Geträn-
keverpackungen kurzfristig ergreifen?

15. Bis wann plant die Bundesregierung, die Verpackungsverordnung zu über-
arbeiten?

16. Erwägt die Bundesregierung zusätzlich zu den derzeit in der Verpackungs-
verordnung enthaltenen Maßnahmen, weitere Maßnahmen zur Stärkung
von Mehrweg- und ökologisch vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen
einzuführen, und wenn ja, welche?

17. Welche konkreten Maßnahmen zur Förderung von Mehrwegverpackungen
wird die Bundesregierung im Rahmen der Erstellung des Abfallvermei-
dungsprogramms des Bundes nach neuem Kreislaufwirtschafts- und Abfall-
gesetz vorschlagen?

18. Unterstützt die Bundesregierung die oben genannten Empfehlungen der
bifa Umweltinstitut GmbH zur Förderung von Mehrweg- und ökologisch
vorteilhaften Einweggetränkeverpackungen, und wenn nein, welche nicht,
und auf welcher wissenschaftlichen Grundlage?

19. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung seit der Veröffentlichung der
Empfehlungen der bifa Umweltinstitut GmbH ergriffen, um die wissen-
schaftlichen Empfehlungen umzusetzen?

20. Plant die Bundesregierung die Durchführung einer Aufklärungskampagne
zur Förderung von Mehrweggetränkeverpackungen, und wann ja, wann,
und in welchem Umfang?

21. Plant die Bundesregierung, im Rahmen der Novelle der Verpackungsver-
ordnung die Pfandpflicht auf alle oder zumindest auf weitere Getränkebe-
reiche auszuweiten, und wenn ja, wann und in welcher Form?

22. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Ergebnisse der o. g. Studie
der Pricewaterhouse Coopers AG, dass die Einführung einer Lenkungsab-
gabe für ökologisch nachteilige Getränkeverpackungsarten zu einer deutli-
chen Stärkung von Mehrweggetränkeverpackungen und ökologisch vor-
teilhaften Einweggetränkeverpackungen beitragen würde, und wenn ja,
plant sie die Einführung einer solchen ökologischen Lenkungsabgabe?

23. Wird die Bundesregierung eine Kennzeichnungspflicht „Mehrweg“ und
„Einweg“ wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP an-
gekündigt einführen, und wenn ja, wann wird die entsprechende Rechts-

setzung dem Deutschen Bundestag zugeleitet?

Drucksache 17/8069 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
24. Zu welchem Ergebnis kam der durch die Bundesregierung auf Bundestags-
drucksache 17/2641 angekündigte Dialog mit der Europäischen Kommis-
sion zur geplanten Verordnung über die Kennzeichnung von Getränkever-
packungen?

Berlin, den 2. Dezember 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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