BT-Drucksache 17/8033

Aktueller Stand beim europäischen Emissionshandel im Luftverkehr

Vom 30. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8033
17. Wahlperiode 30. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulrike Gottschalck, Frank Schwabe, Sören Bartol, Uwe
Beckmeyer, Martin Burkert, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Michael Groß,
Hans-Joachim Hacker, Gustav Herzog, Johannes Kahrs, Ute Kumpf, Kirsten
Lühmann, Thomas Oppermann, Florian Pronold, Ute Vogt, Dr. Frank-Walter
Steinmeier und der Fraktion der SPD

Aktueller Stand beim europäischen Emissionshandel im Luftverkehr

Innerhalb von zwei Jahrzehnten hat sich der Luftverkehr und damit auch der
Ausstoß von Kohlendioxid in diesem Verkehrssektor verdoppelt, die EU rech-
net mit einer Verdreifachung dieser Emissionen bis zum Jahr 2020. Der euro-
päische Luftverkehr verursacht nach EU-Angaben aktuell 0,5 Prozent der welt-
weiten CO2-Emissionen.

Um eine Lenkung für mehr Umwelteffizienz im Flugverkehr zu erreichen und
den Ausstoß des Treibhausgases zu senken, haben die Mitgliedstaaten und das
Europäische Parlament die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissions-
handel ab dem 1. Januar 2012 beschlossen.

Durch die Neuregelung soll die Gesamtmenge an Emissionsberechtigungen
(Cap) für die Luftfahrtunternehmen im Jahr 2012 97 Prozent der durchschnitt-
lichen Emissionen der Jahre 2004 bis 2006 betragen. In den kommenden beiden
Monaten versenden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Zuteilungs-
bescheide an die Luftfahrtunternehmen. Der Anteil der kostenlosen Zuteilung
beträgt im Jahr 2012 85 Prozent, später dann 82 Prozent, da 3 Prozent der Re-
serve für neue oder schnell wachsende Airlines zugeführt werden. Die restlichen
Verschmutzungszertifikate in Höhe von 15 Prozent müssen die Fluglinien er-
steigern. Bei Verweigerung drohen Strafen in Form von Zahlungen in Höhe von
100 Euro pro jede zu viel ausgestoßene Tonne CO2 bis zum Entzug von Start-
und Landerechten.

Durch die Einbeziehung des Luftfahrtsektors in den Emissionshandel werden
Anreize für den Einsatz effizienterer und umweltfreundlicher Flugzeuge sowie
der Umstieg auf Biotreibstoffe geschaffen. Um Wettbewerbsnachteile für euro-
päische Fluggesellschaften zu verhindern, gilt das Gesetz für alle, auch nicht-
europäische Fluglinien, die auf Flughäfen der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union starten und landen.

Die USA, China und weitere Staaten haben angedroht, sich an diesem Emis-

sionshandel nicht zu beteiligen. Die Einbeziehung des Luftverkehrs in den
Emissionshandel ist geltendes Recht der EU. Die Bundesregierung hat die Fest-
legungen in der Richtlinienänderung zur Einbeziehung des Luftverkehrs in den
EU-Emissionshandel (2008/101/EG), die überarbeitete europäische Emissions-
handelsrichtlinie (2003/87/EG) vom 5. Juni 2009 durch das Treibhausgas-
Emissionshandelsgesetz (TEHG) in nationales Recht umgesetzt, dessen novel-
lierte Fassung am 28. Juli 2011 in Kraft getreten ist.

Drucksache 17/8033 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im Klageverfahren amerikanischer Airlines vor dem Europäischen Gerichtshof
(EuGH) hält die Generalanwältin in ihrem Schlussantrag vom 6. Oktober 2011
die Einbeziehung des internationalen Luftverkehrs in das Emissionshandelssys-
tem der EU für mit dem Völkerrecht vollständig vereinbar.

Am 2. November 2011 hat die Mehrheit der Mitgliedstaaten des Rates der  
Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICOA) beschlossen, dass sie einen
europäischen Alleingang beim Emissionshandel im Luftverkehr nicht unter­
stützen werden. Am 11. November 2011 hat die Europäische Kommission ver­
kündet, dass sie außereuropäischen Ländern bei der Einbeziehung des Luftverkehrs
in den Emissionshandel entgegenkommen möchte. Die Kommission ist bereit,
Ländern Ausnahmen zu gewähren, wenn sie ähnliche Maßnahmen ergreifen, um
den CO2-Ausstoß im Luftverkehr zu verringern.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sieht die Bundesregierung durch den internationalen Widerstand von Staa-
ten wie die USA, China und Russland gegen die Einbeziehung ihrer Flug-
gesellschaften in den Emissionshandel durch die EU die Gefahr, dass dies zu
einer Verhinderung oder zur Verzögerung der Einführung des Emissionshan-
dels führen könnte?

2. Was hat die Bundesregierung unternommen, um die Einführung der Luft-
verkehrsgesellschaften in den Emissionshandel durch den internationalen
Widerstand nicht zu gefährden bzw. sich für die Beibehaltung des aktuellen
Zeitplanes für die Einführung des Luftverkehrs in das Emissionshandelssys-
tem einzusetzen?

3. Hat die Bundesregierung mit den betroffenen Drittstaaten Gespräche ge-
führt, mit dem Ziel, auf eine positive Haltung zur Einbeziehung ihrer Flug-
gesellschaften hinzuwirken, und wenn ja, mit welchen Staaten und wann?

4. Plant die Bundesregierung aktuell mit betroffenen Drittstaaten Gespräche,
um auf eine positive Haltung zur Einbeziehung ihrer Fluggesellschaften hin-
zuwirken?

5. Welche Mitgliedstaaten der EU führen aktuell, haben geführt oder planen
wann Gespräche mit welchen Drittstaaten, um auf eine positive Haltung zur
Einbeziehung ihrer Fluggesellschaften in das Emissionshandelssystem der
EU hinzuwirken?

6. Sind Treffen zwischen den Staats- und Regierungschefs der EU geplant, um
sich mit der internationalen Kritik am europäischen Emissionshandelssys-
tem zu befassen, und wenn ja, wann?

7. Welche Maßnahmen von Drittstaaten zur Begrenzung von Emissionen im
Flugverkehr könnten nach Meinung der Bundesregierung dazu führen, dass
die Teilnahme dieser Drittstaaten am Europäischen Emissionshandelssystem
nicht notwendig wäre?

8. Hält die Bundesregierung die Ankündigung von China, zivile Fluggesell-
schaften zu einer Treibhausgasreduktion von 22 Prozent bis 2020 im Ver-
gleich zu 2005 zu verpflichten für eine geeignete Maßnahme, die eine Aus-
nahme von chinesischen Flügen vom Europäischen Emissionshandelssystem
bei Wettbewerbsneutralität ermöglichen könnte, und wenn ja, wie sollte nach
Ansicht der Bundesregierung die Kontrolle dieser Verpflichtung aussehen?

9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, „sollten sich die Gesell-
schaften aus Drittstaaten nicht einbeziehen lassen, müsse auch die Verpflich-

tung für europäische Fluggesellschaften entfallen“ (vgl. FAZ vom 29. Sep-
tember 2011)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8033

10. Was plant die Bundesregierung, sofern sie die Auffassung von Bundes-
minister Dr. Peter Ramsauer teilt, als Alternative zur Einbeziehung der
Fluggesellschaften in das Emissionshandelssystem als Anreiz für eine
Reduzierung von Treibhausgas im Luftverkehr?

11. Wie positioniert sich die Bundesregierung gegenüber der Auffassung, dass
die beschlossene Regelung der EU zur Einbeziehung des Luftverkehrs in
den Emissionshandel Wettbewerbsverzerrung zugunsten von Fluglinien
wie Emirates schaffe, die für ihre Fernost-Flüge mit Zwischenstopps in
Dubai oder Abu Dhabi nur für die erste Teilstrecke Verschmutzungsrechte
vorhalten, während Direktflüge europäischer Airlines komplett in den
Rechtehandel einbezogen wären?

12. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die Einführung des Emissions-
handels für Fluglinien verschoben werden müsse, wenn keine Einigung
bezüglich einer Gleichberechtigung bei Zwischenstopps bei Langstrecken-
flügen erzielt werde?

13. Welche Aktivitäten hat die Bundesregierung bisher unternommen bzw.
plant sie, um eine Einbeziehung von Teilstrecken ab einem Zwischenstopp
bei Langstreckenflügen einzubeziehen?

14. Welche Aktivitäten plant die Bundesregierung und/oder hat die Bundes-
regierung bisher in die Wege geleitet, um den Emissionshandel für den
Luftverkehr weltweit einzuführen.

15. Wann rechnet die Bundesregierung mit einer weltweiten Einführung des
Emissionshandels für den Flugverkehr, und wie könnte dies nach Meinung
der Bundesregierung erreicht werden?

16. Unterstützt die Bundesregierung die Meinung des Parlamentarischen
Staatssekretärs im Bundesverkehrsministerium Jan Mücke, dass es Strafen
für Airlines, die sich nicht am Emissionshandel beteiligen, „nicht geben“
kann und dass sich „das Luftfahrtbundesamt an einem solchen Handelskrieg
nicht beteiligen“ würde, angesichts des Umstands, dass das Luftfahrt-
Bundesamt (LBA), das dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung untersteht, nach der diesjährigen Novelle des Treibhaus-
gas-Emissionshandelsgesetzes, Start- und Landeverbote für gewerbliche
Luftfahrzeugbetreiber in Deutschland anordnen muss (vgl. Wirtschafts-
woche vom 10. Oktober 2011)?

17. Wie soll die Einbeziehung des Luftverkehrs in das Emissionshandelssys-
tem der EU gegenüber Drittstaaten durchgesetzt werden, wenn Deutsch-
land vor Beginn des Emissionshandels bereits öffentlich Sanktionen aus-
schließt (vgl. Wirtschaftswoche vom 10. Oktober 2011)?

18. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die EU solle
ihr System des Emissionshandels im Luftverkehr auf den eigenen Luftraum
beschränken, mit der Konsequenz, dass bei einem Flug Washington–Frank-
furt nur noch jene Emissionen mit Zertifikaten abgedeckt werden müssten,
die innerhalb des europäischen Luftraums anfallen?

19. Wie positioniert sich die Bundesregierung gegenüber der Ansicht, dass das
Beispiel Emissionshandel für Fluggesellschaften zeigt, dass Klimaschutz
auf globaler Ebene nicht durch Gesetze der EU erzwungen werden kann?

20. Welche alternative Vorgehensweise schlägt die Bundesregierung vor, um
den Klimaschutz auf internationaler Ebene im Luftverkehr voranzubrin-
gen, sofern der europäische Emissionshandel im Luftverkehr scheitert?

21. Plant die Bundesregierung die von ihr eingeführte Luftverkehrssteuer so

umzugestalten, dass sie energieeffizientes Fliegen von Fluggesellschaften
zukünftig verstärkt fördern will?

Drucksache 17/8033 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
22. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Fluggesellschaften die Kos-
ten des Emissionshandels ganz oder teilweise an die Kunden weitergeben
können?

23. Wie möchte die Bundesregierung verhindern, dass die Fluggesellschaften
kostenlos zugeteilte Zertifikate einpreisen und es so zu ungerechtfertigten
Gewinnen (Windfall Profits) kommt?

24. Welchen Anteil am weltweiten Treibhauseffekt hat der Flugverkehr nach
Kenntnis der Bundesregierung?

Berlin, den 30. November 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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