BT-Drucksache 17/7642

Keine Teilprivatisierung bei der Hochschulzulassung

Vom 9. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7642
17. Wahlperiode 09. 11. 2011

Antrag
der Abgeordneten Nicole Gohlke, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers,
Dr. Rosemarie Hein und der Fraktion DIE LINKE.

Keine Teilprivatisierung bei der Hochschulzulassung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Einführung eines Onlineportals zur koordinierten Studienplatzvergabe ist
vorerst gescheitert. Das Zulassungschaos geht weiter. Regelmäßig bleiben
tausende von Studienplätzen unbesetzt, während gleichzeitig sehr viele Bewer-
berinnen und Bewerber leer ausgehen. Im Wintersemester 2010/2011 waren eine
Woche nach Vorlesungsbeginn 19 299 Studienplätze in zulassungsbeschränkten
Studiengängen nicht besetzt. Das grundlegende Problem ist ein Mangel an
Studienplätzen. Die Hochschulen reagieren darauf mit der Einführung immer
neuer, örtlich unterschiedlicher Zulassungskriterien, was die bundesweite Ko-
ordinierung erschwert. Die Studieninteressierten wiederum reagieren auf den
Mangel mit Mehrfachbewerbungen, um ihre Chancen zu sichern. Der Mangel an
Studienplätzen muss unverzüglich beseitigt werden. Bis dahin ist eine bundes-
weite softwaregestützte Koordination notwendig, damit die angehenden Studie-
renden rechtzeitig von ihrer Zulassung erfahren und keine Studienplätze mehr
unbesetzt bleiben.

Die Einführung eines so genannten dialogorientierten Zulassungsverfahrens lag
in der Verantwortung von Bundesländern und Hochschulrektoren als Mit-
glieder des Stiftungsrates (Stiftung für Hochschulzulassung) und dem Bundes-
ministerium für Bildung und Forschung. Diese Verantwortung kann nicht an
die HIS Hochschul-Informations-System GmbH abgeschoben werden, zumal
Bund und Länder die alleinigen Teilhaber dieser Gesellschaft sind. Sie tragen
Verantwortung dafür, dass die Finanzierung des Projektes wiederholt nicht
sichergestellt war und auch derzeit nicht ist, da der ursprünglich geplante
Finanzrahmen von 15 Mio. Euro aufgrund der Verzögerung nicht ausreichen
kann. Bundesregierung, Landesregierungen und Hochschulrektoren dürfen das
Scheitern auch nicht dafür zum Vorwand nehmen, den kritischen öffentlichen
Aufgabenbereich der softwaregestützten Umsetzung von Zulassungsverfahren
und Campus-Management nun zunehmend zu privatisieren. Erstens ist das
Nebeneinander verschiedener privater Anbieter eine neue Quelle von Inkompa-
tibilitäten. Zweitens kann andererseits auch das Entstehen von Marktmacht mit
der Folge von Preisdiktaten nicht ausgeschlossen werden. Drittens ist der Rück-
griff auf private Anbieter auch aus Gründen des Datenschutzes zu verhindern.
Im Rahmen des Zulassungsverfahrens werden große Mengen sehr sensibler
personenbezogener Daten verarbeitet. Eine Reihe von Datenskandalen in
jüngster Zeit hat deutlich gemacht, dass persönliche Daten bei Privatunter-
nehmen nicht automatisch sicher sind. Zudem legt die Software den genauen
Ablauf des Zulassungsverfahrens fest. Es muss durch öffentliche Kontrolle

Drucksache 17/7642 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sichergestellt werden, dass die Selbstbestimmung der Bewerberinnen und Be-
werber über Studienort und Studienfach im Verfahren gewährleistet wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. ein einheitliches Zulassungssystem einzurichten, das nicht auf Kosten der
Studierenden (z. B. durch Verwaltungsgebühren), sondern über die öffent-
liche Hand finanziert wird,

2. das Zulassungswesen rechtlich, technisch und organisatorisch vollständig in
öffentlich-rechtlicher Hand zu betreiben,

3. das Grundrecht der Bewerberinnen und Bewerber auf freie Wahl von Beruf
und Ausbildungsstätte zu stärken anstatt es zugunsten eines Rechts staat-
licher Hochschulen auf freie Auswahl ihrer studentischen Klientel einzu-
schränken.

Berlin, den 9. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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