BT-Drucksache 17/7626

Durchlässigkeit des Bildungssystems - Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung im Deutschen Qualifikationsrahmen

Vom 8. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7626
17. Wahlperiode 08. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Agnes Alpers, Dr. Petra Sitte, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein
und der Fraktion DIE LINKE.

Durchlässigkeit des Bildungssystems – Gleichwertigkeit beruflicher und
akademischer Bildung im Deutschen Qualifikationsrahmen

Im März 2011 hat der von Bund und Ländern einberufene Arbeitskreis DQR
einen überarbeiteten Vorschlag für einen Deutschen Qualifikationsrahmen für
lebenslanges Lernen (DQR) vorgelegt. Auf dieser Grundlage wird seither im Ar-
beitskreis DQR sowie fachöffentlich über die Einstufung konkreter Abschlüsse
auf den acht vorgesehenen Niveaus des Qualifikationsrahmens diskutiert. Eine
besondere Rolle spielt in dieser Debatte das Verhältnis beruflicher und akademi-
scher Abschlüsse zueinander.

Am 21. Oktober 2011 hat die Kultusministerkonferenz (KMK) sich dafür aus-
gesprochen, das Abitur auf der Stufe 5, dreijährige Berufsabschlüsse dagegen in
der Regel auf der Stufe 4 des DQR einzuordnen. Sowohl der Deutsche Gewerk-
schaftsbund (DGB), als auch der Zentralverband des deutschen Handwerks e. V.
(ZDH) drohten wegen der höheren Einstufung der allgemeinen Hochschulreife
gegenüber den traditionellen Berufsabschlüssen eine Aufkündigung der Zusam-
menarbeit zur Entwicklung des Qualifikationsrahmens an (vgl. dpa-Meldung
vom 21. Oktober 2011).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die durch den Beschluss vom 21. Oktober 2011
formulierte Position der KMK, dass das Abitur auf der Stufe 5, dreijährige
Berufsabschlüsse dagegen in der Regel auf der Stufe 4 des DQR einzuordnen
sind?

2. Wie bewertet die Bundesregierung den betreffenden Beschluss der KMK im
Hinblick auf die hohe Bedeutung einer Verbesserung der Durchlässigkeit
zwischen beruflichen und akademischen Bildungswegen?

3. Inwieweit kann es weiterhin als sinnvoller Bildungsweg angesehen werden,
im Anschluss an das Abitur eine Berufsausbildung zu absolvieren, wenn hier-
mit für die betreffenden Personen innerhalb des DQR künftig ein Rückschritt
von der Stufe 5 auf die Stufe 4 verbunden sein soll?

4. Welche Berufsabschlüsse würden bei einer Umsetzung der betreffenden Be-

schlussfassung der KMK, welche eine Einstufung der allgemeinen Hoch-
schulreife, der fachgebundenen Hochschulreife sowie „entsprechender
Berufsabschlüsse“ auf Stufe 5 des Qualifikationsrahmens fordert, auf der
Stufe 5 des Qualifikationsrahmens eingeordnet werden, bzw. anhand welcher
Kriterien sollte dies nach Auffassung der Bundesregierung entschieden wer-
den?

Drucksache 17/7626 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Würde eine Umsetzung des betreffenden Beschlusses der KMK bedeuten,
dass alle Berufsabschlüsse, die gleichzeitig eine allgemeine oder fachge-
bundene Hochschulreife vermitteln, auf der Stufe 5 des DQR eingeordnet
würden?

6. Würde eine Umsetzung des betreffenden Beschlusses der KMK bedeuten,
dass alle Berufsabschlüsse, die nicht gleichzeitig eine allgemeine oder fach-
gebundene Hochschulreife vermitteln, auf der Stufe 4 des DQR eingeordnet
würden?

7. Trifft es zu, dass bei einer Umsetzung des betreffenden Beschlusses der
KMK die Abschlüsse drei- bzw. dreieinhalbjähriger dualer Ausbildungs-
gänge in der Regel auf der Stufe 4 des Qualifikationsrahmens eingeordnet
würden?

8. Trifft es zu, dass bei einer Umsetzung des betreffenden Beschlusses der
KMK berufsqualifizierende Abschlüsse in jedem Fall mindestens auf der
Stufe 4 des DQR eingeordnet werden würden, und wenn nein, für welche
Berufsabschlüsse würde dies nicht gelten?

9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass in Analogie zu den von der
KMK in ihrem Beschluss „Hochschulzugang für beruflich qualifizierte
Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung“ vom 6. März
2009 formulierten Voraussetzungen zur Erlangung einer fachgebundenen
Hochschulzugangsberechtigung eine Einstufung auf der Stufe 5 des DQR
auch für berufliche Qualifizierte (spätestens) nach einer dreijährigen Berufs-
praxis erfolgen muss?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass alle Meisterabschlüsse auf
der Stufe 6 des DQR eingeordnet werden sollten, unabhängig davon, ob die
ihnen vorangegangene Berufsausbildung im Sinne des Beschlusses der
KMK vom 21. Oktober 2011 auf der Stufe 4 oder auf der Stufe 5 des DQR
eingeordnet werden würde?

11. Trifft es zu, dass die KMK die Sozialpartner anlässlich der Meinungsver-
schiedenheiten zur Einordnung der Hochschulreife gegenüber den traditio-
nellen Berufsabschlüssen zu einem „offenen Gespräch“ eingeladen hat (vgl.
dpa-Meldung vom 21. Oktober 2011), und wenn ja, wann, und in welchem
zeitlichen Umfang wird dieses nach Kenntnis der Bundesregierung stattfin-
den, und wer wird hieran teilnehmen?

12. Ist der Beschluss der KMK zur Einstufung der Hochschulreife gegenüber
den traditionellen Berufsabschlüssen nach Kenntnis der Bundesregierung
als abschließende Positionierung zu verstehen, und wenn ja, welches Ziel
wird dann noch mit dem „offenen Gespräch“ (s. o.) mit den Sozialpartnern
verfolgt?

13. Ist davon auszugehen, dass Bund und Länder wie von der Bundesregierung
angekündigt (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/13509 vom 6. Juli 2009)
noch im Laufe des Jahres 2011 einen abschließenden gemeinsamen Vor-
schlag für einen DQR vorlegen werden?

14. Welches Gremium soll nach Abschluss der Debatte um die Einstufung ver-
schiedener Abschlüsse in den DQR abschließend über ein entsprechendes
Regelwerk entscheiden?

15. Wann, und in welcher Form soll der Deutsche Bundestag mit der Beschluss-
fassung über den DQR befasst werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7626

16. Inwieweit sind die Parlamente der Länder nach Kenntnis der Bundesregie-
rung bisher in die Debatten um die Einstufung unterschiedlicher Abschlüsse
im DQR eingebunden worden, und inwieweit ist eine entsprechende Betei-
ligung geplant?

17. Liegt die Hauptverantwortung für die Entwicklung des DQR im Rahmen
des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) sowie für die Einstufung
verschiedener Abschlüsse in den Qualifikationsrahmen im föderalen Sys-
tem nach Auffassung der Bundesregierung bei den Ländern oder beim
Bund?

18. Ist aus Sicht der Bundesregierung eine abschließende Befassung des DQR
und der Einstufung verschiedener Abschlusstypen wie etwa der allgemei-
nen Hochschulreife auf den Niveaus des DQR ohne Zustimmung des Deut-
schen Bundestages möglich?

19. Ist aus Sicht der Bundesregierung eine abschließende Befassung des DQR
und der Einstufung verschiedener Abschlusstypen wie etwa der allgemei-
nen Hochschulreife auf den Niveaus des DQR ohne Zustimmung der Parla-
mente der Länder möglich?

20. Strebt die Bundesregierung eine gleichberechtigte Einbeziehung der Lern-
ergebnisse nonformalen und informellen Lernens in die Einstufungen in den
DQR an, und wenn ja, wie ist der Stand diesbezüglicher Debatten und Vor-
arbeiten, und wann sollen entsprechende Vorschläge vorgelegt werden?

21. Welche Institution(en) soll(en) nach Auffassung der Bundesregierung in der
Umsetzung des DQR die Einstufung konkreter Ausbildungsgänge bzw.
konkreter Qualifikationen von Einzelpersonen in die Niveaus des DQR vor-
nehmen?

22. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Einstufung konkreter
Ausbildungsgänge bzw. konkreter Qualifikationen von Einzelpersonen in
der Umsetzung des DQR durch öffentliche und bildungsbereichsübergrei-
fend arbeitende Institutionen erfolgen sollte, um eine transparente Einstu-
fung sowie eine Gleichbehandlung der verschiedenen Bildungsbereiche zu
gewährleisten?

Berlin, den 8. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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