BT-Drucksache 17/7596

zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/5493 - Gedenkort für die Opfer der NS-"Euthanasie"-Morde

Vom 7. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7596
17. Wahlperiode 07. 11. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss)

zu dem Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/5493 –

Gedenkort für die Opfer der NS-„Euthanasie“-Morde

A. Problem

Als Teil der nationalsozialistischen Rassenideologie wurden bis 1945 geschätzte
300 000 Kinder, Frauen und Männer aufgrund von Krankheiten oder Behinde-
rungen systematisch ermordet. Diese „Euthanasie“-Morde gehören in das
Gedächtnis der Nation. Deshalb ist die Erinnerung daran eine Aufgabe von
nationaler Bedeutung und gesamtstaatlicher Verantwortung. In dem Antrag der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird daher
gefordert, in Berlin in der Tiergartenstraße 4 und damit am historischen Ort der
Planung der Verbrechen das bestehende Denkmal aufzuwerten sowie über die
Dimension des Verbrechens und seine Opfer zu informieren.

B. Lösung

Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, sich in Ergänzung und
unter Berücksichtigung der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen in den
Ländern für eine Aufwertung des in Berlin bereits existierenden Denkmals für
die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten Kranken und Behinderten
einzusetzen. Am historischen Standort der Planung und Organisation der „Ak-
tion T 4“ in der Tiergartenstraße soll weitergehend über „Euthanasie“-Morde,
Zwangssterilisationen und andere damit zusammenhängende Verbrechen infor-
miert werden. Umsetzen soll die Bundesregierung diesen Auftrag gemeinsam
mit Berlin und dabei die Stiftung „Denkmal für die ermordeten Juden Euro-
pas“ sowie die Stiftung „Topographie des Terrors“ einbeziehen. Schließlich
soll die Bundesregierung Defizite in der Aufarbeitung des Themas aufgreifen,
die es zum Beispiel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Opfer bis

heute gäbe oder die bei der Erforschung der Beteiligung des medizinischen
und Pflegepersonals existierten. Die für den Gedenkort erforderlichen Mittel
sollen in den Etat des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Me-
dien eingestellt werden.

Annahme des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion
DIE LINKE.

Drucksache 17/7596 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Im Haushalt des Bundes sollen 500 000 Euro bereitgestellt werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7596

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/5493 unverändert anzunehmen.

Berlin, den 7. November 2011

Der Ausschuss für Kultur und Medien

Monika Grütters
Vorsitzende

Marco Wanderwitz
Berichterstatter

Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Berichterstatter

Lars Lindemann
Berichterstatter

Dr. Lukrezia Jochimsen
Berichterstatterin

Claudia Roth (Augsburg)
Berichterstatterin

Aufarbeitung des Themas aufgreifen, die es zum Beispiel in genheit, argumentierte etwa die Fraktion der CDU/CSU.
Daher sei es richtig, das dortige Denkmal aufzuwerten, In-
der gesellschaftlichen Wahrnehmung der Opfer bis heute

gäbe oder die bei der Erforschung der Beteiligung des medi-
zinischen und Pflegepersonals existierten.

Die für den Gedenkort erforderlichen Mittel sollen in den

formation und Dokumentation jedoch in die Nachbarschaft
zur Stiftung „Topographie des Terrors“ zu verlagern. Völlig
auf Information verzichtet werde in der Tiergartenstraße
nicht, betonte die Fraktion der SPD. Erste Hinweise auf
Drucksache 17/7596 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Marco Wanderwitz, Dr. h. c. Wolfgang Thierse,
Lars Lindemann, Dr. Lukrezia Jochimsen und Claudia Roth (Augsburg)

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/5493 ist in der 105. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 14. April 2011 an den Aus-
schuss für Kultur und Medien zur federführenden Beratung
überwiesen worden sowie zur Mitberatung an den Innenaus-
schuss, den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Arbeit
und Soziales, den Ausschuss für Gesundheit, den Ausschuss
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und den Aus-
schuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät-
zung.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Als Teil der nationalsozialistischen Rassenideologie wurden
bis 1945 geschätzte 300 000 Kinder, Frauen und Männer
aufgrund von Krankheiten oder Behinderungen systematisch
ermordet. Diese „Euthanasie“-Morde gehören in das Ge-
dächtnis der Nation. Deshalb ist die Erinnerung daran eine
Aufgabe von nationaler Bedeutung und liegt in gesamtstaat-
licher Verantwortung. In dem Antrag der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird da-
her gefordert, den bereits existierenden Gedenkort in Berlin
in der Tiergartenstraße 4 und damit am historischen Ort auf-
zuwerten sowie über die Planung der Verbrechen, über ihre
Dimension und über die Opfer zu informieren.

Die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ zielte auf Men-
schen mit Behinderungen und auf psychisch Kranke. Allein
im Rahmen der „Aktion T 4“, so genannt nach der koordinie-
renden Dienststelle in der Tiergartenstraße 4 in Berlin, sind
1940 und 1941 in sechs eigens eingerichteten Gasmordan-
stalten mehr als 70 000 Psychiatriepatientinnen und -patien-
ten umgebracht worden.

Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, sich
in Ergänzung und unter Berücksichtigung der Gedenkstätten
und Erinnerungsinitiativen in den Ländern für eine Aufwer-
tung des in Berlin bereits bestehenden Denkmals für die in
der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten Kranken und
Behinderten einzusetzen. Am historischen Standort der Pla-
nung und Organisation der „Aktion T 4“ soll weitergehend
über „Euthanasie“-Morde, Zwangssterilisationen und andere
damit zusammenhängende Verbrechen informiert werden.
Umsetzen soll die Bundesregierung diesen Auftrag gemein-
sam mit Berlin und ihn mit einem von der Hauptstadt auszu-
schreibenden Ideenwettbewerb zur Umgestaltung des Areals,
Tiergartenstraße 4, unterstützen. Einbezogen werden sollen
Betroffene und Verbände sowie die Stiftungen „Denkmal für
die ermordeten Juden Europas“ sowie „Topographie des Ter-
rors“. Schließlich soll die Bundesregierung Defizite in der

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung vom 21. Septem-
ber 2011 einvernehmlich Zustimmung empfohlen.

Der Haushaltsausschuss hat in seiner Sitzung vom 11. Mai
2011 einvernehmlich Zustimmung empfohlen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner Sit-
zung vom 26. Oktober 2011 einvernehmlich Zustimmung
empfohlen bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
Ein Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache 17(22)74
war zuvor abgelehnt worden.

Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner Sitzung vom
26. Oktober 2011 einvernehmlich Zustimmung empfohlen
bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. Ein Ände-
rungsantrag auf Ausschussdrucksache 17(22)74 wurde mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab-
gelehnt.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner Sitzung vom 26. Oktober 2011 einver-
nehmlich Zustimmung empfohlen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat in seiner Sitzung vom 26. Oktober
2011 einvernehmlich Zustimmung empfohlen bei Stimment-
haltung der Fraktion DIE LINKE. Ein Änderungsantrag auf
Ausschussdrucksache 17(22)74 wurde mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stim-
men der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Kultur und Medien hat den Antrag in
seiner Sitzung vom 26. Oktober 2011 abschließend beraten.
Ihm lag dazu ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE.
auf Ausschussdrucksache 17(22)74 vor.

In der Ausschussberatung machten alle Fraktionen deutlich,
das bereits existierende Denkmal in der Berliner Tiergarten-
straße reiche nicht aus, sondern müsse aufgewertet werden.
Die Form dieser Aufwertung und das Maß an Information,
das dort gleichzeitig zu leisten sei, wurden dagegen kontro-
vers diskutiert.

Die antragstellenden Fraktionen sprachen sich für eine Kom-
bination aus. In der Tiergartenstraße gebe es wenig Platz, am
historischen Ort keinerlei authentische Spuren der Vergan-
Etat des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und
Medien eingestellt werden.

Informationsmöglichkeiten müssten in den Gedenkort inte-
griert werden. Ziel sei es jedenfalls, mehr Aufmerksamkeit

Berlin, den 7. November 2

Marco Wanderwitz
Berichterstatter

Dr. Lukrezia Jochimsen
Berichterstatterin

Claudia Roth (Augsburg)
Berichterstatterin
Ideenwettbewerb für den Gedenkort, Tiergartenstraße 4, den
das Land Berlin auszuloben habe, werde der Ausschuss sich
einbringen können.

Im Ergebnis lehnte der Ausschuss für Kultur und Medien
den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. auf Aus-
schussdrucksache 17(22)74 ab mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sodann empfahl der Aus-
schuss für Kultur und Medien, den Antrag auf Drucksache
17/5493 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktion DIE LINKE. anzunehmen.

011

Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Berichterstatter

Lars Lindemann
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7596

als bisher zu erzielen, die Täter zu benennen und die Opfer
zu würdigen. Dieser Position schloss sich auch die Fraktion
der FDP an. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
ergänzte, ein Widerspruch zwischen einem Ort des Geden-
kens und einem Ort der Information sei künstlich erzeugt. Es
solle in der Tiergartenstraße ein Gedenkort für die Opfer der
nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde und ein Ort der
Aufklärung über Tat und Täter realisiert werden. Vertiefte
Informationen solle dann die Stiftung „Topographie des Ter-
rors“ anbieten.

Demgegenüber vertrat die Fraktion DIE LINKE. den
Standpunkt, ein Ort des Gedenkens reiche nicht aus; in der
Tiergartenstraße müsse ein Dokumentations- und Informa-
tionszentrum gebaut werden, um die NS-Verbrechen ange-
messen in Erinnerung zu rufen.

Alle Fraktionen machten deutlich, dass mit dem Beschluss
über den interfraktionellen Antrag das Thema nicht erledigt
sei. Auch in Zukunft werde das Gespräch mit jenen zivilge-
sellschaftlichen Akteuren weitergeführt, die sich seit vielen
Jahren für mehr Aufmerksamkeit für dieses Kapitel der
Geschichte engagierten und neue Formen des Gedenkens
und der Information forderten. Auch in die Debatte zum

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