BT-Drucksache 17/7458

Strategie gegen Lebensmittelverschwendung entwickeln

Vom 26. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7458
17. Wahlperiode 26. 10. 2011

Antrag
der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Willi Brase, Petra Crone, Petra
Ernstberger, Iris Gleicke, Ulrich Kelber, Ute Kumpf, Thomas Oppermann,
Holger Ortel, Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Mechthild Rawert, Rita
Schwarzelühr-Sutter, Kerstin Tack, Dr. Frank-Walter Steinmeier und
der Fraktion der SPD

Strategie gegen Lebensmittelverschwendung entwickeln

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Viele Lebensmittel landen im Müll – auf dem Weg vom Acker über die Produk-
tion, den Großmarkt, den Supermarkt oder das Gastgewerbe bis zu den Ver-
braucherinnen und Verbrauchern; auf jeder Stufe der Warenkette werden
brauchbare Lebensmittel weggeworfen.

Das Ausmaß der Verschwendung war bisher ebenso wenig präsent wie die ver-
heerenden weltweiten sozialen und ökologischen Folgen. Denn für die Produk-
tion der weggeworfenen Lebensmittel werden Wasser und Rohstoffe verbraucht
und landwirtschaftliche Flächen genutzt. Steigende Preise sind die Folge; und
dies auch in den armen Ländern der Welt, in denen die Ressourcen dringend
benötigt werden, um für Nahrungssicherheit vor Ort zu sorgen und den Hunger
zu bekämpfen.

Zudem werden für Anbau und Produktion Dünger und Energie eingesetzt, Um-
welt und Klima werden belastet.

Durch die Berichterstattungen in den Medien sind inzwischen viele Menschen
auf das Thema Lebensmittelverschwendung aufmerksam geworden. Eine Peti-
tion beim Deutschen Bundestag sieht eine Ursache für Lebensmittelverschwen-
dung darin, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum oft missverstanden wird. Sie
wurde bisher von über 2 100 Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnet.

Die Verwendung des Mindesthaltbarkeitsdatums wird in der EU-Lebensmittel-
informationsverordnung verbindlich geregelt. Die Verhandlungen dazu sind
gerade abgeschlossen worden. Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist dort von der
Bundesregierung nicht thematisiert worden.

Die bessere Aufklärung oder die Suche nach einer Alternativformulierung zum
Begriff Mindesthaltbarkeitsdatum kann nur eine von vielen Maßnahmen sein.

Denn für die Verschwendung von Lebensmitteln gibt es viele und sehr unter-
schiedliche Gründe. Deshalb muss eine umfassende Strategie gegen die Lebens-
mittelverschwendung in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und der Zivil-
gesellschaft erarbeitet werden.

Die von der Bundesregierung Ende letzten Jahres angekündigte Untersuchung
zur Lebensmittelverschwendung ist ein wichtiger Schritt. Sie soll erstmals kon-

Drucksache 17/7458 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
kretes und belastbares Zahlenmaterial über Art und Menge der in Deutschland
jährlich weggeworfenen Lebensmittel liefern.

Doch nach fast einem Jahr liegen immer noch keine Ergebnisse vor. Mit dem
Abschluss der Untersuchung wird erst Anfang nächsten Jahres gerechnet.

Aber es besteht dringender Handlungsbedarf. Auch ohne die genauen Zahlen
zu kennen, können einige Probleme sofort angegangen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– zu prüfen, ob und ggf. welche rechtlichen oder versicherungstechnischen
Regelungen Lebensmittelhändler und andere Anbieter daran hindern, den
Zugang zu weggeworfenen Lebensmitteln für Bedürftige, sog. Mülltaucher
oder sonstige nicht kommerzielle Nutzer, zur privaten Weiterverwertung zu
ermöglichen;

– Maßnahmen zu entwickeln, die überall dort, wo Lebensmittel weggeworfen
werden, Anreize für die Verantwortlichen schaffen, genießbare Lebensmittel
für nicht kommerzielle und wohltätige Zwecke freizugeben;

– sich bei den Ländern dafür einzusetzen, dass die Themenfelder Wertschät-
zung und verantwortungsvoller Umgang mit Lebensmitteln sowie die welt-
weiten sozialen und ökologischen Folgen von Lebensmittelverschwendung
an den Schulen in den Lehrplan aufgenommen werden;

– auch auf EU-Ebene das Thema Lebensmittelverschwendung anzusprechen,
sich für die Überarbeitung aller Handelsnormen für Obst und Gemüse einzu-
setzen und nach gemeinsamen Strategien zu suchen, um die Verschwendung
von genießbaren Lebensmitteln zu minimieren;

– zu prüfen, ob die EU-Regelung zum Mindesthaltbarkeitsdatum die Weiter-
gabe von Lebensmittelüberschüssen an Tafeln oder zu ähnlichen nicht kom-
merziellen Zwecken unnötig erschwert, und ggf. Alternativen zu entwickeln;

– mit Hilfe der Erkenntnisse der Verbraucherforschung gezielt über die Be-
deutung des Mindesthaltbarkeitsdatums aufzuklären oder geeignete Alterna-
tiven dazu zu entwickeln;

– nach Abschluss der Untersuchung zur Lebensmittelverschwendung die
Ergebnisse sorgsam auszuwerten;

– einen Runden Tisch einzusetzen, an dem gemeinsam mit Händlern, Herstel-
lern, Importeuren, Landwirten, Verbrauchern, Verbraucherforschern, Um-
weltorganisationen und Gewerkschaften Strategien zur Reduzierung der
Lebensmittelverschwendung entwickelt werden;

– einen Ideenwettbewerb zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen auszu-
schreiben, der das Thema in die Öffentlichkeit trägt und neben den Wirt-
schaftsbeteiligten auch Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit bietet,
ihre Vorschläge einzubringen.

Berlin, den 25. Oktober 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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