BT-Drucksache 17/7337

Schlichtung für Luftfahrtunternehmen verkehrsträgerübergreifend einführen

Vom 18. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7337
17. Wahlperiode 18. 10. 2011

Antrag
der Abgeordneten Ulrike Gottschalck, Heinz Paula, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer,
Martin Burkert, Petra Crone, Elvira Drobinski-Weiß, Petra Ernstberger, Iris
Gleicke, Michael Groß, Hans-Joachim Hacker, Gustav Herzog, Johannes Kahrs,
Ulrich Kelber, Ute Kumpf, Kirsten Lühmann, Thomas Oppermann, Holger Ortel,
Dr. Wilhelm Priesmeier, Florian Pronold, Rita Schwarzelühr-Sutter, Kerstin Tack,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Schlichtung für Luftfahrtunternehmen verkehrsträgerübergreifend einführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Eine bundesweit tätige, einheitliche Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr ist notwendig. Besonders im Verkehrsbereich besteht ein
großer Bedarf an außergerichtlicher Streitbeilegung zwischen Verbrauchern
und Unternehmen in Deutschland.

Schlichtungsverfahren erleichtern es den Verbraucherinnen und Verbrauchern,
ihre gesetzlich verbürgten Rechte unbürokratisch durchzusetzen. Sie sind ein
effizienter und kostengünstiger Weg der Streitbeilegung und entlasten die
Gerichte. Dabei nutzen Schlichtungsverfahren auch den Unternehmen. Eine
außergerichtliche Streitbeilegung erhöht die Kundenzufriedenheit und kann da-
mit zu einer besseren Kundenbindung der beteiligten Unternehmen beitragen.

Aus diesen Gründen hat Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz a. D.,
in der Großen Koalition der CDU/CSU und SPD das Fahrgastrechtegesetz
durchgesetzt, welches am 29. Juli 2009 in Kraft trat und u. a. den Verbrauche-
rinnen und Verbrauchern das Recht gibt, eine Schlichtungsstelle anzurufen.

In Zusammenhang mit dem Fahrgastrechtegesetz wurde die „Schlichtungsstelle
für den öffentlichen Personenverkehr e. V.“ (söp) gegründet. Die söp leistet für
Bahn-, Bus- und Schiffsreisende erfolgreiche Arbeit und kann eine Schlich-
tungsquote von über 90 Prozent aufweisen. Sie hat sich bei Fahrgästen und
Unternehmen allgemeines Vertrauen erarbeitet und durch erfolgreiche Schlich-
tungen in Streitfällen nachweislich zu einer maßgeblichen Stärkung von Kun-
denbeziehung und Kundenzufriedenheit beigetragen.

Da Reisende häufig zur Erreichung ihrer Ziele unterschiedliche Verkehrsmittel
benutzen und Verbraucherbeschwerden oft auch Schwierigkeiten mit der Fahr-
planauskunft, dem Anschlussverkehrsmittel oder dem Gepäcktransport durch

unterschiedliche Verkehrsträger betreffen, ist eine einheitliche, verkehrsträger-
übergreifende Schlichtungsstelle im öffentlichen Personenverkehr erforderlich.
Eine zentrale, verkehrsträgerübergreifende Schlichtungsstelle hat zudem den
Vorteil, dass der Verbraucher eine klare, die Reisekette umfassende Anlaufstelle
hat und eine einheitliche Spruchpraxis sichergestellt ist. Dies wird von der söp
gewährleistet. Parallele Strukturen mit einer eigenen Schlichtungsstelle Luftver-
kehr sind aus Verbraucher- und Kostensicht abzulehnen.

Drucksache 17/7337 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nachdem die Luftfahrtunternehmen die Möglichkeit haben verstreichen lassen,
sich freiwillig an der Errichtung einer Schlichtungsstelle zu beteiligen, ist es
nunmehr an der Zeit, die Luftverkehrsunternehmen gesetzlich zur Teilnahme an
Schlichtungsverfahren zu verpflichten.

Denn die Durchsetzung der gesetzlich verankerten Fluggastrechte in Deutsch-
land ist mangelhaft: Die Verbraucherzentralen der Länder und der Verbraucher-
zentrale Bundesverband e. V. stellen zunehmend fest, dass Fluggesellschaften
bei Verspätungen, Ausfällen von Flügen, anderen Störungen des Flugbetriebs,
der Nutzung von rechtswidrigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, unzuläs-
sigen Voreinstellungen bei der Buchung von Zusatzleistungen wie Reise-
gepäckversicherungen oder der rechtswidrigen Erhebung von Servicegebühren
bei der Nutzung von Kreditkarten die EU-weit geltenden Rechte betroffener
Fluggäste missachten, die Beschwerden der Fluggäste nicht ernst nehmen
sowie ihren Informationspflichten und der Kundenbetreuung nicht zufrieden-
stellend nachkommen.

Eine Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes e. V. hat ergeben, dass
eine Vielzahl von Reisenden nicht frühzeitig über Flugstörungen informiert und
nicht mit angemessenen Betreuungsleistungen versorgt sowie geschuldete Aus-
gleichszahlungen nicht geleistet wurden. Erhobene Beschwerden wurden laut
dieser Umfrage nur sehr zögerlich oder gar nicht bearbeitet.

Die für Verbraucherschutz zuständigen Minister der Länder haben aufgrund
eines festgestellten Bedarfs an außergerichtlicher Streitbeilegung im Flugver-
kehr am 17. September 2010 die Bundesregierung aufgefordert, die Teilnahme
an und Mitgliedschaft in der söp für alle in Deutschland tätigen Reiseverkehrs-
unternehmen verpflichtend gesetzlich festzuschreiben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Teilnahme der Luftver-
kehrsbranche an der verkehrsträgerübergreifenden Schlichtung unter dem Dach
der söp sicherstellt und dabei mindestens folgende Voraussetzungen erfüllt:

1. Die Unternehmen werden verpflichtet, an einem Schlichtungsverfahren teil-
zunehmen, wenn sie einer Verbraucherbeschwerde nicht innerhalb von vier
Wochen selbst abgeholfen haben,

2. die Unternehmen tragen die Kosten der Schlichtung, wenn die Anrufung der
Schlichtungsstelle durch die Verbraucherin bzw. den Verbraucher nicht
offensichtlich missbräuchlich ist;

3. die Schlichtung muss verkehrsträgerübergreifend durchgeführt werden.

Berlin, den 18. Oktober 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

Begründung

Das Schlichtungsverfahren soll Verbrauchern in Ergänzung zum internen Ver-
braucherbeschwerdemanagement des jeweiligen Unternehmens als Alternative
zum Rechtsweg vor den Gerichten zur Verfügung stehen.

Die Teilnahmeverpflichtung der Unternehmen ist sowohl mit dem durch Arti-

kel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG)

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7337

garantierten Justizgewährleistungsanspruch als auch mit dem durch Artikel 12
Absatz 1 GG garantierten Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit vereinbar.
Die Teilnahmeverpflichtung der Unternehmen ist durch die legitimen Gemein-
wohlziele gerechtfertigt, die staatliche Rechtspflege durch die Vermeidung ge-
richtlicher Verfahren zu entlasten sowie die Anwendungssicherheit und Verläss-
lichkeit durch die einheitliche Entscheidungspraxis der zentralen Schlichtungs-
stelle zu gewährleisten. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Unter-
nehmen ist auch verhältnismäßig. Die zwangsweise Teilnahme an einem
Schlichtungsverfahren ist ein geeignetes Mittel, gerichtliche Verfahren zu ver-
meiden. Bei einer freiwilligen Teilnahme wäre nicht gewährleistet, dass sämtli-
che Unternehmen sich zur Teilnahme bereit erklären.

Wie bei vergleichbaren Schlichtungsverfahren üblich (u. a. die §§ 111a, 111b des
Energiewirtschaftsgesetzes und das Verfahren vor dem Versicherungsombuds-
mann nach § 214 des Versicherungsvertragsgesetzes) und nach Ziffer IV zweiter
Spiegelstrich der Empfehlung 98/25/EG grundsätzlich vorgesehen, soll die
Schlichtungsstelle gemäß Absatz 6 Satz 2 keine Gebühr vom Verbraucher erhe-
ben, es sei denn der Antrag ist offensichtlich missbräuchlich.

Eine Beteiligung der deutschen Fluggesellschaften am Schlichtungsverfahren
der söp ist auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen für die Unternehmen
sinnvoll. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass zunehmend private Anbieter
agieren, um Schadensersatzansprüche von Fluggästen gegen hohe Provisionen
durchzusetzen. Auch die wesentlich günstigere Beitragsordnung der söp, die
am 1. Juni 2011 im Entwurf vorgelegt wurde, kommt den Luftfahrtunterneh-
men entgegen.

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