BT-Drucksache 17/7241

Fethullah-Gülen-Bewegung

Vom 29. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7241
17. Wahlperiode 29. 09. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Andrej Hunko, Ingrid Remmers
und der Fraktion DIE LINKE.

Fethullah-Gülen-Bewegung

Der im US-amerikanischen Pennsylvania im Exil lebende türkische Imam
Fethullah Gülen gilt als Vertreter eines ultrakonservativen Islam und eines groß-
türkischen Nationalismus. Die Anhängerschaft Gülen umfasst mehrere Millio-
nen Menschen weltweit und in der Türkei 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung.

Zur Gülen-Bewegung gehört ein milliardenschweres und weltweit agierendes
Netzwerk aus Wirtschaftsunternehmen, Medien wie der auflagenstärksten tür-
kischen Tageszeitung „Zaman“ sowie dem Sender „Samanyolu“ und insbeson-
dere Bildungseinrichtungen. Auch in der Bundesrepublik Deutschland verfügt
die Gülen-Bewegung in nahezu jeder größeren Stadt über Privatschulen oder
Nachhilfeinstitute. Dazu kommen Lobbyvereinigungen wie das Berliner „Forum
für Interkulturellen Dialog“, das gemeinsam mit christlich-jüdischen und Institu-
tionen und dem Deutschen Orientinstitut Konferenzen organisierte sowie der
Informationsdienst „Deutsch-türkische Nachrichten“.

Im Jahr 1999 hat der türkische Fernsehsender „ATV“ eine versteckt aufgenom-
mene Rede Gülens dokumentiert, in der der Imam seine Anhänger zur Unter-
wanderung des türkischen Staatsapparates aufforderte. Neben der Armee und der
Regierungspartei AKP sei die Gülen-Bewegung heute die dritte Kraft in der
Türkei, der viele Abgeordnete und Tausende Beamte des mittleren Dienstes
ebenso angehören wie hochrangige Staatsfunktionäre, schrieb das in London er-
scheinende sicherheitspolitische „Jane’s Defence Weekly Magazine“ am 29. Ja-
nuar 2009. Der Analytiker des US-amerikanischen Magazins „Foreign Policy“,
Soner Cagaptay, sieht den Aufbau eines neuen „tiefen Staates“ durch die Gülen-
Bewegung in der Türkei, die die Polizei und ihren Nachrichtendienst sowie Teile
der Justiz kontrolliere. So sollen die Verhaftungen hochrangiger Militärs und
Persönlichkeiten des laizistischen Lagers aufgrund angeblicher Verwicklung in
Putschpläne auf die Gülen-Bewegung zurückgehen. Dabei bedient sich die
Gülen-Bewegung laut ihre Kritiker massiv illegaler Abhörmethoden (FP 25. Fe-
bruar 2010). Bekannte Kritiker der Gülen-Bewegung sehen sich in der Türkei
staatlicher Verfolgung ausgesetzt. So wurde der ehemalige stellvertretende
Direktor der nachrichtendienstlichen Abteilung der Polizei, Hanefi Avci, nach
Veröffentlichung eines Buches über die Unterwanderung der Polizei verhaftet.
Auch der Enthüllungsjournalist Ahmet Sik wurde im März 2011 verhaftet und
sein inzwischen im Internet veröffentlichtes Buch „Die Armee des Imam“ ver-
boten (www.tuerkeiforum.net/enw/index.php/Ahmet_k:_The_Army_of_the
_Imam).

Zumindest in der Vergangenheit unterhielt Gülen gute Kontakte zu den rechts-
extremen Grauen Wölfen, die er auch finanziell unterstützte. In verschiedenen
GUS-Staaten wurden inzwischen Schulen der Gülen-Bewegung wegen Verbrei-

Drucksache 17/7241 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tung pantürkischer Propaganda geschlossen. Der russische Inlandsgeheimdienst
FSB verdächtigt die Gülen-Schulen, als Tarnorganisationen des US-Geheim-
dienstes CIA zu fungieren, eine Darstellung, die vom ehemals führenden
türkischen Geheimdienstoffizier Osman Nuri Gundes bestätigt wird (voices.
washingtonpost.com/spy-talk/2011/01/islamic_group_is_cia_front_ex-.html).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse hat die Bundesregierung
über die Gülen-Bewegung?

2. Inwieweit hält die Bundesregierung das von Fethullah Gülen und seinen
Anhängern vertretene Weltbild für vereinbar mit dem Grundgesetz der Bun-
desrepublik Deutschland?

3. Inwieweit bestanden oder bestehen Kontakte oder Kooperationen zwischen
deutschen staatlichen Stellen und der Gülen-Bewegung oder der ihr nahe-
stehenden Vereinigungen?

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine Unterwanderung
gesellschaftlicher und staatlicher Strukturen durch die Gülen-Bewegung in
Deutschland?

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Verbindungen der
Gülen-Bewegung zu politischen Parteien in Deutschland?

6. Inwieweit wurden Organisationen, Projekte oder Veranstaltungen der
Gülen-Bewegung bzw. der ihr nahestehenden Vereinigungen mit Bundes-
haushaltsmitteln gefördert (bitte einzeln auflisten und die Höhe der Förde-
rung benennen)?

7. Welche Vereine oder Organisationen, die der Gülen-Bewegung nahestehen
oder angehören, sind nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland
tätig?

8. Welche deutschsprachigen Medien (Zeitungen, Zeitschriften, Verlagshäu-
ser, Internetseiten etc.), die der Gülen-Bewegung nahestehen oder ihr an-
gehören, sind der Bundesregierung bekannt?

9. Welche Schulen und Nachhilfeinstitute in Deutschland, die der Gülen-
Bewegung nahestehen oder ihr angehören, sind der Bundesregierung be-
kannt?

10. In wie vielen und welchen Fällen wurden in Deutschland Schulen, die der
Gülen-Bewegung nahestehen oder ihr angehören, die Lehrerlaubnis nicht
erteilt oder wieder entzogen (bitte Grund angeben)?

11. Welche Wirtschaftsunternehmen in Deutschland, die der Gülen-Bewegung
nahestehen oder ihr angehören, sind der Bundesregierung bekannt?

12. Über wie viele Anhänger verfügt Fethullah Gülen nach Schätzung der Bun-
desregierung in Deutschland?

13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Kontakte der Gülen-Be-
wegung zu türkischen Rechtsextremisten?

14. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Kontakte der Gülen-Be-
wegung zu Milli Görüs in Deutschland?

15. Inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse über eine Unterwanderung
staatlicher Strukturen in der Türkei durch die Gülen-Bewegung?

16. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die staatliche Verfol-
gung von Kritikern der Gülen-Bewegung in der Türkei?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7241

17. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Kontakte der Gülen-
Bewegung zum US-amerikanischen Geheimdienst CIA?

Berlin, den 29. September 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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