BT-Drucksache 17/7177

EU-Weißbuch Verkehr - Neuausrichtung der integrierten Verkehrspolitik in Deutschland und in der Europäischen Union nutzen

Vom 27. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7177
17. Wahlperiode 27. 09. 2011

Antrag
der Abgeordneten Michael Groß, Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert,
Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck, Hans-Joachim Hacker,
Gustav Herzog, Ute Kumpf, Kirsten Lühmann, Thomas Oppermann,
Florian Pronold, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

EU-Weißbuch Verkehr – Neuausrichtung der integrierten Verkehrspolitik
in Deutschland und in der Europäischen Union nutzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die EU-Kommission hat ihre Strategie „Verkehr 2050“ mit dem Weißbuch
„Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem
wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ am
28. März 2011 vorgelegt. Das europäische Weißbuch für Verkehr bildet die
Grundlage der zukünftigen europäischen Verkehrspolitik.

Die Potenziale des europäischen Verkehrsraumes und der große Handlungsbe-
darf werden durch die EU-Kommission klar aufgezeigt. Es ist zu begrüßen, dass
die Europäische Kommission mit der überarbeiteten Vorlage des Weißbuchs für
Verkehr einen grundlegenden Strukturwandel anstrebt.

Der Deutsche Bundestag unterstützt die ambitionierten Ziele zu mehr Umwelt-
und Klimaschutz, zu mehr Energieeffizienz im Verkehr und hin zu regenerativen
Energieformen. Gleichzeitig muss es jedoch auch das Ziel einer europäischen
Verkehrspolitik sein, die Vollendung des europäischen Binnenmarktes und die
damit verbundene Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Ver-
kehrswirtschaft voranzutreiben. Auf internationale Herausforderungen wie den
Schutz des europäischen Verkehrssektors vor terroristischen Bedrohungen muss
mit Augenmaß reagiert werden.

Die Schaffung eines einheitlichen Luft-, Schifffahrts- und Eisenbahnverkehrs-
raumes, die flexiblere Möglichkeit der Nutzung, aber auch des vereinfachten
Zugangs von Informationen zu den einzelnen Verkehrsmitteln ist ein wichtiger
Beitrag für den einzelnen Verkehrsnutzer, aber auch für die Wirtschaftsunter-
nehmen in einem global agierenden Markt.

Der Deutsche Bundestag unterstützt ausdrücklich, dass die EU-Kommission auf
den Dreiklang von Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sozialem bei einer

grundlegenden Wende in der Mobilität setzt. Ebenso werden die Erforschung,
Entwicklung und Markteinführung neuer Technologien einen entscheidenden
Beitrag zur Veränderung der Mobilität beitragen müssen und sollten daher ziel-
gerichtet gefördert und reguliert werden.

Das überarbeitete Weißbuch Verkehr steht im Einklang mit der Strategie der
Mitgliedstaaten, die Treibhausgasemissionen ambitioniert zu senken, um den
Temperaturanstieg durch den Klimawandel auf unter 2 Grad Celsius zu be-

Drucksache 17/7177 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

grenzen. Insgesamt muss die Europäische Union bis 2050 die Emissionen um
80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 verringern, um dieses Ziel zu erreichen.

Aus der Analyse der Europäischen Kommission zum Weißbuch Verkehr geht
hervor, dass der Verkehr trotz aller Bemühungen der Vergangenheit immer noch
eine wachsende Quelle von klimaschädlichen Emissionen ist. Nach Feststellung
der EU-Kommission müssen die aus dem Verkehrssektor stammenden Emis-
sionen um mindestens 60 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Bis 2030 ist
als Zwischenschritt die Senkung der CO2- und anderer Treibhausgasemissionen
um 20 Prozent gegenüber dem Jahr 2008 vorgesehen. Dies wäre immer noch
8 Prozent über dem Verkehrsemissionsstand von 1990.

Die Untersuchung der Europäischen Kommission zeigt deutlich, dass trotz
Weiterentwicklungen in der Fahrzeugtechnik, Verbesserungen bei der Verkehrs-
lenkung sowie erhöhter Verkehrssicherheit bisher immer noch ein Anstieg der
Emissionen zu verzeichnen ist, was auf die enormen Verkehrszuwächse zurück-
zuführen ist.

Um im Verkehrssektor die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen, müssen
ein grundlegender Strukturwandel und ein generelles Umdenken erfolgen. Dies
kann nur mit der Akzeptanz aller Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und der
Bürger geschehen. Dabei darf jedoch die Sicherung des europäisches Wirt-
schaftsstandortes nicht ins Hintertreffen geraten.

Die Hauptherausforderungen für die Zukunft werden laut dem EU-Weißbuch
Verkehr sein: weitere Schritte zu mehr Ölunabhängigkeit, weiterhin Erhöhung
der Energieeffizienz der einzelnen Fahrzeuge und Verkehrsträger, Vereinheit-
lichung und mehr Effizienz in der Nutzung der einzelnen Verkehrsträger und
damit verbunden ein funktionierendes Gesamtverkehrsnetz auf Grundlage einer
europäischen Gesamtverkehrsplanung. In der Beschränkung von Mobilität sieht
die EU-Kommission besonders unter Berücksichtigung eines funktionierenden
Wirtschaftsraumes der Europäischen Union zurecht keine Lösung.

Als entscheidende Schritte zu klimafreundlichem Personen- und Gütertransport
setzt die EU-Kommission auf die Entwicklung einer verkehrsträgerübergreifen-
den Mobilitätsplanung mit einem hocheffizienten und benutzerfreundlichen
Verkehrsnetz, den CO2-freien innerstädtischen Verkehr von Ballungszentren bis
2050 (bis 2030 bereits 50 Prozent weniger konventionelle Fahrzeuge), die Ver-
lagerung der Personen- und Güterverkehre über eine Strecke von 300 Kilometern
auf die umweltfreundlicheren Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße sowie
einen 40-prozentigen Anteil CO2-emissionsarmer Kraftstoffe für den Flugver-
kehr bis 2050.

Weiterhin soll die Umweltbelastung durch Schiffsöle stark reduziert werden,
sollen Informations- und Managementsysteme etabliert sowie Kosten nach dem
Nutzer-/Verursacher-Prinzip verteilt und externe Kosten internalisiert werden.

Konkret schlägt die EU-Kommission 40 Maßnahmen vor, um ein wettbewerbs-
orientiertes und umweltfreundliches, höchst effizientes Verkehrssystem zu
schaffen, welches den europäischen Wirtschaftsraum stärkt und Arbeitsplätze
sichern sowie schaffen soll. Dabei ist kritisch anzumerken, dass sich die Vor-
schläge zur konkreten Umsetzung der formulierten Ziele vorrangig auf die wich-
tige Reduktion der CO2-Emissionen im Verkehrssektor konzentrieren. Der
zweite Schwerpunkt des europäischen Weißbuchs, die Wettbewerbsfähigkeit
des europäischen Transport- und Verkehrssektors zu stärken, wird bei der Dar-
stellung von konkreten Maßnahmen vernachlässigt.

Kritisch zu hinterfragen ist darüber hinaus, wie die Finanzierung der einzelnen,
im EU-Weißbuch benannten Maßnahmen, aber auch des gesamten Strukturwan-
dels im europäischen Verkehrssektor gelöst wird. Die Verkehrsinfrastruktur-

finanzierung obliegt den einzelnen Mitgliedstaaten der EU und wird in unter-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7177

schiedlichster Form und Struktur realisiert. Der Mittelbedarf bei der Umsetzung
der Ziele des EU-Weißbuchs für Verkehr wird auf bis zu 90 Mrd. Euro pro Jahr
bis 2030 bzw. auf etwa 550 Mrd. Euro bis 2020 für den Ausbau des Kernnetzes
geschätzt. Wie der dargestellte Investitionsbedarf von bis zu 1 500 Mrd. Euro in
der Europäischen Union finanziell unterlegt werden soll, bleibt im Entwurf des
EU-Weißbuchs Verkehr weitestgehend offen.

Die Belange der Verkehrssicherheit bilden einen zentralen Schwerpunkt des
Weißbuchs. Der Deutsche Bundestag unterstützt das Ziel der „Vision Zero“ für
die Straßenverkehrssicherheit und der zahlreich damit verbundenen, kleinteiligen
Maßnahmen zur Verhinderung von Verkehrsunfällen. Bei der Umstellung auf
CO2-freien innerstädtischen Verkehr sollte jedoch ein größeres Augenmerk auf
die grundsätzlich CO2-arme und ressourcenschonendste Mobilität der Fuß-
gänger und Radfahrer und deren Sicherheit gelegt werden. Gerade die Gruppe
Fahrradfahrer nimmt stark zu in den deutschen Städten und ist laut jüngsten
Expertenaussagen eine der gefährdetsten Verkehrsteilnehmer. Der Ausbau der
dazugehörigen Infrastruktur wird im Rahmen des Fahrplans der EU- Kommis-
sion hin zu CO2-freier Mobilität in den urbanen Zentren Europas nicht weiter
ausgeführt.

Wichtig für die Zukunft unserer Mobilität in der Europäischen Union ist, dass
sie nicht nur klimafreundlich, effizient und wirtschaftsfördernd, sondern sozial
ausgestaltet wird. Bei einer grundlegenden Strukturveränderung und einem Um-
denken zur Mobilität von morgen darf diese nicht zum Luxus weniger werden
und sozial Schwächere von Teilhabe ausschließen.

Bei der Vorbereitung von konkreten Legislativakten der Europäischen Union zur
Umsetzung der im europäischen Weißbuch für Verkehr formulierten Ziele und
Maßnahmen muss das Prinzip der Subsidiarität eingehalten werden.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt

1. den Vorstoß der EU-Kommission für einen grundlegenden Strukturwandel
des europäischen Verkehrssystems in Richtung einer Mobilität, die klima-
freundlich, ressourcenschonend, sozial verträglich und nachhaltig organisiert
wird und dabei gleichzeitig eine Stärkung des europäischen Wirtschafts-
standortes ermöglichen soll;

2. den Ausbau des Verbraucherschutzes mit der Durchsetzung von Nutzerrech-
ten mit dem Anschub der multimodalen Reiseplanung und des Ticketerwerbs,
Mindestservicestandards, Verlässlichkeit und der Vereinheitlichung der ver-
kehrsträgerübergreifenden Nutzungsmöglichkeiten innerhalb der europäi-
schen Mitgliedstaaten;

3. die ambitionierten Ziele zu mehr Umwelt- und Klimaschutz, zu mehr Ener-
gieeffizienz im Verkehrssektor und hin zu regenerativen Energieformen;

4. die Schaffung eines einheitlichen Luft-, Schifffahrts- und Eisenbahnver-
kehrsraumes, die flexiblere Möglichkeit der Nutzung, aber auch des verein-
fachten Zugangs zu Informationen als einen wichtigen Beitrag für den einzel-
nen Verkehrsnutzer und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der
Wirtschaftsunternehmen in der Europäischen Union;

5. die geplante Stärkung der Forschung und die angestrebte Markteinführung
energieeffizienter, ölunabhängiger und lärmarmer Fahrzeuge und die vorge-
schlagene Bündelung der EU-Forschungsanstrengungen der Entwicklung
EU-weiter Markteinführungsstrategien in diesem Bereich;

6. die Entwicklung und Unterstützung der einzelnen Mitgliedstaaten bei der in-
telligenten Verkehrsplanung zur Schaffung einer strategischen Infrastruktur

für den europäischen Verkehrsraum mit dem Ausbau eines multimodalen, eu-
ropäischen Verkehrsnetzes;

Drucksache 17/7177 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

7. die geplanten umfassenden Verbesserungen im Verkehrsmanagement zur
Steigerung von Effizienz im Verkehr zur Minderung von Emissionen durch
die Einführung umfassender Verkehrsmanagementsysteme (ERTMS, IVS,
RIS, SafeSeaNet, LRIT, SESAR);

8. die Überprüfung der Möglichkeit der Verknüpfung von Regional- und Ko-
häsionsfonds mit Städten und Regionen, welche Mobilitätspläne entwickeln
und umsetzen, hin zu CO2-armen Gebieten;

9. grundsätzlich die stärkere Berücksichtigung des Verursacherprinzips bei
der Vermeidung von Emissionen im Verkehrssektor.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich aktiv und gestaltend in die Diskussion zum Weißbuch Verkehr der EU-
Kommission einzubringen;

2. die fortschrittlichen und klaren Zielformulierungen der EU-Kommission
hin zu einem Strukturwandel und Umdenken in der europäischen Verkehrs-
politik zu unterstützen;

3. sich bei der EU-Kommission nachdrücklich für die nationalen Belange der
Infrastrukturentwicklung und der Fortentwicklung des europäischen Ver-
kehrsraumes einzusetzen und bei der Formulierung von Legislativakten
klar auf das Subsidaritätsprinzip zu achten;

4. die nationale Verkehrspolitik und Verkehrsplanung in Deutschland mit den
europäischen Zielen abzustimmen und für einen Neustart einer integrierten
Verkehrspolitik zu nutzen;

5. sich dafür einzusetzen, dass deutsche Seehäfen an Nord- und Ostsee und
Hinterlandhäfen als Drehscheiben des nationalen und internationalen Waren-
austauschs sowie die Hinterlandanbindung von Häfen auch mit Blick auf
sich herausbildende Korridore in Europa bei der Entscheidungsfindung und
Planung von TEN-V-Vorhaben ihre Berücksichtigung finden und dabei
fortentwickelt und sinnvoll angebunden werden;

6. sich für die Förderung eines integrierten europäischen Verkehrssystems mit
intermodalen Lösungen einzusetzen, das Umweltschutz und Klimawandel
berücksichtigt und das an eine europaweite Prognose und Nutzen-/Kosten-
untersuchung nach einheitlichen Kriterien geknüpft wird;

7. dafür Sorge zu tragen, dass die Wertschöpfung auch bei einem umfassenden
Strukturwandel im Verkehrssektor in Deutschland und innerhalb der euro-
päischen Mitgliedstaaten erhalten bleibt und mit dem Strukturwandel die
Generierung von neuen Arbeitsplätzen einhergeht;

8. sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die Förderung der
Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Verkehrsraumes mit konkreten
Maßnahmen, Zielmarken und Zeithorizonten unterlegt wird und somit ein
ausgewogener Mix aus Vorschlägen zur weiteren ambitionierten Umset-
zung von Klimaschutzzielen im Verkehrssektor und Stärkung der Wettbe-
werbsfähigkeit des europäischen Verkehrsraumes erreicht wird;

9. die Koordinierung auf europäischer Ebene herzustellen, in der die Interes-
sen gebündelt und den europäischen Autobauern und Zulieferern die Zu-
sammenarbeit ermöglicht werden;

10. die Standardisierung auf den Gebieten von Technik, Sicherheit und Daten-
übertragung zu schaffen. Ziel muss eine europäische Kooperation sein, in
der gemeinsam der Kraftakt für die Einführung der Elektromobilität be-

wältigt wird: Zusammenarbeit in Forschung und Produktion sowie gemein-
same Umsetzung von infrastrukturellen Maßnahmen auf Europas Straßen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7177

11. sich bei den Beratungen zum EU-Weißbuch Verkehr dafür einzusetzen, dass
das angestrebte CO2-Reduktionsziel von 60 Prozent angesichts der derzei-
tigen Prognosen gerade für den europäischen Güterverkehr dahingehend
überprüft wird, inwiefern das notwendige gesamtgesellschaftliche Ziel
eines ambitionierten Klimaschutzes erreicht werden kann;

12. dass besonders die Zielmarken in der ersten Hälfte der im Entwurf des EU-
Weißbuchs genannten Zeitschiene bis 2050 ambitionierter gestaltet werden
sollen, um zeitliche Verzögerungen und eine weitere Verlagerung der Um-
setzung der Gesamtziele in die zweite Hälfte der Zeitschiene zu verhindern.
Gleichzeitig muss überprüft werden, inwiefern ein ambitionierteres CO2-
Reduktionsziel mit der weiteren Stärkung des europäischen Wirtschafts-
standortes vereinbar ist;

13. bei der Fortschreibung der europäischen Verkehrspolitik grundsätzlich
darauf zu achten, dass Mobilität für die Bürgerinnen und Bürger in der
Europäischen Union bezahlbar bleibt;

14. Unsicherheiten bei einem grundlegenden Strukturwandel in der Verkehrs-
politik und den damit zu erwartenden Kosten zu vermeiden und sich bei der
EU-Kommission deutlich für die zügige Klärung diesbezüglicher Fragen
einzusetzen, um Planungssicherheiten für die Wirtschaft und den Standort
Deutschland zu gewährleisten;

15. sich im Rahmen der Aufstellung des nächsten Mehrjährigen Finanzrahmens
(MFR) der Europäischen Union für die Jahre ab 2014 dafür einzusetzen,
dass ausreichende Mittel für die Finanzierung des Strukturwandels im Ver-
kehrssektor und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur durch die Euro-
päische Union bereitgestellt werden;

16. sich bei der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung der Europäischen Union da-
für einzusetzen, dass je nach Bedarf in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten
nicht nur Neu- und Ausbaumaßnahmen, sondern auch nötige Infrastruk-
turerhaltungsmaßnahmen zur Bereitstellung eines funktionstüchtigen Ver-
kehrsnetzes finanziert werden;

17. die europäische Initiative zur Einrichtung von EU-Projektanleihen durch
die Europäische Investitionsbank (EIB) zur Finanzierung von Maßnahmen
im Verkehrssektor kritisch zu begleiten und dabei auf die Wahrung der Sta-
bilität des europäischen Finanzsystems zu achten;

18. die Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur im Rahmen von Öffentlich- Pri-
vaten Partnerschaften (ÖPP) mindestens unter den Vorbehalt der Vorteilhaf-
tigkeit für die öffentliche Hand zu stellen und die Wirtschaftlichkeitsprü-
fung auf Grundlage von fundierten Wirtschaftlichkeitsdaten zu stellen. Eine
verpflichtende Prüfung einer Beschaffung im Rahmen von ÖPP für jedes
öffentliche Verkehrsinfrastrukturvorhaben ist im Sinne der Vermeidung
vermehrter Bürokratiekosten abzulehnen;

19. sich auf europäischer Ebene für einen finanziellen Lastenausgleich für
Deutschland als Transitland und die damit verbundenen Kosten einzusetzen;

20. sich für eine europaweite Abstimmung der Prioritätensetzung für die Um-
setzung eines funktionierenden europäischen Verkehrsnetzes einzusetzen
und hierfür zielorientierte Qualitätskriterien als Entscheidungskriterien zu
definieren, die nicht in erster Linie Reisezeitverkürzungen und Hochge-
schwindigkeitskorridore priorisieren, sondern Zuverlässigkeit, Planbarkeit,
kurze Fahrplantakte, welche Staus und Überlastung vermeiden und die
Sicherheit, Bezahlbarkeit, Zugänglichkeit, Barrierefreiheit und Mindest-
servicestandards in den Vordergrund stellen;

Drucksache 17/7177 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

21. die Europäische Kommission aufzufordern, die Investitionsstrategie der
Europäischen Union dahingehend zu prüfen, inwieweit sie mit den nationa-
len Vorgaben der Infrastrukturplanung der EU-Mitgliedstaaten bei Erhal-
tungs-, Neubau- und Ausbaumaßnahmen kompatibel ist, und darauf hinzu-
wirken, dass sie gegebenenfalls angepasst wird;

22. auf europäischer Ebene dafür zu werben, die vorhandene Infrastruktur in-
telligent zu nutzen und mit innovativen Steuerungstechnologien Staus und
Überlastung des Systems entgegenzuwirken;

23. bei den Vorbereitungen für einen zukünftigen Bundesverkehrswegeplan
2015 die Belange der europäischen Verkehrspolitik einzubeziehen und um-
fassend zu berücksichtigen;

24. Deutschland als innovativen Industrie- und Forschungsstandort der Fahr-
zeugbranche und der gesamten Verkehrsinfrastrukturwirtschaft zu stärken
und im internationalen Weltmarkt konkurrenzfähig zu halten;

25. Deutschland als Wirtschaftsstandort im europäischen Kontext durch die
Entwicklung innovativer Mobilitätskonzepte und einer integrierten, inter-
modalen Netzplanung mit einer nahtlosen, klimafreundlichen und sozial ge-
rechten „Von-Tür-zu-Tür-Beförderung“ voranzubringen;

26. sich dafür einzusetzen, dass die Entwicklung deutscher Innovationen im
Bereich des kombinierten Verkehrs und zur Verbesserung der Effizienz des
innereuropäischen Verkehrs durch die vorhandenen europäischen Förder-
strukturen unterstützt werden;

27. den Schutz vor Verkehrslärm stärker im EU-Weißbuch Verkehr zu veran-
kern und gerade auch bei der Entwicklung CO2-freier Innenstädte als
Aspekt urbaner Lebensqualität mit zu berücksichtigen sowie in den Außen-
bereichen als EU-Standard zu etablieren;

28. sich für eine europäische Regelung zur lärmmindernden Umrüstung von
Güterwaggons einzusetzen und durch europäische Vorgaben eine einheit-
liche Internalisierung der Schienenlärmkosten durch ein lärmabhängiges
Trassenpreissystem in den EU-Mitgliedstaaten zu erreichen;

29. sich für die Fortsetzung von NAIADES (Integriertes europäisches Aktions-
programm für die Binnenschifffahrt von 2006–2013) über das Jahr 2013
hinaus einzusetzen und dabei insbesondere bei der umweltfreundlichen
Flottenmodernisierung Schwerpunkte zu setzen;

30. sich für eine innereuropäische Abstimmung und die grenzüberschreitende
Entwicklung von Transport- und Logistikkonzepten einzusetzen, um die
Effizienz des europäischen Verkehrssystems zu verbessern und unnötige
Verkehre in Europa zu vermeiden;

31. sich für faire Wettbewerbsbedingungen und faire Arbeitsbedingungen im
Verkehrssektor einzusetzen und sich im Rahmen des Strukturwandels in
Europa verstärkt für Mindestlöhne, Tarifbindungen, Arbeitsschutzmaßnah-
men und Mitbestimmung einzusetzen;

32. sich für faire Arbeitsbedingungen innerhalb der EU über die avisierten
branchenbezogenen „Sozialdialoge“ hinaus einzusetzen;

33. sich dafür einzusetzen, dass im Hinblick auf die Zielvorgabe für die Sen-
kung der Zahl der Unfallopfer die Leitlinien für die Politik im Bereich der
Straßenverkehrssicherheit 2011 bis 2020 in das Weißbuch Verkehr über-
nommen werden müssen;

34. sich dafür einzusetzen, dass im Hinblick auf die Verkehrssicherheit Stan-

dards bei Fahrzeugteilzulassungen nur dann EU-weit harmonisiert werden,
wenn als Folge deutsche Standards nicht abgesenkt werden müssen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/7177

35. sich dafür einzusetzen, dass es bei möglichen Anpassungen von Maßen und
Gewichten im Güterkraftverkehr nicht zu einer generellen Zulassung von
Long-Lkw bzw. Gigalinern kommt;

36. sich im Rahmen der Fortentwicklung der europäischen Vorgaben zur Inter-
nalisierung der externen Kosten und der Euro-Vignettenrichtlinie für eine
weitestgehende Internalisierung externer Kosten einzusetzen, sofern sie
nicht durch Steuern und Abgaben internalisiert sind. Eine Einbeziehung von
Stau- und Unfallkosten ist dabei kritisch zu bewerten.
Darüber hinaus ist eine Zweckbindung der Einnahmen für Investitionen in
die Verkehrsinfrastruktur zu unterstützen. Bei der nationalen Umsetzung ist
eine Weiterentwicklung der Lkw-Maut hinsichtlich der Fahrzeugklassen
und der zu bemautenden Verkehrswege zu prüfen. Eine europaweite Har-
monisierung der Bemautung ist anzustreben;

37. sich auf EU-Ebene klar und eindeutig gegen eine verpflichtende Trennung
von Netz und Betrieb im Schienenverkehr jetzt und in Zukunft einzusetzen;

38. sich auf EU-Ebene für die Erarbeitung von objektiven Kriterien, die ziel-
genaue Definition der sogenannten konzeptionellen Säule als Grundlage für
die objektive Ermittlung von Vorhaben durch die EU-Kommission zur Fort-
schreibung der TEN-V-Projekte einzusetzen, aber auch für ein aktives Mit-
spracherecht der einzelnen Mitgliedstaaten bei den Infrastrukturplanungen
und Planungsvorhaben der EU-Kommission Sorge zu tragen;

39. sich zum geplanten Start des europäischen Emissionshandels im Luftver-
kehr zum 1. Januar 2012 für faire und gleichberechtigte Wettbewerbsbedin-
gungen im europäischen und internationalen Rahmen einzusetzen;

40. sich gegen eine weitere Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste im Luft-
verkehr einzusetzen unter der besonderen Berücksichtigung der Situation
der Beschäftigten und der Garantie der Sicherheit im Luftverkehr;

41. auf europäischer Ebene im Rahmen von Studien und Modellprojekten neue
Ansätze für die Ausgestaltung eines umweltfreundlichen Stadt- und Pendel-
verkehrs, für die Stärkung der finanziellen Handlungsfähigkeit der europä-
ischen Städte und Gemeinden bei der Umsetzung von Infrastrukturmaßnah-
men und einer umwelt- und mobilitätsgerechten Stadtentwicklung sowie
des bezahlbaren öffentlichen Personennahverkehrs als Daseinsvorsorge zu
entwickeln;

42. auf europäischer Ebene für die Bedeutung einer gut ausgebauten Fahrrad-
infrastruktur in den europäischen Mitgliedstaaten zu werben und sich für
eine Verpflichtung zur Fahrradmitnahme im Schienenverkehr einzusetzen,
um den Fahrradverkehr als Form der klimafreundlichen Mobilität in den
Fokus der europäischen Verkehrspolitik zu rücken;

43. auf europäischer Ebene eine Initiative mit dem Ziel zu ergreifen, alle Ver-
kehrsunternehmen zur Teilnahme an einer verkehrsträgerübergreifenden
Schlichtung bei Kundenbeschwerden zu verpflichten, um den Verbrauche-
rinnen und Verbrauchern einen einfachen Zugang zu alternativen Streitbei-
legungsmechanismen zu eröffnen, damit die Einhaltung der Kundenrechte
zu verbessern und die Attraktivität des öffentlichen Personenverkehrs ins-
gesamt zu erhöhen;

44. sich für starke Bürgerbeteiligung beim Strukturwandel in Richtung einer
neuen Mobilität der Zukunft einzusetzen und als Kriterium bei der Ex-ante-
Evaluierung für Infrastrukturprojekte zu berücksichtigen sowie in die
Ex-ante-Bewertung nicht nur Infrastruktur, sondern auch Sozialkriterien
aufzunehmen, um eine weitreichende Akzeptanz in der EU-Bevölkerung zu

schaffen;

Drucksache 17/7177 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
45. die weltweite Entwicklung des Pkw-Verkehrs für den Klimaschutz zu be-
rücksichtigen und sich auf europäischer, aber auch internationaler Ebene für
eine alternative, klimafreundliche und ressourcenschonende Mobilität ein-
zusetzen;

46. bei der Einführung von Agrar- oder alternativen Kraftstoffen für Akzeptanz
bei Bürgern und Wirtschaft bei der Markteinführung zu sorgen sowie die
Nachhaltigkeitszertifizierung weiterzurentwickeln und neben der Erfassung
und dem Einbezug von indirekter und direkter Landnutzung auch soziale
Kriterien einzubeziehen;

47. Optimierungsstrategien für die Mehrfachnutzung von pflanzlichen Roh-
stoffen zu entwickeln.

Berlin, den 27. September 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.