BT-Drucksache 17/7152

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Harald Weinberg, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -17/241- Praxisgebühr und andere Zuzahlungen abschaffen - Patientinnen und Patienten entlasten

Vom 26. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7152
17. Wahlperiode 26. 09. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Harald Weinberg, Karin
Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/241 –

Praxisgebühr und andere Zuzahlungen abschaffen – Patientinnen und Patienten
entlasten

A. Problem

Nach Auffassung der Antragsteller sind Praxisgebühr und Zuzahlungen in der
gesetzlichen Krankenversicherung unsozial und unsolidarisch und als Instru-
ment zur Steuerung der Nachfrage nach medizinischen Leistungen nicht wirk-
sam.

Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, alle Zuzahlungen inklusive der
Praxisgebühr abzuschaffen. Zur Gegenfinanzierung der entstehenden Minder-
einnahmen sollen sowohl Beitragsbemessungs- als auch Pflichtversicherungs-
grenze angehoben werden.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimm-
enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Zur Refinanzierung der Einnahmeausfälle sollen Beitragsbemessungs- und

Pflichtversicherungsgrenze entsprechend erhöht werden.

Drucksache 17/7152 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/241 abzulehnen.

Berlin, den 23. September 2011

Der Ausschuss für Gesundheit

Dr. Carola Reimann
Vorsitzende

Harald Weinberg
Berichterstatter

e. V., ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Ver- Versicherte gingen oft gar nicht oder zu spät zum Arzt. Das

band der privaten Krankenversicherung e. V. (PKV), Ver-
braucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv), Verein Demo-
kratischer Ärztinnen und Ärzte (VDÄÄ), Volkssolidarität –

habe zur Folge, dass Krankheiten zu spät erkannt und behan-
delt würden. Dadurch würden die Ausgaben der gesetzlichen
Krankenversicherung letztendlich nicht gesenkt, sondern er-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7152

Bericht des Abgeordneten Harald Weinberg

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/241 in seiner 12. Sitzung am 17. Dezember 2009 in ers-
ter Lesung beraten und an den Ausschuss für Gesundheit
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Nach Auffassung der Antragsteller sind Praxisgebühr und
andere Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversiche-
rung unsozial, weil ärmere Menschen stärker belastet wer-
den, und unsolidarisch, weil Gesunde nicht mehr für Kranke
einstünden. Zudem seien sie als Instrument zur Steuerung
der Nachfrage nach medizinischen Leistungen nicht wirk-
sam, da diese i. d. R. von der ärztlichen Verordnung abhän-
gig ist.

Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, alle Zuzah-
lungen inklusive der Praxisgebühr abzuschaffen. Zur Gegen-
finanzierung der entstehenden Mindereinnahmen sollten die
Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der gesetzlichen
Rentenversicherung (West) sowie die Pflichtversicherungs-
grenze im entsprechenden Maße angehoben werden. Aller-
dings könne die Finanzierung der gesetzlichen Krankenver-
sicherung nur durch die solidarische, paritätische Bürgerin-
nen- und Bürgerversicherung auf eine stabile Basis gestellt
werden.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner 31. Sitzung am
9. Februar 2011 seine Beratungen zu dem Antrag der Frak-
tion DIE LINKE. auf Drucksache 17/241 aufgenommen und
beschlossen, eine öffentliche Anhörung durchzuführen.

Die Anhörung fand in der 38. Sitzung am 13. April 2011
statt. Als sachverständige Verbände waren eingeladen: Bun-
desarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen und -Initiati-
ven (BAGP), Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von
Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e. V. (BAG SELBSTHILFE), Bun-
desverband Medizintechnologie e. V. (BVMed), Bundesver-
einigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. (BDA),
dbb beamtenbund und tarifunion, Deutsche Arbeitsgemein-
schaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG), Deutsche Kran-
kenhausgesellschaft e. V. (DKG), Deutscher Behindertenrat
(DBR), Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Deutscher
Verband für Physiotherapie – Zentralverband der Physiothe-
rapeuten/Krankengymnasten e. V. (ZVK), GKV-Spitzenver-
band, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Kassen-
zahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), Sozialverband
Deutschland e. V. (SoVD), Sozialverband VdK Deutschland

als Ausschussdrucksachen verteilten Stellungnahmen der
Sachverständigen wird Bezug genommen.

Zur Drucksache 17/241 hat dem Ausschuss eine Petition
vorgelegen. Der Petenten fordert, dass Zuzahlungen und
Praxisgebühr abgeschafft werden, weil sie unsozial und un-
solidarisch seien und auch als Steuerungsinstrument der In-
anspruchnahme von Gesundheitsleistungen ihre Funktion
nicht erfüllten. Der Petition wurde nicht stattgegeben. Durch
die Zuzahlungen soll in erster Linie das Kostenbewusstsein
der Versicherten geweckt und nicht die Nachfrage gesteuert
werden. Beide Instrumente sind auch nicht unsozial und un-
solidarisch, weil zum einen die Möglichkeit besteht, sich bei
finanzieller Überforderung von der Zuzahlungspflicht be-
freien zu lassen. Zum anderen werden Praxisgebühr und
weitere Zuzahlungen bei Inanspruchnahme von Präventions-
maßnahmen nicht erhoben. Auch hat die Einführung der Pra-
xisgebühr langfristig nicht zur Abnahme der Arztbesuche
geführt.

In der 48. Sitzung am 21. September 2011 hat der Ausschuss
seine Beratungen abgeschlossen. Als Ergebnis empfiehlt der
Ausschuss für Gesundheit mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Antrag auf Drucksache
17/241 abzulehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU lehnte den Antrag mit dem
Hinweis ab, dass zum einen Zuzahlungen und Praxisgebühr
sehr wohl eine Steuerungsfunktion hätten und gleichzeitig
das Kostenbewusstsein stärkten. Zum anderen seien die von
der Fraktion DIE LINKE. vorgeschlagenen Gegenfinanzie-
rungsmaßnahmen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht
realisierbar. Somit müssten die aus der Abschaffung von
Zuzahlungen und Praxisgebühr resultierenden Minderein-
nahmen der gesetzlichen Krankenversicherung von rund
5,5 Mrd. Euro entweder durch eine Beitragserhöhung, die
bei einem halben Prozentpunkt liege müsste, oder durch die
Erhebung eines Zusatzbeitrages gegenfinanziert werden.
Das könne nicht im Sinne der Versicherten sein.

Die Fraktion der FDP lehnte den Antrag ebenfalls grund-
sätzlich ab. Die Abschaffung von Zuzahlungen und Praxis-
gebühr bedeute für die gesetzliche Krankenkassen Minder-
einnahmen von mehr als 5 Mrd. Euro im Jahr. Um diesen
Ausfall zu kompensieren, müsse entweder der Versiche-
rungsbeitrag um 0,5 Prozentpunkt oder der Zusatzbeitrag der
Krankenkassen durchschnittlich um 8 Euro angehoben wer-
den. Die Bemessungsgrenzen immer weiter zu erhöhen, wie
es die Fraktion DIE LINKE. vorschlage, sei auf Grund des
Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht möglich.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, Zuzahlungen und
Praxisgebühr müssten abgeschafft werden, weil sie unsozial
und unsolidarisch seien. Denn finanziell schlechter gestellte
Bundesverband e. V. (VS). Als Einzelsachverständiger war
Dr. Dr. Jens Holst eingeladen. Auf das Wortprotokoll und die

höht. Zudem werde das Solidarprinzip, dass Gesunde für
Kranke einstünden, ausgehöhlt. Zur Gegenfinanzierung der

Drucksache 17/7152 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

geringeren Einnahmen müsse die Beitragsbemessungsgren-
ze auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung
(West) angehoben und die Pflichtversicherungsgrenze ent-
sprechend erhöht werden, was auch den Wechsel in die pri-
vate Krankenversicherung erschweren werde.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teilte zwar die
Zielsetzung des Antrags, allerdings müsse die Abschaffung
der Zuzahlungen und der Praxisgebühr Teil eines Gesamt-
konzeptes sein und keine Einzelmaßnahme. Denn dadurch
fehlten der gesetzlichen Krankenversicherung Einnahmen
von rund 5,5 Mrd. Euro. Außerdem würden durch die An-
hebung der Beitragsbemessungsgrundlage nur bestimmte
Personengruppen stärker belastet, was abgelehnt werde. Die

Berlin, den 23. September

Harald Weinberg
Berichterstatter

H. Heene
ese
gruppen durch eine Einzelmaßnahme finanziell belastet wer-
den sollten. Deswegen werde man den Antrag ablehnen.

2011
Beitragsbemessungsgrundlage müsse vielmehr durch das
Einbeziehen weiterer Einkommensarten verbreitert und die
Versicherungspflichtgrenze aufgehoben werden. Im Rahmen
eines Gesamtkonzepts Bürgerversicherung sei auch die Er-
höhung der Beitragsbemessungsgrenze richtig. Aus den ge-
nannten Gründen werde sich die Fraktion bei der Abstim-
mung enthalten.

Die Fraktion der SPD führte aus, dass die Abschaffung von
Zuzahlungen und Praxisgebühr nicht zielführend sei. Man
stimme den Ausführungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zu, dass die alleinige Erhöhung der Beitragsbe-
messungsgrundlage nicht zielführend sei. Auch die Fraktion
der SPD vertrete die Auffassung, dass ein Gesamtkonzept er-
forderlich sei und nicht willkürlich bestimmte Personen-
mann

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