BT-Drucksache 17/7082

zu dem Antrag der Abgeordneten Hilde Mattheis, Dr. Karl Lauterbach, Bärbel Bas, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD -17/2480- Neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einführen - Chancen zu nötigen Veränderungen nutzen

Vom 23. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7082
17. Wahlperiode 23. 09. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Hilde Mattheis, Dr. Karl Lauterbach, Bärbel Bas,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/2480 –

Neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einführen – Chancen zu nötigen Veränderungen
nutzen

A. Problem

Nach Auffassung der Antragsteller wird der Begriff der Pflegebedürftigkeit
(§ 14 des Elften Buches Sozialgesetzbuch – SGB XI) seit der Einführung der
Pflegeversicherung im Jahr 1995 als zu stark verrichtungsbezogen und zu ein-
seitig somatisch ausgerichtet kritisiert. Wichtige Aspekte wie insbesondere die
soziale Teilhabe blieben unberücksichtigt. Der seit Januar 2009 vorliegende
Abschlussbericht des Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs
enthalte Vorschläge für einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues
Begutachtungsassessment (NBA), die auf einem ganzheitlichen und kontext-
bezogenen Ansatz zur Erfassung der Lebenslagen pflegebedürftiger Menschen
basierten und die sich statt an deren Handlungsdefiziten am Kriterium des Selb-
ständigkeitsgrades orientierten.

B. Lösung

Der Deutsche Bundestag solle die Arbeitsergebnisse des Beirats würdigen und
sich dessen Kritik am geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriff zu eigen machen.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Deutschen Bundestag über die Er-
gebnisse ihrer Überprüfung der möglichen Auswirkungen eines neuen Pflegebe-
dürftigkeitsbegriffs auf die Gestaltung der Pflegeversicherung und anderer Leis-
tungssysteme zu unterrichten sowie einen Gesetzentwurf zur Einführung eines
neuen Pflegedürftigkeitsbegriffs vorzulegen. Mit dem Gesetz solle ein Paradig-
menwechsel hin zu einer ganzheitlichen Sicht auf den pflegebedürftigen Men-
schen vollzogen werden. Zudem solle es dazu beitragen, den sozialen Teilhabe-

anspruch und eine höhere individuelle Selbständigkeit der Pflegebedürftigen zu
realisieren.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

Drucksache 17/7082 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7082

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/2480 abzulehnen.

Berlin, den 22. September 2011

Der Ausschuss für Gesundheit

Dr. Carola Reimann
Vorsitzende

Willi Zylajew
Berichterstatter

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner dürfe. Die Gesundheitspolitik habe die Aufgabe, die geeig-

74. Sitzung am 21. September 2011 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei

neten Rahmenbedingungen dafür zu setzen, dass die Pflege-
bedürftigen ihren Anspruch auf Sicherheit und Hilfe
realisieren könnten. Mit der Verabschiedung des Pflege-Wei-
Drucksache 17/7082 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Willi Zylajew

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/2480 in seiner 100. Sitzung am 25. März 2011 in erster
Lesung beraten und zur federführenden Beratung an den
Ausschuss für Gesundheit überwiesen. Außerdem hat er ihn
zur Mitberatung an den Ausschuss für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Arbeit und
Soziales sowie an den Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Nach Auffassung der Antragsteller wird der Begriff der
Pflegebedürftigkeit (§ 14 SGB XI) seit der Einführung der
Pflegeversicherung im Jahr 1995 als zu stark verrichtungs-
bezogen und zu einseitig somatisch ausgerichtet kritisiert.
Wichtige Aspekte wie insbesondere die soziale Teilhabe
blieben unberücksichtigt. Der seit Januar 2009 vorliegende
Abschlussbericht des im Jahr 2006 eingerichteten Beirats
zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs enthalte
Vorschläge für einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und
ein neues Begutachtungsassessment (NBA), die auf einem
ganzheitlichen und kontextbezogenen Ansatz zur Erfassung
der Lebenslagen pflegebedürftiger Menschen basierten und
sich statt an deren Handlungsdefiziten am Kriterium des
Selbständigkeitsgrades orientierten.

Der Deutsche Bundestag solle die Arbeitsergebnisse des
Beirats würdigen und sich dessen Kritik am geltenden Pfle-
gebedürftigkeitsbegriff zu eigen machen. Die Bundesregie-
rung wird aufgefordert, den Deutschen Bundestag über die
Ergebnisse ihrer Überprüfung der möglichen Auswirkun-
gen eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs auf die Gestal-
tung der Pflegeversicherung und anderer Leistungssysteme
zu unterrichten sowie einen Gesetzentwurf zur Einführung
eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs vorzulegen. Mit
dem Gesetz solle ein Paradigmenwechsel hin zu einer ganz-
heitlichen Sicht auf den pflegebedürftigen Menschen voll-
zogen werden. Zudem solle er verschiedene Regelungen
enthalten, die dazu beitrügen, den sozialen Teilhabean-
spruch und eine höhere individuelle Selbständigkeit der
Pflegebedürftigen zu realisieren.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz hat in seiner 46. Sitzung am 21. Sep-
tember 2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. beschlossen zu empfehlen, den Antrag
auf Drucksache 17/2480 abzulehnen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat in seiner 47. Sitzung am 21. September 2011 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
beschlossen zu empfehlen, den Antrag auf Drucksache 17/
2480 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Gesundheit hat seine Beratungen über
den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/2480 in
seiner 48. Sitzung am 21. September 2011 aufgenommen
und abgeschlossen. Als Ergebnis empfiehlt er mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE., den Antrag
der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/2480 abzulehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU merkte an, dass sie mit dem in
der Präambel zum Abschlussbericht des Beirats zur Über-
prüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs enthaltenen Be-
kenntnis zum Recht der Pflegebedürftigen auf eine men-
schenwürdige Pflege übereinstimmten. Die Koalitionsfrak-
tionen der CDU/CSU und FDP hätten sich auf das Ziel
verständigt, noch in dieser Wahlperiode einen neuen Pflege-
begriff einzuführen. Wenn man die bestehenden drei Pflege-
stufen durch die von dem Beirat vorgeschlagenen fünf Be-
darfsgrade ersetzen wolle, dann müssten aber auch Fragen
der praktischen Umsetzbarkeit und insbesondere des büro-
kratischen Aufwands beantwortet werden. Eine Differenzie-
rung in fünf Stufen sei sicherlich die im Vergleich zur gelten-
den Klassifizierung gerechtere Lösung, sie verursache aber
auch einen höheren Umsetzungsaufwand. Daher sei es erfor-
derlich, vor einer gesetzlichen Festlegung auf dieses Modell
noch einmal den Rat des Beirats einzuholen.

Die Fraktion der FDP betonte, dass die Koalitionsfraktio-
nen der CDU/CSU und FDP, anders als seinerzeit die Koa-
litionsfraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
intensiv über die Perspektiven einer Reform des Pflegebe-
dürftigkeitsbegriffs diskutiere. Es gehe darum, den Begriff
so auszugestalten, dass er auch den Bedürfnissen von
Demenzkranken und deren Angehörigen angemessen Rech-
nung trage. Die von dem Beirat zur Überprüfung des Pflege-
bedürftigkeitsbegriffs vorgeschlagene neue Definition von
Pflegebedürftigkeit erfordere einen längeren Umsetzungs-
prozess, der sorgfältig vorbereitet werden müsse.

Die Fraktion der SPD erklärte, spätestens seit 2009, als der
Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs sei-
nen Bericht vorgelegt habe, sei offensichtlich, dass der Pfle-
gebedürftigkeitsbegriff dringend einer Überarbeitung be-
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. beschlossen zu
empfehlen, den Antrag auf Drucksache 17/2480 abzulehnen.

terentwicklungsgesetzes 2008 sei bereits ein wichtiger
Schritt in diese Richtung getan worden. Die amtierende Bun-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7082

desregierung habe es hingegen bisher versäumt, die Reform
weiterzuführen. Der noch von der damaligen Bundesminis-
terin für Gesundheit, Ulla Schmidt, eingesetzte Beirat habe
hierfür wichtige Vorarbeiten geleistet. Seine Vorschläge
müssten jetzt in konkrete Regelungen umgesetzt werden.

Die Fraktion DIE LINKE. wies darauf hin, dass der ehe-
malige Bundesminister für Gesundheit, Dr. Philipp Rösler,
das Jahr 2011 zum Jahr der Pflege ausgerufen habe, das nun
faktisch abgesagt sei. Es bestehe dringender Handlungs-
bedarf, den Pflegebedürftigkeitsbegriff nach den Empfeh-
lungen des Beirates umzusetzen. Die Pflegeversicherung sei
aufgrund ihres Teilkaskocharakters unterfinanziert. Die
Analyse der Fraktion der SPD werde geteilt, obwohl Aus-
sagen zur Finanzierung fehlten. Die Fraktion DIE LINKE.
fordere eine deutliche Anhebung des Leistungsniveaus.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN merkte an,
dass sie den Antrag unterstützten, weil auch sie die Einfüh-
rung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs für notwendig
hielten. Es sei an der Zeit, die von dem Beirat zur Überprü-
fung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs vorgeschlagene Diffe-
renzierung in fünf Pflegestufen umzusetzen. In dem Antrag
fehlten allerdings Ausführungen zu der Frage, welche finan-
ziellen Auswirkungen die Umstellung auf das erweiterte Ka-
tegoriensystem haben werde und wie even tuelle Mehrkosten
finanziert werden sollten.

Berlin, den 22. September 2011

Willi Zylajew
Berichterstatter

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.