BT-Drucksache 17/6934

Holzhandel und Verdacht humanitärer Probleme bei PEFC-zertifizierter Waldwirtschaft der Tschechischen Republik

Vom 6. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6934
17. Wahlperiode 06. 09. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Wolfgang Gehrcke, Ralph Lenkert,
Sabine Stüber, Alexander Süßmair und der Fraktion DIE LINKE.

Holzhandel und Verdacht humanitärer Probleme bei PEFC-zertifizierter
Waldwirtschaft der Tschechischen Republik

Der Handel mit Holz und Holzprodukten ist international. Bäume aus Wäldern
der Bundesrepublik Deutschland werden auf die andere Seite des Globus ver-
schifft, gleichzeitig werden Unmengen von Hölzern nach Deutschland im-
portiert. Im Waldbericht 2009 werden für das Jahr 2007 Rohholzimporte von
5,1 Millionen m3 und Exporte von 7,6 Millionen m3 angegeben.

Im Fokus der öffentlichen Debatte stehen oftmals Importe aus tropischen Wäl-
dern, wo Raubbau und illegale Holznutzung so erhebliche negative Auswirkun-
gen auf Mensch und Umwelt haben, dass sich die EU zum Eingreifen gezwun-
gen sah. Holzimporte aus EU-Mitgliedstaaten werden hingegen auch von den
Medien kaum unter die Lupe genommen. Umso mehr ließ der Artikel der „Süd-
deutsche Zeitung“ (SZ) „Einsam im Wald“ vom 16. Juli 2011 aufhorchen.

Im Artikel wird die Arbeitssituation von asiatischen Migrantinnen und Migran-
ten in den Staatsforsten der Tschechischen Republik als „eine neue Form der
Sklaverei“ beschrieben. Zwischen 1 500 und 2 000 Menschen aus Vietnam, der
Slowakei, der Ukraine, der Mongolei, Rumänien und Bulgarien wurden in den
tschechischen Staatsforsten für Baumpflanzungen und andere Waldarbeiten ein-
gesetzt, ohne einen entsprechenden Lohn dafür zu erhalten. „Nach einer kärg-
lichen Einstandszahlung wurden sie immer wieder vertröstet“, so der Autor.
Beschwerden und Anzeigen seien vergebens gewesen. Erst nachdem sich Men-
schenrechtsaktivisten und Anwälte der Sache angenommen hätten, wurden die
tschechischen Behörden aktiv. Die Organisation für Sicherheit und Zusammen-
arbeit in Europa (OSZE) soll den Vorfall als „einen der gravierendsten Fälle von
Menschenhandel“ bewertet haben.

Die Staatsforsten der Tschechischen Republik sind mit einem internationalen
Waldzertifikat ausgezeichnete Holzproduzenten. Sie tragen das PEFC-Siegel
(PEFC: Programme for the Endorsement of Forest Certification schemes). Laut
der Homepage www.pefc.de zeigen „Betriebe, die nach PEFC zertifiziert sind,
Engagement für die Umwelt und ihre Verantwortung im Umgang mit dem un-
verzichtbaren Roh- und Werkstoff Holz. PEFC ist ganzheitliche Nachhaltigkeit:

ein integratives Konzept, das ökologische, soziale und ökonomische Aspekte
verbindet. Und PEFC ist der Garant für eine kontrollierte Verarbeitungskette –
unabhängig überwacht, lückenlos nachvollziehbar und nachhaltig. Von unseren
zertifizierten Wäldern über Holz verarbeitende Betriebe bis zum Endprodukt im
Regal.“

Diese Aussagen scheinen zumindest für die Staatsforsten der Tschechischen Re-
publik im Widerspruch zum im „SZ“-Artikel beschrieben Sachverhalt zu stehen.

Drucksache 17/6934 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Daraus ergeben sich Fragen insbesondere hinsichtlich des innergemeinschaft-
lichen Holzhandels und der Position der Bundesregierung zur Wald- und Holz-
zertifizierung.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wurde bzw. wurden in den Jahren 2005 bis 2010 Holz oder Holzprodukte
aus den Staatsforsten der Tschechischen Republik in die Bundesrepublik
Deutschland importiert?
Wenn ja, in welchem Umfang (bitte aufschlüsseln nach Jahr, Importeur und
Festmeter)?

2. Welche Informationen hat die Bundesregierung zur Zertifizierung der
Staatsforsten der Tschechischen Republik?

3. Seit wann hat die Bundesregierung von dem im „SZ“-Artikel beschriebenen
Sachverhalt in den Staatsforsten der Tschechischen Republik Kenntnis, und
wann und zu welcher Gelegenheit hat sie diesen in bi- oder multilateralen
Gesprächen zum Thema gemacht?
Falls sie das noch nicht getan hat, warum nicht?

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob die in Verdacht ste-
henden Firmen ebenfalls Holzhandel in der Bundesrepublik Deutschland
betreiben?

5. Haben die im Verdacht stehenden Firmen, Niederlassungen oder Tochter-
firmen in der Bundesrepublik Deutschland, und wo sind diese tätig?

6. Halten deutsche Firmen Beteiligungen an den in Verdacht stehenden Fir-
men?
Wenn ja, welche Firmen, und in welcher Höhe sind sie engagiert?

7. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die betroffenen Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezüglich ihrer Nationalität vor?

8. Wie kann der Import von Holz oder Holzprodukten, bei deren Produktion
die Menschenrechte oder Umweltgesetze nicht eingehalten wurden, im
Handel mit EU-Mitgliedstaaten verhindert werden?

9. Gibt es hierbei eine unterschiedliche Herangehensweise zwischen Importen
aus EU-Mitgliedstaaten und aus Drittländern?

10. Welche ähnlichen Fälle von Beschäftigung von nicht EU-Bürgerinnen und
- Bürgern mit Lohnunterschlagung hat es nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in der EU seit 2005 gegeben (bitte angeben: Jahr, Land, Branche, Be-
trieb)?

11. Kann durch eine solche Berichterstattung für die einheimischen PEFC-zer-
tifizierten Wälder ein Imageverlust entstehen, und wie wirkt die Bundes-
regierung diesem entgegen, bzw. welche Schlussfolgerungen hält sie für
notwendig?

12. Hält die Bundesregierung vor diesem Hintergrund an der Gleichbehandlung
der Zertifizierungssysteme FSC (Forest Stewardship Council) und PEFC in
der Beschaffungsrichtlinie und im Rahmen der nationalen Strategie zur
biologischen Vielfalt fest (bitte begründen)?

Berlin, den 5. September 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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